Der Kur war ein unglaubliches Tier. Ohne seine Hilfe hätte ich nicht überlebt. Unser Wasservorrat war am nächsten Tag erschöpft. Der Kur hatte zwar auf das Dünenland gedeutet, doch zu meiner Überraschung führte er mich parallel zu den Dünen dahin, durch ganz normales Taharigebiet. Ich erkannte schnell, daß er auf sein unbekanntes Ziel gedeutet hatte, das im Dünenland lag, als wüßte ich, worum es sich dabei handelte; klugerweise wählte er jedoch einen Weg, der parallel zum Dünengebiet verlief, bis wir einen bestimmten Punkt erreichten, an dem wir abbiegen und in die gefährliche Region vordringen konnten.
»Das Wasser ist alle«, sagte ich zu ihm und hielt den schlaffen Beutel empor, um ihm zu zeigen, daß keine Flüssigkeit mehr darin war. Nach der ersten Labsal am Graben hatte er kein Wasser mehr bekommen. Der Kur beobachtete eine Gruppe von Vögeln. Er folgte ihnen einen Tag lang und fand schließlich ihr Wasser. Es war ziemlich trübe; dennoch tranken wir durstig davon. Ich füllte den Wasserbeutel, den ich mitgebracht hatte. Wir töteten vier Vögel und aßen sie roh. Der Kur fing einige kleine Felsentharlarion, die uns ebenfalls als Nahrung dienten. Dann setzten wir unsere Reise fort. Ich trank viel, denn der Kur schien es eilig zu haben. Eigentlich mußte er wissen, daß man nur in der Nacht wandern durfte; dennoch schien das Wesen niemals zu ermüden und drängte ständig weiter, als brauchte ich nicht zu essen oder müßte gar nicht schlafen. Wußte es nicht, daß ich kein Kur war? Sein Fell schützte ihn ganz gut vor der Sonne. Er schritt Tag und Nacht aus, was jedoch über meine Kräfte ging. Ungeduldig hockte er neben mir, wenn ich in den Sand sank, um zu schlafen. Schon nach einer Ahn weckte er mich wieder und deutete auf die Sonne, als wollte er mich darauf hinweisen, wie schnell die Zeit verging. Er schien es wirklich eilig zu haben. Auch bei einem Wesen seiner Statur mußte sich die Hitze, die Sonne, der Wasser und Nahrungsmangel schlimm auswirken. Seine Wunden schmerzten bestimmt. Zweimal sah ich, daß er die Krusten der frischen Narben beleckte. Doch dabei schritt er langsam weiter aus, als liege ein ungeheurer Zwang auf ihm. Ich war sicher, daß er uns beide umbringen würde. Die Wüste darf man nicht herausfordern. Sie ist hart und unerbittlich, wie ein Stein oder ein heißer Ofen.
»Ich brauche Wasser«, sagte ich zu dem Kur.
Der Kur hielt acht Finger in die Höhe und deutete auf die Sonne. Ich begriff nicht, was er wollte.
Unser Marsch ging weiter. Eine Ahn später wurde der Kur unruhig; seine Nüstern bebten, und er schien am Boden zu schnüffeln. Er deutete auf den Sand und sah mich an, als müßte ich ihn verstehen. Natürlich begriff ich nichts. Er schaute zur Sonne empor und dann auf mich, als überlege er, wie er handeln solle. Dann entfernte er sich mit schnellen Schritten von unserem ursprünglichen Weg. Dann erkannte ich, daß er einer Spur folgte, deren Witterung meine abgestumpfte Nase nicht zu erfassen vermochte. Vor einem Tümpel mit übelriechendem Wasser legten wir uns auf den Boden, tranken gierig und füllten erneut unseren Beutel. Am Wasserloch lag ein halbverzehrter Tabuk. Der Kur roch an dem Kadaver und verhinderte, daß ich bestimmte Fleischstücke aß. Er wies auf Stellen, die genießbar waren. Er selbst brach sich eine Keule ab und riß mit spitzen Zahnen das Fleisch vom Knochen.
Dann führte mich der Kur weiter. Mit vollem Magen folgte ich ihm, obwohl bei meiner Erschöpfung jeder Schritt zur Qual wurde. Er kehrte zum ursprünglichen Weg zurück.
Am nächsten Morgen deutete er auf die Sonne und hielt mir sieben Finger entgegen. Dennoch ließ er es zu, daß ich mich im Schutze eines Felsens niederlegte, und wachte über mich. Am Abend setzten wir den anstrengenden Marsch fort. Die Rast hatte mir gut getan. Am nächsten Morgen deutete er zur Sonne und hielt sechs Finger hoch. Seine Mission, worum es sich auch handeln mochte, mußte anscheinend in sechs Tagen erledigt sein. Aus diesem Grund trieb er uns beide zur Eile an.
Der Kur wurde allmählich langsamer und trank mehr. Vermutlich machten sich seine Wunden unangenehm bemerkbar. Er schien es nicht mehr riskieren zu wollen, unseren Weg zu verlassen, um Wasser zu finden. Das Wesen schien sich immer mehr in die Enge getrieben zu fühlen. Vielleicht fürchtete es, sein Ziel zu verpassen oder es zu spät zu erreichen. Mit der eigenen Schwäche hatte es nicht gerechnet. Die Lederstreifen um meine Füße waren zerfetzt; doch nicht meine Fußstapfen waren blutig, sondern die des Kurs. Unaufhaltsam schritt er aus.
