25

»Streck die linke Hand aus«, befahl ich Milo.

Er gehorchte, und ich schloß das silberne Sklavenarmband auf, nahm es ab und reichte es ihm mitsamt dem Schlüssel.

Die neue Sklavin, die dunkelhaarige Schönheit, die noch vor kurzem die Ubara von Ar gewesen war, lag noch immer bewußtlos dort am Boden, wo ich sie hingelegt hatte. Das Band um ihren Hals war mit einer Kette an einem Sklavenring befestigt. Neben ihr lag griffbereit ein Knebel.

»Ich verstehe nicht«, sagte Milo.

»Es ist Silber. Vielleicht kannst du es ja verkaufen.«

»Das meine ich nicht.«

»Und diese Dokumente gehören dir«, fuhr ich fort. »Sie sind alle in Ordnung. Ich habe sie von Tolnar und Venlisius ausstellen lassen, bevor sie gingen.«

»Dokumente, Herr?«

»Kannst du lesen?«

»Ja, Herr.«

»Nenn mich nicht Herr«, sagte ich.

Er blickte mich verständnislos an.

»Das sind Freilassungspapiere«, sagte ich. »Ich bin nicht länger dein Besitzer. Du hast keinen Herrn mehr.«

»Freilassungspapiere?«

»Du bist frei!«

Lavinia, die in der Nähe am Boden kniete, keuchte überrascht auf und starrte Milo an.

»Ich bin in meinem ganzen Leben noch kein freier Mann gewesen«, sagte er ungläubig.

»Jetzt bist du es. Du wirst das Beste daraus machen müssen.«

»Mein Herr beliebt zu scherzen. Will er mich nicht behalten?«

»Ich habe nicht mal ein Theater«, sagte ich. »Was soll

ich mit einem Schauspieler anfangen?«

»Du könntest mich verkaufen.«

»Du bist keine Frau.«

Er konnte es nicht fassen.

»Aber du trägst einen beträchtlichen Verlust davon«, stammelte er.

»Ein Tarskstück, um genau zu sein.«

Milo lächelte.

»Dafür kann man sich in einer Paga-Taverne den ganzen Abend lang ein Mädchen mieten.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich bin also frei?«

Ich nickte und gab ihm die Dokumente; er betrachtete sie und schob sie in seine Tunika.

»Ich bin als Sklave geboren worden, ich weiß gar nicht, wie ich mich als freier Mann zu verhalten habe.«

»Das werden dir schon deine Instinkte sagen«, meinte ich. »Das Leben wird deine Erziehung übernehmen.«

»Ich bin ein Mann«, sagte er.

»Das ist richtig.«

»Würdest du meine Hand schütteln?«

»Ich ergreife sie in Freundschaft«, sagte ich, »und in Freundschaft lege ich meine andere Hand auf deine Schulter. Du kannst das gleiche tun, wenn du magst.«

Und wir legten einander die Hände auf die Schultern; ich streckte ihm die Rechte hin, und er ergriff sie. »Du bist ein Mann«, sagte ich. »Hab keine Angst davor, dich wie einer zu benehmen.«

»Ich bin dankbar … Bürger«, sagte Milo.

»Keine Ursache«, entgegnete ich. »Bürger.«

Marcus räusperte sich. »Ich glaube, es wäre besser, wenn er jetzt geht. Appanius könnte sein Handeln bereuen und mit ein paar Männern zurückkommen.«

Lavinia sah Milo gequält an.

»Mir hat dein ›Lurius von Jad‹ gefallen«, sagte ich.

Milo grinste. »Danke.«

»Mir nicht«, sagte Marcus.

»Marcus ist voreingenommen«, erklärte ich.

»Aber er hat recht«, erwiderte Milo. »Das waren schwache Leistungen.«

Ich starrte ihn an.

»Da hörst du’s«, sagte Marcus, ohne eine Miene zu verziehen.

»Mir haben sie gefallen«, verteidigte ich mich.

»Ich bin kein richtiger Schauspieler«, sagte Milo.

»Nein?«

»Nein«, sagte Milo entschieden. »Ein Schauspieler sollte schauspielern können. Ich habe immer nur mich selbst gespielt, unter anderen Namen. Das ist alles.«

»Aber das ist doch eine Art von Schauspielerei«, sagte ich.

Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hast du ja recht.«

»Natürlich habe ich recht.«

»Du bist ein wunderbarer Schauspieler, Herr!« rief Lavinia aus. Dann senkte sie schnell den Kopf, aus Angst, bestraft zu werden.

»Du hast mich Herr genannt«, sagte er zu ihr.

Sie sah schüchtern auf.

»So gehört es sich«, sagte ich. »Sie ist eine Sklavin. Du bist ein freier Mann.« Sie hatte ohne Erlaubnis gesprochen, aber unter diesen Umständen entschied ich, es für diesmal zu übergehen.

»Verzeih mir, Herr«, flüsterte sie.

»Du darfst sprechen«, sagte ich.

»Es ist nur«, sagte sie, »ich finde, daß der große und schöne Milo ein großartiger Schauspieler ist. Und es sind nicht seine Rollen, die wir lieben, sondern allein ihn!«

»Da, siehst du?« sagte ich zu Marcus.

»Lieben?« fragte Milo die kniende Sklavin.

»Das ist natürlich nur die Meinung einer Sklavin«, sagte sie und senkte den Blick.

»Milo sollte gehen«, wiederholte Marcus.

Lavinia fing an zu weinen, ihr Körper wurde von Schluchzern geschüttelt, aber sie wagte es nicht, die Gehorsamstellung zu ändern.

»Ich glaube«, sagte Milo nachdenklich, »ich würde es vorziehen, dein Sklave zu bleiben.«

»Warum?«

»Dann hätte ich Gelegenheit, diese Frau hin und wieder betrachten zu können.«

»Interessiert sie dich?« fragte ich.

»Natürlich!« sagte Milo überrascht.

»Dann gehört sie dir.«

»Mir!« rief er aus.

»Aber sicher«, sagte ich. »Sie ist eine Sklavin. Ich schenke sie dir. Hier ist der Schlüssel für ihren Kragen.« Ich gab ihn Milo. »Du darfst die Stellung wechseln«, verkündete ich der Sklavin.

Lavinia warf sich vor mir auf den Bauch. »Danke, Herr! Danke!« rief sie.

»Dein neuer Herr steht da!« sagte ich und zeigte auf Milo.

Ohne zu zögern ging sie vor Milo auf die Knie und nahm die Gehorsamstellung ein. »Ich liebe dich, Herr!« schluchzte sie. »Ich liebe dich! Ich bin dein! Ich lebe, um dich zu lieben und dir zu dienen!«

Milo war sprachlos.

»Du solltest Ar verlassen«, riet ich ihm.

Er riß sich mühsam von Lavinia los. »Zweifellos«, sagte er.

»Dafür brauchst du Geld.«

Milo lächelte. »Aber ich habe kein Geld.«

»Hier sind zehn Goldstücke.« Ich zählte sie in Milos Hand. Er sah ungläubig zu. Ich hatte Tolnar und Venlisius jeweils fünfzehn Goldstücke gegeben. Sie hatten die Gesetze von Ar aufrechterhalten und dabei ihre Ehre bewahrt. Darüber hinaus würden sie die Dokumente bei verschiedenen Stellen einreichen und dafür sorgen, daß Kuriere diversen offiziellen und inoffiziellen Stellen in anderen Städten beglaubigte Kopien überbrachten. So würde es beispielsweise Seremides unmöglich sein, sie alle in seinen Besitz zu bringen. Die beiden Magistrate hatten es für eine gute Idee gehalten, mit ihren Familien Ar zu verlassen. Fünfzehn Goldstücke stellten ein Vermögen dar. Es würde sie in die Lage versetzen, mühelos umzuziehen und sich an einem Ort ihrer Wahl eine neue Existenz aufzubauen. Von den einhundert Goldstücken besaß ich jetzt nur noch fünf, aber selbst das war in vielen goreanischen Städten noch eine beträchtliche Summe.

Milo sagte: »Erlaube mir, dir ein Goldstück zurückzugeben.«

»Wozu?«

»Du hast für mich ein Tarskstück bezahlt«, sagte er mit einem Lächeln. »Ich möchte nicht, daß du bei dieser Sache einen Verlust machst.«

»Er lernt schnell, was Ehre und Großzügigkeit bedeutet«, sagte ich zu Lavinia.

Sie senkte den Blick. »Er ist mein Herr«, sagte sie freudig.

Ich zeigte Marcus die Münze. »Siehst du, ich habe einen beträchtlichen Profit gemacht.«

»Du solltest Kaufmann werden«, versicherte er mir.

