Ich lag auf dem Bauch an dem kleinen Teich und schöpfte Wasser mit der Hand.
Als ich den Hufschlag der Tharlarion hörte, vier oder fünf Tiere, stand ich langsam auf.
»Hast du unseren Sportsklaven gesehen?« fragte sie.
»Nein«, antwortete ich.
Sie bot einen lieblichen Anblick in ihrem Jagdgewand, einer kurzen Tunika und langen braunen Hose, darüber ein rotes Cape und eine ebenfalls rote Kappe mit einer langen Feder. In der Hand hielt sie einen kurzen gelben Bogen aus Ka-la-na-Holz, der sich im Tharlarionsattel mühelos auf beide Seiten bewegen ließ. An den schimmernd schwarzen Stiefeln waren Sporen befestigt. Ein Köcher voller gelber Pfeile hing an der linken Seite ihres Sattels.
»Vielen Dank, Krieger«, sagte sie und zog den leichten Satteltharlarion herum, dessen Klauen am Teichufer Steine aufwühlten.
Sie war in Begleitung von vier Männern, die ebenfalls aufrechte Tharlarion ritten; sie folgten ihr auf ihrem weiteren Weg.
Sie hatte dunkles Haar und dunkle Augen.
Ich beneidete den Sportsklaven nicht um seine Rolle.
Ich befand mich inmitten der weiten Ebene südlich des Lauriusflusses, etwa vierzig Pasangs von der Thassaküste entfernt, etwa hundertundzwanzig Pasangs südlich des Flußhafens Lydius, der an der Mündung des Laurius liegt, auf der anderen Seite des Flusses. Mein Tarn war auf der Jagd. Ich hatte den Weg über das Binnenland eingeschlagen, weil es hier mehr Wild gab.
In jenen Ahn hatte ich nicht die Absicht, meine Reise in Lydius zu unterbrechen. Mein Ziel lag hoch im Norden.
Ich wußte nicht, wie lange mein Tarn brauchen würde, um ein Tier zu reißen und zurückzukehren. Normalerweise geschieht dies innerhalb einer Ahn. Auf Gor gibt es genügend Wild, sofern man nicht in dicht besiedelten Gebieten jagen möchte. In der Regel entdeckt man schon aus dem Sattel ein geeignetes Tier und ruft: »Tabuk!«, das Jagdsignal für den Tarn. Heute aber war die Beute ausgeblieben, woraufhin ich den Tarn allein auf die Jagd schickte. Dabei kann man natürlich im Sattel bleiben, aber ich ziehe es im allgemeinen vor, solange abzusteigen und mir die Beine zu vertreten, denn der Anblick eines fressenden Tarn ist nicht gerade angenehm.
In der Ferne tauchte eine kleine Gruppe auf, die sich langsam näherte. Es waren etwa vierzehn Personen.
Eine weißgekleidete verschleierte freie Frau wurde von vier Sklaven in einer Sänfte getragen. Links und rechts dieser offenen Sänfte ging je ein Mädchen zu Fuß. Sie trugen zwar ebenfalls Schleier, waren aber offensichtlich Sklavinnen.
Es war ein weiter Weg von Port Kar gewesen. Ich war guter Laune.
Außer den Frauen und den Trägersklaven, deren Handgelenke an der Sänfte festgekettet waren, gehörten sieben Krieger zu der Gruppe, sechs Speerträger und ihr Anführer.
Langsam ging ich am Ufer des Teichs entlang der Prozession entgegen. Sie näherte sich dem Wasser; offenbar wollte sie Rast machen.
Ich wartete ab, die Hände auf den Speer gestützt, den Helm im Nacken, den Schild hinter der linken Schulter. Bei meinem Anblick verhielt die Gruppe den Schritt.
Auf eine Geste der weißgekleideten Gestalt hin, setzte man sich wieder in Bewegung. Etwa fünfzehn Schritte vor mir blieb man erneut stehen.
»Tal«, sagte ich und hob die rechte Hand, die Handfläche nach links gerichtet.
Niemand reagierte.
Der Hauptmann trat einen Schritt vor. Seine Truppe kam mir nicht sonderlich freundlich vor.
»Wer bist du?« fragte der Hauptmann.
»Ein Mann, der dich begrüßt hat«, antwortete ich.
»Tal«, sagte er und hob nun ebenfalls die Hand.
»Wir haben von dem Sportsklaven nichts gesehen«, sagte er.
»Ich jage ihn nicht«, meinte ich.
»Wo ist dein Tharlarion?«
»Ich habe keinen.«
»Versperr uns nicht den Weg!«
»Ich habe keine bösen Absichten. Ich begrüße euch in Frieden und Freundschaft.«
»Wer bist du?« fragte der Hauptmann.
»Ein Angehöriger der Kriegerkaste«, gab ich zurück. »Und ein Reisender, jemand, der in diesem Land zu Gast ist.«
»Was hast du hier vor?« fragte er.
»Mein Ziel ist der hohe Norden.«
»Er ist ein Räuber aus den Wäldern nördlich von Laura«, sagte die Herrin der Prozession.
»Nein, meine Dame«, erwiderte ich unterwürfig. Ich neigte den Kopf vor ihr, denn sie war frei und offensichtlich von hohem Rang.
»Du bist begrüßt worden«, sagte sie eisig. »Jetzt mach uns Platz!«
Ich fand ihren Ton mürrisch. Ich bewegte mich nicht.
»Vor dir steht das Gefolge von Constance, Lady in Kassau, auf dem Weg nach Lydius, nachdem sie sich Ar angesehen hat.«
»Sie muß reich sein«, bemerkte ich. Das lag auf der Hand, denn sonst hätte sie sich bestimmt einer Karawane angeschlossen und wäre nicht mit eigener Bedeckung gereist.