Und dann war das Wasser aufgebraucht. Am Morgen hatte der Kur zur Sonne gedeutet und mir fünf Finger gezeigt. Wir brachten den Tag ohne Wasser hinter uns.
Am nächsten Tag fanden wir eine Stelle, über der Fliegen schwirrten. Mit seinen gewaltigen Klauen begann der Kur zu graben. Gut vier Fuß unter der Erde stießen wir auf feuchten Boden. Wir drückten die Masse durch das Stoffstück, das ich um mein Handgelenk gebunden hatte, und sammelten das Wasser in seinen zusammengelegten Handflächen. Der Kur überließ mir den größten Teil davon und leckte nur die Überreste aus seinen feuchten Handflächen. Am Abend stießen wir an einer anderen Stelle auf einen schmalen Streifen eingetrockneten Schlamms das Bett eines ausgetrockneten Bachs. Wir folgten ihm, bis wir einen flachen trockenen Teich erreichten. Wir fanden Schnecken im Sand, knackten die Schneckenhäuser auf und saugten die stinkende, unappetitliche Flüssigkeit aus. Ich mußte mich zuerst übergeben, doch dann war mein Hunger stärker. Wieder überließ mir der Kur den größten Teil.
Wir kehrten an die Stelle zurück, an der wir von unserem Weg abgebogen waren, und marschierten weiter.
Am nächsten Morgen reckte der Kur nur noch drei Finger empor. Ich wollte ausruhen, er drängte zur Eile. Wie betäubt folgte ich seinen blutigen Spuren.
Mir war elend. Ich hatte kein Interesse mehr am Essen und fühlte mich seltsam heiß. Meine Stirn war trocken und unnatürlich warm. Einmal stürzte ich, und der Kur wartete geduldig, bis ich mich wieder aufgerappelt hatte. »Mir ist schwindlig!« rief ich ihm zu.
»Warte!« Ich blieb stehen und wartete darauf, daß der Schwindelanfall nachließ. Kopfschmerzen überfielen mich. Ich stellte einen Fuß vor den anderen, folgte der Gestalt des Kur. Es fühlte sich seltsam an, keinen Speichel mehr im Mund zu haben. Meine Augen waren trocken. Zwischen Augen und Lidern schienen sich Sandkörner zu befinden; ebenso in meiner Mundhöhle. Meine Lippen wurden wund und begannen zu schmerzen. Die Zunge fühlte sich riesig an; ihre Haut schien sich abzupellen. Krämpfe machten sich bemerkbar im Magen wie auch in Armen und Beinen. Ich blickte mich um und sah Wasser schimmern doch ich wußte, daß das nur Halluzinationen waren.
»Ich kann nicht mehr!« sagte ich.
Der Kur musterte mich, duckte sich nieder. Er deutete nun nach rechts - zum erstenmal. Er deutete direkt nach Osten auf die Dünen zu. Offenbar hatten wir die Stelle erreicht, da wir das Dünenland betreten sollten.
Ich starrte auf die Dünen, über denen die Hitze flimmerte. Wahnsinn, sich in dieses Gebiet zu wagen.
»Ich kann nicht mehr«, wiederholte ich.
Der Kur kam auf mich zu. Ich sah ihn an. Er packte meine Arme und warf mich vor sich in den Sand. Ich hörte, wie er den Wasserbeutel nahm und in Streifen riß. Gleich darauf zerrte er mir die Hände auf den Rücken und fesselte sie. Das gleiche passierte mit meinen Fußgelenken. Mit anderen Resten des Wasserbeutels umwickelte der Kur seine Füße, um sie vor dem Sand zu schützen. Aus den Resten drehte er eine Art Schnur, die er mir um den Hals legte. Dann zerrte er mich hoch, wobei ich fast erwürgt wurde. Der Kur wandte sich den Dünen zu und zerrte mich als seinen Gefangenen mit.
»Du bist ja verrückt!« wollte ich ihm zuschreien. Doch ich konnte nur noch flüstern und vermochte kaum noch meine eigene Stimme zu hören. Der Wind peitschte über den Sand.
Ich bin nach Klima marschiert, sagte ich mir. Nun marschiere ich von neuem nach Klima. Doch auf dem Marsch nach Klima hatte ich Wasser und Salz bekommen.
Irgendwann am Spätnachmittag muß ich das Bewußtsein verloren haben. Ich träumte von den Bädern in Ar und Turia.
Ich erwachte in der Nacht. Meine Fesseln waren verschwunden. Ich lag in den Armen des Kur, der sich zwischen den silbrig schimmernden Dünen bewegte. Er schritt langsam aus; auf dem rechten Fuß schien er zu lahmen. Ich wurde gegen die Wunden an seiner Brust gedrückt. Sie hatten sich wieder geöffnet, doch sie bluteten nicht. Ich schlief von neuem ein. Als ich das nächstemal erwachte, stand die Morgendämmerung bevor. Der Kur lag in meiner Nähe, halb mit Sand bedeckt; er schlief. Unsicher erhob ich mich und sank von neuem in den Sand. Ich konnte nicht mehr stehen!
