22

»Es mag ein Glück für mich sein«, sagte Ram zu Karjuk in Imnaks Hütte, »daß du das Eis-Ungeheuer verfolgt und getötet hast.« Er warf einen Blick auf den abgetrennten Kopf in der Ecke der Hütte. »Ich wäre ihm nur ungern noch einmal über den Weg gelaufen.«

Karjuk nickte, sagte aber nichts.

Er hatte dem Monstrum die Ringe aus den Ohren geschnitten und sie mit Imnaks Erlaubnis Poalu geschenkt, die sie nun als Armreifen über der linken Hand trug.

Ehe sie sie überstreifen konnte, hatte ich sie mir gründlich angesehen und in der Hand gewogen.

»Bist du sicher«, wandte ich mich an Ram, »daß dies der Kopf des Ungeheuers ist, das dich angegriffen hat?«

»Könnte es denn mehr als ein solches Tier geben, mit Ringen in den Ohren?« fragte er.

»Wahrscheinlich ist es nicht«, räumte ich ein. Ich hatte den Kopf gründlich untersucht, besonders die Ohren und das Maul.

»Ich bin dem Ungeheuer tagelang gefolgt«, sagte Karjuk. »Ich verfolgte es bis zu einer Stelle, wo es Schlitten- und Blutspuren im Schnee gab, der überdies von vielen Füßen zertrampelt worden war.«

»Das war sicher der Ort, an dem das Ungeheuer meinen Sleen und den Schlitten angriff«, sagte Ram, »und wo die Männer aus dem Dorf mich retteten.«

»Ich folgte dem Ungeheuer einige Pasangs weit durch den Schnee. Es war doppelt verwundet worden, und ich fand es bei der Mahlzeit über einem Schnee-Sleen, der in seinem Fell die Spuren eines Schlittengeschirrs trug.«

»Dann war es auf jeden Fall dasselbe Ungeheuer«, sagte Ram.

»Dann tötete ich es«, berichtete Karjuk.

Ich trank meinen Bazi-Tee und sah ihn über den Rand der Schale hinweg an. Er musterte mich ebenfalls und schlürfte die heiße Flüssigkeit.

Die Mädchen hielten sich im Hintergrund und erwarteten die Befehle der Männer. Sie machten einen großen Bogen um den abgetrennten Kopf. Poalu, die der Rasse der rothäutigen Jäger angehörte, hatte keine solche Angst vor dem Ding. Knochen und Blut und Haut gehören zu ihrem Leben, zu ihrer Welt.

»Hast du von einem Eisberg im Meer gehört, der sich nicht bewegt?« fragte ich und blickte Karjuk an.

»Im Winter bewegen sich die Berge im Wasser nicht, denn dann ist das Meer gefroren.«

»Hast du von einem Berg gehört, der sich auch dann nicht bewegt, wenn das Wasser strömt?« fragte ich.

»Von einem solchen Berg habe ich nicht gehört«, antwortete er.

»Ich habe ihm schon gesagt, daß es so etwas nicht geben kann«, warf Imnak ein.

»Aber ich habe ihn gesehen«, fügte Karjuk an. Er antwortete präzise und wörtlich, wie es viele rothäutige Jäger gewöhnt sind.

Wir schwiegen.

»Es gibt so einen Berg?« fragte Imnak.

»Ja«, sagte Karjuk. »Weit draußen auf dem Ozean. Einmal bin ich beim Sleenjagen mit dem Kajak darum herumgepaddelt.«

»Ist der Berg groß?« fragte ich.

»Sehr groß.«

»Wie kann es so etwas geben?« wollte Imnak wissen.

»Keine Ahnung«, sagte Karjuk, »aber ich weiß, daß der Berg existiert, denn ich habe ihn gesehen.«

»Haben ihn auch andere gesehen?« fragte ich.

»Mag sein. Ich weiß es nicht.«

»Könntest du mich hinbringen?«

»Er liegt jetzt weit draußen auf dem Eis.«

»Könntest du mich hinbringen?«

»Ja, wenn du willst.«

Ich stellte meine Teeschale fort. »Hol meinen Beutel!« sagte ich zu Arlene. Sie eilte fort und holte das Gewünschte.