»Mach Platz!«
»Einen Augenblick noch, Hauptmann«, sagte ich und wandte mich an die freie Frau. »Hohe Dame«, sagte ich, »ich bin ein Mann – und ein Krieger. Ich habe einen weiten Weg hinter mir, Vermutlich werdet ihr doch kurz hier rasten, um Wasser aufzunehmen und vielleicht sogar über Nacht zu bleiben.«
»Was will er?« fragte die Frau.
»Er ist ein Krieger, meine Dame«, sagte der Hauptmann.
»Verzeih mir, meine Dame«, sagte ich, »aber mich plagt die Not«
Die beiden Sklavinnen warfen sich einen hastigen Blick zu.
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte die anmutige Gestalt in der Sänfte.
Ich grinste sie an. »Ich habe zu essen«, sagte ich. »Ich habe auch Wasser. Aber seit vier Tagen habe ich keine Frau mehr gehabt.«
Sie erstarrte sichtlich. Am Vorabend meiner Abreise aus Port-Kar hatte ich Vella zu mir kommen lassen. »Nimm mich mit!« hatte sie am Morgen gefleht. »Damit du dich mit einem anderen Bertram aus Lydius gegen mich verbünden kannst?« fragte ich.
»Er hat mich getäuscht, Herr!« schluchzte sie.
»Ich hätte dich auspeitschen lassen sollen, Sklavin!« drohte ich.
»Ich bin unschuldig, Herr.«
Aber natürlich hatte ich sie nicht mitgenommen. Und das war jetzt vier Tage her.
Ich deutete auf die beiden Sklavinnen. Die eine senkte Schleier ein Stück.
»Es sind meine Leibsklaven«, sagte sie.
»Ich gebe dir einen Silbertarsk, wenn ich mich kurz mit einer der beiden abgeben kann – du kannst bestimmen, welche.«
Die Krieger sahen sich an. Das Angebot war großzügig. Es war nicht anzunehmen, daß die Mädchen bei einem Verkauf soviel erbracht hätten.
»Nein«, sagte die freie Frau kühl.
»Dann gestatte mir, eins deiner Mädchen zu kaufen«, sagte ich. »Für einen Gold-Tarn.«
Die Männer rissen die Augen auf. Mit einer solchen Münze hätte ich bei einer Auktion eine Schönheit ersteigern können, die in den Garten eines Ubars gepaßt hätte.
»Mach endlich Platz!« sagte die freie Frau.
»Na gut«, sagte ich, senkte den Kopf und trat zur Seite.
»Ich fühle mich gekränkt«, sagte sie.
»Verzeih mir, meine Dame«, sagte ich. »Aber das war nicht meine Absicht. Wenn ich etwas gesagt oder getan habe, das diesen Eindruck hervorruft, möchte ich mich auf das Höflichste entschuldigen.«
Ich trat noch einen Schritt zurück, um die Prozession vorbeizulassen.
»Ich hätte dich auspeitschen lassen sollen.«
»Ich habe dich in Frieden und Freundschaft begrüßt«, sagte ich leise.
»Verprügelt ihn!« befahl sie.
Ich umfaßte den Arm des Hauptmanns. Er erbleichte. »Hast du die Hand gegen mich erhoben?« fragte ich.
Ich ließ den Arm los, und er taumelte zurück. Dann nahm er den Schild über den Arm und zog die Klinge an seiner linken Hüfte.
»Was geht hier vor?« fragte die Frau.
»Halt den Mund, törichte Frau!« sagte der Hauptmann.
Sie stieß einen Wutschrei aus. Was wußte sie schon von den Regeln, die unter Kriegern gelten?
Ich begegnete seinem Angriff, den ich mühelos ablenkte. Mit leise herabhängendem Schild sank er vor mir zu Boden. Ich hatte Ihn nicht töten wollen.
»Bringt ihn um!« schrie die freie Frau. Die Sklavinnen fielen in das Geschrei ein. Die anderen Soldaten brüllten zornig auf.
»Wer will der nächste sein?« fragte ich.
Sie sahen sich an.
»Helft mir auf!« sagte der Hauptmann. Zwei seiner Leute gingen zu ihm und richteten den Blutenden auf. Zwischen seinen Männern hängend, sah er mich an. Ich rechnete schon mit einem neuen Angriff, da grinste er plötzlich. »Du hast mich nicht getötet«, sagte er.
Ich zuckte die Achseln. »Weshalb?«
»Dafür bin ich dir dankbar.«
Ich neigte den Kopf.
»Außerdem kenne ich die Fähigkeiten meiner Männer. Versteh mich richtig, es sind keine schlechten Kämpfer.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Ich möchte sie lieber nicht opfern«, fuhr er fort und sah mich an. »Du bist ein Tarnkämpfer.«
»Ja.«
»Das hatte ich mir gedacht. Ich grüße dich als Krieger. Tal.«
»Tal.«
»Töte ihn!« forderte die freie Frau. »Töte ihn! «
»Du hast diesem Mann unrecht getan«, sagte der Hauptmann. »Er hat die Regeln seines Standes in keiner Weise übertreten.«
»Ich befehle dir, ihn umzubringen!« schrie die Frau und deutete auf mich.
»Läßt du uns durch, Krieger?« fragte der Hauptmann.
»Unter den gegebenen Umständen ist das leider nicht mehr möglich.«
»Natürlich nicht«, sagte er nickend.
»Töte ihn!« schrie die Frau.
»Wir sind sechs«, sagte der Hauptmann. »Vielleicht würden wir ihn umbringen können. Aber ich weiß es nicht. Denn noch nie habe ich mit einem Mann wie ihm die Klinge gekreuzt. Er reagiert mit einer besonderen Schnelligkeit und Wildheit, mit einem Zauber, wie ich ihn in hundert Kämpfen auf Leben und Tod nicht erlebt habe. Trotzdem stehe ich jetzt lebendig neben deiner Sänfte und kann dir dies erklären, obwohl du es nie wirst verstehen können.«
»Ihr seid ihm zahlenmäßig überlegen«, sagte sie.
