»Auf diese Weise verrätst du mich also!« kreischte Appanius.
Lavinia hatte aufgeschrien, als das Netz auf sie herabgestürzt war, und Milo, der Sklave, hatte entsetzt in ihren Schrei eingestimmt.
Einen Augenblick zuvor war ich Zeuge geworden, wie sich Appanius’ Gesicht vor dem Beobachtungsschlitz vor Wut rötete; er hatte den Hebel herumgerissen, und das beschwerte Netz war auf die Liege gefallen. Fast noch im gleichen Augenblick war er mit erhobenem Stab und vor Enttäuschung und Wut schluchzend in das Vorderzimmer gestürmt, begleitet von seinen vier Gefolgsleuten, die den Zorn und die Empörung ihres Arbeitgebers scheinbar teilten, wie es sich für solche Leute gehörte. Weder Marcus noch ich hatten Gelegenheit gehabt, einen Blick durch die Schlitze zu werfen, da es nur zwei gab, von denen der eine von Appanius und der andere von Lucian in Beschlag genommen worden waren. Darum hatte ich nicht sehen, was genau sich in dem anderen Zimmer eigentlich abspielte.
Marcus und ich stürmten ebenfalls in den Raum.
Und dort waren der Sklave und Lavinia, die sich starr vor Angst und hilflos in den Maschen des Netzes gefangen aneinanderklammerten, während sie von Appanius und seinen Männern mit den Stäben bedroht wurden.
»Verräterischer Sklave!« schluchzte Appanius.
Die beiden Sklaven lagen unter dem Netz, er hatte die Arme um sie gelegt. Beide waren nackt.
»Verräterischer Sklave!« brüllte Appanius.
Marcus schaute mich an und grinste. Er war nicht im mindesten überrascht. Ich dagegen schon. Ich war immer davon ausgegangen, daß Lavinia alles allein tun müßte, daß sie die Kleider fallen lassen und sich an dem voll bekleideten Milo festklammern und darauf hoffen mußte, daß es ihr gelang, den dazukommenden Appanius davon zu überzeugen, daß ihre Anwesenheit ein von beiden Seiten ersehntes Treffen darstellte, ein Beweis gegenseitigen Interesses und Verlangens.
Aber jetzt fand ich sie in der Mitte des Raumes auf der Liege vor, in seinen Armen. Der kurze Umhang und die Tunika lagen auf der Seite am Boden. Es gab keinerlei Hinweise, daß sie in aller Eile entfernt worden waren. Der Umhang war anscheinend abgenommen und hinter ihr zu Boden geworfen worden, um ihre Schultern und die Tunika zu entblößen. Nach der Lage der Tunika war zu vermuten, daß sie sie, nachdem sie die Entkleidungsschlaufe gelöst hatte, einfach vom Körper hatte gleiten lassen und dann aus ihr herausgetreten war. Ich vermutete, daß sie sich dann in seine weit geöffneten, wartenden Arme geschmiegt und er sie dann kurze Zeit später hochgehoben und zur Liege getragen hatte.
»Du hast mich verraten!« Appanius weinte.
Marcus blickte mich verwirrt an. Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich mich schon in einer Sache getäuscht hatte, fand ich es nur gerecht, daß sich Marcus in einer anderen irrte.
»Verräter!«
Lavinias Haut war eine Vielfalt sich widersprechender Verfärbungen. Noch vor wenigen Augenblicken war sie vor Aufregung, Liebe und Hingabe gerötet gewesen, um dann durch das Ertapptwerden und die damit verbundene Scham knallrot zu werden, und zwar vom Kopf bis zu den Zehen, nur um dann in dem folgenden Aufruhr, als sie plötzlich begriff, daß sie eine ertappte und darum hilflose, verletzliche Sklavin war, die von einem Mann wie ihrem ehemaligen Besitzer Appanius in einer äußerst kompromittierenden Situation erwischt worden war, schlagartig totenbleich zu werden. Es war gar nicht so lange her, daß man sie, weil sie den Sklaven Milo aus Versehen berührt hatte, auf die Felder verbannt hatte. Und jetzt war sie nackt in seinen Armen entdeckt worden.
»Wie konntest du mir das nur antun?« jammerte Appanius.
Lavinias Brustwarzen standen noch immer hoch aufgerichtet. Sie sahen wirklich süß aus.
»Wie konntest du mir das nur antun?« winselte Appanius flehentlich.
Der Sklave Milo gab auf keine dieser Fragen eine Antwort.
Ich fand, daß Lavinia nackt in dem Netz einen aufregenden Anblick bot. Ich hatte ihr einmal gesagt, daß sie einen Felsen zum Schwitzen bringen konnte. Und das war die Wahrheit.
»Warum? Warum?« verlangte Appanius zu wissen.
Lavinia sah mehr als nur aufregend in den Maschen des Netzes aus. Ich hätte sie am liebsten dort herausgeholt und sie auf der Stelle genommen.
Marcus sagte: »Das ist doch wohl nicht so schwer zu verstehen. Sie ist sehr hübsch.«
Ich hielt das nicht unbedingt für eine kluge Bemerkung, aber wer war ich schon, daß ich mich hier zum Richter aufschwang?
