20

Der Himmel öffnete seine Schleusen, und schwerer Regen strömte herab wie ein wilder Fluss. Blackmoores schwarzes Haar klebte an seinem Schädel, und er rutschte im glitschigen Schlamm des Hofes aus. Er landete mit dem Gesicht auf dem Boden, aber er zwang sich, wieder auf die Beine zu kommen und torkelte weiter. Es gab nur einen Weg aus dieser blutigen, lärmenden Hölle.

Er erreichte sein Quartier und rannte zu seinem Schreibtisch. Mit zitternden Fingern suchte er nach dem Schlüssel. Er ließ ihn zweimal fallen, bevor es ihm gelang, zu dem Wandteppich neben seinem Bett zu stolpern, das Gewebe herunterzureißen und den Schlüssel ins Schloss zu stecken.

Blackmoore stürmte in die Dunkelheit, vergaß die Stufen und fiel sie hinunter. Doch die Trunkenheit hatte seinen Körper schlaff wie eine Stoffpuppe werden lassen, und er erlitt nur ein paar blaue Flecke. Das Licht, das durch die Tür schien, reichte wenige Meter weit, und vor ihm wartete absolute Finsternis. Er hätte eine Lampe mitnehmen sollen, aber dafür war es jetzt zu spät. Es war für viele Dinge zu spät …

Er lief so schnell ihn seine Beine trugen. Die Tür auf der anderen Seite würde noch immer entriegelt sein. Er würde entkommen, in den Wald fliehen, und wenn das Töten vorbei war, würde er zurückkehren und vorgeben … er wusste es nicht. Irgendetwas.

Die Erde bebte wieder, und Blackmoore wurde zu Boden geworfen. Er fühlte, wie kleine Steinbrocken und Erdklumpen auf ihn herabregneten, und als die Erschütterung nachließ, erhob er sich wieder und lief mit vorgestreckten Armen weiter. Staub hing dicht in der Luft. Er musste husten.

Dann stießen seine Finger gegen einen großen Steinhaufen. Der Tunnel vor ihm war eingestürzt! Ein paar wilde Sekunden lang versuchte Blackmoore sich einen Weg nach draußen zu graben. Dann sank er schluchzend zu Boden. Was jetzt? Was sollte jetzt aus Aedelas Blackmoore werden?

Wieder erzitterte die Erde. Blackmoore kam auf die Beine und rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Die Angst vor dem, was ihn dort erwarten mochte, war stark. Aber der Überlebensinstinkt war stärker. Ein schrecklicher Lärm zerriss die Luft, und Blackmoore erkannte, dass der Tunnel nur wenige Schritte hinter ihm ebenfalls einstürzte. Der Schock spornte ihn an, und er rannte wie von Furien gehetzt in Richtung auf sein Quartier. Die Decke des Stollens gab nun unablässig hinter ihm nach und verfehlte ihn jedes Mal Haaresbreite. Es war, als galoppiere der Tod hinter ihm her und versuche ihn einzuholen.

Blackmoore stolperte die Stufen hinauf und warf sich nach vorn, während in seinem Nacken der Rest des Tunnels mit einem ohrenbetäubenden Bersten zusammenbrach. Blackmoore griff nach den Binsenmatten auf dem Boden als könnten sie ihm einen Halt in dieser plötzlich wahnsinnig gewordenen Welt bieten. Das schreckliche Zittern der Erde schien kein Ende nehmen zu wollen.

Schließlich hörte es auf. Er bewegte sich nicht, lag nur mit dem Gesicht auf dem Boden und keuchte schweratmend.

Ein Schwert erschien aus dem Nichts und klirrte ein paar Zoll vor seiner Nase gegen Stein. Mit einem Schrei zuckte Blackmoore zurück. Er blickte auf und sah Thrall vor sich stehen, das Schwert in der Hand.

