5

»Was forderst du für sie?« fragte Suleiman. Er saß auf Kissen und auf Teppichen aus Tor.

Er trug Kaffiyeh und Agal in den Farben der Aretai.

Vor uns stand ein Mädchen auf dem glatten roten Holzboden. Ihr Körper war entspannt, ein herrlicher Anblick. Sie trug einen Gürtel aus zusammengerolltem Stoff und gelbe Tanzseide nach turianischer Art. Sie war barfuß; um ihre Fußgelenke lagen zahlreiche goldene Reifen. Sie trug einen gelben Seiden-Büstenhalter, der ihre Schönheit unterstrich. Ihren Hals schmückten mehrere leichte Goldketten mit Anhängern, ihre Arme waren von Schmuckreifen umschlossen. Sie war blond und blauäugig und hatte eine helle Haut. Ich nickte den Musikern zu, die sofort zu spielen begannen. Ein leises Klimpern der Finger-Zimbeln ertönte, und Alyena begann für uns zu tanzen.

»Gefällt dir die Sklavin?« fragte ich.

Suleiman beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Sein Gesicht war ausdruckslos. »Sie ist nicht uninteressant.«

Ich zog unter meiner Robe den Gürtel hervor, in dem ich meine Edelsteine versteckt hatte. Vorsichtig schnitt ich die Naht auf, welche die beiden Teile zusammenhielt, nahm nacheinander die Steine heraus und legte sie vorsichtig auf den lackierten Intarsientisch, hinter dem Suleiman mit untergeschlagenen Beinen saß.

Er warf einen Blick auf die kostbaren Stücke, nahm sie nacheinander zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand. Manchmal hielt er sie ins Licht. Ich hatte mir größte Mühe gegeben, den ungefähren Wert meiner Steine zu ermitteln, und auch ihren Marktwert in gepreßten Datteln.

Rechts von Suleiman saß ein anderer Mann in entspannter Haltung. Auch er trug Kaffiyeh und Agal und einen Seidenkaftan. Er war ein Salzkaufmann aus Kasra.

»Es tut mir leid, daß wir nicht zusammen nach Kasra und von dort nach Tor reisen konnten«, sagte Ibn Saran.

»Ich wurde leider dringend fortgerufen«, sagte ich. »Es ging um geschäftliche Dinge.«

»Ich habe es mit Bedauern vernommen«, sagte Ibn Saran lächelnd und hob eine winzige Tasse mit dampfendem schwarzen Wein an die Lippen. Er war gezuckert und schmeckte grauenhaft.

Suleiman schob bestimmte Steine mit den Fingern in meine Richtung. Diese Exemplare legte ich wieder in meine Börse. Offensichtlich interessierte er sich in erster Linie für Diamanten und Opale. Beide Gattungen wurden in der Tahari nur selten gehandelt.

Er betrachtete Alyena. Ihr Körper schien sich kaum zu bewegen trotzdem tanzte sie, wie gegen ihren Willen. Es sah aus, als wollte sie eigentlich stillstehen und müßte dazu die Wünsche des eigenen Körpers bekämpfen. Die Augen hatte sie geschlossen, die Zähne gruben sich in ihre Unterlippe, das Gesicht war gequält verzogen, die Arme mit geballten Fäusten über den Kopf erhoben dennoch bewegte sich der Körper wie von allein, ihr Körper zwang sie, sich den Augen der Männer in anmutiger Bewegung darzubieten. Mit dieser Art der Präsentation läßt sich eine unglaubliche Spannung erzeugen, der sich auch Suleiman und Ibn Saran nicht entziehen konnten. Ich hatte einen Monat lang in der Oase der Neun Brunnen warten müssen, ehe mir eine Audienz bei Suleiman gewährt wurde. Ibn Saran hob einen Finger, ohne den Blick von Alyena zu wenden. Von der Seite eilte ein Sklavenmädchen herbei sie trug einen durchscheinenden Hosen-Chalwar, der an ihrer Hüfte die nackte Haut sehen ließ, und darüber eine enge rote Weste. Sie war verschleiert. Das Mädchen kniete mit einem Silbergefäß neben ihrem Herrn nieder und schenkte ihm schwarzen Wein nach. Dann wich sie zurück. Ibn Saran machte ein zweites Zeichen, und ein anderes Mädchen, hellhäutig und blond, kam seiner Anordnung nach. Sie war ähnlich gekleidet wie die erste Sklavin und brachte ein Tablett mit verschiedenen Zuckersorten. Mit einem winzigen Löffel füllte sie vier Prisen weißen Zucker und sechs Prisen gelben Zucker in die Tasse. Nach jedem Löffel rührte sie den Wein vorsichtig um. Schließlich hielt sie die Tasse an die Wange, um zu prüfen, ob das Getränk nicht zu heiß war.

Ich blickte dem Mädchen nicht nach, welches den Silbertopf auf ein kleines Feuer gestellt hatte. Dennoch beschäftigten sich meine Gedanken mit ihr. Ich fragte mich, ob sie Suleiman oder Ibn Saran gehörte. Vermutlich war sie Suleimans Eigentum; immerhin befanden wir uns hier in seinem Palast.

Widerstrebend schob Suleiman zwei weitere Steine zurück. Wortlos nahm ich sie wieder an mich.