Die neue Sklavin, die auf der Seite lag, gab ein leises Stöhnen von sich.

Ich steckte das Goldstück in meinen Geldbeutel.

»Du solltest gehen«, sagte Marcus zu Milo.

»Einen Augenblick noch.« Ich betrachtete die neue Sklavin, der ich den Namen Talena gegeben hatte, ein Sklavenname, der auch in die Dokumente eingetragen worden und nun rechtsgültig war. Sie bewegte sich. Ich sah, wie sich ihre auf den Rücken gefesselten Hände gegen die Handschellen stemmten.

Ich ging zu dem Tisch neben der Liege und nahm die Karaffe. Dann schüttete ich ihr den Wein über Gesicht und Körper. Sie zuckte unter der kalten Flüssigkeit zusammen, wachte auf und entdeckte, daß sie in Ketten lag.

»Wer wagt es!« rief sie.

Ich gab Marcus die Karaffe, der sie wieder auf den Tisch stellte.

»Du!« Talena drehte mühsam den Kopf und sah zu mir hoch. »Bist du das wirklich?«

»Auf die Knie, Sklavin«, sagte ich und zerrte sie auf die Knie.

»Du bist es tatsächlich!« rief sie wütend.

»Dein Name ist Talena«, sagte ich ungerührt. »Das ist der Name, den ich dir verliehen habe.«

»Sleen!« Sie konnte nicht aufstehen, da ihre Handgelenke eng an die Knöchel gekettet waren.

»Lavinia, komm her und knie dich neben die neue Sklavin«, befahl ich.

Lavinia gehorchte mit offensichtlichem Unbehagen.

»Verdammtes Sleenweibchen!« rief Talena.

Lavinia hielt den Blick starr geradeaus gerichtet.

»Und du bist auch ein Sleen!« brüllte Talena Milo an.

»Ich war ein Verführungssklave«, erwiderte er. »Ich habe meinem Herrn gehorcht.«

»Verdammter Sleen!«

»Nimm dich in acht«, sagte ich zu Talena. »Du sprichst einen freien Mann an.«

»Du bist frei?« fragte sie Milo.

»Ja.«

»Das ist nicht möglich!« rief sie.

»Doch, das ist es«, erwiderte er. »Jetzt bin ich es, der frei ist, und du bist die Sklavin.«

»Sklavin!« brüllte sie. »Wie kannst du es wagen!«

Ich wandte mich Milo zu. »Da knien zwei Sklavinnen nebeneinander«, sagte ich, »beide sind sklavinnennackt. Die eine gehört dir, die andere mir. Ich biete dir einen gerechten Handel an. Wenn du willst, können wir tauschen.«

Talena sah mich ungläubig an, dann richtete sie den Blick, mit verzweifelter Hoffnung auf Milo. »Nimm mich!« rief sie. »Ich sorge dafür, daß du es nicht bereust! Ich gebe dir tausend Goldstücke! Hundert schöne Sklavinnen! Einen hohen Posten in Ar!«

»Nein!«

»Du wirst doch nicht eine nackte Sklavin mir vorziehen? Du hast gesagt, ich sei die schönste Frau von ganz Ar!«

Er musterte sie. »Hast du mir das geglaubt? Ich war ein Verführungssklave.«

Talena starrte ihn sprachlos vor Wut an. »Wer ist denn schöner als ich?« verlangte sie zu wissen.

»Lavinia«, sagte Milo.

»Die Sklavin?« rief Talena ungläubig.

»Die andere Sklavin«, verbesserte er sie lächelnd.

»Das ist lächerlich!«

»Sie ist die schönste Frau von ganz Gor.«

»Herr!« keuchte Lavinia strahlend.

Talena ließ den Kopf hängen. »Sleen!« zischte sie.

Milo wandte sich wieder mir zu. »Wir müssen gehen.«

»Ich bin unbekleidet, Herr«, sagte Lavinia.

»Zieh dich an«, erwiderte ich. »Nimm die Sachen, die du hier getragen hast«

Lavinia eilte auf die am Boden liegenden Kleidungsstücke zu. »Vergiß nicht die Tunika mit der Entkleidungsschleife!« rief Milo ihr nach.

»Bestimmt nicht, Herr!« rief sie und lachte.

»Es wäre nicht verkehrt, wenn sie sich als freie Frau verkleidet«, sagte ich zu Milo. »Sie soll das Gewand der Ubara nehmen.«

»Du hast recht.« Er deutete auf die Kleidungsstücke, die direkt neben ihm am Boden lagen. Lavinia gehorchte sofort.