»Wie viele wird er töten?« fragte der Hauptmann.
»Natürlich keinen!«
»Ich habe die Klingen mit ihm gekreuzt, meine Dame«, sagte der Hauptmann. »Mir brauchst du nicht zu erklären, wie die Chancen eines Schwertkampfes stehen.« Er wandte sich an seine Männer. »Wollt ihr gegen ihn kämpfen?« fragte er mit schiefem Lächeln.
»Gib den Befehl, dann tun wir’s«, sagte einer der Soldaten.
Ich fand ihre Disziplin hervorragend.
Bedrückt schüttelte der Hauptmann den Kopf. »Ich habe gegen ihn gekämpft, Jungs«, sagte er. »Wir ziehen uns zurück.«
»Nein!« rief die freie Frau.
Von zwei Männern gestützt, wandte sich der Hauptmann um.
»Feiglinge!« rief sie.
Der Hauptmann sah sie an. »Ich bin kein Feigling, meine Dame«, sagte er langsam. »Aber ich bin auch kein Dummkopf.«
»Feiglinge!« schrie sie.
»Ehe ich meine Männer gegen einen Mann wie ihn in den Kampf schicken soll, muß es schon um die Verteidigung eines Heimsteins gehen.«
»Feiglinge! Feiglinge!«
»Ich habe gegen ihn gekämpft.« Von seinen Soldaten gestützt, humpelte er davon. Die anderen Bewaffneten folgten; der eine oder andere warf noch einen letzten Blick über die Schulter. Ich steckte meine Klinge wieder ein.
»Kehrtmachen!« sagte die freie Frau zu den Trägersklaven, Sie wollte den Kriegern folgen.
»Nicht kehrtmachen!« ordnete ich an.
Sie gehorchten mir. Die Sänfte rührte sich nicht von der Stelle. »Warum hast du sie nicht getötet?« fragte einer der Trägersklaven.
»Du warst einmal Krieger?« fragte ich.
»Ja.«
»Dann ist es nicht recht, daß du an die Sänfte einer Dame gekettet bist«, sagte ich.
Grinsend zuckte er die Achseln.
»Gestattest du mir nicht, mich zu entfernen, Krieger?« fragte die freie Frau.
»Diese Männer machen einen guten Eindruck auf mich«, sagte ich. »Sicher hast du den Schlüssel zu ihren Ketten bei dir.«
»Ja.«
»Gib ihn ihr!« forderte ich und deutete auf eine der beiden Sklavinnen. Die Frau gehorchte, und auf meine Geste hin öffnete die Sklavin alle Ketten.
Die Männer rieben sich die Handgelenke und bewegten die Köpfe hin und her. Die Eisenkragen waren schwer gewesen.
Die Sänfte lag noch auf ihren Schultern. Erfreut sahen sie mich an.
»Für einen Silbertarsk darfst du eines meiner Mädchen nehmen«, sagte die freie Frau. »Aber beeil dich.«
»Dafür ist es ein wenig spät, meine Dame.«
»Ich verkaufe dir eine für einen Gold-Tarn.«
»Das scheint mir für eine Sklavin ein zu hoher Preis zu sein.«
Sie hob den verschleierten Kopf. »Dann kannst du dir eine oder beide ohne Bezahlung nehmen.«
»Die Dame ist sehr großzügig«, stellte ich fest,
Sie schaute mich nicht an. »Ich schenke dir beide«, sagte sie verächtlich.
»Setzt die Sänfte ab!« befahl ich den Trägersklaven. Sie gehorchten…
»Gib sie frei!« forderte ich und deutete auf die Trägersklaven.
Die Träger standen um sie herum und schauten sie an. Sie bewegte sich nervös auf ihrem Sänftensitz. »Ihr seid frei«, sagte sie. »Ihr seid frei!«
Die Männer grinsten und bewegten sich nicht.
»Ihr könnt gehen!« sagte sie. »Ihr seid frei!«
Ich nickte ihnen zu. Grinsend und einander auf die Schulter schlagend entfernten sie sich. Einer der Männer verweilte noch einen Augenblick. »Vielen Dank, Krieger«, sagte er.
»Unwichtig«, antwortete ich, »… Krieger.«
Grinsend machte er kehrt und eilte den anderen nach.
Die beiden Sklavinnen sahen sich an.
»Nehmt die Schleier ab«, sagte die freie Frau.
Die beiden Mädchen gehorchten. Sie waren hübsch.
»Sie gehören natürlich dir, wenn du sie haben willst«, sagte die freie Frau.
Eine Sklavin sah mich an, und ich nickte.
»Nein!« rief die freie Frau. Eine Sklavin hatte den obersten Schleier der freien Frau gehoben, während die andere die erste Kapuze zurückstreifte, die den Kopf bedeckte.
»Nein!« protestierte die freie Frau, doch schon hatte das andere Mädchen den letzten Schleier von ihrem Gesicht entfernt während das zweite Mädchen ihr blondes Haar freilegte. Aus blauen Augen starrte mich die freie Frau angstvoll an. Sie war wunderschön.
»Steh auf!« forderte ich sie auf.
Sie gehorchte.
»Ich bezahle dich gut, wenn du mich beschützt«, sagte sie mit bebenden Lippen.
»Wenn deine Schönheit deines Körpers der deines Gesichts entspricht, wirst du den Sklavenkragen tragen.«
»Sie bekommt den Kragen, Herr?« rief eine der Sklavinnen, und es war ein bißchen Begeisterung in ihrer Stimme.
»Fina!« sagte die freie Frau tadelnd.
»Verzeih, Herrin!«
Die beiden Mädchen nahmen der freien Frau die Roben ab, bis sie nackt meinen Blicken ausgesetzt war.
Ich ging um sie herum. »Ja«, sagte ich, »dir winkt der Kragen, meine Dame.«
»Daphne! Fina!« rief die freie Frau. »Beschützt mich!«
»Weißt du nicht, wenn es an der Zeit ist, vor deinem Herrn niederzuknien, törichte Sklavin!« rief Fina.
