Der Ausgang des Kampfes, der etwa zwanzig Pasang von der Kasbah des Salz-Ubars entfernt entbrannte, hatte von vornherein festgestanden. Daß Ibn Saran sich mit zweitausendfünfhundert Söldnern dennoch zum Kampf stellte, ist ihm hoch anzurechnen.
Mühelos umzingelten wir ihn. Viele seiner Männer begriffen nicht, mit was für Gegnern sie es zu tun hatten, bis wir über die Wüstenhänge über sie hereinbrachen. Wir waren ihnen zahlenmäßig weit überlegen. Zahlreiche Söldner sahen keinen anderen Ausweg, als ihre Schilde und Waffen fortzuwerfen und sich zu ergeben. Doch es gab auch harte Kämpfe, besonders in unmittelbarer Nähe Ibn Sarans. Einmal kam ich bis auf hundertundfünfzig Meter an ihn heran; Hassan oder Haroun, der Hohe Pascha der Kavars, schaffte es sogar bis auf zwanzig Meter, indem er kämpfte wie ein wildes Tier; doch er scheiterte im letzten Augenblick an einer Wand aus Schilden und einer Hecke aus Lanzen. Tarna sah ich nicht auf dem Schlachtfeld. Ihre Männer beteiligten sich an dem Kampf, doch sie erhielten ihre Befehle von Ibn Saran. Vermutlich hatte man ihr das Kommando entrissen.
Am Spätnachmittag brach Ibn Saran mit vierhundert Reitern durch unsere Linien und floh nach Nordwesten.
Wir verfolgten ihn nicht, sondern sorgten zunächst dafür, daß die restlichen Gegner überwältigt wurden.
»Er wird sich in seiner Kasbah verschanzen«, sagte Hassan. »Und das könnte eine harte Nuß werden.«
Damit hatte er recht. Wenn wir die Kasbah nicht sofort einnehmen konnten, mochten wir sie überhaupt nicht stürmen können. Wir hatten nicht genug Wasser, um unsere Männer im Feldlager zu halten. Bestenfalls konnten wir eine kleinere Streitmacht vor der Kasbah belassen und vom Roten Felsen her mit Wasser versorgen. Unsere ausgedünnten Linien mochten dann zum Angriff herausfordern, und es würde schwierig sein, die nächtliche Flucht kleiner Gruppen aus der Festung zu verhindern.
»Vielleicht geht uns Ibn Saran durchs Netz«, sagte ich.
»Wir müssen die Kasbah erobern«, sagte Hassan.
»Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte ich und betastete den Ring der Kurii, der an einer Lederschnur vor meiner Brust hing.
Das Mädchen kniete vor dem niedrigen Tisch; sie hatte die natürliche Anmut der ausgebildeten Sklavin. Sie kämmte sich mit einem breiten runden Kamm aus Kailiaukhorn.
Sie hatte das Stück Sklavenseide noch nicht bemerkt, das ich seitlich von ihr niedergelegt hatte.
Ich beobachtete die hübsche Sklavin. Vor einiger Zeit hatte sie in einem Verlies der Kurii die Priesterkönige verraten. Sie hatte ihre Kenntnisse des Sardargebirges ausgeplaudert, die Pläne der Priesterkönige, ihre Gewohnheiten und Möglichkeiten, die Schwäche des Nestes. Später war sie zu Ibn Saran gebracht worden. Hier hatte sie mich identifiziert und gegen mich ausgesagt; sie hatte behauptet, ich hätte Suleiman heimtückisch überfallen. Ich hatte sie lächeln sehen, als man mich nach Klima führte, die hübsche Vella.
Sie legte den Kamm fort und griff nach einer winzigen Parfümflasche. Sie betupfte ihren Hals, ihre Achseln. Ich kannte den Duft. Ich hatte ihn mit mir nach Klima genommen.
Plötzlich fiel ihr Blick auf das winzige ausgebleichte Stück Seide. Ich erinnerte mich an den Morgen, da ich angekettet darauf gewartet hatte, nach Klima geführt zu werden. Vella hatte mich aus einem Fenster gemustert, hochmütig, ihre Rache genießend. Sie hatte mir spöttisch das Stück Seide zugeworfen.
Ich stand ein Stück hinter Vella. Ich betätigte den Schalter des Ringes und wurde auf diese Weise für sie sichtbar.
Vella griff nach dem Stoffstück, faltete es auseinander, drückte es an ihr Gesicht.