»Da ist ein Geldbeutel!« sagte sie plötzlich.

»Der gehört mir!« rief Talena zornig.

»Er ist ziemlich schwer.«

»Gib ihn deinem Herrn«, sagte ich. Milo sah mich an. »Behalte ihn.«

»Er gehört mir!« protestierte Talena.

»Sklaven haben keinen Besitz«, sagte ich. »Sie sind Besitz.«

Milo steckte den Beutel in seine Tunika. Er konnte ein paar kleinere Münzen mit Sicherheit gut gebrauchen.

»Und vergiß das hier nicht«, sagte ich und hob den kleinen Lederzylinder auf, den die einstige Ubara um den Hals getragen hatte und in dem der kompromittierende Brief steckte, mit dem sie ihn als Sklave in der Hand gehabt hatte.

»Danke.«

Talena kämpfte gegen ihre Ketten an; es war eine vergebliche Geste.

Im Handumdrehen hatte Lavinia das Gewand der Ubara angezogen, nun mußte sie nur noch die Kapuze hochschlagen und den Schleier anlegen.

»Wie gefällt dir deine freie Frau, Herr?« fragte sie Milo.

»Du bist nicht meine freie Frau«, erwiderte er. »Du bist meine Sklavin!«

»Aber ich trage das Gewand einer freien Frau.«

»Es wird mir Vergnügen bereiten, es dir später auszuziehen.«

»Ich kann es kaum erwarten.«

Talena stieß einen unartikulierten Wutschrei aus.

»Ihr müßt gehen«, drängte Marcus.

Milo nickte.

Lavinia kniete vor mir nieder. Es war irgendwie paradox, eine mit dem Gewand der Verhüllung bekleidete Frau knien zu sehen. »Danke, Herr, daß du mich Milo überlassen hast«, sagte sie und küßte mir dankbar die Füße. Dann wandte sie sich Milo zu und küßte ihm ebenfalls die Füße. »Ich liebe dich, Herr.«

»Leg den Schleier an«, sagte er.

Kniend zog sich Lavinia die Kapuze über den Kopf und richtete den Schleier.

»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte ich zu Milo.

»Auch ich wünsche dir alles Gute«, sagte Marcus.

Milo nickte ernst. »Danke für alles.«

Ich winkte ab. »Das war doch nicht der Rede wert«, versicherte ich ihm.

Er holte tief Luft. »Ich wünsche euch auch alles Gute«, sagte er dann und reichte Marcus und mir nacheinander die Hand.

»Laßt mich nicht mit diesen Männern hier allein!« rief Talena verzweifelt. Aber Milo und seine Sklavin gingen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wir wandten uns Talena zu. Sie wurde sichtlich kleiner.

»Damit kommt ihr niemals durch!« flüsterte sie.

»Ich bin schon damit durchgekommen«, erwiderte ich.

»Ich verstehe nicht.«

»Du gehörst mir«, sagte ich. »Du bist jetzt meine Sklavin.«

Sie starrte mich voller Wut an.

»Heil dir, Talena«, sagte ich, »der Ubara von Ar.«

»Ja, allerdings!« stieß sie hervor.

»Nein, Begreifst du nicht, daß du verspottet wirst, Sklavin?«

»Eine bloße Formalität!« fauchte sie.

Ich schüttelte den Kopf. »Nicht im mindesten! Du bist meine Sklavin, auf völlig legale Weise, nach allen Gesetzen Ars und Gors. Die Dokumente sowie beglaubigte Kopien werden an hundert Orten eingereicht und aufbewahrt werden.«

»Es wird dir nicht gelingen, mich aus der Stadt zu schaffen!«

»Das wird man schon arrangieren«, erwiderte ich und machte eine Pause. »Wenn ich dich holen komme.«

»Wenn du mich holen kommst?«

»Ja. Morgen werde ich Seremides einen Kurier schicken, der ihm deinen Aufenthaltsort verrät.«

»Ich verstehe nicht.«

»Er wird nicht wissen, daß du versklavt worden bist. Er wird nur glauben, daß du so dumm warst, ohne Wächter den Zentralzylinder zu verlassen und möglicherweise Straßenräubern in die Hände fielst und beraubt wurdest. Bestimmt wirst du dir eine plausible Geschichte einfallen lassen.«

»Er wird mich retten!«

»Du wirst deine Rolle als Ubara von Ar wieder einnehmen«, fuhr ich fort. »Alles wird so aussehen wie immer, aber in Wirklichkeit wird alles anders sein. Denn du bist jetzt meine Sklavin.«

»Du bist ja verrückt!«

»Und du wirst nicht wissen, wann ich dich holen komme.«

Jetzt sah sie mich ängstlich an.