Im Tanzen drehte sich Alyena anmutig hin und her. Sie hatte in den letzten Wochen viel dazugelernt. Ibn Saran beobachtete sie und trank von seinem heißen schwarzen Wein. Ich spürte, daß er sich für ihre Schönheit interessierte.

Sie bückte sich mit ausgestrecktem Bein, bewegte es anmutig, winkelte es im Takt der Musik an, fuhr mit der Hand darüber hin. Alyena tanzte gut tief in ihrem Inneren loderte das Sklavenfeuer, auch wenn sie es selbst noch nicht wußte. Zuweilen sah sie ihr Publikum an. Ihre Augen verkündeten: Ich tanze für euch, doch in Wirklichkeit bin ich keine Sklavin. Niemand hat mich bisher gezähmt. Das vermag niemand. Kein Mann vermag mich zu bändigen.

Doch der Tag würde kommen, da sie die Wahrheit erkannte. Es gab keinen Grund zur Eile. Die Männer der Tahari sind geduldig. Vor Suleiman lagen nun fünf Steine drei funkelnde Diamanten und zwei Opale. Der eine war ein ganz gewöhnlicher milchiger Stein, der andere ein ungewöhnlicher rötlichblauer Flammenopal. Auf der Erde sind Opale nicht sonderlich wertvoll, doch auf Gor ist dieser Stein viel seltener. Es handelte sich um ausgezeichnete Exemplare, makellos oval, sorgfältig geschnitten und geschliffen. Dennoch kamen sie natürlich nicht an den Wert der Diamanten heran.

»Was möchtest du für diese fünf Steine haben?« fragte er.

»Hundert Lasten Dattelbarren«, sagte ich.

»Das ist zuviel.«

Natürlich verlangte ich zuviel. Es ging bei unserem Handel darum, meine erste Forderung so hoch anzusetzen, daß zuletzt ein akzeptabler Preis herauskam. Zugleich mußte ich es vermeiden, einen Mann von Suleimans Position und Intelligenz zu beleidigen. Den ersten Preis zu hoch zu wählen, als hätte ich es mit einem Dummkopf zu tun, wäre sehr töricht gewesen und hätte unangenehme Folgen für mich haben können vielleicht die sofortige Enthauptung, womit ich aber nur rechnen mußte, wenn Suleiman keine angenehme Nacht mit seinen Frauen und kein gutes Frühstück hinter sich hatte. Das aber war unwahrscheinlich, denn er war ein Genießer.

»Zwanzig Lasten Dattelbarren«, sagte er.

»Das ist zuwenig«, meinte ich.

Suleiman betrachtete die Edelsteine. Er wußte selbst, daß der von ihm genannte Preis zu niedrig war. Suleiman war ein Mann von Geschmack; er war außerdem sehr intelligent.

Immerhin war er es gewesen, der die Falle aufgebaut hatte. Am sechsten Abend, nachdem die Eskorte der Aretai-Soldaten zur Karawane des Farouk gestoßen war, begann ich zu ahnen, welches Spiel gespielt wurde.

Der Leutnant des Hauptmanns der Eskorte suchte mich in meinem Zelt auf. Er war es gewesen, der mich als Spion der Kavars verdächtigt hatte, der sich dafür ausgesprochen hatte, mich sofort umzubringen. Wir hatten nicht besonders viel füreinander übrig. Der Mann hieß Hamid. Der Hauptmann wurde Shakar genannt.

Verstohlen sah er sich um und setzte sich dann ungebeten zu mir auf die Matte. Dennoch hatte ich keine Lust, ihn zu töten.

»Du hast Edelsteine bei dir, die du an Suleiman verkaufen willst, den Pascha der Aretai«, sagte der Leutnant.

»Ja«, erwiderte ich.

Der Mann sah mich nervös an. »Gib mir die Steine«, sagte er. »Ich bringe sie zu Suleiman. Dich empfängt er nämlich nicht. Ich gebe dir als sein Bote den Gegenwert in Dattelbarren.«

»Damit bin ich nicht einverstanden«, sagte ich.

Er kniff die Augen zusammen, und sein Gesicht verzog sich mürrisch.

»Geh«, sagte er zu Alyena.

Ich nickte ihr zu. »Tu, was er sagt.«

»Ich wollte mich vor der Sklavin nicht genauer äußern«, sagte Hamid.

»Das verstehe ich.« Und das tat ich wirklich. Wenn er es für erforderlich hielt, mich umzubringen, durfte das auf keinen Fall vor einem Zeugen geschehen, auch wenn es sich nur um eine Sklavin handelte. Er lächelte. »Es sind Kavars in der Gegend«, sagte er. »Sogar sehr viele.«

Damit konnte er recht haben. In den letzten Tagen hatte ich von Zeit zu Zeit kleine Reitergruppen gesehen, die uns in der Ferne zu begleiten schienen. Wenn die Wächter oder die Soldaten der Eskorte auf sie zuritten, hatten sie sich schleunigst zurückgezogen und waren zwischen den Hügeln verschwunden.

»Du solltest das lieber nicht weitererzählen«, fuhr Hamid fort, »aber es treibt sich in der Nähe eine Kavar-Gruppe herum, zwischen drei und vierhundert Mann stark.«

»Räuber?« fragte ich.

»Kavars«, sagte er. »Stammesangehörige. Außerdem Männer des verbündeten Stammes der Ta’Kara.« Er sah mich eindringlich an.