Blackmoore hatte vergessen, wie groß Thrall war. In schwarzer Rüstung und mit einem riesigen Schwert ragte er vor dem am Boden liegenden Blackmoore wie Berg auf. Hatte sein hässliches Kinn schon immer eine solche Entschlossenheit ausgedrückt, eine solche … Präsenz?

»Thrall«, begann Blackmoore mit zittriger Stimme. »Ich kann es erklären …«

»Nein«, sagte Thrall mit einer Ruhe, die Blackmoore mehr Angst einflößte, als es jede Wut es vermocht hätte. »Du kannst es nicht erklären. Es gibt keine Erklärung. Es gibt nur einen Kampf, der schon immer unausweichlich war, ein Duell auf Leben und Tod. Nimm das Schwert.«

Blackmoore zog sich mühsam auf die Beine. »Ich … ich …«

»Nimm das Schwert«, wiederholte Thrall mit grollender Stimme, »oder ich durchbohre dich hier, wo du gerade kauerst.«

Blackmoore streckte eine zitternde Hand aus und schloss sie um den Griff des Schwertes.


Gut, dachte Thrall. Zumindest würde ihm Blackmoore die Genugtuung eines Kampfes geben.

Die erste Person, auf die der Ork sich gestürzt hatte, war Langston. Es war nicht schwer gewesen, den jungen Lord einzuschüchtern und ihn dazu zu bringen, von dem unterirdischen Fluchttunnel zu erzählen. Frischer Schmerz schnitt in Thralls Herz, als ihm klar wurde, dass dies der Weg gewesen sein musste, auf dem Taretha nach draußen geschlichen war, um sich mit ihm zu treffen.

Er rief die Erdbeben, um den Tunnel zu versiegeln und Blackmoore zu zwingen zurückzukehren. Während er wartete, schob er wütend die Möbel aus dem Weg, um Platz zu schaffen für ihren letzten Kampf.

Dann war ein verängstigter Blackmoore aus dem Tunnel gestolpert …

Thrall starrte den Generalleutnant an, als dieser sich schwankend erhob. War das wirklich derselbe Mann, den er als Kind gleichzeitig bewundert und gefürchtet hatte? Es war schwer zu glauben. Dieser Mann war ein körperliches und seelisches Wrack. Der vage Schatten des Mitleids suchte Thrall wieder heim, aber er ließ nicht zu, dass er die Gräueltaten vergaß, die Blackmoore begangen hatte.

»Greif mich an«, knurrte Thrall.

Blackmoore sprang vor. Er war schneller und konzentrierter als Thrall angesichts des betrunkenen Zustands erwartet hätte, und der Ork musste tatsächlich schnell reagieren, um nicht getroffen zu werden. Er parierte den Hieb und wartete darauf, dass Blackmoore erneut zuschlug.

Der Konflikt schien den Lord von Durnholde wiederzubeleben. Ein Schatten von Wut und Entschlossenheit erschien auf seinem Gesicht, und seine Bewegungen wurden sicherer. Er täuschte links einen Angriff vor und schlug dann rechts hart zu. Es gelang Thrall, den Hieb abzublocken.

Nun griff er selbst an, überrascht und irgendwie erfreut darüber, dass Blackmoore sich verteidigen konnte und nur eine leichte Schürfwunde auf seiner ungeschützten linken Seite davongetragen hatte. Blackmoore erkannte seine Schwäche und sah sich nach etwas um, das ihm als Schild dienen konnte.

Mit einem Grunzen riss Thrall die Tür aus ihren Angeln und warf sie Blackmoore vor die Füße. »Versteck dich hinter der Tür eines Feiglings!«, schrie er.

Die Tür, die einen guten Schild für einen Ork abgegeben hätte, war natürlich viel zu groß für Blackmoore. Er stieß sie wütend beiseite.

