14.

Er brauchte nicht lange, um seine Kleider in den beiden abgewetzten Koffern zu verstauen, mit denen er gekommen war. Seine ohnehin bescheidene Habe war noch weiter zusammengeschmolzen; das gestern Nacht getragene Hemd und die Hose konnte er nur noch wegwerfen, und auch die Kleider, die er auf dem Friedhof getragen hatte, waren vermutlich nicht mehr zu retten. Mogens stopfte alles, was noch übrig war, unordentlich in den Koffer und wandte sich dann dem Regal zu, um die mitgebrachten Bücher auszusortieren.

Die Tür ging auf, und Mogens spürte, wie jemand hereinkam und nach zwei schweren Schritten stehen blieb.

»Nur keine Bange«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Ich nehme nur mit, was mir gehört. Deinen kostbaren Originalen wird nichts geschehen.«

»Aber das weiß ich doch, mein lieber Professor«, sagte eine Stimme hinter ihm, die ganz eindeutig nicht Jonathan Graves gehörte. »Sie würden doch niemals etwas anrühren, das nicht Ihnen gehört.«

Mogens fuhr herum und erstarrte für geschlagene fünf Sekunden mitten in der Bewegung. Er konnte selbst spüren, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.

»Miss Preussler?«

»Es ist schön, dass Sie mich noch erkennen, nach all der Zeit«, sagte Miss Preussler spöttisch. Sie war es tatsächlich. Es war vollkommen unmöglich, ausgeschlossen und absolut lächerlich - Miss Preussler war zweieinhalbtausend Meilen weit weg, in einem Kaff am anderen Ende des Landes, und sie hatte Thompson Zeit ihres Lebens nie verlassen! Aber sie war es! Sie stand zwei Schritte hinter der Tür, mit einem abgewetzten Koffer in der linken und einen kleinen Bastkorb in der rechten Hand, aus dem Mogens zwei orangerote glühende Augen entgegenstarrten.

»Miss Preussler«, murmelte Mogens noch einmal.

»Ja, das sagten Sie bereits«, erwiderte Miss Preussler und zog eine Schnute. »Ich sollte jetzt eigentlich böse sein, Professor. Ist das vielleicht eine Art, eine gute alte Freundin zu begrüßen?«

Sie stellte den Bastkorb mit Cleopatra ab, ließ den Koffer, den sie in der anderen Hand trug, einfach fallen und breitete die Arme aus, als erwarte sie allen Ernstes, dass Mogens ihr vor Freude um den Hals fiel.

Mogens rührte sich nicht von der Stelle. Das konnte er gar nicht.

»Aber wo... ich meine: Wie kommen Sie denn hierher?«, stotterte er.

Miss Preussler ließ enttäuscht die Arme sinken. Eine Sekunde lang verlor sie die Kontrolle über ihre Physiognomie; sie sah nicht nur so aus, Mogens erkannte ganz deutlich, dass sie nahe daran war, in Tränen auszubrechen. Im nächsten Moment aber hatte sie sich wieder in der Gewalt und zwang ein - wenn auch leicht verunglücktes - Lächeln auf ihre Züge.

»Nun, es war eine recht lange und beschwerliche Reise, das gebe ich gern zu«, sagte sie. »Aber ich habe sie gerne auf mich genommen, um Sie wiederzusehen, mein Lieber.«

»So«, machte Mogens. Das war gewiss nicht unbedingt die intelligenteste aller vorstellbaren Antworten. Sie war nicht einmal besonders höflich. Aber es war alles, was er herausbrachte. Seine Gedanken drehten sich wirr im Kreis. Miss Preussler? Hier? Aber warum?

Miss Preussler seufzte. »Ja, ich sehe schon, die schiere Wiedersehensfreude hat Sie überwältigt. Ich hätte Sie vorwarnen sollen. Soll ich in die Stadt zurückfahren und Ihnen ein Telegramm schicken, oder reicht es, wenn ich noch einmal nach draußen gehe und anklopfe?«

»Nein, das... das sicher nicht.« Mogens brach ab, raffte mit einiger Mühe zumindest genug Kraft zusammen, um entschuldigend die Achseln zu heben und setzte nach einem unbehaglichen Räuspern neu an. »Bitte entschuldigen Sie mein Betragen, Miss Preussler. Ich war nur so überrascht, Sie zu sehen.«

Endlich löste er sich aus seiner Erstarrung und eilte um den Tisch herum und auf Miss Preussler zu, blieb aber vorsichtshalber in zwei Schritten Abstand wieder stehen, bevor sie seine Bewegung falsch deuten und auf die Idee kommen konnte, ihn etwa doch noch in die Arme zu schließen.