»Vielleicht kommt es bald zum Krieg. Dann nimmt die Zahl der Karawanen schnell ab, denn kein Kaufmann wird seine Waren aufs Spiel setzen wollen. Die Kavars wollen verhindern, daß Suleiman diese Waren erhält. Sie wollen die Vorräte zur Oase der Silbersteine umleiten.« Es handelte sich um eine Oase der Char, die ebenfalls mit den Kavars verbündet waren. Sie hatte ihren Namen erhalten, als vor mehreren Jahrhunderten einige durstige Männer nachts auf die Quelle stießen. Auf den großen flachen Steinen in der Nähe hatte sich Tau niedergeschlagen, und die Feuchtigkeit hatte im Zwielicht wie Silber geschimmert. Übrigens gibt es oft Tau in der Tahari, ein Niederschlag von Luftfeuchtigkeit in kühlen Nächten. Natürlich verdunstet das Wasser nach dem Aufgehen der Sonne sofort wieder. Manche Nomaden graben vor dem Morgengrauen Steine aus, säubern sie, setzen sie im Freien aus und lecken später die Feuchtigkeit ab. Damit läßt sich natürlich nicht viel Wasser gewinnen, doch es ist besser als gar nichts.

»Wenn sich so viele Kavars und Ta’Kara in der Nähe herumtreiben«, sagte ich, »habt ihr nicht genügend Männer, um unsere Karawane zu verteidigen.« Ich hatte den Eindruck, daß bei den gegebenen militärischen Verhältnissen eine so kleine Eskorte geradezu zum Angriff herausforderte.

Hamid, der Leutnant Shakars, des Hauptmanns der Aretai, antwortete nicht auf meine Bemerkung. Er kam vielmehr auf seine erste Bitte zurück. »Gib mir die Steine. Ich bewahre sie für dich auf. Wenn du sie mir nicht gibst, verlierst du sie vielleicht an die Kavars. Ich reiche sie für dich an Suleiman weiter, der dich nicht empfangen wird. Ich schließe den Handel für dich ab und sorge für einen guten Preis.«

»Ich werde selbst mit Suleiman sprechen«, sagte ich. »Ich handle meine Preise persönlich aus.«

»Kavar-Spion!« fauchte er. Ich schwieg.

»Gib mir die Steine!«

»Nein.«

»Hast du die Absicht«, fragte er, »dir Zutritt bei Suleiman zu verschaffen, um ihn dann zu ermorden?«

»Das wäre wohl kaum der richtige Weg, um einen guten Preis in Dattelbarren zu erzielen«, sagte ich gelassen und fügte hinzu: »Du hast ja deinen Dolch gezogen!«

Im nächsten Augenblick stürzte er sich auf mich, doch ich saß längst nicht mehr an meinem Platz. Ich war aufgesprungen, trat gegen die Stange, die das Zelt hielt, und glitt ins Freie. Gleichzeitig zog ich meinen Krummsäbel. »Ho!« brüllte ich. »Ein Einbrecher! Ein Einbrecher!«

Männer eilten herbei, unter ihnen Shakar, Hauptmann der Aretai, und mehrere seiner Männer. Treiber und Sklaven drängten herbei. Unter der herabgesunkenen Zeltplane bewegte sich eine Gestalt. Auf ein Zeichen Shakars wurde der Zeltstoff zurückgeschlagen.

»Oh!« rief ich überrascht. »Es ist der ehrenwerte Hamid! Verzeih mir, edler Herr! Ich habe dich für einen Einbrecher gehalten!«

Hamid knurrte etwas vor sich hin und klopfte sich den Staub von der Tunika.

»Ungeschickt, sich ein Zelt auf den Kopf fallen zu lassen«, sagte Shakar und steckte seinen Säbel ein.

»Ich bin gestolpert.« Hamid machte keinen sonderlich erfreuten Eindruck, als er seinem Hauptmann in die Dunkelheit folgte und dabei einen kurzen Blick über die Schulter warf.

»Richte das Zelt wieder auf«, sagte ich zu Alyena, die mich erschrocken ansah.

»Jawohl, Herr«, sagte sie.

Ich machte mich auf die Suche nach Farouk. Ich wollte verhindern, daß seine Männer sinnlos ihr Leben opferten.

Wir brauchten auf den Angriff der Kavars nicht lange zu warten. Es passierte am nächsten Tag, kurz nach der zehnten Stunde, der goreanischen Mittagsstunde.

Es überraschte mich nicht, daß die Soldaten der Aretai-Eskorte zum Kampf antraten, dann aber schleunigst ihre Kaiila herumzogen und die Flucht ergriffen, war die Übermacht der von den Hängen herabschwärmenden Gegner doch erstaunlich groß.

»Wehrt euch nicht!« rief Farouk seinen Wächtern zu und ritt an der Karawane entlang. »Nicht kämpfen! Leistet keinen Widerstand !«

Wenige Minuten später ritten die Kavars mit gesenkten Lanzen zwischen uns herum.

Die Wächter Farouks folgten dem Beispiel ihres Herrn; sie ließen ihre Schilde in den Sand fallen, stießen ihre Lanzen mit den Schäften nach unten in den Boden, zogen ihre Krummsäbel und warfen sie mit den Klingen nach unten von sich.