»Herr, nein!« rief Milo.
Mit einem Wutschrei schwang Appanius den Stab mit beiden Händen in die Höhe und schlug damit auf seinen Sklaven ein. Er traf den Rücken und die Schultern.
Lavinia fing an zu schluchzen, und es sah so aus, als würde sie unter dem Netz versuchen, ihren Körper zwischen den herabsausenden Stab und Milo zu schieben, aber er stieß sie gewaltsam beiseite und beugte sich über sie. Das fand ich interessant. Er steckte sieben oder acht harte Schläge ein, die dunkle Male auf seinem Körper hinterließen. Das waren die einzigen Male, die auf seinem Körper zu sehen waren. Er war offensichtlich ein verwöhnter Sklave. Appanius schien zu begreifen, daß er das Mädchen beschützte, und das fachte seine Wut erneut an; er trat näher heran, um sie zu treffen, aber Milo drehte sich unter dem Netz herum und deckte sie weiter ab. Als Appanius daraufhin wieder einen Wutschrei ausstieß und versuchte, um die Liege herumzugehen, damit er an das Mädchen herankam, verwickelte sich Milo in den Maschen, und er konnte sie nicht länger beschützen.
»Es ist mein Fehler!« rief er. »Ich bin schuld! Schlag sie nicht!«
Wutentbrannt stieß Appanius mit dem Stab auf das Mädchen ein, und sie schrie schmerzerfüllt auf. »Nein!« rief Milo und schluchzte auf. »Tu ihr nicht weh!« Appanius riß den Stab zurück, um erneut auf Lavinia einzustechen, aber es gelang mir, ihn in meine Hände zu bekommen, und ich hielt ihn fest. Appanius schaffte es nicht, ihn mir zu entreißen. Er schluchzte voller Wut und Enttäuschung. Seine Gefolgsleute benutzten ihre Stäbe weder dazu, die beiden Sklaven zu bestrafen, noch kamen sie ihrem Dienstherrn zu Hilfe. Ich glaube, sie spürten, daß Marcus durchaus in der Stimmung war, Blut zu vergießen. Zwar konnten sie es nicht wissen, aber er hatte schließlich vor, die Stadt am Abend zu verlassen.
»Siehst du«, sagte ich zu Appanius. »Ich hatte recht.«
»Sie hat ihn verführt!« kreischte Appanius.
»Unfug«, erwiderte ich, obwohl ein aufmerksamer Beobachter vermutlich zugegeben hätte, daß Appanius’ Behauptung nicht ganz aus der Luft gegriffen war.
»Appanius!« sagte der Sklave.
»Wage es nicht, mich mit meinem Namen anzusprechen, Sklave«, weinte Appanius.
»Verzeih mir, Herr!«
Ich ließ den Stab los, da Milo es gewagt hatte, seinen Herrn mit seinem Namen anzusprechen. Er mochte sich ja in der Vergangenheit daran gewöhnt haben, dies zu tun, aber das war keine Entschuldigung, eine solche Unverschämtheit in der Zukunft durchgehen zu lassen. Es war Zeit, daß er lernte, sich seinem Stand entsprechend zu verhalten.
Sein Herr versetzte ihm fünf Schläge, und Tränen quollen zwischen den zusammengepreßten Lidern des bestraften Sklaven hervor.
Bemerkenswerterweise weinte Appanius auch. Dann hob er den Stab und wollte auf Lavinia einschlagen.
Ich griff erneut zu. »Nein! Ihre Züchtigung ist meine Sache!«
»Ich hätte sie in der Nacht, in der ich sie in meinen Besitz nahm, aus der Stadt schicken sollen«, stieß er hervor. »Nachdem ich ihr Nase und Ohren abschneiden ließ.«
Lavinia erschauderte in Milos Armen.
»Sie gehört nicht dir«, sagte ich. »Sie gehört mir!«
»Verführerin!« brüllte er.
Sie machte sich in dem Netz so klein, wie es nur
ging »Hättest du eben zugehört, wäre dir nicht entgangen, daß dein Sklave die Schuld auf sich genommen hat. Es ist offensichtlich, daß er meiner kleinen Lavinia den Kopf verdreht hat.«
»Sieh sie dir doch an!« brüllte Appanius. »Das kleine kurvenreiche Ding, nackt, mit ihrem Kragen! Glaubst du allen Ernstes, daß sie an der Sache keine Schuld trifft?«
»Vielleicht ist sie ja nicht ganz unschuldig.«
»Und dort«, fuhr Appanius fort. »Sieh den Wein, die Süßigkeiten! Zweifelst du daran, daß das alles geplant war?«
»Das ist eine interessante Frage«, erwiderte ich.
»Schlampe!« knurrte Appanius.
»Ja, Herr!« sagte sie.
»Diese Dinge, oder das Geld, mit dem sie bezahlt wurden, stammen sie aus den Mitteln deines Herrn?« fragte er.
»Ja, Herr«, flüsterte Lavinia.
»Siehst du!«
Ich nickte.