»Es ist noch immer nicht zu spät, Thrall«, sagte er und brachte den Ork aus der Fassung. »Du kannst dich mir anschließen. Wir können immer noch zusammenarbeiten. Natürlich werde ich die anderen Orks befreien, wenn du mir versprichst, mit mir unter meinem Banner zu kämpfen – wie du es ohnehin tun wirst!«

Thrall war so wütend, dass er sich nicht konzentriert genug verteidigte, als Blackmoore unerwartet vorsprang. Er brachte das Schwert zu spät hoch, und Blackmoores Klinge klirrte von der Rüstung ab. Es war ein sauberer Hieb gewesen, und nur die Panzerung hatte Thrall vor einer Verletzung bewahrt.

»Du bist immer noch betrunken, Blackmoore, wenn du auch nur einen Augenblick lang glaubst, ich könnte den Anblick von …«

Wieder wurde Thralls Welt rot. Die Erinnerung an Tarethas blaue Augen, die ihn blicklos anstarrten, war mehr, als er ertragen konnte. Bisher hatte er sich zurückgehalten und versucht, Blackmoore zumindest eine faire Chance einzuräumen, aber jetzt schlug er alle Rücksicht in den Wind. Mit der Unaufhaltsamkeit einer Flutwelle, die auf eine Küstenstadt zurast, griff Thrall Blackmoore an. Jeder Schlag, jeder Wutschrei brachte Erinnerungen an seine Jugend zurück, an die Grausamkeit dieses Mannes. Als Blackmoore das Schwert aus den Fingern flog, sah Thrall Tarethas Gesicht, das freundliche Lächeln, das keinen Unterschied zwischen Mensch und Ork machte.

Und als er Blackmoore in eine Ecke trieb und diese Ruine eines Mannes einen Dolch aus seinem Stiefel zog und damit nach Thralls Gesicht stach – dabei nur knapp ein Auge verfehlend –, da brüllte die Rache in Thrall, und er führte sein Schwert mit aller Kraft auf den Mann herab.

Blackmoore starb nicht sofort. Er kniete keuchend am Boden, während seine Finger hilflos die Seite hielten, aus der das Blut in einem erstaunlichen roten Strom gepumpt wurde. Er starrte mit glasigen Augen zu Thrall empor. Blut rann ihm auch aus dem Mund, und zu Thralls Erstaunen lächelte er dazu.

»Du bist … was ich aus dir gemacht habe … Ich bin so stolz …« Mit diesen letzten Worten fiel er gegen die Wand.


Thrall trat in den Festungshof. Strömend prasselte der Regen auf ihn nieder. Hellscream kam durch die Pfützen auf ihn zu gerannt. »Berichtet«, verlangte Thrall, während seine Augen bereits die Szene überblickten.

»Wir haben Durnholde erobert, mein Kriegshäuptling«, sagte Hellscream. Er war von Blut bedeckt und sah begeistert aus. Seine roten Augen leuchteten hell. »Die Verstärkung der Menschen ist immer noch Meilen entfernt. Die meisten von denen, die Widerstand geleistet haben, sind überwältigt. Wir sind fast damit fertig, die Burg zu durchsuchen und jene zu entfernen, die nicht in den Kampf eingriffen. Die Frauen und Kinder sind unverletzt, wie du es verlangt hast.«

Thrall sah Ork-Krieger, die Gruppen menschlicher Männer umstanden. Die Menschen hockten im Schlamm und starrten finster auf ihre Gegner, von denen sie besiegt worden waren. Dann und wann wehrte sich einer, aber er wurde schnell wieder in seine Schranken verwiesen. Thrall bemerkte, dass die Orks sehr darauf brannten, ihre Gefangenen zu verletzen, aber sie hielten sich zurück.

»Findet mir Langston.«

Hellscream eilte fort, um Thralls Geheiß zu erfüllen, und Thrall ging von Gruppe zu Gruppe. Die Menschen waren entweder verängstigt oder kampflustig, aber es war klar, wer jetzt die Kontrolle über Durnholde hatte. Er wandte sich um, als Hellscream zurückkehrte und Langston mit gut gezieltem Ansporn seines Schwertes vor sich hertrieb.