Schließlich hockte ich im Sand, mit dem Rücken an einen Hang gelehnt. Ich beobachtete den Kur ein bewundernswert kraftvolles Ungeheuer, das hier in der Wüste an seinen Wunden elend zugrundeging. Es war schwach, erschöpft. Das Fell hing schlaff an dem mächtigen Knochengerüst. Der Kur war nur noch ein Schatten seiner früheren mächtigen Erscheinung. Ich fragte mich, von welchem Zwang dieses Wesen angetrieben wurde. Es hatte den Mut, sich gegen die Wüste aufzulehnen. Sein Fell war verfilzt und glanzlos, die Schnauze wirkte ausgetrocknet und seltsam grau, Maul und Lippen waren aufgesprungen und mit Sand bedeckt, ebenso wie Nüstern und Augen. Das Geschöpf lag zusammengekrümmt am Boden und wandte dem Wind den Rücken zu, wie etwas Fortgeworfenes, das nicht mehr gebraucht wird. Das stolze Geschöpf hatte sich gegen die Wüste aufgelehnt und stand im Begriff, den Kampf zu verlieren. Welcher Preis lohnte dieses Risiko? Die Sonne stieg am Himmel empor.
Das Ungeheuer kam schwerfällig auf die Füße und schüttelte den Sand aus dem Fell. Schwankend stand es vor mir.
»Geh ohne mich weiter«, sagte ich. »Ich kann nicht mehr. Und du kannst mich nicht mehr tragen.«
Der Kur hob seinen langen Arm und deutete auf die Sonne. Dann hob er zwei Finger. Er musterte mich lange. Schließlich drehte er sich um und beugte seinen Kopf über die zusammengelegten Hände. Als er sich wieder zu mir umwandte, erblickte ich in der Schale der zusammengelegten Hände eine übelriechende Flüssigkeit. Ich zwängte den Kopf gegen die Hände und trank mit zitternden Händen. Viermal wiederholte das Ungeheuer den Vorgang. Es war Wasser aus dem letzten großen Wasserloch, neben dem der halb aufgefressene Tabuk gelegen hatte. Das Monstrum hatte diese Flüssigkeit in einem Vorratsmagen aufbewahrt. Auf diese Weise spendete es mir Wasser aus dem eigenen Körper, damit ich nicht starb. Ein fünftes Mal versuchte mir der Kur Wasser zu geben, doch es kam nichts mehr.
»Ich kann wieder gehen«, sagte ich. »Du brauchst mich nicht zu tragen. Ich komme mit, so weit ich kann.«
Doch das Ungeheuer machte mir ein Zeichen, daß ich mich ausruhen sollte. Dann stellte es sich zwischen mich und die Sonne, und ich legte mich in seinem Schatten schlafen.
Ich träumte von dem Ring, den er am zweiten Finger der linken Hand trug.
Als die Monde hoch am Himmel standen, erwachte ich. Unser Marsch ging weiter. Langsam humpelte der Kur vor mir her. Sein ausgetrockneter Körper schien dem Ende nahe zu sein.
Ich kannte seine Motive nicht, doch bewunderte ich seine Ausdauer. In seiner Gegenwart spürte ich etwas von der Willenskraft und Erhabenheit des Kur. Diese Wesen waren wirklich hervorragende Gegner der Priesterkönige und der Menschen. Unwillkürlich stellte ich mir die Frage, ob die Priesterkönige und die Menschen dieses Feindes überhaupt würdig waren.
Das Wesen sank während der Nacht oft zu Boden. Seine Kräfte ließen spürbar nach. Immer wieder mußte ich darauf warten, daß es auf die Füße kam.
Gegen Morgen legten wir eine Rast ein. Nach einer Ahn versuchte sich der Kur aufzurichten, doch seine Kräfte versagten. Er blickte zur Sonne empor und zeichnete eine einzelne kurze Linie in den Sand. Hoffnungslos ballte er die Faust und verwischte das Zeichen damit. Dann sank er zusammen.
Ich nahm schon an, daß er sterben würde aber das war ein Irrtum. Ab und zu legte ich ihm das Ohr auf die Brust und glaubte das große Herz schlagen zu hören schwach und unregelmäßig, wie das Ballen einer schwachen Faust.
In der Nacht traf ich meine Vorbereitungen, den Kur zu begraben. Ich hob mit letzter Kraft eine Grube aus und wartete darauf, daß er starb. Ich fand es schade, daß ich keinen würdigen Grabstein für ihn hatte. Als die Monde am Himmel standen, neigte er den Kopf zurück und entblößte die Fangzähne. Zu meinem Entsetzen kam er von neuem taumelnd hoch. Er schüttelte den Sand von seinem Körper und wanderte weiter. Ehrfurchtsvoll folgte ich ihm.