»Ich... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, sagte er. »Zuerst einmal herzlich willkommen. Aber dennoch: Wie kommen Sie hierher? Ich meine: Warum um alles in der Welt haben Sie diese lange und beschwerliche Reise auf sich genommen?«

Miss Preussler maß ihn mit einem langen, gleichermaßen spöttischen wie auch leicht tadelnden Blick, aber sie antwortete nicht sofort auf seine Frage, sondern sah sich zuerst ausgiebig und stirnrunzelnd im Zimmer um, wobei der Ausdruck auf ihrem Gesicht zunehmend missbilligender wurde.

»O je«, murmelte sie. »Wenn ich mich hier so umsehe, dann scheint es ja höchste Zeit zu sein, dass ich gekommen bin. Diesem«, sie zögerte einen Moment, als hätte sie Hemmungen, das Wort Zimmer im Zusammenhang mit dem auszusprechen, was sie sah, »... Raum fehlt ganz eindeutig die Hand einer Frau.«

Und dann tat sie etwas, was Mogens abermals ungläubig Mund und Augen aufreißen ließ: Ohne auch nur ihren Mantel abzulegen, ging sie an ihm vorbei und bückte sich nach dem unordentlichen Haufen zerrissener Kleider, der neben seinem Bett auf dem Boden lag. Mogens war nicht ganz sicher, glaubte aber, sie etwas murmeln zu hören, das sich wie »Männer!« anhörte.

»Aber Miss Preussler, ich bitte Sie!«, sagte er. »Was tun Sie denn da? Legen Sie doch erst einmal ab.«

Miss Preussler richtete sich schnaufend wieder auf, seine zerrissene Hose in der rechten und das zerfetzte Hemd in der linken Hand wie zwei Beutestücke, die sie nach langer Jagd endlich errungen hatte. »Das täte ich ja gerne, aber ich fürchte, dazu muss ich erst einmal den nötigen Platz schaffen«, sagte sie. »Professor, ich muss mich wundern. Sie waren doch immer ein so auf Ordnung bedachter Mann!«

Mogens ging zu ihr, nahm ihr die beiden zerrissenen Kleidungsstücke aus den Händen und ließ sie genau dort wieder zu Boden fallen, wo sie sie gerade aufgehoben hatte.

»Ich war gerade dabei, zu packen«, sagte er.

Miss Preussler blinzelte. »Packen?«

»Ich reise ab«, bestätigte Mogens. »Es tut mir Leid, aber ich fürchte, Sie haben sich den weiten Weg vergebens gemacht.«

»Sie bleiben nicht hier?«, vergewisserte sich Miss Preussler. Sie klang nicht enttäuscht, oder gar ärgerlich. Im Gegenteil.

»Ja«, sagte er. »Die Arbeit ist... anders, als ich mir vorgestellt habe. Ich fürchte, es war ein Fehler, überhaupt hierher zu kommen.«

Miss Preussler sparte es sich, zu antworten: Das habe ich Ihnen ja gleich gesagt, aber er konnte die Worte so deutlich in ihren Augen lesen, als hätte sie es gesagt. »Bieten Sie mir trotzdem einen Platz an?«, fragte sie.

Mogens fuhr hastig herum und zog den einzigen Stuhl heran, den es in seinem Zimmer gab. Ein Stapel Papiere lag darauf, den er hochhob und einen Moment lang fast hilflos in den Händen hielt, bevor er ihn auf die schräge Platte des Stehpults legte. Er rutschte herunter, und die Papiere verteilten sich auf dem Boden. Miss Preussler zog die Augenbrauen hoch, aber sie schwieg dazu und wartete, bis Mogens ihr aus dem Mantel geholfen hatte, und nahm dann Platz. Ihr Blick glitt viel sagend über den unordentlich überladenen Tisch, aber zu Mogens' Überraschung sagte sie auch dazu nichts.

»Ihre Arbeit hier gefällt Ihnen also nicht«, sagte sie, wobei es ihr nicht ganz gelang, einen gewissen Unterton von Zufriedenheit aus ihrer Stimme zu verbannen.