Aus dem Innern zog ich den geschnitzten Kurkopf aus blauem Stein, den abstoßenden Kopf mit dem halb abgerissenen Ohr.

»Hast du den Kopf gemacht?« fragte ich.

»Ja«, antwortete Karjuk.

»Hast du jemals so ein Ungeheuer gesehen?«

»Ja.«

»Wo?«

»Nahe dem Berg, der sich nicht bewegt«, sagte er.

»Ist dies der Kopf eines Eis-Ungeheuers?« fragte ich.

»Nein, dazu war sein Fell zu dunkel.«

»Kannst du mich bald zu dem Berg führen, der sich nicht bewegt?«

»Wir haben jetzt Nacht«, sagte Karjuk. »Das Eis ist gefährlich. Gerade in dieser Jahreszeit kommen die Eis-Ungeheuer manchmal ins Landesinnere.«

»Trotzdem wirst du mich hinführen, oder?« fragte ich und lächelte.

»Ja, wenn du willst.«

»Ja, es ist mein Wunsch.«

»Also gut«, sagte Karjuk.

»Wenn Karjuk bei uns ist, gibt es keine Gefahr«, sagte Poalu. »Er ist der Wächter.«

»Ich begleite dich«, sagte Imnak.

»Das ist nicht erforderlich.«

Imnak betrachtete den abgetrennten Kopf des weißzottigen Kur. Sein Gesichtsausdruck war kaum zu deuten. »Nein«, sagte er. »Ich begleite dich.«

Karjuk nippte seinen Tee.

»Ich komme ebenfalls mit«, sagte Ram.

»Willst du den Eis-Ungeheuern Bazi-Tee verkaufen?« wollte ich wissen.

»Ich komme mit«, sagte Ram nachdrücklich.

»Also gut, mein Freund«, sagte ich und wandte mich an Karjuk. »Wann brechen wir auf?«

»Ich muß meinen Tee austrinken«, sagte er, »und dann schlafen. Dann können wir fahren.«

»Möchtest du eine meiner Frauen zu dir nehmen?« fragte Imnak und deutete auf Poalu, Fingerhut und Distel.

»Oder meine hübsche Sklavin?« fügte ich hinzu und wies auf Arlene.

Arlene wich zurück. Sie hatte Angst vor dem dünnen, mürrisch wirkenden Karjuk. Aber sie wußte, daß sie gehorchen mußte, denn sie war nur eine Sklavin. Karjuk betrachtete Poalu, dann die anderen Mädchen, die seinem Blick auswichen.

»Nein«, sagte er schließlich.

Er leerte seine Teeschale und kroch in die Felle auf der Schlafplattform. Die anderen machten ebenfalls Anstalten, sich schlafen zu legen.

»Die Mädchen sollten wir nicht mitnehmen«, sagte ich zu Imnak.

»O doch, wir nehmen sie mit«, meinte er, »Wer taut uns sonst das Eis von den Stiefeln und näht für uns, kocht das Fleisch und versorgt die Lampen und hält uns in den Fellen warm?« Er rollte sich in seinen Pelzen herum. »Wir nehmen die Schnee-Sleen und unsere Frauen«, sagte er.

»Na gut.« Ich glaubte nicht, daß die Mädchen in großer Gefahr sein würden. Wenn sich meine Vermutungen bewahrheiteten, würde sich eine Verwendung für sie finden. Sie waren ausnahmslos hübsch.

»Herr«, flüsterte Arlene.

»Ja?«

»Darf ich zu dir in die Felle kriechen?«

»Ist dir kalt?«

»Ich habe Angst«, sagte sie.

Ich öffnete ihr die Schlaffelle und ließ sie zu mir kriechen. Im Schutz des Pelzes hielt ich sie in den Armen. Sie zitterte.

»Wovor hast du Angst?« fragte ich.