Mit steifen Bewegungen kniete die Dame Constance nieder.
»Bei meinen Sachen befindet sich ein Eisenkragen«, sagte ich zu einem der Mädchen. »Bring ihn her!«
»Ja, Herr!« rief sie hellauf begeistert und eilte zu der Stelle, die ich ihr gezeigt hatte, ein kleines Lager neben einem Baum, etwa fünfzig Meter vom Teich entfernt. Dort hatte ich es mir gemütlich gemacht, um die Rückkehr des Tarn zu erwarten. Mit den Blicken suchte ich den Himmel ab. Das Tier war noch nicht wieder in Sicht.
»Auf die Hände und Knie, den Kopf senken!« befahl ich meiner neuen Sklavin.
Sie gehorchte, und das blonde Haar fiel ihr nach vorn über den Kopf. Ich fesselte sie rücksichtslos, und sie sank ächzend ins Gras.
Darauf machte ich mich an die Untersuchung der Sänfte. Zu meiner Überraschung machte ich einen wertvollen Fund. In den kleinen Fächern zu beiden Seiten des Sänftenstuhls fand ich ein wahres Vermögen und Zertifikate über weitere Werte. Nichts davon wollte ich behalten. Ich hatte, was ich haben wollte. Sie lag gefesselt im Gras.
Ich gab den beiden Sklavinnen das Geld und die Edelsteine, die ich gefunden hatte und schickte sie hinter der Gruppe befreiter Sklaven her, die in der Ferne noch zu sehen war. Anschließend kehrte ich zu der Frau im Gras zurück. Die drei Monde standen hoch am Himmel. Die Nacht war kühl. Ich spürte ihre weichen Küsse an meinem Schenkel.
»Ich hätte nie angenommen, daß mir so zumute sein könnte«, sagte sie. »Diese Gefühle sind so anders, so absolut, so völlig hingebungsvoll.«
Ich berührte sie am Kopf.
»Das sind nur die Gefühle einer Sklavin«, sagte ich.
»Ja. Herr.«
Ich lag auf dem Rücken und starrte zum Himmel empor.
»Bitte, Herr, bereite mir noch einmal die Wonnen einer Sklavin.«
»Die mußt du dir verdienen«, erwiderte ich. »Nur so kannst du sie auch genießen.«
»Ja, Herr«, sagte sie und begann mich zu liebkosen.
»Halt!«
»Herr?«
»Still!« forderte ich. Ich lauschte. Ich rollte von ihrer Seite und hockte mich geduckt auf die Felle. Kein Zweifel – ich hatte etwas gehört. Ich schob mir die Tunika über den Kopf und nahm die Schwertscheide über die linke Schulter. Nackt hockte sie neben mir auf den Fellen.
Ich zog die Klinge.
Dann entdeckte ich ihn – eine Gestalt, die stolpernd über die Felder gelaufen kam. Ein großer Mann, erschöpft. Um seine Lenden lag zerfetzter Stoff. Seinen Hals schmückte ein Eisenkragen, an dem ein abgebrochenes Kettenstück baumelte.
Als er uns entdeckte, blieb er abrupt stehen. Er schwankte haltlos. »Gehört ihr zu ihnen?« fragte er.
»Zu wem?«
»Zu den Jägern?«
»Nein.«
»Wer bist du?« fragte er.
»Ein Reisender und eine Sklavin«, sagte ich. Sie duckte sich in die Felle, die sie bis zum Hals hochzog.
»Du gehörst der Kriegerkaste an?« wollte er wissen.
»Ja.«
»Du wirst mich nicht töten oder für sie festhalten?«
»Nein.«
»Hast du sie gesehen?« wollte er wissen.
»Ein Mädchen und vier Wächter?«
»Ja.«
»Vor mehreren Stunden. Du bist also der Sportsklave?«
»Ja«, antwortete er, »in den Gehegen von Lydius erstanden, damit eine Dame Jagd auf mich machen kann.«
Ich dachte an das dunkeläugige, schwarzhaarige Mädchen in ihrem eng geschnittenen Jagdkostüm.
»Du hast dich gut geschlagen, wenn du ihr so lange aus dem Weg gehen konntest. Möchtest du etwas zu essen?«
»Ja bitte.«
Ich warf ihm ein Stück Fleisch hin, und er hockte sich mit untergeschlagenen Beinen nieder. Selten hatte ich einen Mann so heißhungrig zubeißen sehen.
»Möchtest du etwas Paga?«
»Nein.«
»Anscheinend willst du wirklich überleben.«
»Das ist in der Tat mein Wunsch«, sagte er sarkastisch.
»Deine Chancen stehen schlecht.«
»Immerhin habe ich gegessen.«
»Du bist ein mutiger Bursche.«
»Hatten sie Sleen bei sich?« fragte er.
»Nein«, antwortete ich. »Anscheinend wollte sie die Jagd wirklich als Sport aufziehen.«
»Wer gut bewaffnet und beritten ist, kann es sich leisten, edel zu handeln.«
»Du scheinst verbittert zu sein.«
»Wenn sie mich heute nacht nicht finden, kommen sie morgen doch noch mit Sleen.«
»Das wäre dein Ende.« Der Sleen kann einer Spur besser folgen als ein Lart oder ein Kur. Er ist äußerst beharrlich und gnadenlos und ermüdet nicht.
»Ich hätte eine Chance«, sagte der Mann.
»Und die wäre?«
»Sie haben eine Treiberkette gebildet«, sagte er. »Das Mädchen befand sich in der Mitte. In ihrem Weg habe ich ein Stück meines Lendenschurzes zurückgelassen und seither nicht versucht, meine Fährte zu verschleiern. Sie müßte den Köder inzwischen erreicht haben.«
»Sie wird ihre Wächter rufen und dir den Garaus machen.«
»Dagegen steht ihre Eitelkeit«, sagte er. »Es ist ihre Jagd, nicht die Jagd ihrer Begleiter. Sie wird sich von ihren Wächtern lösen, um mich als erste zu erreichen.«
»Die Wächter werden ihr folgen.«
»Natürlich.«
»Du hast wenig Zeit.«
»Das stimmt«, sagte er.