Sofort fiel Langston vor Thrall auf die Knie. Mit einem Gefühl vager Abscheu befahl ihm Thrall aufzustehen. »Du hast jetzt das Kommando, nehme ich an?«

»Nun, der Sergeant … Ja. Ja, ich habe das Kommando.«

»Ich habe eine Aufgabe für dich, Langston.« Thrall beugte sich hinunter, um ihm auf gleicher Höhe in die Augen zu blicken. »Du und ich, wir wissen, welchen Verrat Blackmoore geplant hatte. Ihr wolltet eure Allianz angreifen. Ich biete dir eine Chance, deine Schuld wiedergutzumachen, wenn du sie annimmst.«

Langstons Augen musterten Thrall, und ein wenig von seiner Furcht verließ das Gesicht des jungen Mannes. »Was soll ich tun?«

»Bring eine Botschaft zu den Herren deiner Allianz. Erzähl ihnen, was heute hier geschehen ist. Sag ihnen, wenn sie den Weg des Friedens wählen, dann werden sie uns bereit finden zum Handel und zur Zusammenarbeit, vorausgesetzt, sie befreien den Rest meines Volkes und geben uns Land – gutes Land – für unsere Bedürfnisse. Wenn sie den Weg des Krieges wählen, werden sie auf einen Feind treffen, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt haben. Ihr dachtet, wir seien vor fünfzehn Jahren stark gewesen – aber das war nichts gegen den Feind, der euch heute auf dem Schlachtfeld gegenübertreten würde. Du hast das Glück gehabt, zwei Schlachten gegen meine Armee zu überleben. Du bist, da bin ich mir sicher, in der Lage, das ganze Ausmaß der Bedrohung, die wir für die Allianz darstellen würden, zu vermitteln.«

Langston war unter dem Schlamm und dem Blut auf seinem Gesicht blass geworden. Aber er blickte Thrall weiter ruhig in die Augen.

»Gebt ihm ein Pferd und Proviant«, sagte Thrall, der überzeugt war, dass der Mann seine Botschaft verstanden hatte. »Langston soll ungehindert zu seinen Herren reiten. Ich hoffe, um deines Volkes Willen, dass sie auf dich hören werden. Jetzt geh.«

Hellscream packte Langston am Arm und führte ihn zu den Ställen. Thrall sah, dass entsprechend seinen Anweisungen alle Orks, die nicht damit beschäftigt waren, die Menschen zu bewachen, eifrig Vorräte aus der Burg schafften. Pferde, Vieh, Schafe, Kornsäcke, Bettzeug für Verbände – all die Dinge, die eine Armee benötigte, würden der neuen Horde bald zur Verfügung stehen.

Es gab einen weiteren Mann, mit dem er sprechen musste, und nach einer Weile fand er ihn. Sergeants Gruppe hatte ihre Waffen nicht herausgegeben, aber sie benutzten sie auch nicht. Orks und Menschen standen sich bewaffnet gegenüber, doch keiner schien einen offenen Kampf zu wollen.

Sergeants Augen verengten sich vorsichtig zu Schlitzen, als er sah, dass Thrall sich näherte. Der Kreis der Orks teilte sich, um den Kriegshäuptling durchzulassen. Eine lange Zeit blickten sich Sergeant und Thrall nur schweigend an. Dann, schneller als selbst Sergeant es ihm zugetraut hätte, war Thralls Hand an Sergeants Ohrläppchen und packte den goldenen Ring fest zwischen seinen dicken, grünen Fingern. Dann ließ Thrall ihn ebenso schnell wieder los. Der Ohrring blieb, wo er war.

»Ihr habt mich gut geschult, Sergeant«, erklärte Thrall.

»Du warst ein guter Schüler, Thrall«, antwortete Sergeant vorsichtig.

