8

Es scheint kein Ende zu nehmen«, sagte eine Männerstimme. Wir töten jeden Tag viele hundert, doch es kommen immer mehr.«

»Dann tötet ihr eben mehr«, sagte die Stimme einer Frau.

»Die Männer sind erschöpft«, sagte die Stimme.

»Verdoppelt die Honorare!«

»Es soll geschehen.«

»Die Mauer scheint eine Pasang östlich der Plattform nachzugeben«, meldete ein anderer Mann.

»Verstärkt sie!« befahl sie.

»Es gibt nicht mehr viel Holz.«

»Nehmt Steine!« sagte sie.

»Es soll geschehen«, sagte die Stimme des Mannes.

Ich lag auf einem rauhen Holzfußboden. Vorsichtig schüttelte ich den Kopf. Ich spürte die Unebenheit der Bohlen unter meinen Schultern. Mein Oberkörper war nackt. Ich trug eine weiße Fellhose, an der Hüfte zusammengebunden, und Fellstiefel. Die Hände waren mir auf dem Rücken gefesselt worden.

»Das ist der Neue?« fragte die Frauenstimme.

»Ja.«

»Weckt ihn!«

Ich wurde hochgezerrt und mit Speerschäften geschlagen. Ich schüttelte den Kopf und sah sie an. »Du bist Tarl Cabot«, stellte sie fest.

»Möglich«, sagte ich.

»Was Männer nicht geschafft haben, ist mir gelungen«, sagte sie. »Ich habe dich gefangengenommen.«

»Männer in Lydius haben das getan.«

»Die aber standen in meinen Diensten!« sagte sie. »Also habe ich dich gefangengenommen. Wir haben nach dir Ausschau gehalten. Man sagte uns, du bist vielleicht so dumm, dich in den Norden zu wagen.«

Ich schwieg.

»Du bist ein kräftiges, sinnenfrohes Tier!« sagte sie. »Bist du wirklich so gefährlich?«

Ich hielt es nicht für sinnvoll, ihr zu antworten.

»Deine Gefangennahme wird mir eine Beförderung einbringen.«

»Und bei wem?« fragte ich.

»Wesen, die nicht zu den Priesterkönigen gehören«, sagte sie. Sie trat an einen Tisch, auf dem meine Habseligkeiten lagen,

»Es war mir schon sehr bald klar, daß du kein einfacher Herumtreiber aus den Docks von Lydius bist.« Sie ließ goldene Tarnscheiben durch ihre Finger rinnen und zog die Klinge aus der Scheide. »Es wird behauptet, dies sei eine hervorragend geschmiedete Klinge, scharf, fein ausbalanciert, die Waffe eines: wahren Kriegers.«

»Mag sein.«

Sie wickelte die Skulptur aus dem Fell, den Kopf eines Untiers, aus bläulichem Stein gearbeitet. »Was ist denn das?« wollte sie wissen.

»Du weißt es nicht?«

»Der Kopf eines Tieres«, sagte sie.

»Du hast recht.«

Sie legte das Gebilde wieder in das Fell. Ich war davon überzeugt, daß sie die Bedeutung des Gegenstands nicht erkannt hatte. Die Kurii arbeiten wie die Priesterkönige oft durch andere Menschen und verbergen sich vor jenen, die ihnen dienen. So hatte Samos zum Beispiel keine Ahnung, wie Priesterkönige wirklich aussahen.

Ich musterte die junge Frau. Sie trug Hose und Jacke aus dem weißen Fell des Meeres-Sleen; die Jacke hatte eine Kapuze, die sie im Augenblick auf dem Rücken trug, besetzt mit Lart-Pelz, in dem menschlicher Atem nicht gefrieren kann. Die Stiefel bestanden ebenfalls aus Meeres-Sleen-Fell. Die Jacke wurde an der Taille von einem schmalen schwarzschimmernden Gürtel mit. goldener Schnalle zusammengehalten. An diesem Gürtel war die Scheide eines kleinen Dolches befestigt, dessen Griff mit rotgelben Wirbeln verziert war. Über der Schulter hing ein zweiter Gurt, an dem in Höhe ihrer rechten Hüfte eine Tasche sowie eine Sklavenpeitsche und vier zusammengerollte Streifen Lederschnur baumelten.

»Du bist eine Frau«, stellte ich fest, »die vielleicht sogar schön ist.« Ihr Gesicht war auf jeden Fall sehr attraktiv, zart und weiblich. Sie hatte einen sehr hellen Teint und sanfte blaue Augen; ihr Haar, das bis über die Schultern herabfiel, war von einem weichen Kastanienrot.