Am Morgen machte er keine Anstalten, eine Pause einzulegen. Vielmehr deutete er von neuem auf die Sonne, diesmal mit geschlossener Faust. Ich verstand nicht, was er meinte. Doch plötzlich sträubten sich meine Nackenhaare. Er hatte mir einen Eindruck von der verstreichenden Zeit geben wollen er hatte auf die Sonne gedeutet und mit den erhobenen Fingern Tage angezeigt. Entsetzt machte ich mir klar, was die geschlossene Faust bedeuten mußte: wir hatten keine Tage mehr übrig. Dies war der letzte Tag. Dies war der letzte Tag dieser Welt. ›Gebt Gor auf‹, das war die Botschaft der Kuriischiffe an das Sardargebirge gewesen, ein Ultimatum. Die Priesterkönige hatten ratlos darauf reagiert und zurückgefragt. In ihrem vernunftbetonten Denken waren sie nicht auf den rücksichtslosen Plan gekommen, der hinter den Aktionen der Kurii steckte. Ich ahnte, daß es auch im Volk der Kurii verschiedene politische Gruppen gab. Nach dem Mißlingen des Vorstoßes in Torvaldsland war vielleicht eine Partei oder ein Stamm entmachtet worden. Ein frischer Wind schien zu wehen bei den Feinden des Sardargebirges ein neues Denken schien sich dort durchzusetzen, eine Interessengruppe, die sich nichts daraus machte, im Notfall eine ganze Welt zu opfern, um eine zweite zu erringen.
Die Sklavenflüge hatten aufgehört. Zweifellos hatte man alle wichtigen Leute von Gor evakuiert, besonders solche, die die irdischen Sprachen beherrschten. Andere, die keine Ahnung hatten von der schrecklichen Strategie des interplanetarischen Krieges, mußten zurück bleiben. Selbst der brillante Ibn Saran zählte nicht zu den Aufgeklärten, so wichtig er auch sonst für die Kurii sein mochte. Ich begann zu ahnen, daß Gor vernichtet werden sollte. Eine ganze Welt sollte untergehen, damit eine zweite Welt, die Erde, den Angriffen der Raumschiffflotten ungeschützt ausgesetzt war. Besser eine Welt als keine.
Obwohl inzwischen die Hitze des Taharimittags brütete, legte das Ungeheuer keine Rast ein. Am späten Nachmittag stieß das Wesen einen Wutschrei aus.
Der Wind hatte sich erneut nach Osten gedreht. Der Himmel verdüsterte sich. Innerhalb weniger Sekunden setzte der Sturm ein. Der Kur schritt durch den tobenden Sand. Ich hielt mich am Fell seines Armes fest und versuchte auf den Beinen zu bleiben. Plötzlich blieb der Kur stehen und stemmte sich gegen den Wind.
Ich öffnete die Augen und sah einen Stahlzylinder vor mir, kaum dreißig Meter entfernt, sofort wieder verhüllt von den Staubwolken. Das Gebilde war halb im Sand vergraben. Der Durchmesser war etwa drei Meter, die freiliegende Länge mochte zwölf Meter betragen; am oberen Ende sah ich ein Bündel Schubkammern. Ein Raumschiff, das hier abgestürzt war! Ich spürte, wie sich die Hand des Kur um meinen Arm schloß. Was ich nun beobachten konnte, ist schwierig zu beschreiben. Der Kur neben mir ließ meinen Arm los. Mit der linken Hand zog er den Ring von seiner Rechten und drehte die Silberplatte daran nach innen. Darunter befand sich ein Knopf, den er hineindrückte. Eine Sekunde lang schien das Wesen im Sand zu flimmern im nächsten Augenblick sah ich nur noch den Sand, der erbarmungslos vor dem Sturm hergepeitscht wurde. Ich war allein.
Ich erkannte, daß das Wesen sich in der Nähe des Turms auf die Jagd begeben hatte. Auf Händen und Knien kroch ich in die Richtung des Schiffes. Wieder sah ich es einige Sekunden lang. Es schien sich um eine recht primitive Konstruktion zu handeln. Die Schubkammern wiesen auf einen chemischen Antrieb hin. Das Schiff war nicht scheibenförmig. Vielleicht handelte es sich um einen alten Kahn, der hier nur dazu diente, eine Vernichtungsmaschine zu beherbergen.
Ich begann zu zittern, als ich an die Kräfte dachte, die in jenem Stahlzylinder schlummern mochten.
Ich wollte in den Sturm hinauslaufen, fort von dem Ding, doch ich wußte, daß es nirgendwo auf Gor Schutz vor diesem Schiff gab. ›Vorsicht vor dem Stahlturm‹, das hatte auf dem Felsen gestanden. Der Zylinder war eine Waffe, gegen die Schläfe einer Welt gedrückt, darauf eingestellt, bei Beginn der Dunkelheit zu detonieren.
Ich glaubte im Toben des Windes das Schreien von Männern zu hören, doch ich konnte mich auch täuschen. Dann vernahm ich das Heulen eines Kur und vier heftige Explosionen.
Schließlich war nur noch der Wind zu hören.
Ich wartete gut eine ViertelAhn lang. Dann spürte ich das Wesen in meiner Nähe. Die Luft begann zu flimmern. Der Kur taumelte. Seine Klauen waren rot; im linken Bein hatte er ein Loch, in der Brust drei faustgroße Löcher. Er stöhnte, dann wandte er mir den Rücken zu, und ich sah, daß die Löcher durch den ganzen Körper gingen. Es roch nach verbranntem Fleisch. Der Kur sank in den Sand. Ich kniete über ihm. Das Geschöpf öffnete die Augen.
