Ich lag am Boden unserer Unterkunft im insula von Torbon im Metellanischen Bezirk auf einer Decke, auf den Ellbogen aufgestützt, und betrachtete die neue Sklavin.
»Ich hoffe, daß ich meinen Herrn erfreut habe«, sagte sie. Ihr Atem ging noch immer schnell.
»Du hast mich erfreut«, versicherte ich ihr.
»Dann freut sich die Sklavin auch«, flüsterte sie.
»Sie ist wirklich hübsch«, meinte Marcus.
Phoebe schnaubte höhnisch. Sie war gerade dabei, etwas zu nähen. »Ihre Haut schält sich immer noch.«
»Das ist doch schon viel besser.« Wir hatten eine Heilsalbe gekauft.
»Außerdem ist ihr Haar zu kurz«, sagte Phoebe.
»Das stimmt«, räumte ich ein. Die Sklavin senkte den Kopf.
»Aber sie ist ganz hübsch«, sagte Phoebe. »Für ein billiges Mädchen.«
»Danke, Herrin«, sagte die Sklavin.
»Was hast du gekostet?« fragte Phoebe.
»Nun hör aber auf!« sagte Marcus gereizt. Phoebe wußte ganz genau, was ich für das Mädchen bezahlt hatte. Als wir mit ihr angekommen waren, hatte sie keine Ruhe gegeben, bis sie zu ihrer großen Befriedigung erfuhr, wie gering die Summe gewesen war.
»Fünf Kupfertarsk, Herrin«, sagte die neue Sklavin. Ihr Name war Lavinia.
»Ich bin für einhundert Goldstücke verkauft worden«, sagte Phoebe.
»Das war unter besonderen Umständen«, sagte ich.
»Aber es ist bezahlt worden!« beharrte sie.
»Stimmt«, sagte ich.
Die eigentliche Bedeutung dieser Unterhaltung blieb Lavinia natürlich verborgen, da sie kaum etwas über den Wert von Frauen wußte. Aber ihr war immerhin klar, daß einhundert Goldstücke eine unglaubliche Summe darstellten.
»Die Herrin ist sehr hübsch«, sagte Lavinia.
Phoebe warf den Kopf zurück, strich sich das Haar glatt. Sie war hübsch. Ich war schon immer dieser Meinung gewesen.
»Ich wußte gar nicht, daß cosische Mädchen so hübsch sein können«, sagte Lavinia.
Phoebe warf mit einem wütenden Aufschrei Nadel und Faden beiseite und eilte zur Wand, um eine Peitsche zu ergreifen. Dann stürmte sie mit erhobener Peitsche auf Lavinia zu. Die neue Sklavin schrie entsetzt auf und senkte den Kopf. Aber der Schlag wurde verhindert. Marcus hatte Phoebes Handgelenk geschnappt. Sie schrie schmerzerfüllt auf und ließ die Peitsche fallen. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, Lavinia entgegenzubrüllen: »Cos hat Ar besiegt! Soviel steht fest!«
»Du bist keine Cosianerin mehr«, sagte Marcus streng. »Genausowenig wie sie noch eine Arerin ist. Ihr seid beide jetzt Sklavinnen!«
Phoebe wehrte sich wütend gegen seinen Griff.
»Stimmt das nicht?« fragte er.
Sie sah mit blitzenden Augen zu ihm hoch. »Ja, Herr«, sagte sie dann.
Sie kämpfte noch immer gegen ihn an, aber da er sie fest im Griff hatte, war es kaum mehr als ein vergebliches Zappeln. Sie stieß einen leisen, wütenden Laut aus. Ihr hübscher Körper hätte genausogut mit Stahlbändern umwunden sein können. Die Näharbeit lag am Boden. Zuerst hatte Phoebe nichts vom Nähen verstanden, aber als sie zur Sklavin geworden war, hatte sie solche Fertigkeiten lernen müssen. Tatsächlich hatten wir ein Mädchen angeheuert, das ihr im Nähen Unterricht gab. Lavinia hatte ebenfalls keine Ahnung von solchen Dingen. Sie hatte in der kurzen Zeit ihrer Versklavung noch keine vernünftige Ausbildung erhalten.