»Meinst du, du hast zu Fuß eine Chance, einem berittenen Bogenschützen zu entkommen, selbst wenn der Bogenschütze eine Frau ist?«
»Ich glaube schon.«
»Es gibt kaum Deckung«, sagte ich und schaute über die Felder.
»Sie müßte reichen«, sagte er. Dann stand er auf und wischte sich die Hände an den Oberschenkeln ab. Dann ging er zum mehrere Meter entfernten Teich, legte sich nieder und trank.
»Ja, richtig«, sagte ich. »Du hast Deckung. Bist ein kluger Bursche.«
Der Mann hinterließ am Ufer des Teichs einige Spuren und watete dann ins kalte Wasser. Er brach ein Stück Schilfrohr ab und schritt immer weiter hinaus.
Ich spürte, wie das Mädchen neben mir mich schüchtern berührte, »Darf ich…?« fragte sie.
»Ja«, antwortete ich.
Ich lächelte vor mich hin. Das Feuer, das in jeder Frau glimmt, war in dieser besonders leicht zu wecken gewesen. Ich mußte daran denken, daß die Männer aus Torvaldsland die Frauen aus Kassau für hervorragende Sklavinnen hielten. Constance stammte aus Kassau – und sie war gut. Allerdings mußte man berücksichtigen, daß goreanische Mädchen die kulturelle Bedeutung des Sklavenkragens und seine Konsequenzen kennen und gewöhnlich keine Zeit damit verlieren, sobald er unverrückbar um ihren Hals liegt, sich gegen ihre Fraulichkeit zu wehren. Sie müssen sich beugen – oder sterben. In der Unterwerfung, in der totalen, willenlosen Hingabe an einen Herrn finden sie zum erstenmal Freiheit von den Ketten des Egoismus, werden sie von den beengenden Ansprüchen des Ichs gelöst, vorbereitet auf die Hingabe der Liebe.
Sie ritt auf mir, hatte verzückt die Augen geschlossen und keuchte in kleinen wollüstigen Atemzügen.
»Widerlich!« sagte die Frau im Jagdkostüm vom Rücken ihres Tharlarion.
Ich wandte den Kopf und blickte zu ihr empor. Das blonde Mädchen auf mir, die Sklavin, schrie bestürzt auf und wagte es nicht, dem Blick ihrer freien Geschlechtsgenossin zu begegnen.
»Sei gegrüßt«, sagte ich.
»Ich möchte deine Wonnen nicht stören«, sagte sie kühl.
Die Sklavin wimmerte und senkte den Kopf.
»Hast du deinen Sportsklaven schon gefunden?« fragte ich.
»Nein. Aber er muß ganz in der Nähe sein.«
»Ich habe nicht auf meine Umgebung geachtet«, sagte ich.
»Du bist ja auch mit anderen Dingen beschäftigt.« Mich erstaunte der Haß, mit dem freie Frauen ihren versklavten Schwestern begegnen – ein Haß, der sich niemals gegen den Herrn, sondern beinahe immer gegen die Sklavin richtet. Beneiden sie die Sklavin um ihren Kragen?
»Richtig bemerkt«, sagte ich und fuhr fort, meine Hüften zu bewegen.
»Ein Glück, daß ich hier bin«, sagte die freie Frau. »Vielleicht brauchst du meinen Schutz, bis du mit ihr fertig bist.«
»Du glaubst, es treibt sich ein gefährlicher Bursche herum?« fragte ich.
»Davon bin ich überzeugt.«
»Wir werden uns vorsehen«, versicherte ich und bewegte mich heftiger.
»Ich habe ihn bald. Er ist nicht weit.« Das Mädchen sah mir einige Augenblicke lang zu, dann zog sie angewidert ihren Tharlarion herum. »Du kannst dich wieder deiner Schlampe widmen.«
»Das tu ich, wie du siehst. Aber wir müssen uns vorsehen!« rief ich ihr lachend nach.
»Nicht mehr nötig!« gab sie zurück. »In wenigen Minuten habe ich den Burschen.«
Ich erreichte den Höhepunkt und blickte das Mädchen über mir an. Sie weinte.
»Schämst du dich?« fragte ich.
»Ja.«
»Gut so. Du bist eine Sklavin.«
»Ja, Herr«, sagte sie mit gesenktem Kopf.
»Paß auf!« Sie hob den Kopf.
Die freie Frau hatte den Teich erreicht. Sie stieg nicht ab. Vielmehr hielt sie den Bogen schußbereit in der Hand. Aus dem Sattel betrachtete sie die Spuren im Mondlicht. Dann lenkte sie den Tharlarion ins Wasser. Zweifellos nahm sie an, der Teich wäre durchwatet worden, um Spuren zu verbergen, die an der anderen Seite wieder auftauchten. Mit größerer Jagderfahrung hätte sie den Teich umrundet, um sich davon zu überzeugen.
Das blonde Mädchen in meinen Fellen küßte mich. »Was weiß sie schon von ihrer Fraulichkeit?« fragte sie.
»Sehr wenig«, sagte ich. »Aber vielleicht ahnt sie morgen zur Mittagsstunde schon mehr darüber.«
»Das verstehe ich nicht, Herr.«
»Paß auf!«
Das Mädchen ritt tiefer in den Teich.
»Sie ist arrogant, Herr, nicht wahr?« fragte meine Sklavin.
»Ja.«
Plötzlich tauchte unmittelbar neben dem Tharlarion die große, kraftvolle Gestalt eines Mannes auf. Er sprang hoch aus dem Wasser, und seine rechte Hand schloß sich um ihren linken Arm und zerrte sie energisch aus dem Sattel. Verblüfft schrie sie auf, ehe sie kopfüber neben ihm im Wasser verschwand. Er drückte sie unter Wasser und folgte ihr.