»Zweifelst du immer noch an ihrer Schuld?«
»Nein.«
Da sagte Milo: »Ich allein bin es, der die Schuld trägt!«
»Er hat ohne Erlaubnis gesprochen«, sagte ich. »Und angesichts deiner Erkenntnisse hat er gelogen.«
Appanius versetzte seinem Sklaven zwei Schläge für das unerlaubte Sprechen und zwei weitere für die Lüge. Er stöhnte auf.
»Holt ihn aus dem Netz und legt ihn in Ketten«, befahl Appanius wütend.
Einen Augenblick später lag Milo bäuchlings mit zusammengeketteten Händen und Füßen auf den Fellen. Sie legten ihm auch einen schweren Eisenkragen samt Leine um den Hals. Dann wurde er von der Liege gezerrt und zu Füßen seines Herrn gestoßen. Lavinia kniete noch immer unter dem Netz auf der einen Seite der Liege. Ich befreite sie davon. Sie kniete ängstlich und mit weit aufgerissenen Augen neben mir nieder.
»Herr?« fragte sie und sah zu mir hoch.
»Sei still!«
»Mein Milo, mein Milo!« schluchzte Appanius und blickte auf den verprügelten Sklaven hinunter. »Der schönste Sklave von ganz Ar! Mein geliebter Sklave! Mein geliebter Milo!«
»Er hat dich verraten!« sagte Lucian.
»Wie konntest du das nur tun?« wollte Appanius wissen. »Bin ich nicht immer gut zu dir gewesen? Hat es dir an etwas gemangelt? Habe ich dir nicht immer alles gegeben?«
Milo hielt den Kopf gesenkt. Vermutlich war ihm übel, kein Wunder bei den Prügeln. Sein Rücken und seine Schultern waren mit Striemen übersät.
»Er ist ein undankbarer Sklave«, sagte Lucian, und plötzlich redeten alle vier Gefolgsmänner durcheinander.
»Schick ihn auf die Felder.«
»Verkauf ihn.«
»Er soll als Exempel für die anderen dienen.«
»Wir finden dir einen besseren, Appanius.«
»Einen noch schöneren.«
»Und einen mit dem richtigen Charakter.«
»Und wenn du willst, kann auch er als Schauspieler und Künstler ausgebildet werden.«
Marcus blickte mich überrascht an. Er begriff nicht, was da eigentlich gesagt wurde. Ich schenkte ihm keine Beachtung.
»Was soll ich mit ihm machen?« fragte Appanius.
»Deine Sklaven müssen lernen, daß sie deine Sklaven sind«, sagte Lucian.
»Drück dich deutlich aus«, verlangte Appanius.
»Verbanne ihn«, flüsterte ein anderer Gefolgsmann.
»Ja, genau!«
Appanius sah auf den angeketteten Sklaven hinunter.
Mittlerweile war mir klar, warum die Gefolgsleute so eifersüchtig auf den Sklaven waren. Er hatte sich im Haus zweifellos zu großer Macht erfreut, hatte seinem Herrn zu nahe gestanden. Sie wollten ihn unbedingt loswerden.
»Wieso?« fragte Appanius.
»Er war dir untreu.«
»Er hat dich zum Gespött gemacht, mit einer Frau.« Diese Bemerkung schien bei Appanius den gewünschten Effekt zu haben.
»Wenn das hier rauskommt, wird ganz Ar über dich lachen.«
Das bezweifelte ich. Es ist ganz natürlich, daß sich ein Sklave nach einer Sklavin umsieht, und es ist ebenfalls nicht ungewöhnlich, daß eine Sklavin die Gelegenheit einfach nutzt.
Appanius wurde wieder von Wut gepackt.
Ich betrachtete Milo. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt. Die Leine baumelte am Boden.
»Also, Milo«, sagte Appanius. »Du würdest mich zum Gespött der Leute machen?«
»Nein, Herr.«
»Man kann sich leicht vorstellen, wie er darüber lacht, daß er dich mit einer Frau betrogen hat«, sagte Lucian.
»Du mußt ihn töten«, sagte ein anderer Gefolgsmann.
»Nein!« schrie Lavinia. »Nein!« Sie sprang auf, rannte zu Milo und umarmte ihn schluchzend. Sie wandte sich an Appanius. »Nein, nein, bitte!«
Ich packte sie am Arm und riß sie zurück, fort von Milo, und stieß sie zu Boden, wo sie sich auf die Knie aufrichtete und uns mit wildem Blick anstarrte.
Ich ließ Appanius nicht aus den Augen. Er war totenbleich. Wie ich vermutet hatte, war er von diesem Vorschlag nicht begeistert.
»Nichts anderes wird den Fleck auf deiner Ehre beseitigen«, sagte Lucian.
»Welchen Fleck denn?« fragte Appanius plötzlich leichthin.
Die Gefolgsmänner starrten ihn sprachlos an.
»Was hat das denn mit meiner Ehre zu tun«, fragte Appanius, »wenn ich von einem undankbaren, wertlosen Sklaven betrogen wurde? Das ist doch nichts.«
»Appanius!« sagte Lucian.