Phoebe gab die Gegenwehr auf, und Marcus ließ sie los, trat einen Schritt zurück und betrachtete sie.
Sie stand wütend vor ihm, trotzig, mit geballten Fäusten.
»Ich schätze, man könnte dich für eine Cosianerin halten«, sagte er nachdenklich. »Da du einst aus Cos kamst.«
Sie fing an zu zittern.
»Also, zieh dich aus, Frau aus Cos, und leg dich auf den Bauch.«
»Ich komme nicht aus Cos«, sagte sie plötzlich. »Ich bin nur eine Sklavin, Herr!«
Er starrte sie an.
Mit fliegenden Fingern zog sie sich die Tunika über den Kopf und legte sich auf den Bauch.
Marcus sah auf sie hinunter.
Sie schluchzte unterdrückt.
Lavinia verhielt sich still. Anscheinend wagte sie kaum zu atmen.
»Vielleicht ist hier das falsche Mädchen das erste Mädchen«, sagte er nachdenklich. Natürlich hatte Phoebe unter den beiden Sklavinnen automatisch den höheren Rang eingenommen.
Phoebe schluchzte lauter.
»Darf ich sprechen, Herr?« flüsterte Lavinia.
Marcus sah sie überrascht an. »Ja.«
»Bitte, hab Mitleid mit ihr, Herr«, flüsterte sie.
»Du sprichst für sie?«
»Ja, Herr«, sagte sie. Phoebe blickte sie überrascht an. »Es ist doch nur – sie liebt dich doch so sehr.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Marcus.
Phoebe schluchzte auf und drehte den Kopf weg.
»Sie will dir damit sagen, daß Phoebe eifersüchtig auf sie ist«, sagte ich.
Marcus ging neben seiner Sklavin in die Hocke.
»Ist das wahr?«
»Ja, Herr«, wisperte Phoebe mit geschlossenen Augen.
»Aber du bist doch meine Liebessklavin«, sagte er.
Sie schluchzte wieder, aber diesmal vor Freude. Er streckte die Hand nach ihr aus, und sie erschauderte unter seiner Berührung wie ein Vulo.
Er erhob sich wieder, nahm die Peitsche vom Boden auf und warf sie neben Phoebes Kopf.
»Du wirst dienen«, sagte er.
»Ja, Herr«, flüsterte sie.
Dann griff er nach ihrem Nacken, ließ sie seine Kraft spüren. Sie lag ganz ruhig da. Schließlich stieß sie leise Laute aus, als er anfing, sie meisterhaft zu liebkosen.
Ich hob die Näharbeit auf, die Phoebe zu Boden geworfen hatte. Es handelte sich um eine Tunika, die der einer Staatssklavin ähnelte, aber dem neuen Schnitt nachempfunden war. Bis noch vor kurzem war die Tunika einer Staatssklavin, also einer Sklavin, die dem Stadtstaat gehörte, kurz, ärmellos, grau und an den Seiten mit Schlitzen versehen gewesen. Der Kragen, den solche Sklavinnen tragen mußten, war ebenfalls grau, passend zur Tunika. Die Mode war natürlich Änderungen unterworfen, der Saum rutschte höher oder tiefer, das Material wurde mit Farben abgesetzt und so weiter. Vor kurzem hatte man die Kleidung der Staatssklavinnen stark verändert, wie nach der Niederlage Ars nicht anders zu erwarten gewesen war. Jetzt reichte der Kragen bis zum Hals, und der Saum bedeckte fast das Knie. Diese Änderungen waren Teil der gescheiterten Unterdrückungskampagne der Cosianer gewesen, der Versuch, die sexuelle Vitalität der Bürger Ars zu unterdrücken. Die Kleidung der Staatssklavinnen war allerdings noch immer ärmellos.
Ich warf einen Blick auf Lavinia, die noch immer auf der Decke am Boden lag. Ich bedeutete ihr aufzustehen. Als sie es getan hatte, reichte ich ihr die Tunika. »Halt dir das mal vor.«
Sie nahm die Tunika entgegen und drückte sie sich mit beiden Händen vor den Körper.
Ich betrachtete sie.