»Ja... ich meine, nein«, sagte Mogens irritiert. »Es ist nur... nicht das, was ich erwartet habe.«

»Es ist dieser schreckliche Mensch, nicht wahr? Dieser Doktor Graves.« Miss Preussler beantwortete ihre eigene Frage mit einem Nicken, das keinen Widerspruch zuließ. »Nun, dann war es ja vielleicht ganz klug von mir, Ihr Zimmer noch nicht weiterzuvermieten.«

Mogens brauchte eine geschlagene Sekunde, bis er begriff, was Miss Preussler überhaupt meinte. »Sie haben...?«

»Aber ich wusste doch, dass Sie zurückkommen, mein lieber Professor«, antwortete Miss Preussler lächelnd. »Jemand von Ihrem gebildeten Wesen kann es unmöglich lange in der Gesellschaft eines solchen Unholds wie diesem Graves aushalten. Und dann diese Umgebung hier!« Sie ließ ihren Blick demonstrativ durch das Zimmer schweifen und schüttelte dann noch demonstrativer den Kopf. »Nein, das ist nichts für Sie. Ich habe gewusst, dass Sie zurückkommen. Allerdings«, fügte sie nach einer fast unmerklichen Pause hinzu, »hätte ich nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde. Aber ich wusste, dass Sie zurückkommen.«

So oft, wie sie diesen Punkt betonte, erwartete sie offenbar eine ganz bestimmte Reaktion von Mogens. Aber er blieb sie ihr schuldig, zumindest im ersten Moment.

Mogens gestand sich ein, dass er noch gar nicht darüber nachgedacht hatte, wohin er von hier aus gehen wollte. Zurück nach Thompson? Allein die Vorstellung erfüllte ihn mit einem Entsetzen, das dem, das er bei dem Gedanken an Graves verspürte, kaum nachstand.

»Sie kommen doch zurück?«, fragte Miss Preussler direkt, als er auch nach etlichen weiteren Sekunden noch nicht antwortete. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Professor. Ich habe mit dem Dekan gesprochen. Sie können Ihren Posten wieder antreten. Man wird Ihnen eine Woche Gehalt abziehen, aber das ist auch alles. Er war zuerst nicht besonders davon angetan, das muss ich gestehen, aber es ist mir gelungen, ihn umzustimmen.« Sie lächelte verschmitzt. »Ich verfüge über gewisse Informationen über seine Schwiegertochter, von denen er offensichtlich nicht wollte, dass sie an die Öffentlichkeit gelangen.«

Mogens schwieg weiter. Natürlich würde er nach Thompson zurückkehren. Er war noch nicht so weit, es sich selbst gegenüber einzugestehen, aber tief in sich hatte er längst begriffen, dass er genau dies tun würde. Er würde nach Thompson zurückgehen, er würde seinen verhassten Posten in einem fensterlosen winzigen Büro im Keller der Universität wieder antreten und wieder in das Zimmer mit dem brandfleckigen Boden in Miss Preusslers Pension einziehen, und sein Leben würde weitergehen, als wäre seine endlose Monotonie niemals unterbrochen worden. Die Vorstellung jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Und dennoch wusste er, sein Entschluss, Graves zu begleiten, war nichts als ein letztes verzweifeltes Aufbegehren gewesen, sein allerletzter Versuch, dem zu entkommen, was aus seinem Leben geworden war, aber dieser Versuch war gescheitert, und er wusste, dass er die Kraft für einen weiteren derartigen Versuch nicht mehr aufbringen würde.

»Ja«, flüsterte er, mehr zu sich, als an Miss Preussler gewandt. »Ich komme mit Ihnen zurück.«

Miss Preussler strahlte. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, drang ein halblautes Miauen aus dem Korb, den sie neben der Tür abgesetzt hatte, gefolgt von einem ungeduldigen Kratzen.

»Cleopatra.« Miss Preussler drehte erschrocken den Kopf. »Oh, ich dumme alte Frau. Die Ärmste ist jetzt seit Stunden in diesem Korb eingesperrt.«

Sie wollte aufstehen, aber Mogens schüttelte rasch den Kopf und wandte sich zur Tür. »Bleiben Sie sitzen, Miss Preussler«, sagte er. »Ich mache das schon. Sicher muss sie raus. Wir wollen doch nicht, dass am Ende noch ein Unglück geschieht.«

Miss Preussler schwieg dazu, und Mogens wurde zu spät klar, dass diese Worte vielleicht nicht besonders klug gewählt gewesen waren, mochten sie Miss Preussler doch an einen gewissen Zwischenfall erinnern, der im Zusammenhang mit Cleopatra stand und ihr überaus peinlich gewesen war. Er sagte jedoch nichts mehr dazu, sondern ließ sich neben dem Korb in die Hocke sinken und öffnete die Verschlüsse. Er war einfach zu müde, um auf persönliche Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen.