Appanius wandte sich mir zu. »Willst du einen Sklaven kaufen?« fragte er mich geschäftsmäßig, als würde es ihn nicht weiter berühren. Aber ich sah, daß er verzweifelt war. Eigentlich war ich sogar gerührt. Er sah sich einem schwierigen Problem gegenüber. Er wollte sowohl seine Ehre als auch das Leben seines Sklaven retten. So wütend und verletzt er auch war, so empfindlich er auch war, was seine Ehre betraf, versuchte er doch seinen Sklaven zu retten. Das überraschte mich. Es hatte tatsächlich den Anschein, als läge ihm etwas an dem Mann. Mit dieser Entwicklung hatte ich nicht gerechnet. Das gestaltete die Sache komplizierter als erwartet. Ich war davon ausgegangen, daß er außer sich vor Wut über Milo sein würde, dazu bereit, ihn zu töten, wo ich dann einschreiten und ihm ein großzügiges Angebot machen wollte. Wenn er dann nüchtern die Sache überdachte und das Angebot attraktiv genug war – was kein Problem darstellte, da ich ein Vermögen in Goldmünzen bei mir trug –, konnte ich den Sklaven erwerben. So hatte ich mir den Verlauf vorgestellt. Und falls sich Appanius weigerte, konnte ich ihn und seine Männer noch immer fesseln und knebeln und verstecken, während ich Milo dazu benutzte, mein Ziel eben auf eine andere Weise zu erreichen.
»Vielleicht«, sagte ich bedächtig.
»Ich habe einen zu verkaufen.«
»Nein, Appanius«, sagte Lucian.
»Er ist billig«, sagte Appanius bitter.
»Wieviel?«
»Er ist noch billiger als billig.«
»Verkauf ihn nicht, Appanius«, sagte Lucian. »Er ist der wertvollste Sklave von ganz Ar!«
»Für mich ist er weniger wert als die geringste Sklavin.«
»Wieviel willst du?« fragte ich mißtrauisch. Ich hatte fünfundvierzig Goldstücke dabei.
»Er ist wertlos«, sagte der Landwirt.
»Töte ihn!« flüsterte Lucian.
»Nein«, sagte Appanius. »Er soll wissen, was er mir Wert ist.«
»Was soll er kosten?« fragte ich.
»Ein Tarskstück.«
Die Gefolgsmänner schrien entsetzt auf. Der Sklave sah fassungslos auf. Lavinia stöhnte.
»Ein Tarskstück«, wiederholte Appanius.
Der Sklave weinte vor Scham und riß an den Fesseln. Aber er konnte sich nicht befreien.
»Ich glaube, das kann ich mir leisten«, sagte ich.
»Das ist der wertvollste Sklave von Ar«, jammerte Lucian.
Appanius schüttelte den Kopf. »Nein, er ist der wertloseste Sklave von Ar.«
Ich fischte ein Tarskstück aus dem Geldbeutel und gab es Appanius.
»Er gehört dir«, sagte er.
Das Tarskstück ist im goreanischen Geldumlauf die Münze mit dem kleinsten Wert.
»Du hast doch nichts dagegen, gewisse nötige Papiere zu unterzeichnen, oder?« fragte ich. Ich hatte sie mitgebracht.
»Normale Sklavenurkunden?« fragte Appanius.
Ich nickte.
»Das ist nicht nötig«, sagte Lucian.
»Überhaupt nicht«, sagte Appanius.
Marcus räusperte sich. »Falls ich mich nicht irre, sind Tinte und Papier im Nebenraum.«
»Interessant«, sagte ich. Dabei hatte ich das natürlich vorher gewußt.
»Gib mir die Papiere«, sagte Appanius.
Ich reichte sie ihm.
»Ich werde sie im Hinterzimmer ausfüllen, und du, Lucian, wirst sie bezeugen.«
»Ja, Appanius«, sagte Lucian niedergeschlagen.
Appanius sah mich an. »Du wirst ihn fesseln wollen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn er zu fliehen versucht, wird man ihm die Kehle durchschneiden.«
»Befreie ihn von den Ketten«, befahl Appanius einem seiner Gefolgsmänner, dann begab er sich nach hinten.
Der Sklave sah zu mir hoch, während der Mann ihm die Ketten und das als Erkennungsmerkmal dienende, aus Silber gefertigte Sklavenarmband abnahm. Der Mann packte auch die teure Kleidung und die goldenen Sandalen zusammen. Das hatte ich vorausgesehen und ein paar Sachen aus dem insula mitgebracht, die aber bei weitem nicht so kostbar waren.
»Wem gehörst du?« fragte ich Milo.
»Dir, Herr.«
»Bleib auf den Knien, Sklave!«
»Ja, Herr.«
Lavinia warf mir einen verstörten Blick zu, dann starrte sie den Sklaven an. Und er erwiderte den Blick. Beide wußten sie, daß sie nun demselben Haushalt gehörten.
Es dauerte nicht lange, und Appanius und ich hatten unser Geschäft abgeschlossen. Die Papiere waren unterzeichnet und beglaubigt.
Appanius schaute auf den Sklaven hinab. »Möchtest du deinen ehemaligen Herrn für das, was du getan hast, um Verzeihung bitten?« fragte er.
»Nein, Herr«, antwortete der Sklave. »Nicht für das, was ich getan habe.«
»Ich verstehe«, sagte Appanius.