»Herr?«
»Du könntest einen Stein zum Schwitzen bringen.«
Sie errötete. »Danke, Herr.«
Ich betrachtete sie weiter. In der Tunika würde sie sehr verführerisch sein. Ich nahm ihr die Tunika wieder ab. Dann bedeutete ich ihr niederzuknien.
Auf der anderen Seite des Raumes keuchte Phoebe auf.
»Herr?« fragte die neue Sklavin.
»Ja?«
»War ich zufriedenstellend?«
»Ja.«
»Glaubst du, ein anderer Mann könnte mich attraktiv finden?«
»Schon möglich.«
»Ich bin nicht mehr so hochmütig, so dumm, wie ich war?«
»Nein.«
»Ich bin jetzt eine viel bessere Sklavin, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ich bin dankbar für meine Ausbildung.«
»Gern geschehen.«
»Ich hoffe, daß ich davon profitiert habe.«
»Das hast du, keine Frage«, sagte ich.
»Dann glaubst du, daß mich ein anderer Mann, unter gewissen Umständen, nicht abstoßend finden würde?«
»So ist es.«
Sie senkte schüchtern den Kopf.
»Ich würde mir allerdings keine großen Hoffnungen machen«, fuhr ich fort. »Du hast mir zu gehorchen, und in der ersten Phase unseres Unternehmens besteht deine Hauptaufgabe lediglich darin, die Botschaft zu überbringen.«
»Ich verstehe, Herr.«
»Was du tust, während du die Botschaft überbringst, bleibt dir überlassen.«
»Ja, Herr«, sagte sie schüchtern.
Ein plötzlicher Lärm ließ mich zur Seite blicken. Marcus, der Phoebe umarmte, hatte sich herumgewälzt, und sie waren gegen die Wand gestoßen.
»Komm her zu mir«, befahl ich meiner neuen Sklavin. »Auf allen vieren.« Sie gehorchte und zog dabei die Fußkette hinter sich her.
Ich zeigte auf ein flaches Lederkästchen, das am Boden lag. »Bring es mir.«
Sie holte es und hielt es mir hin.
»Herr?« fragte sie.
Ich machte keine Anstalten, es entgegenzunehmen. Lavinia blickte mich verwirrt an. Dann hatte sie begriffen. »Vergib mir, Herr.«
Auf den Knien hob sie die ausgestreckten Arme und bot mir das Kästchen entgegen. Ihr Kopf blieb zwischen den ausgestreckten Armen gesenkt.
»Anscheinend mußt du noch viel lernen«, sagte ich.
»Vergib mir, Herr.«
Ich nahm das Kästchen.
Sie ließ sich auf die Fersen sinken, spreizte die Beine und legte noch immer mit gesenktem Kopf die Hände auf die Oberschenkel.
»Deine Ausbildung wird fortgeführt.«
»Danke, Herr.«
»Und jetzt auf alle viere«, befahl ich. »Und zwar in meiner Nähe, wo ich dich erreichen kann.«
Ich streckte die Hand aus und berührte den Kragen an ihrem Hals. Das war der erste von drei Sklavenkragen, die ich für sie besorgt hatte. Die beiden anderen befanden sich in dem Kästchen. Der Kragen um ihren Hals trug die Aufschrift ›LIEFERE MICH BEI TARL IM INSULA VON TORBON AB‹.
Ich nahm den oberen Kragen aus dem Kästchen und legte ihn ihr an, direkt über dem anderen. Ich ließ den Verschluß zuschnappen. Er paßte gut. Die Aufschrift lautete: ›LIEFERE MICH BEIM PEITSCHENMEISTER DES ZENTRALZYLINDERS AB‹. Ich schob den Schlüssel ins Schloß, öffnete es und nahm ihn ihr wieder ab. Ich legte ihn mitsamt Schlüssel zurück in das Kästchen und holte den anderen Kragen hervor, um ihn ihr probeweise anzulegen. Seine Aufschrift lautete: ›LIEFERE MICH BEI APPANIUS VON AR AB‹.