»Blackmoore ist tot«, sagte Thrall. »Meine Leute bringen die Menschen aus der Festung und plündern die Vorräte, während wir sprechen. Durnholde steht nur noch, weil ich will, dass Durnholde steht.« Um seinen Satz zu unterstreichen, stampfte er einmal auf den Boden, und die Erde bebte hart.

»Ihr habt mich gelehrt, Gnade zu gewähren. In diesem Augenblick solltet Ihr froh sein über diese Lektion. Ich werde Durnholde in wenigen Minuten dem Erdboden gleichmachen. Eure Verstärkung wird nicht rechtzeitig eintreffen, um Euch noch irgendeine Hilfe zu sein. Wenn Eure Männer bereit sind, sich zu ergeben, dürfen sie und ihre Familien gehen. Wir werden dafür sorgen, dass sie Essen und Wasser, sogar Waffen, bekommen. Wer sich nicht ergibt, wird in den Trümmern von Durnholde sterben. Ohne diese Festung und ihre Ritter, die die Lager bewacht haben, wird es uns leicht fallen, den Rest unseres Volkes zu befreien. Das ist stets mein einziges Ziel gewesen.«

»Wirklich?«, fragte Sergeant. Und Thrall wusste, dass er an Blackmoore dachte.

»Gerechtigkeit war mein Ziel«, sagte Thrall. »Und ihr wurde Genüge getan – und wird Genüge getan werden!«

»Habe ich dein Wort, das niemandem ein Leid geschieht?«

»Ihr habt es«, sagte Thrall und hob den Kopf, um seine Leute anzublicken. »Wenn Eure Männer keinen Widerstand leisten, werden sie diesen Ort als freie Menschen verlassen.«

Als Antwort warf Sergeant seine Waffe auf die schlammige Erde. Es folgte Schweigen, dann machten die anderen Bewaffneten es ihm nach. Der Kampf war vorbei.


Als alle, Menschen und Orks, die Festung sicher verlassen hatten, rief Thrall den Geist der Erde an.

Dieser Ort diente keinen guten Zielen. Er beherbergte Gefangene, die nichts Böses getan hatten, und ließ das Böse zu einer schrecklichen Macht aufsteigen. Lass ihn fallen. Lass ihn fallen.

Thrall breitete die Arme aus und begann rhythmisch auf die Erde zu stampfen. Er schloss die Augen und erinnerte sich an seine kleine Zelle, Blackmoores Folter sowie an den Hass und die Verachtung in den Augen der Männer, mit denen er trainiert hatte. Die Erinnerungen waren erschreckend schmerzhaft, als er sie durchwanderte, und für einen Augenblick noch einmal durchlebte. Dann ließ er sie los.

Lass ihn fallen. Lass ihn fallen.

Die Erde grollte zum letzten Mal in dieser Schlacht. Der Lärm war ohrenbetäubend, als die mächtigen Steingebäude zermalmt wurden. Die Erde wallte auf, und es war, als verschlinge sie die Festung. Durnholde fiel und damit alles, gegen das Thrall gekämpft hatte. Als die Erde wieder still wurde, war von der mächtigen Festung nur noch ein Haufen Geröll und zerbrochenes Gehölz übrig. Lauter Beifall erhob sich aus der Menge der Orks. Die Menschen, hager und verstört, starrten nur.

Irgendwo in diesem Haufen lag die Leiche von Aedelas Blackmoore. »Es wird lange dauern, bis er auch in deinem Herzen begraben sein wird«, erklang eine Stimme an seiner Seite. Thrall wandte sich Drek’Thar zu.