Sklavinnen schrien durcheinander.

Mit Lanzen bedeuteten die Kavars ihren Gefangenen abzusteigen. Die Männer wurden zusammengetrieben. Kavars ritten an der Karawane entlang und befahlen den Treibern, ihre Tiere wieder in die Kolonne einzufügen. Mit Säbeln schnitten sie hier und dort Ballen und Kisten auf und stellten fest, was sich darin befand. Ein Kavar-Krieger zeichnete mit der Lanzenspitze eine Linie in den Sand.

»Entkleidet die Frauen!« rief er. »Sie sollen hinter dieser Linie Aufstellung nehmen!«

Dem Befehl wurde Folge geleistet. Ich sah, wie Alyena am Arm aus ihrer Kurdah gezerrt und zu Boden gestoßen wurde. Entsetzt starrte sie den Krieger an, der sie zur Linie zerrte. »Ein hübsches Kind!« rief er.

»Oh!« hauchte sie.

»Stell dich auf, Sklavin!« befahl er.

»Warum hast du deine Waffen nicht abgelegt?« fragte ein Kavar und zügelte seine Kaiila neben mir.

»Ich gehöre nicht zu Farouks Wächtern«, sagte ich.

»Du bist doch ein Mitglied der Karawane, nicht wahr?«

»Ich reise mit dieser Karawane, das ist richtig.«

»Übergib deine Waffen«, sagte er, »und steige ab.«

»Nein.«

»Wir haben nicht die Absicht, dich zu töten.«

»Das freut mich zu hören«, erwiderte ich. »Ich möchte dich ebenfalls nicht töten.«

»Sucht die Aretai«, rief ein Mann im Vorbeireiten. »Tötet sie!«

»Bist du ein Aretai?« wollte der Mann von mir wissen.

»Nein.«

Kaiila wurden an uns vorbeigeführt. Andere Tiere blieben bei ihren Treibern.

Staub wallte, aufgewirbelt von den Hufen der Tiere. Die Mädchen standen in einer Reihe nebeneinander. Ihre Beine waren staubbedeckt. Sie hatten die Augen zusammengekniffen. Zwei Mädchen husteten. Einige traten unruhig hin und her, denn Staub und Steine fühlten sich heiß an unter den nackten Füßen. Kein Mädchen verließ die Reihe. Ein Offizier ritt hastig an der Gruppe entlang und gab seine Befehle. Die erste, die mit einem Lanzenschaft aus der Reihe geholt wurde, war Alyena.

Es freute mich, daß die Kavars sie für würdig erachteten, ihre Sklavin zu sein.

Nach kurzer Zeit standen acht andere Mädchen hinter Alyena, fertig zum Anketten. Sechs Mädchen waren von den Kavars abgelehnt worden. »Lauft zu euren Herren!« rief ein Kavar diesen Mädchen zu. Beschämt huschten sie davon.

Alyena freute sich sichtlich, daß sie die Reihe anführte.

»Ich möchte dir empfehlen«, sagte der Kavar, »deine Waffen abzuliefern und abzusteigen.«

»Und dir rate ich, mit deinen Gefährten davonzureiten, wenn euch das Leben lieb ist.«

»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte er.

»Wärst du ein Aretai, hättest du die Karawane kampflos aufgegeben?«

»Natürlich nicht«, sagte er. Und wurde bleich.

»Zum Glück«, sagte ich, »sehe ich nur im Osten eine Staubwolke. Trotzdem würde ich nicht nach Westen reiten, denn das wäre ein zu offensichtlicher Fluchtweg für eine überraschte Streitmacht. Vielleicht liegen dort andere Kämpfer auf der Lauer. In Anbetracht der Weite des Terrains und der Zahl der Soldaten, die die Aretai vermutlich zusammenbekommen, wäre es sicher nicht leicht für sie, euch zu umzingeln, es sei denn, ihr laßt sie zu dicht an die Karawane heran. Ich würde mich zu der Empfehlung versteigen obwohl ich dafür keine Garantie übernehmen kann, habe ich doch das Gelände nicht ausgekundschaftet , schleunigst nach Süden abzuziehen.«

»Im Süden«, sagte er, »liegt das Gebiet der Aretai!«

»Es käme mir unwahrscheinlich vor, wenn man auf eine Flucht in diese Richtung eingerichtet wäre«, sagte ich. »Ihr könnt ja später von diesem Weg wieder ablassen.«

Er stellte sich in den Steigbügeln auf. Dann stieß er einen Schrei aus. Ein Offizier ritt herbei. Die beiden spähten nach Osten. Eine gewaltige Staubwolke erhob sich dort wie eine Krummsäbelklinge in den Himmel.

»Wir müssen kämpfen!« rief ein Mann.

»Ohne daß ihr wißt, wie stark der Gegner ist?« fragte ich. Der Offizier sah mich an. »Wie groß ist die Streitmacht?« fragte er.

»Das weiß ich nicht«, sagte ich. »Doch ich nehme an, daß es genügend Männer sind, um das gesteckte Ziel zu erreichen.«

»Wer bist du?« fragte der Offizier.