Es war kein Zufall, daß ich Lavinia gekauft hatte. Sie war keine Unbekannte für mich. Ich hatte beobachtet, wie sie versklavt worden war, damals, im Metellanischen Bezirk, vor dem Einzug der Cosianer in die Stadt, vor dem freiwilligen Schleifen der Stadtmauern. Sie hatte törichterweise gegen das Lagergesetz verstoßen. Als freie Frau war sie zu dem Sklaven Milo aufs Lager gekrochen, wobei sie ertappt worden war. Natürlich hatte sie nicht wissen können, daß Milo nur als Lockvogel seines Herrn Appanius diente und schon mehrere freie Frauen auf diese Weise in den Besitz seines Herrn überführt hatte.
Milo war hervorragend für eine solche Aufgabe geeignet. Er war immerhin Schauspieler, und zwar ein recht guter. Zumindest war das meine Meinung. Es gab Leute, die da anders dachten. Marcus gehörte zu ihnen. Boots Tarskstück auch, aber bei ihm war das nur kollegiale Eifersucht. Milo war der schönste Mann von Ar. Nun, sagen wir, einer der schönsten. Ich hatte gesehen, wie einige freie Frauen bei seinem Anblick in Ohnmacht gefallen waren, als er in der Rolle des Lurius von Jad auf der Bühne erschien.
Wie ich in Erfahrung gebracht hatte, hatte sich Appanius, der nicht nur Impresario und ein Förderer der schönen Künste war, sondern auch Landwirt, nur wenig aus seiner Neuerwerbung gemacht. Er schien sich überhaupt nicht viel aus Frauen zu machen. Er hatte Lavinia nach einem Zwischenfall als Feldsklavin schuften lassen. Der Sonnenbrand war noch immer zu sehen. Darum hatte ich sie so billig und ohne Aufsehen zu erregen erwerben können.
Phoebe stöhnte jetzt immer lauter. Sie hatte die Augen geschlossen und warf den Kopf hin und her. Sie war wie von Sinnen in ihrer Lust, ihrem Herrn ergeben.
Ich nahm Lavinia auch diesen Kragen wieder ab und verstaute ihn mitsamt dem Schlüssel neben dem anderen in dem Kästchen.
»Nimm mich!« schluchzte Phoebe. »Ich flehe dich an! Ich bin deine Sklavin! Benutz mich als hilfloses Gefäß deiner Lust!«
»Rühr dich nicht«, sagte ich zu meiner neuen Sklavin. Sie blieb an meiner Seite, auf allen vieren.
»Ich ergebe mich!« schluchzte Phoebe.
Dann erbebte sie, schnappte nach Luft und klammerte sich an Marcus fest. Auch er keuchte auf, dann lachte er plötzlich, ein lautes Lachen, fast schon ein Triumphschrei.
»Das andere Kleidungsstück ist fertig?« fragte ich Lavinia.
»Ja, Herr.«
»Dann zieh es für mich an.«
»Ja, Herr.« Sie stand auf, ging zur anderen Seite des Zimmers, wo eine Truhe stand, vor der sie niederkniete und ein weißes Kleidungsstück aus Hurtwolle hervorholte.
Ich blickte zur Seite, als sie aufstand, es sich über den Kopf zog und an ihrem Körper glattstrich. Ich wollte es nicht sehen, bis sie es richtig angezogen hatte.
»Herr«, sagte sie.
»Ausgezeichnet!« sagte ich.
Das Gewand endete ein Stück oberhalb der Knie und hatte einen hohen, sittsamen Kragen. In gewisser Hinsicht ähnelte sein Stil den Tuniken der Staatssklavinnen. Das paßte gut zu meinen Plänen.
»Dreh dich!« befahl ich. »Sehr gut.«
Neben seiner Schlichtheit war vielleicht die Tatsache noch wichtiger, daß es sich um die Art von Kleidung handelte, in der es eine Sklavin wagen konnte, vor eine freie Frau zu treten. Die Tunika würde kaum den Neid oder die Wut einer freien Frau erregen; sie war kleidsam und doch offensichtlich das Gewand einer Sklavin.
»Die Herrin hat es genäht«, sagte Lavinia.
»Das hast du gut gemacht, Phoebe«, sagte ich. »Es ist tadellos.«
»Danke, Herr«, keuchte Phoebe. Sie lag neben Marcus. Ihr Körper war von einer feinen Schweißschicht überzogen, ihre Brustwarzen noch immer hart.