»Aber ich möchte mich dafür entschuldigen, falls ich dich verletzt haben sollte. Das war nicht meine Absicht.«
»Da ich nicht verletzt wurde«, erwiderte Appanius, »ist keine Vergebung nötig.«
»Ja, Herr.«
»Wie ich sehe, lernst du wenigstens Demut.«
»Ja, Herr«, sagte der Sklave. »Danke, Herr.«
Appanius wandte sich dann Lavinia zu. »Du bist eine hübsche Schlampe.«
Sie warf sich ängstlich vor ihm auf den Bauch.
Appanius verließ die Wohnung. Zwei seiner Gefolgsmännern folgten ihm. Lucian und ein anderer blieben zurück. »Wir haben miteinander gesprochen«, sagte er. »Wir geben dir für Milo einen Silbertarsk.«
»Du bist sehr großzügig«, sagte ich. »Das ist ein beträchtlicher Profit für mich.«
»Du willigst also ein?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es gibt in Ar freie Frauen, die würden für ihn tausend Goldstücke bezahlen.«
Lucian und sein Freund tauschten Blicke aus. Sie begriffen anscheinend, daß ich mehr über diesen Sklaven wußte, als ihnen klar gewesen war.
»Hättest du soviel aufbringen können, Lavinia?« fragte ich.
»Nein, Herr«, antwortete sie. »Das hätte ich mir nicht leisten können.«
»In Position!« knurrte ich.
Augenblicklich erhob sich Lavinia vom Bauch auf die Knie und nahm die gebräuchlichste Stellung goreanischer Vergnügungssklavinnen ein, auf den Fersen sitzend, den Rücken gerade, den Kopf hoch erhoben, die Hände auf die Oberschenkel gelegt, die Beine gespreizt.
Milo keuchte unwillkürlich auf, als er sah, wie schön sie war und wie sie gehorchte. Vielleicht überkam ihn in diesem Augenblick so etwas wie eine Ahnung, wie es sein mußte, eine Sklavin zu besitzen.
»Du wagst es, eine Sklavin anzusehen?« fragte ich scharf.
»Vergib mir, Herr«, antwortete er und senkte den Kopf. Es hatte ihn sicher Überwindung gekostet, den Blick von einer solchen Schönheit zu nehmen.
»Und wie wäre es mit zehntausend Goldstücken?« fragte Lucian.
»Habt ihr denn soviel?«
»Wir könnten sie auftreiben, dazu müßten wir nur eine Gesellschaft gründen.«
»Ich glaube nicht, daß ihr im heutigen Ar soviel Geld auftreiben könntet«, sagte ich. »Vielleicht vor ein oder zwei Jahren, aber nicht heute.«
»Wir denken daran, uns an Männer in anderen Städten zu wenden«, sagte er. »Männer in Tyros und Cos.«
»Mit soviel Geld könnte Cos ein Jahr lang seine Söldner bezahlen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Schon möglich. Davon verstehe ich nichts.«
»Ist das also dein Preis?« fragte sein Freund begierig.
»Er ist nicht zu verkaufen.«
»Ich verstehe«, sagte Lucian.
»Du wirst nirgendwo mehr bekommen«, sagte sein Freund.
»Das erwarte ich auch nicht.«
»Appanius würde ihn auch nicht verkaufen«, meinte Lucian.
»Aber er hat es getan«, erinnerte ich ihn. »Für ein Tarskstück.«
Die beiden Männer drehten sich um und verließen wütend die Wohnung. Ich wandte mich an Marcus. »Was glaubst du, wie spät es ist?«
»Die sechste Ahn ist sicherlich schon verstrichen.«
Die fünfte Ahn schlägt am Vormittag, markiert also die Mitte zwischen der goreanischen Mitternacht und dem Mittag, während die fünfzehnte Ahn am Abend geschlagen wird und die Mitte zwischen Mittag und Mitternacht markiert. Der goreanische Tag hat zwanzig Ahn; so wird in den großen Städten die Zeit gemessen. In ihnen haben die Ahn dieselbe Länge; es gibt aber auch Städte, in denen sich die Länge der Ahn nach der Jahreszeit richtet. Dort hat der Tag wie auch die Nacht zehn Ahn, und da die Tage im Sommer länger und im Winter kürzer sind, gilt das dementsprechend auch für die Ahn. In einer Sommernacht sind die Ahn folglich kürzer, und in einer Winternacht eben länger. Natürlich ist der Tag als Ganzes gesehen dort genauso lang wie in einer der großen Städte.
Ich blickte auf den Sklaven hinunter.
»Du siehst nicht gut aus«, stellte ich fest.
»Mir ist schlecht, Herr.«
Er hatte ein paar harte Schläge einstecken müssen, soviel stand fest.
»Sag mir, glaubst du, daß das, was sich hier heute morgen abgespielt hat, unerklärlich ist?«
»Herr?«
»Daß alles ein Zufall war?« fragte ich.
»Ich verstehe nicht, Herr.«
»Das war es nicht«, informierte ich ihn. »Es war mein Plan, daß ich dich jetzt besitze.«
Er sah mich überrascht an.
»Du wurdest verführt«, fuhr ich fort. »Du wurdest in eine kompromittierende Lage gebracht, in eine Situation, die dich letztlich zu meinem Sklaven machen sollte.«
Milo schluchzte leise.