Mogens hatte den Korb kaum geöffnet, da sprang Cleopatra mit einem zornigen Fauchen heraus und war wie ein schwarzer Blitz durch die offen stehende Haustür verschwunden. Miss Preussler sog hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein.

»Keine Sorge«, sagte Mogens rasch. »Ihr passiert schon nichts. Schließlich ist sie eine Katze.«

Trotz dieser optimistischen Worte richtete er sich auf und machte einen raschen Schritt aus der Tür, um nachzuschauen, in welche Richtung Cleopatra verschwunden war. Er konnte die Katze zwar nicht mehr sehen, doch als er sich wieder umwenden und ins Haus zurückgehen wollte, hörte er erregte Stimmen. Mogens sah hin und entdeckte Graves und Hyams, die vor einer der Hütten standen und so heftig gestikulierend miteinander stritten, dass es nahezu nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung aussah.

Gerade, als Mogens überlegte, ob er hinübergehen und versuchen sollte, den Streit zu schlichten, sah er den Ford, in dem Tom ihn hergebracht hatte, um die Ecke biegen, nur dass diesmal Mercer am Steuer saß, während McClure im Fond Platz genommen hatte. Er hielt mit leise quietschenden Bremsen unmittelbar neben Graves und der Ägyptologin an, und Mercer beugte sich ächzend über den Beifahrersitz, um die Tür zu öffnen. Graves warf sie mit einer zornigen Bewegung wieder zu. Hyams riss sie unverzüglich wieder auf und fuhr Graves so brüsk an, dass er einen Schritt zurücktrat und nicht noch einmal versuchte, sie aufzuhalten. Nur einen Moment später war Hyams eingestiegen, und Mercer fuhr so hastig los, dass zwei meterhohe Schmutzfontänen unter den Hinterrädern hochspritzten und Graves sich mit einer hastigen Bewegung in Sicherheit bringen musste. So viel zu seinem Plan, zusammen mit Mercer und den beiden anderen von hier zu verschwinden.

Miss Preussler hatte sich schon wieder erhoben und war emsig damit beschäftigt, den Tisch aufzuräumen, als er ins Haus zurückkam und die Tür hinter sich schloss. »Die Papiere sollten Sie besser selbst aufheben, Professor«, sagte sie. »Sonst werfe ich am Ende noch irgendetwas durcheinander.«

»Lassen Sie doch bitte auch alles Übrige stehen und liegen«, sagte Mogens. Miss Preussler hielt keineswegs in ihrem heiligen Kreuzzug gegen das Chaos inne, drehte aber zumindest den Kopf in seine Richtung und sah ihn fragend an. »Mit Cleopatra ist doch alles in Ordnung? Sie sehen so besorgt aus.«

»Mit Cleopatra ist alles in Ordnung«, antwortete er. »Ich fürchte nur, wir haben ein kleines Problem.«

»Ein Problem?«

»Wie es aussieht, ist uns gerade unsere letzte Mitfahrgelegenheit genommen worden.« Er machte ein fragendes Gesicht. »Wie sind Sie hierher gelangt, wenn ich fragen darf?«

»Ein freundlicher Lastwagenfahrer hat mich von San Francisco aus mitgenommen«, antwortete Miss Preussler. »Allerdings nur bis zur Stadt. Von dort aus musste ich laufen.«

»Aber das sind bestimmt drei Meilen!«

»Wem sagen Sie das?«, seufzte Miss Preussler. »Nun ja, ein kleiner Spaziergang dann und wann soll ja ganz gesund sein.«

Mogens überlegte. Der Ford war nicht das einzige Fahrzeug, das ihnen zur Verfügung stand, wohl aber das einzige, das zu fahren er sich zugetraut hätte - zumindest nachdem er Tom dabei zugesehen hatte und für das kurze Stück bis zur Stadt. Einen der schwerfälligen Lastwagen zu beherrschen traute er sich jedoch nicht zu. Es würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als Tom darum zu bitten, Miss Preussler und ihn zu fahren.