Plötzlich stieß sie einen Freudenschrei aus. »Tarl!« rief sie und sprang auf. »Tarl!« Sie stürzte sich schluchzend in meine Arme. »Tarl! Tarl! Ich liebe dich! Ich liebe dich!«
Ich packte ihre Handgelenke und drückte sie von mir. Sie versuchte mich zu erreichen, Wollte ihre Lippen auf die meinen drükken, doch ich ließ es dazu nicht kommen. »O Tarl! Kannst du mir jemals verzeihen! Kannst du mir verzeihen?«
»Knie nieder!«
Schluchzend gehorchte sie.
Ich warf ihr ein zerlumptes Gewand zu, das ich unterwegs in einer Küche gefunden hatte.
»Zieh das an!« befahl ich.
»Ich bin eine hochstehende Sklavin«, wandte sie ein.
»Anziehen!«
Zögernd kleidete sie sich um.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte ich. »Bald wird in der Kasbah gekämpft.«
»Ich liebe dich«, sagte Vella.
Ich blickte sie zornig an.
»Es tut mir leid, daß ich dich so gekränkt habe. Aber ich habe sehr dafür leiden müssen.«
Ich schwieg.
»Ich war grausam zu dir. Ich habe gegen dich ausgesagt. Für deine Zurückweisung in Lydius wollte ich dich nach Klima schicken!«
»Deine Wünsche interessieren mich nicht. Eine Sklavin tut, was ihr Herr befiehlt.«
»Aber ich habe noch andere Dinge getan.«
»Du hast die Priesterkönige verraten«, stellte ich fest. Sie wurde bleich.
»Und das könnte dazu führen, daß die Erde und Gor verloren sind daß die Kurii letztlich doch den Sieg erringen.«
Sie erschauderte. »Ich war schwach«, sagte sie. »Ich war angekettet in einem Verlies. Sie ließen Urts auf mich los. Ich hatte Angst. Ich konnte nicht anders.«
Ich fesselte ihr die Hände.
Plötzlich klopfte jemand an die Tür. Ich trat hinter das Mädchen, meine Hand fuhr über ihren Mund, mein Dolch legte sich vor ihren Hals.
»Still!« sagte ich.
Sie nickte. Ich entfernte meine Hand.
»Vella! Vella!« rief eine männliche Stimme.
»Ja, Herr!« rief das Mädchen.
»Du weißt, daß du dich zur zwanzigsten Ahn um die Wächter am Nordtor kümmern sollst!« rief der Mann.
»Ich mach mich gerade fertig!« rief sie. »Ich beeile mich!«
»Wenn du auch nur fünf Ehn zu spät kommst, lernst du die Peitsche kennen.«
»Ich beeile mich, Herr!« rief Vella.
Der Mann entfernte sich.
»Du bist in großer Gefahr«, sagte Vella zu mir. »Du mußt fliehen.«
Ich steckte meinen Dolch wieder ein. »Die Bewohner der Kasbah sind viel mehr in Gefahr«, sagte ich lächelnd.
»Wie bist du überhaupt hereingekommen? Gibt es einen geheimen Zugang?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich bin unbemerkt in die Festung gelangt«, sagte ich und sah sie an. »Neugier schickt sich nicht für eine Sklavin.«
Sie erstarrte.
Ich hatte in der Nähe eines Tors der Kasbah gewartet im Schutz der Unsichtbarkeit durch den Ring. Als eine Kundschaftergruppe die Festung verließ, war ich unbemerkt durch das geöffnete Tor getreten. In den Küchenräumen der Kasbah hatte ich ein geeignetes Kleidungsstück für Vella an mich genommen, ehe ich mich auf die Suche nach ihr machte. Ich betrachtete die Lampen an der Seite des Spiegels eine davon würde genügen.
Kurz darauf ging Vella mit gefesselten Armen vor mir her, eine Schlinge um den Hals. Wir betraten einen der langen, mit Kacheln ausgelegten Säle.
Wir kamen an Wächtern vorbei. Ich trug die Kleidung eines Anhängers des Salz-Ubar, Beutestück von einem Gefangenen. Es waren neue Söldner in der Kasbah. Niemand kümmerte sich um mich; die Blicke der Männer galten der attraktiven Sklavin, die unwillkürlich die Schultern gestrafft hatte.