»Ist die Arbeit getan?« fragte ich. »Hast du dein Ziel erreicht?«
Mit der blutigen Pfote zog das Wesen den Ring vom Finger und hielt ihn mir hin. Das Schmuckstück war blutbedeckt vermutlich vom Blut der Männer, die der Kur getötet hatte. Dieser Ring war nicht für menschliche Finger gedacht; er war viel zu groß. Der Kur drückte mir das Schmuckstück in die Hand. Mit einem Stück Lederschnur, die ich von meiner Fußbekleidung löste, befestigte ich ihn um meinen Hals. Das Ungeheuer lag im Sand und verblutete. Wahrscheinlich hatte es nicht mehr viel Blut. Die Geschosse, die seinen Körper durchschlugen, hatten die Wundränder verbrannt. Der Sand unter dem Tier färbte sich rot. Ich löste meinen Fußschutz, um die Wunden damit abzudecken, doch der Kur stieß mich fort. Er hob einen Arm in die Richtung, in der sich die Sonne befinden mußte.
Unsicher stand ich neben dem sterbenden Wesen. Dann marschierte ich durch den Sturm auf das Schiff zu.
Neben dem Stahlturm fand ich die Überreste eines Unterstandes aus Steinen und Leinenplanen. Einige Männer lagen im Sand; sie lebten nicht mehr. Ich erstarrte, als ich im wirbelnden Sand einen zweiten Kur entdeckte. Er war bewaffnet. In der rechten Hand hielt er ein kleines Gerät. Das Wesen hatte sich hingekauert und starrte angestrengt in den Sturm.
Es verblüffte mich, einen Kur bei dem Schiff anzutreffen. Der Kur, mit dem ich gekommen war, hatte wohl ebenfalls nicht damit gerechnet. Die Kurii sind ebensowenig wie die Menschen bereit, Selbstmord zu begehen. Dennoch bewachte ein Kur das Schiff. Sicher war er fest entschlossen, seine Aufgabe zu erfüllen. Offensichtlich war er bereit, sein Leben zu opfern bei dem Versuch, die Anordnungen seiner Vorgesetzten durchzusetzen. Das Wesen wandte sich in meine Richtung.
Ich sah, wie es den Arm hob, und warf mich zur Seite. Ein Felsbrocken in meiner Nähe zerplatzte in zwei Teile, gleichzeitig hörte ich die Explosion der Waffe.
Den Kur schien mein Auftauchen zu verblüffen. Er hatte nicht damit gerechnet, hier einen Menschen anzutreffen. Vielleicht führte dies dazu, daß er sein Ziel verfehlte. Im nächsten Augenblick schloß sich der Sandvorhang wieder zwischen uns. Ich kroch seitlich davon. Noch zweimal sah ich die große Gestalt doch er entdeckte mich nicht. Als ich ihn das nächstemal erblickte, starrte er geduckt in meine Richtung. Ich wich zurück. Er kam näher, ohne zu schießen. Er hielt die Waffe von sich ab und versuchte im Gleichgewicht zu bleiben. Ich vermutete, daß seine Waffe nur eine begrenzte Anzahl von Schüssen hergab; es schien sich nicht um eine Strahlenpistole zu handeln, sondern um eine Patronenwaffe. Plötzlich spürte ich das Metall des Schiffes in meinem Rücken. Das Ungeheuer kam auf mich zu. Ich sah, wie es die Lefzen hob. Mit beiden Pfoten richtete es die Waffe auf mich; ich drückte den Ring, der um meinen Hals hing. Er enthielt eine Vorrichtung zur Ablenkung des Lichts, hüllte seinen Träger mit einem Feld ein. Unsere Augen nehmen Lichtquellen wahr, die von verschieden beschaffenen Oberflächen reflektiert werden. Das Feld, das mich umgab, lenkte diese Wellen ab und führte sie zu ihrem ursprünglichen Muster zurück, wodurch Dinge, die sich hinter mir befanden, sichtbar gemacht wurden. Ein solches Gerät wäre bei den Priesterkönigen ziemlich nutzlos gewesen, denn sie verlassen sich kaum auf ihre visuellen Sensoren. Bei den Kurii war ich mir über die Anwendungsmöglichkeiten noch nicht im klaren. Die Kurii sind wie die Menschen visuell orientiert, doch ihr Gehör und ihre Nase sind erheblich höher entwickelt.
Plötzlich sah ich den Kur wie durch ein rotes Licht. Er fuhr zusammen, als er mich nicht mehr sehen konnte, und zögerte einen Sekundenbruchteil.
Ich sprang zur Seite. Das Geschoß traf die Schiffswand, in der plötzlich ein Loch gähnte; einige Tropfen geschmolzenes Metall liefen an der Außenwand herab.