»Sie wußte zu wenig über die Männer, um sie überhaupt zu fürchten«, stellte ich fest.
Gleich darauf fuhr die Gestalt des Mannes empor, den Kopf schüttelnd, um das Wasser aus den Augen zu bekommen. In der rechten Hand hielt er das Messer des Mädchens, die Linke hielt ihren Kopf am Haar fest und drückte ihn unter Wasser. Er sah sich um. Dann zerrte er ihren Kopf aus dem Wasser, und sie holte keuchend Atem. Als die Gefahr bestand, daß sie zu schreien beginnen würde, drückte er sie wieder unter die Wasseroberfläche. Der Tharlarion stapfte unruhig im Teich hin und her und warf den Kopf in den Nacken. Das Wasser stand ihm bis zu den Steigbügeln. Es war ein kleiner Jagd-Tharlarion, der mit Trense und Zügeln gelenkt wurde. Der große Tharlarion, auch Kriegstharlarion genannt, gehorcht Stimmenkommandos und der Berührung durch den Speer. Der Mann nahm das Messer in den Mund und versetzte dem Tier einen energischen Hieb. Ächzend galoppierte er aus dem Wasser und hastete in vogelgleichem Trab über die Felder. Wieder zerrte der Mann das Mädchen aus dem Wasser. Prustend spuckte sie Wasser, erbrach sich und hustete würgend. Der Mann riß ihr den Gürtel von der Hüfte und fesselte ihr damit die Hände auf dem Rücken. Er schob sich ihr Messer in den eigenen Gürtel und brach ein zweites Stück Schilfrohr ab. Verängstigt starrte das Mädchen ihn an. In der Ferne tauchten die vier Wächter auf, die sich im Galopp näherten und offenbar ihre Herrin suchten. Das Mädchen hatte sich von ihrem Jagdfieber dazu verleiten lassen, die Gruppe zu verlassen. Anscheinend hatte sie die Treiberkette verlassen, ohne sich zu verständigen. Außerdem war ihr Tharlarion womöglich schneller als ihre Tiere und hatte weniger zu tragen. Der Mann stieß dem Mädchen das Stück Schilfrohr in den Mund; im nächsten Augenblick lag ihr das Messer, das er erobert hatte, vor der Kehle. Ihre weit aufgerissenen Augen funkelten hell im Mondschein. Im nächsten Moment zog er sie unter Wasser; er hatte ein zweites Stück Schilfrohr im Mund.
Kurze Zeit später zügelten die Wächter neben meinem Liebeslager aufgeregt ihre Tiere.
Ich wandte den Blick von der Sklavin in meinen Armen.
»Tal«, sagte der Anführer.
»Tal«, gab ich zurück.
»Hast du die Dame Tina aus Lydius gesehen?« wollte einer der Männer wissen.
»Die Jägerin?«
»Ja.«
»Sie hat sich nach einem Sportsklaven erkundigt.«
»Wohin ist sie geritten?« fragte einer der Männer.
»Habt ihr den Sportsklaven noch immer nicht erlegt?« fragte ich. »Es ist spät.«
»Hast du die Dame Tina gesehen?« fragte der Anführer ungeduldig.
»Ja, vor einiger Zeit.«
»Wohin ist sie geritten?«
»Gibt es keine Spuren?« fragte ich.
»Doch hier, am Wasser. Hier gibt es Spuren.«
Sie folgten den Abdrücken zum Wasser. Wären sie durch das Wasser geritten, hätte ihre breite Formation das untergetauchte Paar womöglich aufgescheucht. Die Männer waren aber anscheinend erfahrener als das Mädchen; sie umritten das Wasser und fanden natürlich sofort die Fährte des fliehenden Tharlarion. In ihrer Eile, in dem Bestreben, ihren hübschen Schützling einzuholen, galoppierten sie in die Nacht hinaus. Daß sie dabei übersahen, daß es keine Spuren des Mannes gab, lag wohl daran, daß seine Fußabdrücke ohnehin meistens von den Hufen des Tharlarions der Jägerin zertreten waren.
Ich rechnete damit, daß die beiden ziemlich unterkühlt sein würden, wenn sie das Wasser verließen, und nahm mir die Freiheit heraus, ein Lagerfeuer anzuzünden. Das Holz dazu wurde von meiner Sklavin gesammelt, die den Namen Constance trug.
Nach einiger Zeit sah ich, wie der Mann langsam, beinahe unmerklich den Kopf aus dem Wasser hob. Er blickte in alle Richtungen und kam schließlich an Land, das Mädchen hinter sich her schleppend.
»Am besten ziehst du sofort die nassen Sachen aus«, sagte ich zu dem Mädchen.
Sie starrte mich entsetzt an. »Nein!« flehte sie.
Doch er schnitt ihr Tunika und Cape kurzerhand vom Leib, warf sie in den Sand und zog ihr Hose und Stiefel von den Beinen. Anschließend fesselte er sie mit Lederschnüren, die er aus ihrem Gürtel fertigte.
»Ich bin Tina aus Lydius!« sagte sie. »Ich verlange freigelassen zu werden.«
Ich sagte mir, daß sie sicher einen hübschen Anblick bieten würde, wenn sie nackt in einer Pagataverne tanzte. Sie war viel zu hübsch, um frei zu sein.