»Ein Mann, der zur Oase der Neun Brunnen möchte«, erwiderte ich. Der Offizier richtete sich auf und hob seine Lanze. Wütend gab er seiner Kaiila die Sporen und galoppierte aus dem Lager. Die wirbelnden Burnusse der Kavars und Ta’Karas entfernten sich von der Karawane. Sie zogen nach Süden. Der Anführer schien ein guter Offizier zu sein. Ich ritt zu Alyena hinüber, die zu mir aufblickte. »Anscheinend kommst du nun doch nicht an die Kette«, sagte ich.

»Das freut mich!« rief sie.

»Sei nicht enttäuscht. Als Sklavin wirst du dich an Ketten noch gewöhnen.« Ich hob sie in den Sattel.

«Man hätte mich als erste an die Kette gefesselt«, sagte sie lachend.

»Heißt das nicht, daß ich die schönste von allen war?«

»Unter Tarsk«, sagte ich, »sieht sogar ein weiblicher Sleen hübsch aus.«

»O Herr!« rief sie zerknirscht.

Ich ließ sie in ihre Kurdah umsteigen und wandte mich ab. Im Osten waren die Reiter nun schon deutlich zu erkennen. Es waren etwa vierhundert.

»Herr«, sagte das Mädchen.

»Ja.«

»Ich weiß, daß ich schön bin.« Nackt kniete sie in der Kurdah. Sie hatte sich aufgerichtet und legte die Hände an den Sklavenkragen. Stolz hob sie den Kopf. Ihre blitzenden Augen waren auffällig blau; das lange blonde Haar hing über ihre Schultern herab.

Die Aretai näherten sich der Karawane. Kurz darauf machte ich im Westen ebenfalls eine Staubwolke aus, die von etwa zweihundert Reitern aufgewirbelt wurde. Es war ein vorzüglicher Plan gewesen nur hatten die Kavars offenbar rechtzeitig die Flucht ergriffen.

»Ich weiß, daß ich schön bin, weil ich den Sklavenkragen trage«, sagte Alyena. »Habe ich nicht recht?«

»Du hast recht, Sklavin«, sagte ich. »Wenn die Männer dich nicht schön fänden, hätten sie dich als freie Frau weiterleben lassen. Nur die allerschönsten Mädchen kommen für das Brandzeichen und den Kragen in Frage.«

Sie sah mich an.

»Jeder richtige Mann, der eine solche Frau erblickt, wünscht sie zu besitzen«, fuhr ich fort.

»Auf dieser Welt ist das möglich«, flüsterte Alyena. »Die armen Frauen!«

Ich streifte den Vorhang der Kurdah herunter und ritt weiter. Von Westen und Osten galoppierten die Aretai heran - die Lanzen gesenkt, die Krummsäbel erhoben. Sie fanden keine Kavars und auch keine Ta’Kara. Die Falle schnappte zu - aber war leer.


Suleiman war ein Mann von Geschmack; er war auch ungemein intelligent.

Er betrachtete die Edelsteine.

Er war es gewesen, der den listigen Angriff organisiert hatte.

»Fünfundzwanzig Lasten Dattelbarren«, sagte er.

»Neunzig«, hielt ich dagegen.

»Du verlangst zuviel«, sagte er.

»Großer Pascha«, sagte ich, »nach meiner Meinung ist dein Preis zu niedrig.«

»Wo sind die Kavars?« hatte Shakar gebrüllt, der Kapitän der Aretai, als er durch das Karawanenlager galoppierte, dichtauf gefolgt von Hamid.

»Sie sind fort«, erwiderte ich.

Wären die Kavars in die Falle geraten, hätte es ein Massaker gegeben. Suleiman war ein Mann, vor dem man Respekt haben mußte. Der tatsächliche Wert der Steine, den ich in Tor ermittelt hatte, lag zwischen sechzig und achtzig Lasten Dattelbarren. Natürlich ging es mir weniger darum, ein gutes Geschäft zu machen, als Suleiman kennenzulernen.

Ich befand mich nun schon einen Monat lang in der Oase, und erst jetzt hatte er sich bereit erklärt, mich zu empfangen. Vor kurzem war Ibn Saran mit einer Karawane in der Oase eingetroffen. Etwa zwanzigtausend Menschen lebten hier, zumeist Bauern und Handwerker mit ihren Familien. Neun Brunnen war eine der großen Oasen. Ich hielt es für wichtig, Suleiman kennenzulernen. Um meiner Rolle treu zu bleiben, wollte ich ihm Edelsteine anbieten. Die auf diese Weise erstandenen Dattelbarren sollten auf meinem weiteren Weg nach Osten den Rahmen bilden für meine Auftritte als Dattelkaufmann. Ich ahnte, daß meine Vorladung zu Suleiman indirekt wohl auch mit der Ankunft Ibn Sarans in der Oase zu tun hatte. Vermutlich hatte er sich für mich eingesetzt, wofür ich ihm ehrlich dankbar war. Er erinnerte sich natürlich an mich, hatten wir uns doch im Hause des Samos kennengelernt. Wäre es nicht zu dieser Audienz bei Suleiman gekommen, hätte ich bald aus eigener Kraft nach Osten weiterreisen müssen was ohne Führer ungemein gefährlich war. Die Männer der Tahari töten jeden, der eine Landkarte des Wüstenreiches anlegt. Sie kennen ihr Land oder die Regionen darin; es liegt ihnen nicht daran, daß sich Fremde ebenso gut auskennen. Ohne Führer, der die Wasserstellen kannte, war eine Reise in die Tahari ein selbstmörderisches Unterfangen. Ich hatte für Führungsdienste einen guten Preis geboten, doch niemand hatte sich gemeldet. Angeblich hatten die Menschen Angst vor dem bevorstehenden Krieg, vor der Gefahr, sich in solchen Zeiten in die Wüste hinauszuwagen. Ich vermutete allerdings, daß man ihnen befohlen hatte, mir den Dienst zu verweigern. Ein Mann war zuerst einverstanden gewesen, hatte mich aber am nächsten Morgen ohne nähere Erklärung informiert, daß er es sich anders überlegt hätte. Manchmal hatte ich Hamid erblickt, den Leutnant Shakars. Er schien noch immer anzunehmen, daß ich ein Spion der Kavars war. Als dann Ibn Saran in der Oase erschien, hatte mich Suleiman zu sich gebeten. Ich fragte mich, ob er womöglich auf Ibn Saran gewartet hatte. Anscheinend besaß Ibn Saran in der Oase der Neun Brunnen einen größeren Einfluß, als man von einem einfachen Salzkaufmann erwarten konnte. Mehr als einmal hatte ich gesehen, wie Männer ehrfürchtig seiner Kaiila auswichen und ihm die Hände entgegenstreckten.