»Was soll das heißen – ›die vielleicht sogar schön ist‹?«

»Das viele Fell verdeckt mir die Sicht«, antwortete ich. »Warum ziehst du es nicht aus?«

Zornig machte sie einen Schritt in meine Richtung und versetzte mir mit dem Handrücken einen Schlag auf den Mund.

Sie war schwach, und der Schlag schmerzte nicht. Sie war nur etwa fünf Fuß und fünf Zoll groß.

»Deine Unverschämtheit soll dir noch leid tun!« fauchte sie.

»Auf dem Sklavenmarkt würdest du etwa einen Silbertarsk bringen.«

Immer wieder schlug sie zu, bis sie zornbebend von mir abließ.

»Du sprichst wie eine Frau von der Erde«, sagte ich. »Du kommst aus Amerika, nicht wahr?« setzte ich auf englisch hinzu.

»Ja!« fauchte sie.

»Das erklärt, warum dir das Dasein als Sklavin so fremd erscheint. Aber du kannst ja noch lernen.«

Wütend nahm sie die Peitsche von ihrem Gürtel und begann hysterisch auf mich einzuschlagen. Es war kein angenehmes Gefühl, doch ihre Kraft reichte nicht aus, um mir ernsthaft Schmerz zuzufügen. Endlich trat sie erschöpft zurück.

»Du bist zu schwach, um mir weh zu tun«, sagte ich. »Aber ich hin nicht zu schwach, um dir weh zu tun.«

»Ich lasse dich durch meine Männer auspeitschen!« drohte sie wütend.

Ich zuckte nur die Achseln.

»Wie heißt du?« fragte ich dann.

»Sidney Anderson.«

»Das ist doch ein Männername.«

»Manchmal werden auch Mädchen so genannt. Meine Eltern haben ihn für mich ausgesucht.«

»Sie wollten wohl einen Jungen haben«, sagte ich und fügte hinzu: »Das war dumm von ihnen.«

»Meinst du?«

»Aber auf jeden Fall. Beide Geschlechter sind großartig. Das eine kann sich glücklich schätzen, das andere zu haben, und umgekehrt. Frauen sind tiefgründig und subtil und wunderbar.«

»Ich hatte nicht angenommen, daß du Frauen respektierst.«

»Tue ich auch nicht«, antwortete ich.

»Dann verstehe ich dich nicht.«

»Der Mann, der eine Frau respektiert, weiß nicht, was er sonst noch mit ihr anfangen soll«, sagte ich. »Ich wollte nur sagen, daß Frauen ungewöhnlich kostbar und begehrenswert sind.«

»Wir machen uns aber nur gut in einem Sklavenkragen, nicht wahr?« sagte sie mit schneidender Stimme.

»Das gehört sich auch so«, sagte ich. »Die Frau hat ihren Platz zu Füßen des Mannes.«

Zornig wandte sie sich ab.

»Versuchst du noch immer der Junge zu sein, den sich deine Eltern gewünscht haben?«

Aufbrausend wirbelte sie herum. »Ich lasse dir die Haut vom Rücken peitschen!« drohte sie.

Ich wandte den Blick ab und sah mir den Raum an. Er war ganz aus Holz und hatte ein gekrümmtes Dach. An seinem Ende war eine Plattform mit einem grob geschnitzten Stuhl, auf dem sie gesessen hatte. Unter dem Stuhl lag ein Teppich aus Sleenfell, ein zweiter vor dem Podest. Auf einer Seite erhob sich ein Tisch, auf dem einige meiner Besitztümer lagen. In einem Kamin brannte Holz.

Ich richtete den Blick wieder auf sie.

»Ist die Bezahlung gut?« fragte ich.

»Ja.«

»Begreifst du die Strategie, für die du hier eingespannt wirst?«

»Natürlich – es geht mir einzig und allein um Sidney Anderson.«

»Du bist ja eine echte Söldnerin.« Ich lächelte.

»Ja«, sagte sie stolz. »Ich bin eine Söldnerin. Meinst du, Frauen können das nicht sein?«

»O doch. Warum sollten Frauen keine Söldnerinnen sein?«

Sie trat vor mich hin und berührte mich mit der Peitsche an der Wange. »Du sollst tüchtig an der Mauer arbeiten.«

»An welcher Mauer?«

»Wart’s ab!« sagte sie.

»Bist du noch Jungfrau?« fragte ich.

Sie hieb mir mit der Peitsche ins Gesicht. »Ja.«

»Dann werde ich der erste sein, der dich besitzt«, sagte ich.

Wieder hieb sie zu, so kräftig sie konnte. »Halt den Mund!«

»Du bist doch sicher interessiert, deine Sexualität zu ergründen«, sagte ich.

»Gebrauch das Wort nicht in meiner Gegenwart!« fauchte sie.