»Du hast gesiegt«, sagte sie zu dem Sklaven. »Das bestätige ich dir in der Großzügigkeit meiner Freiheit. Laß mich frei, dann sorge ich dafür, daß du nicht getötet wirst.«
»Morgen früh«, sagte er, »kommen die Jäger mit Sleen.«
»Ja.«
»Willst du die Sache mit den Tieren besprechen?«
»Vielleicht werden sie an der Leine gehalten.«
»Glaubst du, ich bin ein Dummkopf?« fragte der Mann lachend. »Die Sleen laufen frei aus dem Gehege. Glaubst du, die Tiere wollen mich lebendig fangen?«
»Du gehörst mir«, sagte sie zu dem Mann. »Löse meine Fesseln!« Ich dachte daran, daß sie ihn in den Gehegen von Lydius für die Jagd erworben hatte. Anscheinend hatte sie das Geld für den Kaufpreis persönlich aufgebracht. Ihre Arroganz deutete darauf hin.
»Du scheinst mir reich und gebildet zu sein«, sagte ich.
»Beides«, gab sie zurück. »Ich gehöre der Kaste der hohen Kaufleute an.«
»Das tat ich auch«, sagte Constance.
»Ruhig, Sklavin!« fauchte die freie Frau.
»Ja, Herrin«, sagte Constance leise, legte einen Ast ins Feuer und trat zurück. Sie trug ihren Kragen noch nicht lange.
Die freie Frau starrte den Mann an, der sie gefangen hatte. »Laß mich sofort frei!« forderte sie.
Er starrte sie an und betastete dabei das Messer, das er ihr abgenommen hatte. Sie wandte sich an mich.
»Du bist ein Freier wie ich. Ich bin eine Dame. Es ist deine Pflicht, mir zu helfen.«
»Welches ist dein Heimstein?« wollte ich wissen. »Der von Lydius.«
»Ich habe einen anderen Heimstein.«
Der Mann hockte neben ihr. Eine Hand hatte er ihr in den Nacken gelegt. Die Dolchspitze war auf ihren Leib gerichtet.
»Ich gebe dich frei! Ich gebe dich frei!« sagte sie.
»Iß etwas!« sagte ich zu ihm. Ich hatte über dem kleinen Feuer einige Boskstücke gebraten.
Er, der nun ein freier Mann war, setzte sich mir am Feuer gegenüber. Die freie Frau rutschte in die Dunkelheit, an Händen und Füßen gefesselt. Der freie Mann und ich aßen.
»Wie heißt du?« fragte ich ihn und warf Constance ein Stück Boskfleisch zu.
»Ram«, sagte er, »geboren in Teletus, doch ohne Freund auf jener Insel, in Verbannung lebend.«
»Dein Verbrechen?«
»In einer Taverne habe ich bei einer Prügelei zwei Männer getötet.«
»In Teletus wird streng gerichtet.«
»Einer der beiden hatte in der Verwaltung der Insel einen hohen Posten inne.«
»Ich verstehe.«
»Ich habe viele Städte besucht.«
»Wie verdienst du dir deinen Unterhalt?« wollte ich wissen. »Bist du Räuber?«
»Nein, ich handle. Ich mache Tauschgeschäfte nördlich des Axtgletschers mit Sleen-, Leem- und Lartfellen.«
»Eine einsame Arbeit«, sagte ich.
»Ich habe keinen Heimstein«, sagte er achselzuckend.
Er tat mir leid. »Wie bist du zum Sklaven geworden?«
»Durch die Fellräuber.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Sie haben das Land nördlich des Axtgletschers abgeriegelt.«
»Wie das?«
»Mit Tarnkämpfern, die Patrouille fliegen. Ich wurde aufgegriffen und in die Sklaverei verkauft, obwohl ich ein freier Mann war.
»Warum wollen diese Männer den Norden abriegeln?«
»Das weiß ich nicht.«
»So hoch im Norden können Tarns nicht leben.«
»Im Sommer schon. Tausende von Vögeln ziehen jeden Frühling zu den Brutklippen des polaren Beckens.«
»Aber nicht Tarns.«
»Nein, Tarns nicht.« Tarns sind keine Zugvögel.
»Sicher kann man diesen Patrouillen ausweichen«, meinte ich.
»Manchen gelingt das wohl auch«, meinte er.
»Du hattest Pech.«
»Ich wußte nicht einmal, daß es sich um Feinde handelte«, sagte er lachend. »Ich hieß die Männer willkommen. Dann wurde ich in Fesseln gelegt. Man verkaufte mich in Lydius.« Kauend blickte er zu der freien Frau hinüber. »Ich wurde von der hohen Dame dort erworben.«
»Was hast du mit mir vor?« fragte sie.
»Da gibt es sehr viele Möglichkeiten«, sagte er und betrachtete sie eingehend.
»Faß mich nicht an!« sagte sie. »Ich bin frei, und ich möchte etwas anzuziehen haben!«
»Vielleicht bist du jetzt eine Sklavin«, sagte er.
»Nein! Nein, ich bin frei.«
»Das werden wir sehen. Jedenfalls wirst du morgen wieder ein Kleidungsstück tragen.«
»Ich hasse euch alle!« rief die Dame Tina. »Und ich werde niemals eine Sklavin sein! Du kannst mich nicht zur Sklavin machen.«
»Dann will ich es auch nicht versuchen«, sagte Ram. »Du sollst mich darum bitten.«
Sie starrte ihn verblüfft an, dann warf sie den Kopf in den Nacken und lachte. »Da würde ich lieber sterben.«
»Es ist spät«, sagte ich. »Ich glaube, wir sollten uns schlafen legen.«
»Wie heißt du?« fragte er.
»Tarl«, gab ich zurück. »Lassen wir es dabei bewenden.«
»Einverstanden«, sagte er lächelnd. Er würde sich nicht weiter nach meinem Woher und Wohin erkundigen. Zweifellos nahm er an, daß ich ein fliehender Räuber oder Attentäter war.
Ich packte Constance am Arm und stieß sie zu ihm hinüber.
»Wärme ihn! Ihm ist kalt.« Es war früh am Morgen. Ram saß aufrecht im Gras. Ich stand neben meinem Tarn, der während der Nacht zurückgekehrt war. Ich hatte ihm den Schnabel und die Klauen von Blut und den Haaren eines kleinen gelben Tabuk gesäubert, ein Tier, das in Ka-la-na-Dickichten zu finden ist. Der Vogel war bereits gesattelt.