»Und ich werde dich holen kommen«, sagte ich. »Das verspreche ich dir.«

»Nein!«

»Ja«, sagte ich mit unbewegtem Gesicht. »Ich werde kommen und meine Sklavin beanspruchen.«

»Ich werde im Zentralzylinder von Wächtern umringt sein!«

»Du wirst in dem Wissen leben, daß ich eines Tages kommen und dich holen werde!«

»Warum behältst du mich nicht sofort?« fragte sie.

»Meine Arbeit in Ar ist noch nicht getan.«

»Deine Arbeit?«

»Cos muß aus Ar vertrieben werden«, sagte ich.

»Seremides wird dich jagen und fangen! Dafür sorge ich!«

»Seremides’ Sturz ist bereits in die Wege geleitet worden.«

Marcus warf mir einen überraschten Blick zu. Ich nickte. »Dafür wird Myron schon sorgen.«

»Ich verstehe nicht.«

»Du wirst schon sehen.«

»Kaissa?«

»In gewisser Weise.«

»Die Wächter werden Ar auf der Suche nach dir auf den Kopf stellen!« stieß sie hervor.

»Es gibt einen Ort, an dem sie aller Wahrscheinlichkeit nicht suchen werden«, erwiderte ich.

Sie lachte höhnisch. »Wo soll das sein?«

»Neugier bekommt einer Kajira nicht«, sagte ich. Sie riß wütend an den Ketten. Bei diesem Ort handelte es sich natürlich um ihre eigenen Reihen.

»Cos kann nicht aus Ar vertrieben werden!« rief sie. »Cos ist zu mächtig. Cos ist unbesiegbar!«

»Einst hielt man auch Ar für unbesiegbar«, erwiderte ich.

»Ar wird auch weiterhin das cosische Joch tragen!«

»Sei dir da mal nicht so sicher. Davon abgesehen, da du eine Sklavin bist, könntest du es sein, die sich plötzlich mit einem Joch wiederfindet.«

»Ich bin keine Sklavin!«

»Wie amüsant.«

»Ruf die Dokumente zurück«, sagte sie plötzlich. »Ich werde mir meine Freiheit erkaufen.«

»Du besitzt nichts.«

»Seremides kann dafür sorgen, daß sie eingezogen werden.«

»Du würdest ihm verraten, daß du eine Sklavin bist?« fragte ich.

Sie erbleichte. Dann sagte sie: »Ja, wenn es sein muß!«

»Aber es spielt keine Rolle.«

»Ich verstehe nicht.«

»Du bist nicht zu kaufen!«

Sie warf mir einen wütenden Blick zu.

»Zumindest nicht im Augenblick.«

»Sleen!« Sie brach wieder in Tränen aus.

Ich setzte mich auf die Liege. Sie bot wirklich einen schönen Anblick, wie sie dort kniete, die Hände dicht auf den Rücken gefesselt. Es fehlte nur noch der Sklavenkragen.

»Aber nach einer richtigen Sklavenausbildung wären vielleicht sogar Männer wie Tolnar und Venlisius an dir interessiert.«

Das versetzte sie erneut in Wut. »Diese Narren!« zischte sie. »Ich verstehe sie nicht. Um dem Gesetz Genüge zu tun, haben sie ihre Karrieren in Gefahr gebracht, sind sie ins Exil gegangen!«

Ich zuckte mit den Schultern. »Es gibt eben auch solche Männer.«

»Ich verstehe sie nicht!«

»Das liegt daran, daß du nicht verstehst, was Ehre bedeutet.«

»Ehre ist etwas für Narren!«

»Es überrascht mich nicht, daß eine Verräterin eine solche Meinung vertritt.«

Talena schnaubte spöttisch.

»Du hast deinen Heimstein verraten!« erinnerte ich sie.