»Die Sklavin handelte natürlich auf meinen Befehl.«
Er warf Lavinia einen Blick zu.
»Hast du die Erlaubnis erhalten, sie anzusehen?«
Schnell sah er zur Seite.
»Du darfst sie ansehen«, ließ ich ihn wissen. Sofort starrte er sie entsetzt an.
»Darf ich sprechen?« bat er.
»Ja.«
»Liegt dir etwas an mir?« fragte er Lavinia.
Ich schüttelte den Kopf. »Sie hat keine Sprecherlaubnis erhalten.«
Lavinia sah mich flehend an, ihre Unterlippe bebte. Ich würde ihr die Erlaubnis später geben.
»Sie ist hübsch, nicht wahr?« fragte ich.
»Ja, Herr«, sagte Milo niedergeschlagen.
»Sie ist eine Verführungssklavin.«
Lavinia schluchzte auf und schüttelte den Kopf. Eine Träne lief ihr die Wange hinunter.
»Das sollte dich nicht stören«, sagte ich zu Milo. »Falls ich mich nicht irre, hast du selbst oft genug die Rolle eines Verführungssklaven gespielt. Sicherlich ist es nur gerecht, daß sich das Blatt nun einmal gewendet hat, daß du es jetzt bist, der sich sozusagen im Netz wiederfindet.«
Er konnte den Blick nicht von Lavinia wenden. »Sie hat auf Befehl gehandelt?« flüsterte er.
»Natürlich.«
Er stöhnte auf.
»Und ist das nicht ein herrlicher Witz?« fragte ich. »Denn warst nicht du es, der als Verführungssklave überhaupt erst dafür gesorgt hat, daß ihr kleiner hübscher Hals jetzt von einem Kragen geschmückt wird? Ist es da nicht gerecht, daß ich sie als Sklavin dazu benutzte, dich zu erwerben?«
»Ja, Herr«, sagte er tonlos.
»Zweifellos findet sie ihren Triumph großartig und amüsant.«
»Bitte, Herr, darf ich sprechen«, bettelte Lavinia.
»Nein.«
Sie schluchzte.
»Du hast gute Arbeit geleistet, meine hübsche kleine Verführerin.«
»Bitte, Herr!« bettelte sie.
»Nein!«
»Ich hatte gehofft, daß dir etwas an mir liegt«, sagte da Milo.
Sie warf gequält den Kopf zurück.
»Ich hatte gehofft, daß dir etwas an mir liegt«, wiederholte er. »Ich habe dich nie vergessen können.«
Lavinia warf ihm einen fassungslosen Blick zu.
»Sie war so zärtlich, schien so hilflos zu sein«, sagte er.
»Jemand wie du, der Bühnenerfahrung hat, muß doch so etwas verstehen können.«
»Sie war leidenschaftlich«, beharrte er.
»Hoffentlich«, erwiderte ich. »Sie ist eine Sklavin, als solche ist sie dazu ausgebildet worden, leidenschaftlich zu sein.«
Lavinia weinte leise vor sich hin.
Milo ließ den Kopf hängen. »Ich mache dir keinen Vorwurf«, sagte er. »Du mußt tun, was dir dein Herr befiehlt.«
Ich mußte ein Lächeln unterdrücken. »Ihr seid jetzt beide mein Eigentum«, sagte ich dann.
Sie starrten mich an.
»Und ich erwarte, daß er sich gut auf deine Disziplin auswirkt«, sagte ich zu Lavinia. »Solltest du nicht zufriedenstellend sein, überlasse ich dich vielleicht ihm.«
»Ja, Herr!« sagte sie. »Leg mich in Ketten und überlasse mich ihm. Er soll mit mir machen, was er will!«
Bei dem Gedanken, wieviel Macht er unvermutet über diese Schönheit hatte, stöhnte Milo auf.
»Andererseits weiß ich noch nicht, ob ich es erlauben sollte, daß meine Sklaven etwas miteinander haben.«
Milo konnte sich an Lavinia nicht satt sehen.
»Wende den Blick von ihr ab«, befahl ich.
Zögernd gehorchte er. Dann sah er zu mir hoch. »Ich bin Schauspieler«, sagte er. »Mein Herr scheint nicht vom Theater zu kommen.«
»Nein, das ist richtig.«
»Ich verstehe nicht, warum mein Herr dann diese Dinge getan hat«, sagte er. »Warum er mich in seinen Besitz gebracht hat. Welchen möglichen Nutzen habe ich denn für meinen Herrn?«
»Vielleicht will ich dich ja in die Steinbrüche weiterverkaufen, oder auf eine Galeere.«
»Ich glaube nicht, daß mein Herr mich dafür erworben hat.«
»Du hältst dich also für wertvoll?«
»Auf jeden Fall ist das die Meinung meines Herrn«, erwiderte er. »Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie mein Herr sagte, daß es in Ar freie Frauen gibt, die tausend Goldstücke für mich zahlen würden.«
»Und es gibt Männer, die sogar bereit wären, eintausendfünfhundert zu zahlen«, sagte ich.