Alyena, die noch immer tanzte, schien die Macht Ibn Sarans zu spüren. Der Salzkaufmann saß entspannt auf seinen Kissen und beobachtete sie. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er schlürfte seinen heißen schwarzen Wein.

Alyena warf sich vor ihm zu Boden und bewegte sich im Takt der Musik. Vielleicht sah sie in ihm einen reichen Mann, der sie kaufen und ihr ein geschütztes Sklavenleben bieten konnte ein Leben, in dem ihr Kornstampfen, Tuchweben, Buttermachen oder Wassertragen erspart blieben.

Der intensive Tanzunterricht, der unmittelbar nach unserer Ankunft in der Oase der Neun Brunnen arrangiert worden war, hatte in meinen Augen ihren Wert erheblich gesteigert, ihn vielleicht sogar verdoppelt oder verdreifacht. Die geringen Kosten dieses Unterrichts waren eine vorzügliche Investition gewesen. Mein Besitz hatte erheblich an Wert zugenommen. In erster Linie lag das natürlich an dem Mädchen, das sich mit ungeheurem Fleiß in den Unterricht gestürzt hatte. Stundenlang hatte sie jede Tanzbewegung geübt und sich erst zufriedengegeben, wenn sie auch die kleinste Geste sicher beherrschte.

Ihre Lehrerin war die Cafe-Sklavin Seleenya, die ich von ihrem Herrn gemietet hatte; begleitet wurde der Unterricht von einem Flötisten und einem Kaskaspieler.

Seleenya hatte sich über die Fügsamkeit und Auffassungsgabe ihrer Schülerin sehr zufrieden geäußert und ich sah nun, daß sie recht hatte. Auf einen Wink Ibn Sarans hin hob sich Alyena langsam von den roten Kacheln, sie lag auf den Knien und ließ mit einer ruckhaften Bewegung den Kopf emporschnellen, daß die Haare flogen. Sie sah Ibn Saran an und beugte sich plötzlich vor, als gehorche sie einem Impuls, als könne sie nichts dagegen tun dann küßte sie den Boden vor seinen Füßen. Sie blickte zu ihm auf. Offenbar wünschte sie, von ihm gekauft zu werden. Mit einer Fingerbewegung forderte er sie auf, sich zu erheben. Kühn schob sie das rechte Bein vor; die Arme über den Kopf erhoben, stand sie langsam auf.

»Darf ich deine Sklavin entkleiden?« fragte Ibn Saran.

»Natürlich«, sagte ich.

Er nickte dem Mädchen zu. Im Takt der Musik öffnete sie den Büstenhalter aus gelber Seide und warf ihn achtlos beiseite. Sein Interesse an ihr erregte sie. Es war offenkundig, daß sie sich wünschte, von ihm gekauft zu werden.

Ich hob den Finger und brachte zum Ausdruck, daß ich noch gern etwas von dem heißen schwarzen Wein gekostet hätte. Das Mädchen, das neben dem erhitzten silbernen Weingefäß kniete, erstarrte; sie zögerte. Sie hatte helle Haut und dunkles Haar. Sie trug eine schmale Weste aus roter Seide; in der Körpermitte schimmerte nackte Haut. Um ihre Hüften lag ein Chalwar, ein geschlitztes hosenähnliches Kleidungsstück, das um die Fußgelenke zugebunden war. Hastig eilte sie zu mir. Mit geneigtem Kopf kniete sie nieder. Vorsichtig goß sie die heiße schwarze Flüssigkeit in die winzige rote Tasse. Ich schickte sie zurück. Die Inschrift ihres Sklavenkragens hatte ich unter dem Schleier nicht entziffern können. Vermutlich gehörte sie Suleiman, da sie in seinem Haus diente. Das andere Mädchen, das rothaarig war, hob das Tablett mit den Zuckerportionen. Doch ich wandte mich ab. Ich fand es barbarisch, den ohnehin schweren Wein auch noch mit Zucker zu versetzen.

Alyena löste nun langsam die Tanzseide von ihren Hüften, ohne den Stoff ganz loszulassen; geschickt bewegte sie die durchsichtigen Bahnen vor ihrem Körper hin und her; sie forderte den ruhig dasitzenden Ibn Saran heraus.