Ich wußte nicht, wie viele Schüsse die Waffe des Kur enthielt. Außerdem war ich unbewaffnet. Das Heulen des Sturms verdeckte die Geräusche meiner Bewegungen; die heftigen Windstöße mußten meine Witterung zerfetzen, so daß der Kur sicher nur bruchstückhafte Eindrücke erhielt. Er konnte mich jedenfalls im Augenblick nicht aufspüren. Ich sah ihn ein gutes Stück von mir entfernt; mit erhobener Waffe drehte er sich im Kreis.
Mir war unerklärlich, warum der Kur, mit dem ich die lange Wanderung unternommen hatte, viermal getroffen worden war noch dazu direkt von vorn. Vielleicht hatte er in einer Eingangsöffnung, beispielsweise in einer Tür des Raumschiffs, gestanden und war von dem anderen Kur überrascht worden. Der Kur mit der Waffe war anschließend ins Freie gekommen, um den anderen vollends den Garaus zu machen.
Er hatte nicht damit gerechnet, daß noch ein Verbündeter, ein Mensch, auftauchen würde.
Ich sah, wie das Wesen die Jagd nach mir aufgab und sich wieder dem Schiff zuwandte. Auf diese Weise zeigte es mir den Eingang zu dem Stahlturm. Mit kratzenden Klauen kletterte es zu der Öffnung hoch und hockte sich hinein. Es schien sich um den Außendurchgang einer Schleuse gehandelt zu haben; die Öffnung war rechteckig; das äußere Luk fehlte; seitlich hing ein Brocken verbogenes Metall, als habe man dort die Tür aus den rostigen Angeln gerissen. Das Ungeheuer hockte in der Schleuse und starrte in das Unwetter hinaus. Im nächsten Augenblick verschwand es im Innern.
Daraufhin begab ich mich zu den Steinen und den Planen und tastete mich herum. Ich fand eine der menschlichen Leichen und schleppte sie zur Flanke des Schiffes. Dort waren einige Risse, groß genug, um einem Menschen Zugang zu gewähren. Ich sorgte dafür, daß der Kur im Innern mitbekam, daß jemand sich an der Flanke des Schiffes zu schaffen machte.
Der Kur war sicherlich ein erfahrener Kämpfer. Es konnte kein Zufall sein, daß gerade dieser Kur und kein anderer die Aufgabe übertragen bekommen hatte: die Bombe zu beschützen, die einen ganzen Planeten vernichten sollte.
Das Wesen stand sicher unter großer innerer Anspannung. Und in dem Unwetter vermochte es sich außerhalb des Schiffs kaum zu orientieren. Es nahm vermutlich an, daß ich die Unsichtbarkeit des Ringes nicht aufgeben würde. Eine Ablenkung zu schaffen war bestimmt sinnlos; was konnte den Kur aus seiner Stellung locken? Wenn das Blut der Toten nicht ausgereicht hatte, ihn seine Pflichten vergessen zu machen, hatte ich keine Chance, ein besseres Mittel zu finden. Er hatte der Versuchung des Bluts widerstanden; in Anbetracht seiner Instinkte mußte dieser Kur wirklich ungeheure Willenskräfte besitzen. Er mochte annehmen, daß ich ihm ein falsches Ziel bieten würde, um mich heimlich ins Schiff zu schleichen. Dafür kam eigentlich nur einer der toten Menschen in Frage, Opfer des Kur, mit dem ich durch die Wüste gewandert war. Ich gab mir keine Mühe, leise aufzutreten. Der Kur sollte ruhig wissen, daß ich mich vor der Schleuse befand, daß ich die Flanke des Schiffes erklommen und dabei eine schwere Last befördert hatte, vermutlich einen Toten.
Logisch wäre nun gewesen, den Toten in die Öffnung zu schieben und zu hoffen, daß der Kur darauf schoß. In dem folgenden Durcheinander konnte ich vielleicht unbemerkt ins Schiff gelangen. Doch ich verzichtete auf diesen Plan. Drinnen lauerte ein Kur. Ich nahm nicht an, daß er ein Dummkopf war.
Auf eine Täuschung wollte ich dennoch nicht ganz verzichten. Nur wollte ich mich selbst als Ziel anbieten, weiter nichts. Der Kur rechnete bestimmt nicht damit, daß ich den Schutzschild der Unsichtbarkeit aufgab und mich seiner Waffe direkt aussetzte.
Ich klammerte mich seitlich vom Eingang fest. Den Toten legte ich neben mir zurecht, damit er nicht abrutschen konnte.
Gemächlich zählte ich fünftausend Ihn ab, damit der Kur auch wirklich angespannt war, damit er ungeheuer schnell reagieren konnte, damit sich jede Faser seines Körpers danach sehnte, bei der geringsten Bewegung den Abzug zu betätigen.
Der Wind heulte, der Sand tobte um das Schiff. Ich drückte den Knopf des Ringes auf meiner Brust. Ich begann zu schwitzen.
Schlaff, als hätte ich einen Stoß von hinten bekommen, ließ ich mich in die Öffnung taumeln und stürzte nach vorn. Kaum war ich in die Schleuse gefallen, als ich auch schon die mächtige Detonation der Waffe über mir hörte; fünf Schüsse wurden abgegeben; unmittelbar darauf sprang der Kur aus seinem Versteck in einem Gewirr von Röhren und hastete an mir vorbei, wobei er mich mit einem Fuß an der Schulter traf. Der Kur starrte in den Sturm hinaus und sah unten auf dem Boden den Toten liegen, der bei meinem Vorspringen abgerutscht war. Im ersten Augenblick schien der Kur verwirrt zu sein; noch zweimal feuerte er auf die Leiche, dann verließ er die Öffnung und glitt an der Außenwandung in die Tiefe.