»Ja, Herr«, erwiderte er, senkte den Kopf und ballte die Fäuste. Dann blickte er wieder auf. »Aber mein Herr hat mich nicht verkauft.«
»Nein.«
»Aber sicherlich bin ich doch gekauft worden, um zu einem höheren Preis weiterverkauft zu werden.«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, sagte ich. »Neugier steht einem Sklaven nicht zu.«
»Ja, Herr.«
Ich warf Lavinia einen Blick zu. »Richte deinen Kragen«, sagte ich.
Sofort griff sie peinlich verlegen nach dem Eisenreifen um ihren Hals. Dann sah sie mich verwirrt an. Er saß fast perfekt. Sie kniete mit geradem Rücken, zurückgenommenen Schultern und erhobenem Kinn, und fast schüchtern nahm sie den Kragen mit beiden Händen und schob ihn mit zierlichen Bewegungen zurecht, bis das Schloß genau auf der Mitte ihres Nackens ruhte. Dabei hoben sich ihre Brüste auf eine aufregende Weise. »Siehst du sie an?« fragte ich Milo.
»Vergib mir, Herr.«
»Sicher, es ist schon schwer, sie nicht anzusehen.«
»Ja, Herr«, sagte er und senkte den Kopf.
Auch Lavinia senkte den Kopf, aber sie lächelte.
»Wie ich bereits erwähnte, siehst du nicht gut aus«, sagte ich. »Das kommt zweifellos von den Prügeln, die du erhalten hast. Geh an die frische Luft. Dann kommst du zurück. Im Hinterzimmer findest du Wasser und ein Handtuch. Mach dich sauber. Dann reden wir weiter.«
»Ja, Herr«, sagte er und erhob sich.
Marcus stellte sich ihm in den Weg, aber auf mein Zeichen hin trat er beiseite und ließ ihn ziehen.
»Ich hätte ihn begleiten sollen«, sagte er.
»Nein.«
»Glaubst du, er kommt zurück?«
»Aber sicher«, erwiderte ich. »Ich glaube nicht, daß er in Ar nackt herumlaufen will. Dafür ist er zu bekannt und würde sich bestimmt sofort in Fesseln wiederfinden. Davon abgesehen glaube ich nicht, daß er sich die Kehle durchschneiden lassen will.«
Marcus runzelte nachdenklich die Stirn. »Vermutlich nicht«, sagte er dann.
»Darf ich sprechen, Herr?« fragte Lavinia.
Jetzt hatte ich nichts mehr dagegen. »Ja.«
»Würdest du das tatsächlich tun?«
Ich nickte.
Sie wurde totenblaß.
»Er könnte versuchen, sich bis zu Appanius’ Haus durchzuschlagen«, sagte Marcus.
»Das würde er niemals schaffen.«
»Aber einmal angenommen, er schafft es doch. Wenn ich mich nicht irre, würde Appanius ihn wieder willkommen heißen.«
»Schon möglich.«
»Vielleicht würde er ihn zurückkaufen, oder ihn verstecken.«
»In Milos Fall wäre das nicht so einfach«, meinte ich. »Wir haben seine Papiere. Früher oder später würden wir ihn schon erwischen und töten.«
Lavinia fing an zu weinen.
Ich runzelte die Stirn. »Was ist?«
»Laß mich für ihn bürgen!«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Wenn er flieht, dann töte mich und nicht ihn.«
»Nein.«
Sie ließ den Kopf hängen.
»Er wird nicht fliehen.«
Lavinia sah mich mit geröteten Augen an.
»Du bist dir doch wohl darüber im klaren, daß er, auch wenn eine Flucht möglich wäre, auf jeden Fall Zurückkehren wird.«
»Herr?«
»Er hat einen ausreichenden Grund, der ihn garantiert zurückbringt.«
»Herr, was ist das für ein Grund?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Nein, Herr!« rief sie aufgebracht.
Ich nickte nachdrücklich.
Sie legte eine Hand an die Brust. »Aber ich bin doch nur eine Sklavin.«
»Das sind die schönsten und aufregendsten aller Frauen«, sagte ich. »Um sie sind Kriege geführt worden.«
Sie stöhnte auf. »Er ist so schön!«
»Er sieht ganz gut aus, das will ich gern zugeben.«
»Er ist der schönste Mann von ganz Ar!«
»Du willst doch damit wohl nicht sagen, daß er attraktiver ist als ich?« fragte ich.
Lavinia sah mich verlegen an.
»Nun?« fragte ich.
»Mein Herr beliebt zu scherzen.«
»Ach ja?« Das hörte sich nicht gut an.
»Anscheinend will der Herr seine Sklavin bestrafen«, sagte sie zögernd.
»Warum sollte ich?«
»Sage ich die Wahrheit, wird mein Herr unzufrieden mit mir sein und mich bestrafen, aber sollte ich nicht die Wahrheit sagen, werde ich meinen Herrn belügen und als verlogene Sklavin noch härter bestraft werden.«
»Du findest ihn also attraktiver als mich?« fragte ich.
»Ja, Herr«, antwortete sie und senkte den Blick. »Verzeih mir, Herr.«
»Aber doch wohl nicht attraktiver als mich«, meldete sich Marcus zu Wort.
