»Was möchtest du dafür haben, daß du mir das Leben gerettet hast?«
fragte T’Zshal.
»Wie kommt es«, wollte ich wissen, »daß dieses Gespräch in der Unterkunft des Salzmeisters stattfindet?«
Ich stand auf kühlen blaugelben Kacheln, in einem gewölbten Raum in der Unterkunft des Salzmeisters. Ich stand vor einer mit Laken verhüllten Couch, auf der T’Zshal lag. Wächter umringten uns. Neben mir stand Hassan.
»Ich bin der Sklavenmeister«, sagte T’Zshal. Angehörige der Kaste der Ärzte, die in Klima ebenfalls nur Sklaven waren, hielten sich in T’Zshals Nähe auf. »Wie lautet dein Wunsch?«
»Ich möchte meine Freiheit«, sagte ich. »Und Wasser.« Ich musterte T’Zshal. Er lag mit nacktem Oberkörper auf der Couch und gab sich keine Mühe, die entsetzlichen Wunden zu verhüllen, die ihn entstellten.
»Es gibt in Klima keine Kaiila«, sagte T’Zshal.
»Das ist mir bekannt.«
»Du willst zu Fuß durch die Wüste?«
»Ich habe woanders etwas Dringendes vor.«
»Du hast mir das Leben gerettet«, sagte T’Zshal. »Und als Gegenleistung forderst du nichts weiter als deinen Tod?«
»Nein«, sagte ich. »Ich bitte dich um meine Freiheit und um Wasser.«
»Du kennst die Wüste nicht.«
»Ich werde ihn begleiten«, sagte Hassan. »Auch ich bitte um Freiheit und Wasser. Auch ich habe Aufgaben außerhalb Klimas.«
»Du kennst die Wüste«, sagte er.
»Die Wüste ist meine Mutter und mein Vater«, sagte Hassan ein Sprichwort der Tahari.
»Und doch möchtest du Klima zu Fuß verlassen?«
»Verschaffe mir Kaiila«, sagte Hassan. »Ich werde dein Angebot nicht ablehnen.«
»Ich könnte euch beiden in Klima einen hohen Posten verschaffen«, sagte T’Zshal.
»Aber wir haben anderes zu tun«, sagte ich.
»Das ist euer letztes Wort?«
»Ja«, sagte ich.
»Ganz recht«, fiel Hassan ein.
»Also gut«, sagte T’Zshal. »Pflockt sie in der Sonne an.«
»Sleen!« fauchte Hassan.
Wächter packten uns von hinten.
Ich zerrte an dem Pflock, der mein rechtes Handgelenk festhielt.
»Beweg dich nicht«, sagte der Wächter. Ich spürte seine Lanzenspitze an der Kehle.
Er zog sich unter den Baldachin zurück, der ihm Schatten spendete. Er und ein Gefährte waren reichlich mit Wasser versorgt. Die beiden hatten ein Zarbrett zwischen sich auf der Salzkruste stehen, ein Spiel, das eine gewisse Ähnlichkeit mit Kaissa hat.
»Hassan«, sagte ich.
»Lieg still«, sagte ein Wächter. »Spar dir den Atem. Versuch zu überleben.«
Ich schwieg.
»Ah!« rief einer der Wächter. Er hatte einen Zug gemacht, der ihm gefiel.
Ich hielt die Lider geschlossen, damit mir die Sonne nicht das Augenlicht raubte.
Mir war kalt.
Ich bewegte den Pflock, an den ich gefesselt war, um einen Viertelzoll.
»Hassan?« fragte ich. »Lebst du noch?«
»Ja«, antwortete er aus der Nähe.
Man hatte uns auf der Salzkruste festgepflockt.
Die Sonne war untergegangen.
Unter der Taharisonne halten es manche Männer nur vier Stunden lang aus - auch Männer, die den Marsch nach Klima geschafft hatten. Ganz in der Nähe hatte Wasser gestanden, doch wir hatten nichts davon bekommen. Unsere einzige Gesellschaft waren die Pflöcke. Dabei bewegte man sich so wenig wie möglich, denn man darf nicht schwitzen. Außerdem beschirmt man mit dem eigenen Körper die Fläche, auf der man liegt. Die Oberflächentemperatur kann am Spätnachmittag bis auf achtzig Grad ansteigen.
Aber jetzt war es kalt. Über der Tahari war die Nacht angebrochen. Ich sah die Sterne und die drei Monde.
Die beiden Wächter waren verschwunden.
»Morgen um die Mittagsstunde leben wir nicht mehr«, sagte Hassan. Von neuem bewegte ich den Pflock mit meinem rechten Handgelenk. Langsam, Stück um Stück, zog ich ihn aus der Kruste.