»Es liegt doch auf der Hand«, sagte ich. »Schau mal, wie eng du deinen Gürtel trägst. Du tust das, vielleicht nur unbewußt, um die Aufmerksamkeit auf deine Figur zu lenken.«

»Nein! Nein! Nein!« rief sie.

»Du hast Sklavinnen gesehen. Du hast dich sicher schon gefragt, wie es ist, Sklavin zu sein.«

»Nein!« rief sie.

Die Heftigkeit ihrer Reaktion war der Schlüssel zu dem, was ich wissen wollte. »In dir steckt eine Sklavin«, sagte ich. »Ich werde ihr den Kragen umlegen.«

Dann schloß ich die Augen, um von ihren Peitschenhieben nicht geblendet zu werden. Schweratmend hielt sie inne und befestigte die Peitsche an ihrem Gürtel. »Sidney Anderson«, sagte sie, »wird niemals die Sklavin eines Mannes sein! Niemals!«

»Wenn ich dich entjungfert und dir den Kragen umgelegt habe, gebe ich dir einen Mädchennamen, einen Sklavennamen – Arlene.«

Sie erbebte, dann faßte sie sich wieder. »Du bist verflucht schlau«, sagte sie. »Du versuchst mich zu erzürnen. Aber bedenke, daß du mein Gefangener bist.«

»Im Augenblick schon«, sagte ich.

Ich erkannte, daß sie – wie schon die Dame Tina aus Lydius – zu wenig über die Männer wußte, um Angst vor ihnen zu empfinden. Vermutlich kannte sie nur die Männer von der Erde und auf Gor nur Männer, die in der Disziplin der Kurii-Organisation als ihre Untergebenen fungierten.

Es war nicht dumm von den Kurii, sich solcher Frauen zu bedienen. Sie hatten auf Gor keine Verpflichtungen. Sie besaßen keine Heimsteine. Sie waren auf dieser Welt fremd.

Wußten sie aber auch, daß sie ohne Heimstein dem Sklavenkragen jedes Mannes unterworfen waren?

Sie sah mich an. Zuerst hatte sie gelacht, doch ich sah, daß sie vor Wut kochte. In ihren Augen stand auch noch etwas anderes. Ich nehme an, sie fragte sich, wie es sein würde, in meiner Gewalt zu sein. Sie würde es erfahren.

»Der mächtige Tarl Cabot«, sagte sie spöttisch, »ein gefesselter, kniender Gefangener.«

Ja, solche Frauen gaben ausgezeichnete Helfer ab. Ich wunderte mich nur, daß die Kurii eine dermaßen weibliche und hübsche Frau angeworben hatten. Sicher gab es auf der Erde auch männlichere Frauen, die ein größeres Durchsetzungsvermögen gehabt hätten.

»Eine interplanetarische Streitmacht«, sagte sie, »von der die Dummköpfe auf der Erde nichts ahnen, belagert dieses Sonnensystem. Ihre Programme werden in der Eroberung gipfeln. Als Teilnehmerin dieses Kampfes werde ich in den Reihen der Sieger einen hohen Posten erhalten.«

»Eure Gegner sind die Priesterkönige«, sagte ich.

»Soviel ich weiß, sind die Priesterkönige schwach«, gab sie zurück. »Sie kämpfen doch nur defensiv, oder?«

»Von Zeit zu Zeit tun sie auch etwas mehr.«

Es stimmte allerdings, daß die Priesterkönige keine aggressive Spezies waren. Objektiv gesehen erschien es mir nicht unwahrscheinlich, daß sie irgendwann einmal durch eine wildere, skrupellosere Lebensform verdrängt wurden – wofür sich die Kurii anboten.

»Ich werde auf der Seite der Sieger stehen«, sagte sie.

»Da spricht die Söldnerin«, sagte ich und lächelte vor mich hin. Nun wußte ich, warum dieser Typ von Frau nach Gor geholt worden war. Sobald sie ihren Zweck erfüllt hatten, würde man sie zu Sklavinnen machen.

Sie fesselte mir die Hände und zerrte an dem Seil. »Hoch mit dir, du Vieh!« befahl sie.

Ich stand auf.

Ich blickte auf die Schönheit hinab. Sie war nach Gor geholt worden, um letztlich den Sklavenkragen eines Mannes zu tragen. Ich nahm mir fest vor, sie zu meiner Sklavin zu machen.

»Komm, du Vieh!« sagte sie und führte mich an den Fesseln aus dem Raum. »Ich zeige dir unsere Arbeit im Norden. Später wirst du nach meinen Anweisungen schuften.« Sie wandte sich zu mir um. »Du hast uns lange genug bekämpft«, fuhr sie fort. »Auf deine bescheidene Weise wirst du nun zu unseren Plänen beitragen, auch wenn es nur darum geht, Steine und Holz zu schleppen.«

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