»Doch, Herr«, sagte sie. »Verzeih mir, Herr.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Was weiß denn schon eine Sklavin?«
Marcus nickte. »Genau.«
»Bestimmt würden viele Frauen Ars mir zustimmen«, sagte Lavinia.
»Du bist eine bedeutungslose Sklavin«, sagte ich. »Schweig.«
»Ja, Herr.«
»Davon abgesehen, was wissen die schon?«
»Sie sind Frauen«, erwiderte Lavinia. »Sicherlich haben sie das Recht, sich in dieser Angelegenheit eine Meinung zu bilden.«
»Schon möglich«, gestand ich ihr zögernd zu.
»Danke, Herr«, sagte sie. »Bitte denke nicht zu schlecht über Milo.«
»Ich denke nicht schlecht über ihn«, versicherte ich ihr.
Marcus räusperte sich. »Hast du seinen ›Lurius von Jad‹ nicht gesehen?«
»Ich fand ihn ganz gut.«
»Er war schrecklich.«
»Du kannst Lurius von Jad eben nicht ausstehen«, sagte ich. »Außerdem warst du wütend, daß es Phoebe gefiel.«
»Deinem Freund Boots hat es auch nicht gefallen.«
»Vermutlich weil seine Telitsia begeistert war.«
»Seid nicht eifersüchtig auf Milo, falls er attraktiver ist, als ihr es seid«, sagte Lavinia.
»Also gut«, erwiderte ich. »Falls er es ist.«
»Ausgezeichnet«, sagte sie. »Falls er attraktiver als mein Herr ist, dann wirst du nicht auf ihn eifersüchtig sein, und falls er es nicht ist, dann besteht ohnehin kein Grund, auf ihn eifersüchtig zu sein.«
»Du hast recht«, mußte ich zugeben. Gegen diese Logik gab es anscheinend nichts einzuwenden. Aber warum befriedigte sie mich nicht? Normalerweise weiß man auf Gor Intelligenz bei einer Sklavin sehr zu schätzen, aber gelegentlich hat sie auch ihre Nachteile.
»Werde ich bestraft, Herr?« fragte sie plötzlich.
»Nein.«
»Danke, Herr.«
»Zumindest nicht jetzt«, sagte ich.
»Danke, Herr.«
»Keine Ursache.«
»Sei nicht betrübt, Herr«, sagte Lavinia. »Selbst wenn du nicht Milo bist, so seid ihr doch beide starke, attraktive Männer. Ihr habt etwas Besonderes an euch, etwas, das euch von vielen anderen Männern unterscheidet. Es ist eure Überlegenheit. Frauen spüren das in Männern wie euch, manchmal spüren sie zu ihrem eigenen Entsetzen, daß ihr richtige Herren seid. Das hebt euch weit über andere Männer hinaus. Darum wollen Frauen vor euch knien und euch dienen, euch erfreuen und lieben. Und das hat nichts mit einem hübschen Gesicht zu tun, das können auch Schwächlinge haben.«
»Alle Männer sind eure Meister«, sagte ich.
»Das weiß ich nicht, Herr«, sagte sie. »Aber das ist es, was sich eine Frau ersehnt.«
Marcus sah auf. »Der Sklave kehrt zurück«, sagte er.
»Natürlich.«
Lavinia seufzte vor Erleichterung. Ich hatte nicht vergessen, daß sie bereit gewesen war, für ihn ihr Leben zu opfern. So wie er versucht hatte, sie vor den Schlägen zu beschützen. Das galt es im Gedächtnis zu behalten.
Milo betrat einige Augenblicke später frisch gewaschen den Raum, wo er niederkniete.
»Nimm den Kopf runter, dann strecke das linke Handgelenk aus«, befahl ich. Er gehorchte, und ich brachte ein silbernes Sklavenarmband an, das dem ähnelte, das er zuvor getragen hatte. Auf dieses Armband waren in winziger Schrift die Worte ›Ich gehöre Tarl aus Port Kar‹ eingraviert.
Dann warf ich ihm eine schlichte Tunika zu. »Anziehen!«
»Ja, Herr.«
»Wie spät ist es?« fragte ich Marcus.
»Ungefähr die siebte Ahn.«
»Die Magistrate müßten jeden Augenblick eintreffen.«
Marcus nickte. »Sie werden vermutlich den Hintereingang benutzen.«
»Anzunehmen.« Sie waren in der Vergangenheit oft genug hier gewesen. Außerdem würden sie vermeiden wollen, daß man sie auf der Straße eintreten sähe. Sie würden ihre Verabredung, die, wie sie glaubten, mit Appanius und seinen Männern war, einhalten wollen. Natürlich würden sie bei ihrem Eintreten bemerken, daß sich die Pläne geändert hatten und sie einem anderen Mann zu Diensten sein würden.
»Betrachtest du schon wieder die Sklavin?« fragte ich.
»Entschuldige, Herr.«
»Laß den Kopf unten!«
»Ja, Herr.«
»Ich werde dir gleich erklären, was du für mich tun sollst.«
»Ja, Herr.«
Ich wandte mich Marcus zu. »Laß uns in der Zwischenzeit das Netz wieder in Stellung bringen.«
»Hast du die Ketten mitgebracht?«
»Natürlich«, sagte ich.