»Jetzt hören Sie doch auf, hier aufzuräumen«, sagte er sanft. »Darum kann Tom sich kümmern.«

»Ist dieser Tom derjenige, der hier für Ordnung sorgt?«, fragte Miss Preussler. Sie schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich hoffe, er erfüllt seine übrigen Pflichten etwas besser.«

Die Tür flog auf und Graves polterte herein. »Diese Dummköpfe«, fauchte er erregt. »Sie begreifen einfach nicht, dass...« Er brach mitten im Satz ab und riss ungläubig die Augen auf, als er Miss Preussler erkannte -

»Sie!«, krächzte er.

»Guten Tag, Doktor Graves«, antwortete Miss Preussler kühl.

Graves starrte sie an, schien etwas sagen zu wollen und wandte sich dann mit einem Ruck zu Mogens um. »Was geht hier vor? Was hat diese Person hier zu suchen?«

»Miss Preussler«, antwortete Mogens betont, »wird nicht lange bleiben, Jonathan, mach dir keine Sorgen. Miss Preussler ist nur gekommen, um mir einen kurzen Höflichkeitsbesuch abzustatten.«

»Ein Wort, das Ihnen anscheinend nicht sehr geläufig ist«, fügte Miss Preussler mit einem zuckersüßen Lächeln hinzu, während sie unbeirrt fortfuhr, den Tisch aufzuräumen. »Ein Gentleman hätte sich zuerst nach dem Befinden einer Dame erkundigt, bevor er sich über deren Anwesenheit beschwert.«

Graves sah aus, als träfe ihn im nächsten Augenblick der Schlag. Die Blicke, mit denen er abwechselnd Mogens und Miss Preussler maß, sprühten vor Mordlust. Aber er sprach nichts von alledem aus, was Mogens in seinen Augen las, sondern zwang sich zu einem abgehackten Nicken. »Bitte verzeihen Sie, Miss Preussler«, sagte er steif. »Ich war nur...« Er hob die Schultern. »Normalerweise ist es Außenstehenden nicht gestattet, sich auf dem Gelände aufzuhalten. Unsere Arbeit hier ist streng vertraulich. Aber in Ihrem Fall mache ich natürlich gern eine Ausnahme.« Er wandte sich direkt an Mogens. »Hyams, Mercer und McClure sind gerade abgefahren.«

»Ich habe es gesehen«, antwortete Mogens kühl. »Sagten sie nicht etwas von einer Stunde?«

»Offensichtlich haben sie es sich anders überlegt.«

»Das ist bedauerlich.« Mogens deutete auf seine erst halb gepackten Koffer. »Ich hatte gehofft, zusammen mit ihnen nach San Francisco fahren zu können. Jetzt muss ich Tom bitten, Miss Preussler und mich mit einem der Lastwagen in die Stadt zu bringen. Du hast doch nichts dagegen?«

»Im Prinzip nicht«, antwortete Graves ungerührt. »Unglückseligerweise ist Tom vor einer halben Stunde weggefahren, und ich fürchte, dass er wohl kaum vor Sonnenuntergang zurück sein wird. Und ich selbst habe noch nie ein solches Vehikel gefahren und traue es mir offen gestanden in derart schwierigem Gelände auch nicht zu.« Er lächelte flüchtig in Miss Preusslers Richtung. »Ich würde unsere kurze Bekanntschaft nur äußerst ungern damit beenden, uns alle in den Straßengraben zu befördern.«

»Soll das heißen, dass wir erst heute Abend von hier weg können?«, fragte Mogens.

Graves nickte. »Es sei denn, du möchtest mit all deinem Gepäck zu Fuß die drei Meilen in die Stadt gehen«, sagte er. »Gibt es dort ein Gasthaus?«, wollte Miss Preussler wissen. Graves nickte, ließ aber praktisch sofort ein Kopfschütteln folgen. »Schon, aber das ist wirklich kein Etablissement, das ich einer Dame empfehlen kann. Warum bleiben Sie nicht einfach hier?«

»Hier?«

»Warum nicht?«, erwiderte Graves. Er hatte seine Selbstbeherrschung jetzt endgültig zurückerlangt. »Wir haben genug Platz, jetzt, wo Doktor Hyams und die anderen abgereist sind. Morgen früh kann Tom Professor VanAndt und Sie dann direkt nach San Francisco bringen.« Er lächelte. »Und ich bekomme die Gelegenheit, Sie und den Professor zum Abendessen einzuladen, um mich auf diese Weise für mein unmögliches Benehmen zu entschuldigen.«

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