»Zieh es wieder aus!« befahl ich. »Leg es in die Truhe zurück. Dann nimm wieder deine Position ein, neben mir. Auf allen vieren!«
»Ja, Herr.«
Ich betrachtete sie in aller Ruhe. In dieser Stellung boten ihre Brüste einen wunderschönen Anblick.
»Kannst du schreiben?« fragte ich sie.
»Ja, Herr.«
»Du bist sicher neugierig, was für einen Brief du überbringen sollst.«
»Ja, Herr«, sagte sie und zuckte unwillkürlich zusammen. Ich hatte sie berührt.
»Der eine Brief geht dich nichts an«, sagte ich, »da du nur seine Überbringerin sein wirst. Andererseits wird dir klar sein, worum es dabei geht.«
»Ja, Herr.«
»Du wirst ihn der Frau überbringen, die ich dir noch nennen werde«, fuhr ich fort, »und zwar ihr persönlich. Um die Chancen, daß du zu ihr vorgelassen wirst, zu erhöhen, wirst du den Brief in einer Röhre am Hals tragen, und deine Hände werden mit Handschellen auf den Rücken gefesselt sein.«
»Wie mein Herr befiehlt.«
»Glaubst du, sie lassen sie zu ihr durch?« fragte Marcus.
»Bei ihrer Geschichte und dem Kragen glaube ich schon«, sagte ich.
»Der Brief muß in einer Männerhandschrift geschrieben sein.«
»Natürlich.« Ich lächelte.
»Zweifellos in deiner flüssigen Schrift.« Er lag auf dem Rücken und blickte zur Decke, deren Putz abblätterte.
»Ich hatte gehofft, jemand könnte dazu überredet werden, die Nachricht auf eine überzeugendere Weise zu gestalten.«
Lavinia stöhnte auf und bewegte sich angespannt, behielt ihre Position aber bei.
»Die Handschrift muß vermitteln, daß der Schreiber gebildet, charmant, gewandt, elegant und zuvorkommend ist.«
»Das hört sich nach der richtigen Aufgabe für deine Blockschrift an«, sagte Marcus. »Sie hat viele Vorzüge. Ich kenne Bauern, die sie nicht so gut hinbekommen. Du könntest natürlich deine unverwechselbare Schreibschrift benutzen. Sie läßt auf unterschwellige Weise an einen absoluten Analphabetismus denken, die ihr sofort einen prägnanten, eigenwilligen Reiz verleiht.«
»Mein Herr hat eine ausgezeichnete Handschrift«, sagte Phoebe.
»Hat dich jemand um deine Meinung gebeten?« fragte Marcus.
»Nein, Herr«, sagte sie. »Verzeihung, Herr.«
»Ich hatte gehofft, Phoebe, daß sich dein Herr dazu überreden ließe, diesem Unternehmen sein Können zur Verfügung zu stellen«, sagte ich.
»Ja, Herr«, flüsterte sie.
»Meine Handschrift ist schlicht«, sagte Marcus.
»Vielleicht könntest du ja ein paar Schnörkel hinzufügen.«
»Nein«, sagte Marcus.
»Möchtest du, daß ich den Brief schreibe?«
»Das wäre verhängnisvoll.«
»Davon abgesehen, könnte meine Handschrift erkannt werden«, sagte ich.
»Daran habe ich gar nicht gedacht«, sagte Marcus.
»Also, tust du es?«
»Ich schreibe aber nur in meiner normalen Handschrift«, sagte er.
»Hervorragend.«
»Und was ist, wenn sie die Schrift des angeblichen Schreibers kennt?«
»Das ist sehr unwahrscheinlich«, erwiderte ich. Es war unvorstellbar, daß der angebliche Schreiber aus eigenem Antrieb eine derartige Korrespondenz begann. Bei den bei einer solchen Beziehung verbundenen Risiken würde der erste Brief normalerweise mit Sicherheit von der freien Person ausgehen.
»Was den Inhalt des anderen Briefs angeht, so wirst du genau darüber Bescheid wissen«, sagte ich zu Lavinia.