Constance hatte sich erschöpft vom Liebesspiel in die Felle gewickelt und schlief. Dame Tina aus Lydius lag ebenfalls auf der Seite, erschöpft von ihrem Kampf gegen die Fesseln, Der Himmel war bewölkt.
»Ja«, sagte er. »Sleen.«
Wir hörten das Jaulen in der Ferne. Es mußten vier oder fünf sein.
»Herr?« fragte Constance und rieb sich die Augen.
»Auf, auf, wir müssen gleich los!« sagte ich.
»Wieviel kann der Tarn tragen?« fragte Ram.
»Das Tier ist kräftig«, sagte ich. »Im Notfall kann es einen Reiter und einen Tarnkorb mit Ladung befördern.«
»Dürfte ich dann darum bitten, daß du mich mitnimmst?« fragte er lächelnd.
»Es sei dir gewährt«, sagte ich.
Ich rollte die Felle zusammen, in denen Constance gelegen hatte, und machte sie dann mit zwei Schnüren hinter dem Sattel fest.
Das Sleenfauchen war nun ganz deutlich zu hören. Die Tiere konnten kaum mehr als einen Pasang entfernt sein.
»Dieser Ring«, sagte ich zu Ram und deutete auf die linke Seite des Sattels, »gehört dir.«
»Ausgezeichnet«, sagte er.
»Komm zu mir, Constance!« sagte ich.
»Ja, Herr.« Sie eilte herbei.
Ich wies sie an, sich auf die rechte Seite des Sattels in einen Ring zu stellen und die Hände um das Sattelhorn zu legen. Dann stellte ich mich in die Steigbügel und blickte in die Runde. Es waren fünf Sleen. Sie waren noch etwa einen halben Pasang entfernt und schienen Witterung zu haben. Ihre Schnauzen bewegten sich dicht über dem Boden.
»Ich habe hier noch eine Tunika« sagte ich zu Ram und warf ihm das Kleidungsstück zu.
»Was soll das?« fragte Tina.
Er hatte sich seines Lendenschurzes entledigt und Löcher hineingestochen. Durch die Löcher zog er eine Lederschnur und drapierte sie ihr so um die attraktiven Hüften, daß sie mit den gefesselten Händen nicht heranreichte.
»Was sind das für Laute?« fragte Tina.
»Sleen«, antwortete er, bückte sich und zerschnitt ihr die Fußfesseln. »Jetzt kannst du laufen.«
»Ich verstehe nicht, was das soll«, sagte sie.
»Bald wirst du es verstehen.«
Ich stieg in den Sattel. Ram stellte den linken Fuß in den Ring, den ich ihm gezeigt hatte und legte den linken Arm um den Sattelknauf.
Sie richtete sich auf. »Wohin willst du!« rief sie.
»Nach Lydius, meine Dame«, antwortete ich. Ursprünglich hatte ich nicht die Absicht gehabt, nach Lydius zu reisen.
Die Sleen waren nur noch wenige hundert Meter entfernt. Ich nahm die Tarnzüge in die linke Hand, den ersten Zügel in die rechte.
Das schrille Geifern der Tiere war nun deutlich zu hören. Die Raubtiere huschten auf uns zu.
Plötzlich erbleichte Tina. »O nein! Nein!« schrie sie. Mit den gefesselten Händen versuchte sie die Stoffetzen zu lösen, die natürlich nach dem Mann rochen, auf den die Tiere angesetzt worden waren.
»Nein!« schrie sie. »Nein! Sie werden mich in Stücke reißen!«
»Lauf, Tina! Lauf!« sagte Ram. »Du hast dieselben Chancen, die auch ich gehabt hätte.«
Die fünf Sleen hielten inne, hingeduckt, mit zuckenden Schwänzen, die Köpfe gesenkt, die funkelnden Augen auf ihre Beute gerichtet. Sie waren noch etwa fünfzig Meter von dem Mädchen entfernt. Die Nüstern waren weit geöffnet, die Ohren flach an die Köpfe gelegt. Ein Tier ließ hechelnd die Zunge vorund zurückschnellen.
Die Sleen krochen vorwärts. Sie wollten ihre Fährte nicht mehr verlieren.
Das Mädchen warf sich unter den Tarn. Sie kniete im Gras.
»Nimm mich mit!« flehte sie, zu Ram aufblickend.
»Für freie Frauen haben wir hier keinen Platz«, sagte Ram.
»Aber ich bin Sklavin! Tief im Herzen habe ich immer gewußt, daß ich eine Sklavin bin. Mach mich zu deiner Sklavin!«
»Aber vielleicht will ich das gar nicht.«
»Ich flehe darum, deine Sklavin zu sein, Herr!« rief sie.
»Ah, das klingt schon anders!«
Die Sleen griffen an. Ram hielt sich mit der linken Hand am Tarngeschirr fest und packte das Mädchen mit der rechten am Arm. Der Tarn, angetrieben von dem Zug am ersten Zügel, fuhr hoch und breitete die mächtigen Flügel aus. Mit gewaltigen Schlägen stieg er in die Luft. Das Mädchen schrie auf; es baumelte hilflos im Griff des Mannes. Sie, die bis jetzt die Dame Tina aus Lydius gewesen war, ruhte sicher in den Armen Rams, ihres Herrn. Er durchschnitt ihre Handfesseln, damit sie sich an ihm festhalten konnte. Mit dem Messer löste er außerdem die Stoffetzen von ihrer Hüfte, und wir sahen, wie sie zwischen die zornigen Sleen fielen, die den Stoff noch mehr zerrissen.
»Sieht so aus, als hätten wir eine neue Sklavin«, sagte Constance.
Das Mädchen, das die Dame Tina gewesen war, musterte sie angstvoll.
»Ja«, sagte ich und nahm Kurs auf Lydius.