»Du bist weise, Drek’Thar«, sagte Thrall. »Vielleicht zu weise.«

»War es gut, ihn zu töten?«

Thrall dachte nach, bevor er antwortete. »Es musste getan werden«, sagte er. »Blackmoore war Gift, nicht nur für mich, sondern auch für so viele andere.« Er zögerte. »Bevor ich ihn tötete, sagte er … er sagte, er sei stolz auf mich. Ich sei, was er aus mir gemacht habe. Drek’Thar, dieser Gedanke entsetzt mich.«

»Natürlich bist du, was Blackmoore aus dir gemacht hat«, entgegnete Drek’Thar und überraschte Thrall für einen Augenblick mit dieser grausamen Antwort. Sanft berührte er dann Thralls mit Eisenplatten bewehrten Arm. »Und du bist, was Taretha aus dir gemacht hat. Und Sergeant und Hellscream und Doomhammer und ich und Snowsong. Du bist, was jede Schlacht aus dir gemacht hat, und du bist, was du selbst aus dir gemacht hast … der Herr der Clans.« Er verbeugte sich vor Thrall, dann drehte er sich um und schritt, von seinem kleinen Diener Palkar geführt, davon. Thrall sah ihm nach. Er hoffte, er würde eines Tages so weise sein wie Drek’Thar.

Hellscream näherte sich. »Die Menschen haben Proviant und Wasser erhalten, mein Kriegshäuptling. Unsere Kundschafter melden, dass die menschliche Verstärkung bald ankommen wird. Wir sollten verschwinden.«

»Einen Augenblick noch. Es gibt noch etwas, das Ihr für mich tun müsst.« Er streckte Hellscream eine geschlossene Faust entgegen, dann öffnete er sie. Eine silberne Halskette mit einem Anhänger in Form einer Mondsichel fiel in Hellscreams ausgestreckte Hand. »Findet die Menschen, die sich die Foxtons nennen. Es ist wahrscheinlich, dass sie erst jetzt von dem Mord an ihrer Tochter erfahren haben. Gebt ihnen dies und sagt ihnen … sagt ihnen, dass ich mit ihnen trauere.«

Hellscream verbeugte sich und ging, um Thralls Wunsch zu erfüllen. Thrall atmete tief ein. Hinter ihm lag seine Vergangenheit, die Ruine, die einst Durnholde gewesen war. Vor ihm lag die Zukunft, eine grüne See. Sein Volk wartete hoffnungsvoll.

»Heute«, rief er und hob seine Stimme, damit alle ihn hören konnten, »heute hat unser Volk einen großen Sieg errungen. Wir haben die mächtige Festung Durnholde zu Fall gebracht und ihren Griff um die Lager gebrochen. Aber wir können noch nicht ruhen. Wir können noch nicht behaupten, dass wir diesen Krieg gewonnen haben. Noch leiden viele unserer Brüder und Schwestern in Gefängnissen, doch wir wissen, dass sie bald frei sein werden. Sie werden wie ihr erfahren, was es bedeutet, ein Ork zu sein, die Leidenschaft und die Kraft unseres stolzen Volkes zu besitzen.

Wir sind unbesiegbar. Wir werden triumphieren, denn unsere Sache ist gerecht. Lasst uns gehen und die Lager finden und ihre Mauern zerschmettern und unser Volk befreien!«

Großer Beifall erhob sich, und Thrall blickte in Tausende stolzer, schöner Ork-Gesichter. Ihre Münder waren aufgerissen, ihre Fäuste winkten, und jeder Muskel ihrer mächtigen Körper kündete von Freude und Begeisterung. Er erinnerte sich an die trägen Kreaturen in den Lagern und fühlte einen Stich fast schmerzhafter Freude, als er sich erlaubte zu erkennen, dass er es war, der sie zu diesen neuen Höhen geführt hatte. Der Gedanke machte ihn demütig.

Ein tiefer Frieden ergriff ihn, als er zusah, wie seine Leute seinen Namen riefen. Nach so vielen Jahren der Suche wusste er endlich, wo sein wahres Schicksal lag, wusste tief in seinem Herzen, wer er war:

Thrall, Sohn des Durotan … Kriegshäuptling der Horde.

Er war nach Hause gekommen.

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