Ich hing in den Seilen. Mein Rücken schmerzte von den Peitschenhieben, die ich empfangen hatte.
»Soweit wir feststellen können«, sagte der Wächter aus Port Cos, »weiß er nichts über den Verbleib des Topases.«
»Ich bürge für ihn«, sagte Tasdron. »Er ist ein ehrlicher Arbeiter, überall im Hafen bekannt. Er ist schon wochenlang in Victoria.«
Als ich Tasdrons Taverne verließ, wo ich bei Peggy Trost gesucht hatte wegen des Verlustes meiner Sklavin, hatte ich plötzlich einer Gruppe Wächter gegenübergestanden, die die Livree von Port Cos trugen. Mehrere Armbrüste waren auf mich gerichtet.
»Laß die Hände von den Waffen!« hatte man mir befohlen. »Leiste keinen Widerstand!«
»Ist er das?« hatte der Anführer der Wächter gefragt.
»Ja«, hatte Miß Henderson gesagt.
»Du bist verhaftet«, hatte der Offizier mir daraufhin verkündet.
»Wessen werde ich beschuldigt?« wollte ich wissen.
»Landstreicherei!«
»Das ist absurd!«
»Deine Unschuld, wenn du denn unschuldig bist, kann sich später noch erweisen.«
»Wir sind hier in Victoria«, stellte ich fest.
»Die Macht von Port Cos begleitet seine Soldaten, wohin sie auch gehen«, antwortete der Mann. »Fesselt ihn.«
Man hatte mir die Hände auf dem Rücken zusammengebunden.
»Ich bin fertig mit dir, Jason«, sagte Miß Henderson. Dann hatte sie sich dem Anführer der Wächter zugewandt. »Und jetzt meine Bezahlung.«
»Fesselt sie ebenfalls«, hatte er geantwortet. Zu ihrer Verblüffung erlitt sie dasselbe Schicksal wie ich. »Bringt sie beide ins Hauptquartier!« befahl der Anführer.
»Ich bürge für ihn«, wiederholte Tasdron. »Er ist ein ehrlicher Arbeiter.«
»Kam er aus dem Osten oder aus dem Westen?« fragte der Wächter.
»Soweit ich weiß, aus dem Osten, aus Lara«, erwiderte Tasdron.
»Das behauptet er ebenfalls.«
»In meiner Taverne«, fuhr Tasdron fort, »geriet er mit dem Piraten Kliomenes aneinander. Er hätte leicht das Leben verlieren können. Der Kurier Ragnar Voskjards würde sich wohl kaum in eine solche Situation begeben. Außerdem scheint er sich im Schwertkampf nicht auszukennen.«
»Niemand behauptet, daß er der Kurier sei«, sagte der Wächter. »Man meint nur, daß er weiß, wo sich der Topas befindet.«
»Gibt es einen Grund für diese Vermutung?«
»Nur das Wort einer freien Frau, die er ausgehalten hat.«
»Ich verstehe«, meinte Tasdron. »Und hast du schon einmal ähnliche Situationen erlebt?«
»Viermal«, sagte der Wächter angewidert.
»Zweifellos hast du seine Wohnung durchsucht«, bemerkte Tasdron.
»Er hat ein kleines Haus. Wir haben Haus und Garten abgesucht.«
»Und was habt ihr gefunden?«
»Nichts.«
»Was hast du für einen Eindruck – ist die Frau ihm wohlgesonnen?« wollte Tasdron als nächstes wissen.
»Sie haßt ihn.«
»Und scheint sie sich für die Belohnung zu interessieren, die auf das Auffinden des Topases ausgesetzt wurde?«
»Ja. Das Geld ist ihr anscheinend sehr wichtig.«
»Zehn Silber-Tarsks – das ist eine beträchtliche Summe«, meinte Tasdron. »Die Wächter aus Ar-Station, die ebenfalls in Victoria nach dem Stein suchen, bieten nur sechs Silber-Tarsks.«
»Schneidet ihn los«, befahl der Anführer der Wächter.
Als die Fesseln meiner Handgelenke durchgeschnitten wurden, ging ich zu Boden, ohne aber völlig von den Füßen zu sinken.
»Kräftig ist er«, sagte der Anführer.
Meine Tunika war bis zur Hüfte aufgerissen. »Vielen Dank, Tasdron, daß du dich für mich verwendet hast«, sagte ich.
»Keine Ursache«, erwiderte er und verließ den Raum.
»Du kannst gehen«, sagte der Anführer der Wächter zu mir. »Deine Sachen bekommst du an der Tür zurück.«
»Hättet ihr den Topas gefunden«, fragte ich, »was wäre dann aus mir geworden?«
»Du hättest dich im günstigsten Fall auf einen lebenslangen Dienst an Bord einer Staatsgaleere freuen können, am Ruder angekettet.«
»Ich verstehe.«
»Vergiß deine Sachen nicht.«
»Schön.«
An der Tür zog ich die Tunika enger, nahm meinen Geldbeutel und den Schwertgurt samt Waffe. Neben meiner Habe kniete Miß Henderson, an Händen und Füßen gefesselt, am Körper die Robe einer freien Frau.
»Vergiß sie nicht«, sagte der Anführer der Wächter. »Sie gehört dir.«
Ich schaute auf sie nieder. Sie begegnete meinem Blick nicht.
»Männer in ähnlichen Situationen«, sagte der Wächter, »haben solche Frauen sofort auf den Sklavenmarkt gebracht.«
Ich hockte neben Miß Henderson nieder und löste ihre Fußfesseln. Dann zog ich sie hoch und befreite sie auch von den Schnüren um die Arme. Dann verließ ich das kleine Victoria-Hauptquartier der Gardisten. Sie folgte mir nach draußen. Einige Schritte von dem Gebäude entfernt, drehte ich mich zu ihr um.
»Wenn du Geld brauchtest oder besitzen wolltest«, sagte ich, »hätte ich dir welches gegeben.«
»Bleib heute nacht bei mir«, bat sie.
»Ich gehe in die Paga-Taverne.«
»Warum?«
»Dort findet man die interessanteren Frauen!«
»Warum sind Sklavinnen interessanter als freie Frauen?«
»Weil sie Sklavinnen sind, die fraulichsten aller Frauen.«
»Widerlich«, sagte sie. »Meinen Willen könnte nie ein Mann brechen.«
»So etwas sagt stets nur eine Frau, die sich danach sehnt, von einem starken Mann überwältigt zu werden.«
»Ja, überwältige mich heute nacht«, bat sie. »Mach mich zur Sklavin!«
»Du bist eine Frau der Erde.«
»Ich verstehe – zu nobel und zu fein, ganz anders als eine Sklavin.«
»Natürlich – muß ich dir das immer wieder sagen?«
»Jason«, fragte sie, »wo ist der Topas?«
»Welcher Topas?« fragte ich zurück.
Sie stieß einen zornigen Schrei aus, aber ich hatte mich schon abgewandt und machte mich auf den Heimweg.