»Das ist doch nur ein Stück Stein.«

Ich beugte mich ein Stück vor. »Es tut mir wirklich leid, daß ich jetzt keine Zeit habe, dich mit der Peitsche zur Sklavin auszubilden.«

Sie starrte mich hochmütig an. »Daß ich nicht lache«, sagte sie dann mit eisiger Stimme. »Du, der du von einer Welt voller Schwächlinge kommst! Du bist viel zu weich, um eine Sklavin auszubilden!«

»Erinnerst du dich an unsere letzte Begegnung?« fragte ich.

»Natürlich.«

»Sie fand statt im Hause von Samos, dem ersten Sklavenhändler von Port Kar.«

Sie nickte unsicher, offensichtlich wußte sie nicht, worauf ich hinauswollte.

»Damals lagst du nicht auf den Knien.«

»Nein«, sagte sie unbehaglich.

»Aber du trugst einen Sklavenkragen.«

»Schon möglich.«

»Damals wußte ich nicht, wie richtig ich dich doch eingeschätzt hatte.«

Sie blickte ärgerlich zur Seite.

»Ich konnte damals nicht von meinem Stuhl aufstehen«, fuhr ich fort. »Ich hatte im Norden eine Verletzung von einem Schwert davongetragen, die Klinge war mit einem Gift aus dem Laboratorium von’ Sullius Maximus, einem der fünf Ubars von Port Kar, bestrichen gewesen.«

Talena schwieg.

»Vielleicht kannst du dich ja daran erinnern, wie du mich verspottet hast, wie du mich verhöhnt und lächerlich gemacht hast.«

»Ich liege hier nackt vor dir auf den Knien«, erwiderte sie kalt. »Vielleicht bist du ja jetzt zufrieden.«

»Das ist erst der Anfang meiner Zufriedenheit.«

»Tu doch nicht so, als wärst du stark«, sagte sie. »Ich weiß, daß du ein Schwächling bist, der von einer Welt von Schwächlingen kommt. Du kommst von einer Welt, wo Frauen dich auf tausenderlei Weise zerstören dürfen und es dir verboten ist, sie auch nur anzufassen!«

Ich sah sie schweigend an.

»Ich verachte dich«, sagte sie, »so wie ich dich damals verachtet habe.«

»Hättest du geglaubt, daß ich eines Tages wieder gehen kann?«

»Nein.«

»Vielleicht erklärt das ja, warum du es in Ordnung fandest, mich zu beleidigen.«

»Nein«, schleuderte sie mir entgegen. »Daß du auf den Stuhl gefesselt warst, war lediglich spaßig, aber ich wußte, du würdest mir die Freiheit schenken, daß ich ungestraft mit dir tun konnte, was immer ich wollte. Ich verabscheue dich.«

»Ich glaube nicht, daß du es amüsant finden würdest, wenn du diejenige wärst, die dem Gift zum Opfer fällt, das dich lahmt, es dir unmöglich macht, auch nur aufzustehen.«

Sie schwieg.

»Zweifellos gibt es das Gift noch«, dachte ich laut nach. »Man könnte es bestimmt beschaffen. Und vielleicht könnte man es dir verabreichen; es würde nur eine winzige Wunde hinterlassen, kaum größer als ein Nadelstich.«

»Nein!« rief Talena entsetzt.

»Mit einer Sklavin kann man machen, was man will.«

»Bitte nicht!« flüsterte sie.

»Andererseits wäre es mir vermutlich lieber, du könntest deine Beine bewegen, damit du mich bedienst, oder zu meinem Vergnügen vor mir tanzt!«

»Tanzen?« Talena schluchzte entsetzt. »Zu deinem Vergnügen?«

»Natürlich. Das ist keine ungewöhnliche Tätigkeit für eine Sklavin. Sie tanzen für ihren Herrn.«

Talena ließ den Kopf hängen. »Du kannst wieder gehen«, murmelte sie dann. Ich sah, daß sie Angst hatte, daß sie sich meiner nicht länger sicher war.

»Ich erhielt in Torvaldsland das Gegenmittel«, sagte ich. »Man brachte es aus dem fernen Tyros, und interessanterweise war es eine Sache der Ehre.«

Sie hob den Kopf.

»Verstehst du, was Ehre ist?« fragte sie dann.

»Nein.«

»Aber wie kannst du dann davon sprechen?«

»Ein oder zweimal habe ich einen kurzen Blick auf sie erhaschen können.«

»Und wie ist sie?«

»Sie ist wie die Sonne am Morgen«, sagte ich, »die über dunklen Bergen aufgeht.«

»Narr!« sagte sie.