Sofort setzte ich mich in Bewegung. Ich stieg durch das Innenluk, das offenstand. Draußen stimmte der Kur ein Wutgeheul an. Ich versuchte das Luk zu schließen, doch die Tür war verkantet und ließ sich nicht sichern. Vielleicht war das ganze Schiff bei dem Absturz verbogen worden. Ich hörte die Klauen des Kur auf dem Stahl der Außenhaut und griff nach dem Ring auf meiner Brust. Er war verschwunden! Der brüchige Lederriemen war gerissen! Ich hörte das Schnappen der Handwaffe und blickte auf. Die Waffe war kaum fünfzig Zentimeter von meinem Kopf entfernt.
Wieder klickte es. Ich ließ mich in die Dunkelheit des Schiffes fallen. Das Innere war leer. Ich glitt etwa vierzig oder fünfzig Fuß in die Tiefe, und wurde schließlich von einer Trennwand aufgehalten. Ich hob den Kopf. Plötzlich war das Schiffsinnere hell erleuchtet. In dem Zylinder über mir, in der Schleusenöffnung, stand der Kur. Mit gefletschten Zähnen blickte er auf mich hinab. Er hatte die Waffe fortgeworfen. Verzweifelt sah ich mich um. Das Innere des Schiffes wirkte seltsam verschoben. Außerdem sah der Raum nicht so kompakt aus, wie ich erwartet hatte; er war gar nicht angefüllt mit Apparaten und Kontrolltafeln. Offenbar waren hier schon so manche Dinge entfernt worden.
Der Kur bewegte sich ungemein geschickt für seine Größe; an langen Armen schwang er sich von Rohr zu Rohr und kam mir immer näher. Als er meine Höhe erreichte, versuchte ich nach oben zu klettern, wobei ich mich ebenfalls an Röhren festklammerte, die sich an der Seitenwand entlangzogen. Die Hand des Kur legte sich um mein Fußgelenk; rücksichtslos wurde ich von den Röhren fortgezerrt. Der Kur schleuderte mich in die Luft und gegen die Schiffshülle, und ich stürzte etwa zehn Fuß tief auf die Reste einer verbogenen und eingerissenen Zwischenwand; dort prallte ich ab und landete fünf Fuß tiefer in einem Haufen Metallschrott. Ich kroch auf Händen und Knien zur Seite; der Kur kam näher. Unter einigen Röhren entdeckte ich plötzlich den Ring. Ich ließ mich auf den Bauch fallen und versuchte, das kostbare Stück zu erreichen. Es war doch zu weit entfernt. Verzweifelt richtete ich mich auf. Der Kur starrte herab; er hatte den Ring ebenfalls entdeckt. Ich wich zurück und stolperte. Als ich den geneigten Schiffszylinder emporblickte, machte ich über mir, etwa zwanzig Meter entfernt, sechs Rundskalen aus. Der Kur senkte die langen Arme. Ich beugte mich über den Haufen aus Drähten und Metallstücken. Der Arm des Kur war lang genug, um den Ring zu erreichen, doch die Röhren waren zu dicht nebeneinander angeordnet; der Arm paßte nicht hindurch. An Vorsprüngen und Röhren begann ich emporzuklettern mein Ziel waren die Rundskalen. Der Kur packte die Röhren, um sie auseinanderzubiegen. Er hatte sie etwa zehn Zentimeter weit auseinandergezogen, als er den Kopf hob und mich erblickte. Er stimmte ein lautes Wutgeheul an. Der Ring war vergessen, er begann augenblicklich in meine Richtung zu klettern, schnell und zielstrebig.
Ich hockte auf einem Stahlträger, der quer durch den Zylinder führte auf gleicher Höhe befanden sich die sechs Anzeigeinstrumente. Die ersten vier Skalen bewegten sich nicht. Die beiden letzten waren noch in Bewegung. Jedes Zifferblatt verfügte über einen einzigen Zeiger und war in zwölf Einheiten unterteilt. Die Zeiger der ersten vier Instrumente standen senkrecht. Ich vermochte die Ziffern auf den Geräten nicht zu erkennen. Vermutlich entsprach die senkrechte Stellung unserer Null. Jedenfalls war dies offenbar die Stellung, in der die Geräte die Arbeit einstellten.
Das erste Instrument verzeichnete so etwas wie Monate, das zweite Wochen, das dritte Tage, das vierte Stunden. Ich wußte nicht, wie schnell die Umdrehung des Heimatplaneten der Kurii war. Ich bezweifelte aber nicht, daß diese Bewegung für die Einrichtung der Instrumente ausschlaggebend gewesen war.
