»Diese rothaarige Schönheit«, rief der Auktionator, »wurde von Kapitän Thrasymedes gefangen. Sie kann Lyra spielen.«
Rauhes Gelächter ertönte. »Wie gut ist sie in den Fellen?« rief eine Stimme.
Das Mädchen wurde für vier Kupfer-Tarsks verkauft.
»Sind die Mädchen des Kliomenes schon über den Block gegangen?« fragte ich einen Mann.
»Ja«, antwortete dieser, und ich stieß einen Laut der Bestürzung aus. »Die meisten jedenfalls«, sagte ein anderer.
»Die meisten?«
»Ja«, meinte er, »ich glaube, es kommen noch andere, die in der Nähe von Lara gefangen wurden.«
»Wie lautet das Gebot auf diese Blondine?« rief der Auktionator.
»Sind die denn nicht längst verkauft?« fragte der erste Mann, der mir geantwortet hatte.
»Nein, ich glaube, nicht alle«, antwortete der zweite.
Ich ließ sie stehen und drängte mich durch die Menge, um näher an den hohen, runden, mit Sägemehl bestreuten Auktionsblock heranzukommen.
»Paß doch auf, wohin zu gehst, Kerl!« fauchte mich ein Mann an.
Vom Bereitschaftskäfig, in dem die nächsten Mädchen auf ihre Versteigerung warteten, wurde ich verscheucht.
»Sind dies alle Mädchen, die noch verkauft werden?« fragte ich den Wächter.
»Nein.«
»Stehen noch Mädchen des Kliomenes zum Verkauf an?« wollte ich verzweifelt wissen.
»Keine Ahnung«, antwortete er. »Ich habe die Unterlagen nicht.«
Bedrückt wandte ich mich ab, um in der Menge zu warten.
Die Blondine erbrachte sechs Tarsks.
»Und hier«, verkündete der Auktionator, »haben wir eine weitere Blondine. Sie war einmal frei.«
Gelächter brandete auf. »Sie soll die Peitsche küssen!« rief ein Mann.
»Auf die Knie, Mädchen, küß die Peitsche!« befahl der Mann. Das Mädchen gehorchte.
Etwa zweihundert Männer waren zu dem Sklavenverkauf gekommen, die in den Sklavenmärkten Victorias häufig vorkommen und manchmal mehrere Nächte dauern. Im Frühling und Sommer gehen die Geschäfte am besten, denn da ist der Verkehr auf dem Fluß am lebhaftesten und die Piraten machen die beste Beute. Viele Männer waren berufsmäßige Sklavenhändler aus anderen Städten und suchten nach frischer Ware.
»Verkauft an Targo aus Ar!« rief der Auktionator.
Ich war wütend, denn ich wußte nicht einmal, ob Miß Henderson überhaupt verkauft werden sollte oder vielleicht schon über den Block gegangen war. War sie schon verkauft, dann mochte sie, während ich hier hilflos herumstand, bereits aus Victoria fortgeschafft werden. Meine Fäuste waren geballt. Ich hatte feuchte Handflächen.
Die nächsten beiden Mädchen, Brünette, gingen an Lucilius aus Tyros. Die folgenden vier wurden von einem Mann namens Publius ersteigert, der für einen gewissen Mintar aus Ar auftrat.
Die Auktion belebte sic h etwas, und das Publikum wurde immer zahlreicher. Fünfmal wurde der Bereitschaftskäfig geleert und wieder gefüllt, es war eine zügige Versteigerung.
So sehr war ich benommen von meinem Trübsal, daß ich erst gar nicht mitbekam, was der Auktionator mit dem nächsten Mädchen anstellte, das er in seiner Nacktheit der beeindruckten Menge vorführte. Seine Präsentation der Sklavin ließ keinen Zweifel, was der Erwerber zu erwarten hatte. Schweratmend stand die Sklavin schließlich auf dem Block; sie hatte Tränen in den Augen, er hatte ihr keine Ruhe gelassen.
»Zweiundzwanzig Tarsks!« rief ein Mann.
»Dreiundzwanzig!« bot ein anderer.
Ich war dermaßen verblüfft, daß ich mich an der Bieterei, die schon eine Weile im Gange war, gar nicht beteiligte. Ich hatte mir nicht erträumen lassen, daß sie so schön sein konnte. Wie töricht sind doch die Männer der Erde, ihren Frauen das Leben so leicht zu machen, sie nicht zu zwingen, ihre Schönheit in der Fülle ihrer Begehrlichkeit zu verwirklichen. Die Frau auf dem Block kam von der Erde. Bewies sie damit nicht, wie schön Erdenfrauen sein konnten?
»Fünfundzwanzig Tarsks!«
»Dreißig!«
»Kauf sie«, schien mir eine Stimme einzuflüstern. »Kauf die Sklavin! Unterwirf sie dir!«
»Nein, nein!« sagte ich halblaut. »Das kann ich nicht!«
»Was hast du gesagt?« fragte der Mann neben mir.
»Nichts, nichts!«
»Vierzig!« bot jemand.
Ich konnte einfach nicht mitbieten. Ich vermochte kaum noch zu atmen. Das Herz schlug mir bis in den Hals. Daß sie so schön sein konnte, hatte ich nicht geahnt. Beinahe hatte ich das Gefühl, nicht mehr sprechen zu können. Ich vermochte den Blick nicht fortzureißen von dem Mädchen unter den Fackeln, von dem Stahlkragen an ihrem Hals. Ich zitterte.
»Sechsundvierzig!«
Ich zitterte. Ich hatte gesehen, wie Miß Beverly Henderson die Peitsche küßte. Ich hatte gesehen, wie sie als Sklavin vorgeführt wurde.
»Achtundvierzig!« wurde geboten.
»Fünfzig!«
Plötzlich schrie das Mädchen erschrocken auf. Es war ein zuckender, unkontrollierbarer Reflex gewesen. Dann legte sie den Kopf in die Hände und begann zu schluchzen.
»Neunzig Tarsks!« rief ein Mann.
Die Peitsche in der Hand, entfernte sich der Auktionator einen Schritt von dem Mädchen.
»Kaltes Blut hat sie nicht«, sagte der Mann neben mir.
»Nein«, sagte ich. »Nein.«
»Vierundneunzig Tarsks!«
»Vierundneunzig Tarsks sind geboten!« rief der Auktionator. »Höre ich mehr?«
Stille.
»Ich schließe gleich meine Hand!« rief der Auktionator.
»Achtundneunzig!« entfuhr es mir, und ich war erschrocken über den Laut meiner eigenen Stimme.
Matt hob das Mädchen den Kopf.
»Achtundneunzig, achtundneunzig sind geboten«, sang der Auktionator. »Bietet jemand mehr? Mehr?«
Keine Stimme meldete sich.
»Ich schließe gleich die Faust«, sagte der Auktionator, »die Hand ist geschlossen!«
Miß Henderson gehörte mir.