Er verfolgte ihre Gestik mit dem Schleier; sie stellte sich geschickt an. Er wußte das zu schätzen, kannte er sich mit Sklavinnen doch vorzüglich aus.

Das gleiche galt für mich, wenn auch zweifellos in weitaus geringerem Umfang. So hielt ich das schwarzhaarige Mädchen, das sich um das Gefäß mit dem schwarzen Wein kümmern mußte, für ein ausgezeichnetes Exemplar eine sinnliche, wenn auch noch nicht ausreichend gezähmte Sklavin. Sie zu sehen war gleichbedeutend mit dem Wunsch, sie zu besitzen.

Vor längerer Zeit hatte ich die Chance gehabt, sie zu kaufen, doch ich war ein Dummkopf gewesen. Ich hatte sie nicht in Ketten auf mein Schiff geführt, um sie in mein Haus bringen zu lassen.

Später hatte ich Tab, einen meiner Kapitäne, nach Lydius geschickt, um sie zu kaufen, doch da war es schon zu spät gewesen.

Bisher hatte ich nicht gewußt, wo sie sich aufhielt.

Sie hatte einmal meinen Befehl mißachtet, wofür sie bestraft werden mußte. Damals war ich in die Wälder des Nordens gereist, um Talena zu befreien und nach Port Kar zurückzuholen, wo wir - so hoffte ich damals unsere Gefährtenschaft erneuern konnten. Es wäre sicher nicht passend gewesen, mit Talena zurückzukehren und zugleich dieses phantastische dunkelhaarige Mädchen im Laderaum mitzubringen. Hätte ihr Talena nicht sofort die Kehle durchgeschnitten? Und hätte ich sie befreit, wäre sie nicht bald wieder in die Gewalt von Sklavenhändlern geraten? Ihre Flucht aus dem Sardargebirge, gegen meinen Befehl, hatte sie zu den Panthermädchen geführt. Die Räuberinnen des Nordens hatten sie an Sarpedon, einen Tavernenwirt aus Lydius, verkauft, wo ich sie schließlich fand. Zur Flucht aus dem Sardargebirge hatte sie meinen Tarn verwendet. Der Vogel war später zurückgekehrt, doch ich hatte ihn wütend vertrieben; dabei war so ein Tier zehnmal mehr wert als jede Sklavin. Doch was nützt einem Krieger ein Tarn, der einen Fremden, noch dazu ein Mädchen, in seinem Sattel duldet?

In Sarpedons Schänke in Lydius hatte ich das Mädchen wiedergefunden Vella, die frühere Miß Elizabeth Cardwell von der Erde. Sie hatte mich angefleht, sie zu befreien. Ich hatte sie für ihren Ungehorsam nicht getötet, sondern nur ein paarmal mit ihr geschlafen und sie dann als Sklavin zurückgelassen.

Hatte sie wirklich angenommen, daß ich sie befreien, daß ich ihrem Flehen nachgeben würde? Erst in diesem Augenblick, in Sarpedons Taverne in Lydius, erkannte ich, daß sie wirklich eine Sklavin war. Dabei hatten wir uns vor langer Zeit einmal etwas bedeutet. Ich erinnerte mich daran, daß ich sie im Delirium, unter dem Einfluß eines Giftes, gebeten hatte, mich zu lieben. Doch als ich mich später, nach meinen Erlebnissen in Torvaldsland, im heilenden Delirium des Gegenmittels von dem Gift befreite, da war es aus gewesen mit dieser Sehnsucht in alter Stärke, lachend, hatte ich sie in den Metallkragen gesteckt und zu meiner Sklavin gemacht. Gewiß, sie hatte einmal den Priesterkönigen gedient, ebenso wie ich, doch das war lange her. Inzwischen flehte sie mich an wie eine echte Sklavin und nach goreanischem Gesetz löscht ein Sklavenkragen die Vergangenheit aus. Ja, jetzt war die hübsche Vella eine Sklavin, ein für allemal eine Sklavin.

Unauffällig sah ich mich nach ihr um. Sie kniete neben dem kleinen silbernen Weingefäß mit der langen Tülle. Ihre Augen blitzten ärgerlich über den Schleier. Aber sie zu sehen war gleichbedeutend mit dem Wunsch, sie zu besitzen.

Im schnellen Rhythmus der lauter werdenden Musik wirbelte Alyena vor uns herum. Ihr Schmuck klimperte verlockend, sie tanzte dem Höhepunkt ihrer Vorstellung entgegen: urplötzlich erstarrte sie, die Musik hörte auf, im gleichen Augenblick verharrte sie reglos, mit zurückgeneigtem Kopf. Ihr Körper war schweißnaß. Als die letzten Takte der barbarischen Musik erklangen, ließ sie sich vor Ibn Saran zu Boden fallen und bot sich ihm dar. Sie atmete schwer.

Großmütig bedeutete ihr Ibn Saran aufzustehen. Sie gehorchte und blieb einen Augenblick lang vor ihm stehen.

Ibn Saran sah mich an und lächelte gepreßt. »Eine interessante Sklavin«, sagte er.

»Möchtest du ein Angebot abgeben?« fragte ich.