»Vor Karjuk«, antwortete sie, »und vor der Wanderung auf das Eis.« Sie klammerte sich an mich. »Was hoffst du dort zu finden?«

»Das weiß ich nicht.«

»Du suchst das Hauptquartier jener Wesen, die einmal meine Herren waren, nicht wahr?«

»Ja, Sklavin.«

»Die sind bestimmt gefährlich.«

»Mag sein.«

»Du mußt ihnen aus dem Weg gehen«, sagte sie, »Flieh in den Süden!«

»Kennst du einige der Lebewesen, die dir damals die Befehle gaben?«

»Nein.«

»Schau mal«, sagte ich, faßte sie am Kinn und drehte ihren Kopf herum, bis sie den Kopf des Kurs sehen konnte, der noch im Hintergrund des Zeltes lag. »Sie sehen dem Geschöpf sehr ähnlich«, sagte ich.

Ihr stockte der Atem vor Entsetzen. »Nein!« sagte sie.

»Solchen Kreaturen hast du gedient, als du noch frei warst, meine hübsche Sklavin!«

»Nein, nein«, flüsterte sie.

»Aber ja doch«, sagte ich lächelnd. »Es stimmt.«

»Was geschieht mit dir, wenn du ihnen in die Hände fällst?« wollte sie wissen.

»Das weiß ich nicht«, antwortete ich. »Vermutlich würde mir etwas nicht sehr Angenehmes widerfahren.«

»Und was würden sie mit mir machen, wenn ich ihnen ausgeliefert würde?«

»Vielleicht würdest du deine Rechte und Privilegien zurückerhalten und wieder für sie arbeiten können.«

»Aber ich habe versagt«, flüsterte sie.

»Das stimmt«, meinte ich. »Vielleicht würde man dann andere Aufgaben für dich finden.«

»Zum Beispiel?«

»Du sähst in einem dünnen Stahlkragen mit Sklaventunika sehr attraktiv aus.«

»Sie würden mich als Sklavin halten?«

»Ich bin davon überzeugt, daß du nach Gor geholt wurdest, um letztlich doch als Sklavin zu enden. Du bist zu schön, um dein Leben in Freiheit zu verbringen.«

Sie umklammerte mich.

»Du mußt erkennen, daß auf dieser Welt deine Schönheit einen Preis besitzt. Dieser Preis ist deine Freiheit. Schönheit und Weiblichkeit führen auf dieser Welt unweigerlich zu Ketten und Unterwerfung unter einen Herrn.«

»Ich will dir etwas sagen, und ich hätte nie geglaubt, daß ich so etwas jemals einem Mann sagen würde.«

»Und das wäre?«

»Ich würde mich freuen, deine Ketten zu tragen, Herr«, flüsterte sie.

Dann schluchzte sie, aufgewühlt von diesem schrecklichen Geständnis.

»Weine nicht! Du bist eben durch und durch Sklavin.«

Die Lampe verbreitete ein weiches Licht. »Mußt du auf das Eis hinaus und nimmst du mich mit?« fragte sie.

»Ja.«

»Ich habe Angst, ich kann nichts dagegen tun.«

»Fang schon an, Sklavin!« sagte ich.

»Ja, Herr.«

Sie beugte sich über meine Lenden und begann mit flinker Zunge den Dienst einer Liebessklavin.

»Du hast schnell gelernt«, lobte ich sie.

Minuten später befahl ich ihr, sich auf den Rücken zu legen, nahm sie in die Arme und drang in sie ein. »Ich dachte, ich sollte dir Freude bereiten«, sagte sie keuchend.

»Das tust du auch.«

»Du bringst mich dazu, dir hilflos zu erliegen«, sagte sie gepreßt.

»Das gefällt mir«, sagte ich. Sie wand sich unter mir.

»Deine Berührung macht ein Mädchen erst richtig zur Sklavin«, hauchte sie, als sie wieder ruhiger atmete. »Bei dir fühle ich mich sicher. Vielleicht habe ich doch keine Angst, auf das Eis zu gehen.«

Ich lag noch lange wach und beschäftigte mich mit den Eigenarten von Männern und Frauen. Ich war doch froh, auf Gor zu sein, und nicht auf der Erde. Ich küßte die hübsche Sklavin neben mir und dachte an Karjuk und das Eis. Draußen kam Wind auf, ein Laut, der mir gar nicht gefiel. Ich hoffte, daß es sich nicht um die Vorläufer eines Sturms handelte. Dann schlief ich ein.

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