Mit den Zähnen entfernte ich die Isolierung von einem Stück Draht, das ich aus dem Abfallhaufen mitgenommen hatte. Aus dem ungeschützten Ende des Drahtes machte ich eine Schlinge. Als der Kur in meine Nähe kam, wobei er mir seinen Rücken zugewendet hatte, fing ich den mächtigen pelzigen Kopf in der Schlinge und zog sie fest zu. Das Wesen zupfte mit seinen mächtigen Fingern an dem dünnen Draht, vermochte jedoch nicht darunter zu greifen. Ich warf mich rücklings von dem Stahlträger, woraufhin der Draht den Kur von der inneren Schiffswandung fortzog, bis er zappelnd im Leeren hing, wobei ich einige Fuß unter dem Geschöpf baumelte. Der Kur versuchte mit den Tatzen zu greifen, konnte jedoch nirgendwo Halt finden. Er versuchte den Draht festzuhalten und daran emporzuklettern oder den Druck um den Hals auf andere Weise zu mindern, doch die Pfoten glitten an dem dünnen Draht ab. Gleich darauf begann mich das Gewicht des Kur nach oben zu ziehen. Meine Hände waren im isolierten Teil des Drahtes verankert. Als ich mich dem Kur näherte, stieß ich mich mit den Füßen kräftig von ihm ab, um seinen Klauen zu entgehen.
Im nächsten Augenblick war ich über dem Kur; das Gewicht des Wesens zog mich zur Stahlstrebe zurück. Die Schultern des Kur waren inzwischen rot von Blut, das ihm pulsierend aus dem Hals quoll. Kopfüber, die Füße gegen die Strebe gepreßt, stemmte ich mich gegen das Gewicht und versuchte den Kur festzuhalten. Plötzlich riß der Draht, und zwar in dem Moment, als ich mich fast waagerecht zur Metallstrebe befand und versuchte, das Gewicht des Kur zu halten, um nicht über die Strebe gezogen zu werden.
Meine Beine, urplötzlich des mächtigen Zugs beraubt, schleuderten mich rückwärts fast auf die andere Seite des Schiffes. Ich glitt einige Fuß weit hinab, ehe ich mich an einigen Leitungen festhalten konnte. Der Kur stürzte in die Tiefe; prallte mehrmals auf, ehe er im untersten Teil des Schiffes aufprallte.
Ich starrte auf die Rundskalen. Der Zeiger des fünften Ziffer blatts stand fast schon senkrecht.
Draußen war Nacht. Der Sturm tobte noch immer.
Die Instrumente waren durch dickes Glas geschützt. Ich stieg wieder zu dem Stahlträger hinauf, von dem aus ich den Kur gefangen hatte. Ich kam nicht an die Instrumente heran.
Verzweifelt sah ich mich um. Ich konnte die Geräte nicht aufhalten! Zu meinem Entsetzen rappelte sich unter mir der blutüberströmte Kur auf. Das Geschöpf schien unbesiegbar zu sein. Langsam begann es wieder zu klettern. Ich sah das emporgewandte Gesicht, die blitzenden Augen, die spitzen Zähne, die zurückge legten Ohren. Hand um Hand zog es sich empor.
Ich ergriff eine schmale Röhre über meinem Kopf und zerrte daran. Das Rohr enthielt Drahtleitungen. Verzweifelt versuchte ich das Gebilde von der Schiffswand zu lösen. Doch damit kam ich nicht weit.
Das Ungeheuer kam immer näher.
Ich zerrte an dem Rohr, kriegte es endlich los. Plötzlich erstarrte der Zeiger der fünften Skala. Daraufhin begann sich das sechste Instrument im Gegenuhrzeigersinn auf die vertikale Stellung zu zubewegen. Vermutlich blieben mir nur noch wenige Sekunden Zeit. Ich hieb mit dem Rohr nach dem sechsten Instrument, immer wieder holte ich aus und zerbrach schließlich das Glas. Der Kur war knapp einen Meter unter mir. Er versuchte mit letzter Kraft den Kopf zu heben und mich zu packen. Der Blutstrom am Hals versiegte. Das Wesen war tot. Seine Tatzen lösten sich von dem Leitungsgewirr an der Schiffswandung, und es stürzte von neuem in die Tiefe.
Wie einen Speer rammte ich die dünne Röhre mitten in das Instrument. Gleich darauf traf der sechste Zeiger gegen dieses Hindernis und verharrte ein kurzes Stück vor der senkrechten Marke.
Ich lag auf dem Stahlträger, begann zu schluchzen und bekam schon Angst, daß auch ich abstürzen würde.
Als ich mich wieder zu rühren wagte, verließ ich schnell das Schiff. Der Sturm hatte nachgelassen. Im Sand fand ich den Kur, mit dem ich die Wanderung in die Tahari unternommen hatte.
»Wir haben unser Ziel erreicht«, sagte ich zu ihm.
Doch er war bereits tot.
Ich kehrte zum Schiff zurück, wo ich ausreichend Nahrung und Wasser fand. In den nächsten Tagen machte ich mich daran, mit aller Sorgfalt einige Bauteile des Schiffes auseinanderzunehmen und unschädlich zu machen. Zu gegebener Zeit würden die Priesterkönige das Schiff finden und es ein für allemal entschärfen. Ich holte den Kur aus der Stahlröhre und begrub ihn Seite an Seite mit seinem Artgenossen.
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