Ich lachte leise, und Vella warf ärgerlich die Haare in den Nakken. Als wir ein schmales Fenster erreichten, das nach Norden hinausführte, hob und senkte ich zweimal die Lampe. Dann blies ich das Licht aus. Es war dunkel ringsum; die Monde lieferten das einzige Licht. Wir hörten den Gong der Wachen, der die zwanzigste Ahn anzeigte.
»Ich werde im Nordturm erwartet, Tarl«, sagte Vella.
»Ich glaube nicht«, sagte ich und blickte in die Wüste hinaus.
»Wenn ich nicht komme, wird man mich holen. Vielleicht findet man dich. Flieh, solange es noch geht.«
Ich sah Reiter aus der Wüste kommen.
»Ich glaube, die Männer im Nordturm haben im Augenblick andere Sorgen.«
»Was meinst du damit?«
Ich hatte dem Nordturm einen Besuch abgestattet.
»Die Kasbah wird fallen«, sagte ich.
»Die Kasbah wird nicht fallen«, gab das Mädchen zurück. »Wir haben Vorräte und Wasser für Monate. Ein Mann auf den Mauern kann es mit zehn Wüstenkämpfern aufnehmen.«
Im Wachraum des Nordturms bäumten sich zehn Wächter in ihren Fesseln auf; sie erwachten langsam aus ihrer Bewußtlosigkeit. Über dem Tor, im Turm, lagen weitere zehn Mann.
Der letzte Gongschlag verhallte. Ein neuer Tag begann.
»Flieh!« flüsterte Vella. »Flieh!«
Das Nordtor stand einen Spalt breit offen ein verhängnisvoller Umstand für die Bewohner der Kasbah.
»Schau«, sagte ich zu Vella, hielt ihr die Hand über den Mund und schob sie ans Fenster. Der Anblick entsetzte sie.
Reiter galoppierten auf die Kasbah zu. Ich sah den weißen Burnus Hassans, der die Kämpfer anführte.
Im gleichen Augenblick hatte ein Festungswächter die Reiter gesehen. Es gab Geschrei. Der Alarmgong wurde geschlagen. Unten im Hof tauchten Männer auf. Doch zu ihrem Entsetzen waren die Angreifer bereits im Innern der Kasbah. Männer sprangen von ihren Kaiila, stürmten mit gezückten Krummsäbeln schmale Treppen empor, versuchten die Mauerkronen zu erreichen. Der Feind war in der Festung. Der Feind war hinter den Verteidigern. Reiter galoppierten durch das Tor, weiter hinten liefen Kämpfer zu Fuß durch die Wüste. Das Nordtor war gefallen. Der Nordturm war in der Gewalt der Angreifer. Immer mehr Männer drangen in die Kasbah ein, stellten sich innerhalb der Mauern zum Kampf. Die Verteidiger strömten aus ihren Unterkünften. Überall gab es Schwertkämpfe, überall dröhnten Klingen auf Schilde. Fackeln spendeten zuckendes Licht. Ich hörte Männer schreien. Ich trat zurück und nahm Vella die Hand vom Mund. Das Mädchen sah mich entsetzt an.
»Jetzt kannst du schreien, Sklavin«, sagte ich. »Jetzt kannst du Alarm geben.«
»Sie werden uns alle umbringen.«
Sie hatte eine instinktive weibliche Angst vor Reitern aus der Wüste. Ich drehte sie herum und schob sie durch den Saal vor mir her. »Ich gehöre zu ihnen«, sagte ich. Sie stöhnte auf.
Ich hörte Geschrei in der Kasbah. Ich drängte sie in das Ankleidezimmer, in dem ich sie gefunden hatte.
»Du bist mich holen gekommen«, sagte sie, drückte sich an mich und sah mich an. »Ich hatte gehofft, daß du zu mir zurück kehren würdest.«
»Ja, um dich zu besitzen!« sagte ich.
»Mich besitzen?« rief sie entsetzt.
»Ja«, sagte ich. »Jeder Mann wünscht sich eine Frau, die ihm völlig Untertan ist!«
Mit schnellen Bewegungen fesselte ich ihr Hände und Füße. »Du wartest hier auf mich!« sagte ich.
Ich verließ das Zimmer und schloß die Tür hinter mir. Ich mußte kämpfen. Es tobte ein Kampf, bei dem jeder Mann gebraucht wurde. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Der Sklavin würde ich mich anschließend widmen. Und sie sollte nicht zu kurz kommen.