Ibn Saran deutete auf Suleiman, der höflich den Kopf neigte. »Ich würde auf keinen Fall gegen einen Gast in meinem Haus bieten«, sagte er.

»Und ich«, sagte Ibn Saran, »halte es nicht für höflich, gegen den Mann zu bieten, in dessen Haus ich so großzügig willkommen geheißen werde.«

»In meinem Vergnügungsgarten«, sagte Suleiman lächelnd, »habe ich zwanzig Frauen ihres Kalibers.«

»Ah«, sagte Ibn Saran und verneigte sich.

»Siebzig Lasten Dattelbarren für die Steine«, sagte Suleiman zu mir. Der Preis war fair. Auf seine Weise war er großzügig. Vorhin hatte er mit mir geschachert und auf diese Weise seine Rolle als Handelskönig der Wüste gespielt. Nun sprach er zu mir als Suleiman, Ubar und Pascha der Neun Brunnen, und setzte den Preis fest. Ich wußte, daß an diesem Preis nicht mehr zu rütteln war; Suleiman kürzte die langen Verhandlungen einfach ab.

»Du hast mir deine Gastfreundschaft erwiesen«, sagte ich, »und es wäre mir eine Ehre, wenn Suleiman Pascha diese einfachen Steine für sechzig Lasten annähme.«

Er verbeugte sich und rief einen Schreiber herbei. »Gib diesem Juwelenhändler einen Anrechtschein«, sagte er, »im Werte von achtzig Lasten Dattelbarren.«

Ich senkte den Kopf. »Suleiman Pascha ist sehr großzügig«, sagte ich. In der Ferne erklang Lärm. Stimmen brüllten durcheinander. Ibn Saran und Suleiman schienen nicht darauf zu achten.

Alyena stand mit erhobenem Kopf auf den roten Kacheln. Mit der rechten Hand streifte sie das Haar zurück.

Die aufgeregten Stimmen wurden lauter, dann ertönte das schrille Wiehern einer Kaiila ein Laut, der im Palast des Paschas der Neun Brunnen fehl am Platze war.

»Was geht hier vor?« fragte Suleiman und erhob sich mit wehender Robe.

Alyena sah sich um.

In diesem Augenblick erschien zu unserer Verblüffung eine Kampfkaiila in dem verzierten turmförmigen Portal des großen Saales. Das Tier drängte die Wächter zur Seite, und seine Hufe rutschten auf dem glatten Boden aus. Ein verschleierter Krieger in einem weiten Burnus saß im Sattel. Die Krieger stürzten vor, der Krummsäbel des Eindringlings zuckte aus der Scheide, und blutend wichen die Männer zurück, taumelten verwundet zu Boden.

Er stieß die Waffe wieder in die Scheide. Dann warf er den Kopf zurück, lachte und zog den Schleier herab, damit wir sein Gesicht erkennen konnten. Er grinste uns an.

»Es ist Hassan, der Bandit!« rief ein Wächter.

Ich zog meine Waffe und stellte mich zwischen ihm und Suleiman auf. Die Kaiila tänzelte unruhig hin und her. Der Eindringling löste eine lange Wüstenpeitsche von seinem Sattel.

»Ich will mir eine Sklavin holen!« rief er.

Die lange Zunge der Peitsche zuckte vor. Alyena stieß einen Schmerzensschrei aus. Vier Stränge der Peitsche bissen sich tief in ihr Fleisch, wickelten sich fest um ihre Hüfte. Sie war eine hilflose Gefangene der Peitsche, als Hassan sie an die Seite seiner Kaiila zerrte. Am Haar hob er sie in den Sattel.

»Lebt wohl!« brüllte er und hob grüßend die Hand. »Und vielen Dank!«

Im nächsten Augenblick zog er seine Kaiila herum. Ehe sich die Wächter auf ihn stürzen konnten, lenkte er sein Tier zu unserem Erstaunen durch eines der mächtigen Fenster. Katzengleich sprang die Kaiila ins Nichts, prallte auf ein tiefer liegendes Dach, dann ein weiteres Dach und hatte schließlich den Boden erreicht. In raumgreifendem Galopp entfernte sich der freche Eindringling vom Palast. Zahlreiche Männer drehten sich nach der überraschenden Erscheinung um.

Ich und die anderen wandten uns vom Fenster ab. Auf seinen Kissen lag Suleiman, der Pascha der Neun Brunnen. Ich eilte an seine Seite. Ich erblickte Hamid, den Leutnant Shakars. Der Mann hielt einen blutigen Dolch unter seiner Kleidung versteckt und verschwand soeben hinter einem Wandvorhang.

Ich wandte mich an Suleiman, dessen Augen weit aufgerissen waren.

»Wer hat mich verwundet?« fragte er. Seine Kissen waren blutüberströmt.

Ibn Saran zog seinen Krummsäbel. Er hatte seine Lässigkeit abgestreift. Seine Augen funkelten. Er sah aus wie ein Panther, geschmeidig, zum Sprunge bereit. Mit dem Säbel deutete er auf mich. »Er war es!« brüllte er. »Ich hab’s gesehen! Er war es!«

Ich sprang auf.

»Spion der Kavars!« brüllte Ibn Saran. »Mörder!«

Ich fuhr herum, doch auf allen Seiten umgaben mich die Klingen. »Macht ihn nieder!« brüllte Ibn Saran und schwang seinen Krummsäbel.

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