Ich schwieg.

»Schwächling!«

Ich schwieg.

»Du bist ein verfluchter Schwächling!« schrie sie.

»Vielleicht bin ich nicht mehr so schwach, wie ich einst war«, antwortete ich ihr ruhig. Ihre Brust hob und senkte sich vor Erregung, ihre Miene verhärtete sich.

»Befreie mich!« verlangte sie dann plötzlich.

»Warum?«

»Du hast mich schon einmal befreit.«

»Heute bin ich klüger.«

»Cos kann niemals aus Ar vertrieben werden!«

»Cos’ Macht auf dem Kontinent besteht hauptsächlich auf seinen Söldnern«, sagte ich.

»Und?«

»Im allgemeinen sind Söldner – von den Kompanien einmal abgesehen, die auf eine besondere Weise mit ihren Anführern verbunden sind, Männern wie Pietro Vacchi und Dietrich von Tarnburg – nur selten vertrauenswürdig; sie sind immer nur so lange vertrauenswürdig, wie sie ihren Sold bekommen.«

»Das spielt keine Rolle«, sagte Talena. »Ihr Sold ist gesichert.«

»Tatsächlich?«

»Zehn Kompanien könnten Ar halten!«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht.«

Talena holte tief Luft. »Willst du Seremides wirklich meinen Aufenthaltsort verraten?«

»Ja.«

»Er wird mich retten!«

»Nein«, erwiderte ich. »In gewissem Sinn wird er oder Myron dich lediglich für mich verwahren, es wird sein, als wärst du in einem normalen Sklavenlager untergebracht.«

»Du bist eine Bestie!«

»Tatsächlich wird mir das die Lagermiete ersparen.«

»Ich werde die Ehren einer Ubara zurückerhalten!«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Du bist jetzt eine Sklavin. Eine Sklavin kann keine Ubara sein. Du kannst nur noch vorgeben, eine Ubara zu sein. In gewissem Sinne wirst du eine Hochstaplerin sein. Und wir wollen hoffen, daß niemand die Täuschung bemerkt, denn, wie du weißt, sind die Strafen für eine Sklavin, die sich als freie Frau ausgibt, sehr hoch.«

Die Wut in ihrem Blick war nicht mit Worten zu beschreiben.

»Im Augenblick wird kaum einer vermuten, daß du eine Sklavin bist. Die meisten, die dich sehen, wie du öffentliche Zeremonien abhältst oder Spiele eröffnest, werden dich für die wahre Ubara halten. Nur ein paar Menschen werden wissen, daß du meine Sklavin bist. Und zu diesen Menschen gehören wir beide, du und ich. Du wirst darauf warten, daß ich dich hole. Und es wird mich erheitern, wenn ich an dich im Zentralzylinder denke.«

»Ach ja!« stieß sie hervor.

»Vor allem wenn deine Besorgnis immer größer wird, wenn du spürst, wie Ar dir entgleitet und deine Macht um dich herum zusammenbricht.«

»Du bist ja verrückt! Ich bin die Ubara von Ar!«

»Nein«, sagte ich. »Du bist eine Sklavin.« Dann erhob ich mich, nahm den Knebel vom Boden und stieß in ihr in den Mund.

»Morgen werden Wächter kommen und dich von den Ketten befreien. Sie werden dich in den Zentralzylinder zurückbringen. Aber du darfst nicht vergessen, daß du meine Sklavin bist. So wie du nicht vergessen darfst, daß ich dich holen werde. Wann das sein wird? Du wirst es nicht wissen. Wirst du dich fürchten, einen Raum allein zu betreten, aus Angst, dort könnte jemand auf dich warten? Wirst du dich vor dunklen Orten oder Schatten fürchten? Wirst du Dächer oder hohe Brücken fürchten, aus Angst, die Schlinge eines Tarnsmannes könnte sich um deinen Körper legen und dich in den Himmel zerren? Wirst du dich fürchten, ein Bad zu betreten, aus Angst, du könntest dort überrascht werden? Wirst du Angst haben einzuschlafen, in dem Wissen, daß jemand in der Nacht kommen könnte, daß du plötzlich mit einem Knebel im Mund und hilflos aufwachst?«

Ich sah sie an. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie sah gut in den Ketten aus. Sie war eine hübsche Sklavin.

»Laß uns gehen«, sagte ich zu Marcus.

Wir verließen das Zimmer.

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