Sie drängte sich unwillkürlich meiner tastenden Hand entgegen und biß sich auf die Lippe. »Ja, Herr.«
»Denn du wirst ihn schreiben.«
»Ja, Herr.«
»Ich werde ihn dir diktieren«, sagte ich. »Falls du willst, kannst du ihn auch allein schreiben und dann meine Zustimmung einholen.«
»Wie mein Herr wünscht.«
»Wann wird dein Freund, der edle Boots Tarskstück, eigentlich endlich losschlagen?« fragte Marcus.
»Sei nicht ungeduldig mit ihm«, erwiderte ich und streichelte Lavinia. »Um zu dem Heimstein vorgelassen zu werden, mußte er ihn verhöhnen.«
Ich hatte Marcus bestürmt, sich das nicht anzusehen, aber er hatte natürlich darauf bestanden. Anscheinend wollte er – soweit es möglich war – diese schwierige, gefährliche Operation in all ihren Phasen überwachen. Keine Einzelheit war so unwichtig, daß er sie übersehen hätte. Allerdings war ich der Meinung, daß Boots die Sache etwas übertrieben hatte. Mitgerissen von seiner Vorstellung war ihm vermutlich nicht einmal bewußt gewesen, daß ich ein paar Meter von ihm entfernt alle Mühe hatte, Marcus davon abzuhalten, sich mit der blanken Klinge auf ihn zu stürzen. Die meisten Umstehenden, die Marcus und die Wut in seinem Blick ebenfalls nicht wahrgenommen hatte, hatten sich prächtig amüsiert. Boots hatte aus seiner Verachtung für den Heimstein des verräterischen Ar-Station ein großartiges Schauspiel gemacht. Seine Beleidigungen waren zahlreich, gut überlegt und trafen ins Mark; sie wurden mit Wonne vorgetragen. Man hatte ihm sogar applaudiert. Es war Zufall gewesen, daß Marcus nicht an ihn herankonnte. Ohne es zu wissen, hatte Boots es allein diesem glücklichen Umstand zu verdanken, daß er unbeschadet weitergehen konnte, ohne daß ihm zum Beispiel bei lebendigem Leibe das Herz herausgeschnitten wurde.
»Wann wird er zuschlagen?« fragte Marcus.
»Er hat nicht gemeint, was er da gesagt hat«, versicherte ich ihm.
»Er klang sehr überzeugend«, erwiderte Marcus grimmig.
»Wäre es dir lieber gewesen, er hätte sich nicht überzeugend angehört?«
»Wann wird er zuschlagen?« wiederholte Marcus.
»Die Imitation muß angefertigt werden«, erwiderte ich. »Das braucht seine Zeit.«
»Wann wird er zuschlagen?«
»Bald, da bin ich mir sicher.«
»Vielleicht hat er ja bereits die Stadt verlassen.«
»Das hat er nicht.«
Marcus ließ nicht locker. »Das wäre auch besser für ihn.«
»Das wird er schon nicht tun«, sagte ich. »Aber wenn er es täte, könnte man es ihm wohl kaum zum Vorwurf machen. Es ist nicht sein Heimstein. Er ist kein Soldat. Du bist nicht sein Offizier oder Ubar.«
»Das ist wahr.«
»Sei dankbar, daß er uns helfen will.«
»Ich will ihm nichts schulden«, sagte Marcus. »Ich werde dafür sorgen, daß er gut bezahlt wird.«
»Wie du willst.«
»Glaubst du, man kann ihn überreden, Geld anzunehmen?«
»Sicher, wenn wir nur mit genügend Nachdruck darauf bestehen.«
»Gut«, sagte Marcus.
»Er ist wirklich kein schlechter Kerl.«
Marcus gab nur ein wütendes Schnauben von sich. Ich schüttelte den Kopf und streichelte Lavinia weiter. Sie bebte am ganzen Körper.
»Morgen werden wir unsere Pläne durchführen«, sagte ich. »Und du wirst mir gehorchen«, fügte ich an Lavinia gewandt hinzu.
»Ja, Herr«, erwiderte sie stöhnend. »Deine Sklavin wird gehorchen.«