Hassan hatte mir das Gesicht zugewendet.
»Sei still«, sagte ich.
Mit dem herausgezogenen Pflock in der rechten Hand ließ ich mich nach links rollen und beschäftigte mich mit der Salzkruste an meiner linken Hand. Ich hackte darauf herum, lockerte die Masse und vermochte nach einiger Zeit die Hand freizuziehen. Mit den Zähnen und der rechten Hand lockerte ich schließlich die Fesseln des linken Pflocks und machte anschließend auch meine Beine frei.
»Bring dich in Sicherheit«, sagte Hassan. »Ich kann nicht laufen.«
Ich befreite ihn von seinen Fesseln. Dann bückte ich mich und hob ihn hoch. Ich legte ihm zur Stütze den linken Arm um die Hüfte. Sein rechter Arm lag auf meiner Schulter.
Wir hoben den Blick.
Ein gutes Dutzend Männer umringte uns mit gezogenen Krummsäbeln eine dunkle Masse.
Ich packte den Pflock an meiner rechten Hand, um mich gegen die Klingen zu wehren.
Da traten die Männer auseinander und gaben den Blick frei auf T’Zshal, der in einer Art Sänfte herangetragen worden war.
Im Licht der Monde musterte er uns.
»Seid ihr noch immer entschlossen, in die Wüste zu gehen?« fragte er.
»Ja«, sagte ich.
»Euer Wasser steht bereit«, erwiderte er.
Zwei Männer, die an Jochen schwere Wasserbeutel trugen, traten vor.
»Wir haben mehrere Talubeutel zusammengenäht«, sagte T’Zshal. Ich war sprachlos.
»Ich hatte gehofft, euch durch Sonne und Wassermangel abschrecken zu können ich wollte euch den Wahnsinn austreiben.«
»Du hast uns beigebracht, was es bedeutet, ohne Wasser der Sonne ausgesetzt zu sein.«
Er nickte. »Jedenfalls wißt ihr jetzt, worauf ihr euch einlaßt.« Er wandte sich an einen der Wächter. »Schneide ihm den Pflock ab«, befahl er und deutete auf meine rechte Hand. Anschließend winkte er einen anderen Wächter herbei, der uns aus einem kleineren Beutel mit Wasser versorgte.
Dann wurde der Beutel von Mann zu Mann gereicht eine einfache Zeremonie, die in der Wüste aber eine große Bedeutung hat.
»Natürlich bleibt ihr noch ein paar Tage lang in Klima«, sagte T’Zshal,
»um wieder zu Kräften zu kommen.«
»Wir marschieren sofort ab«, sagte ich.
»Was ist mit ihm?« fragte T’Zshal und deutete auf Hassan.
»Ich kann gehen«, sagte Hassan und richtete sich auf. »Ich habe inzwischen Wasser bekommen.«
»Ja«, sagte T’Zshal. »Du bist wirklich ein Mann der Tahari.«
Ein Wächter reichte mir einen Beutel mit Nahrungsmitteln Trockenfrüchte, Kekse, Salz.
»Vielen Dank«, sagte ich. Damit hatten wir nicht gerechnet.
»Keine Ursache«, sagte er.
»Wenn deine Wunden geheilt sind«, wandte ich mich an T’Zshal, »willst du dann nicht deinerseits Klima verlassen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Seine Antwort habe ich bis heute nicht vergessen.
»Weil ich lieber der führende Mann in Klima bin als ein unbedeutender in Tor.«
»Ich wünsche dir alles Gute, T’Zshal, Salzmeister von Klima«, sagte ich. Hassan und ich machten kehrt und marschierten mit dem Wasser und den sonstigen Vorräten in die nächtliche Wüste hinaus.
Am Rande Klimas hielten wir inne. Aus dem Versteck in der Salzkruste nahm ich das verblaßte Stück Sklavenseide, das mir vor dem Marsch nach Klima in den Kragen gestopft worden war. Ich roch daran und hielt es Hassan hin.
»Man riecht das Parfüm noch immer«, sagte er.
»Vielleicht sollte ich das Ding den Männern von Klima überlassen«, meinte ich lächelnd.
»Nein«, erwiderte Hassan. »Die würden sich deswegen nur gegenseitig umbringen.«
Doch im Grunde wollte ich das Stück Stoff gar nicht verschenken. Ich wollte es einem Mädchen zurückgeben höchstpersönlich. Ich band mir den Fetzen um das linke Handgelenk. Dann marschierten wir unter den goreanischen Monden dahin. Klima blieb hinter uns zurück. Einmal hielten wir inne, am Rande der großen flachen Senke, in der die Salzbergwerke liegen. Wir sahen Klima im Lichte der drei Monde schimmern. Dann setzten wir unseren Weg fort.
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