36. Der Kilimandscharo

Warum hatte er vom Kilimandscharo geträumt?

Es war ein seltsames Wort; ein Name, da war er sicher — aber wofür?

Moses Kaldor lag im grauen Licht der thalassanischen Dämmerung und wurde sich langsam der Geräusche von Tarna bewußt. Nicht, daß es zu dieser Stunde viele gegeben hätte; irgendwo schwirrte ein Sandschlitten, auf dem Weg zum Strand wahrscheinlich, um einen zurückkehrenden Fischer abzuholen.

Kilimandscharo.

Kaldor war kein Angeber, aber er bezweifelte, daß irgendein anderes, menschliches Wesen so viele alte Bücher über so viele verschiedene Themen gelesen hatte. Er hatte auch ein Gedächtnisimplantat von mehreren Terabyte erhalten, und obwohl auf diese Weise gespeicherte Informationen nicht wirklich Wissen waren, konnte man darüber verfügen, wenn man sich den Abrufkode ins Bewußtsein rief.

Es war noch ein bißchen zu früh, um das zu versuchen, und er bezweifelte, ob die Sache so besonders wichtig war. Aber er hatte gelernt, Träume nicht zu vernachlässigen; der alte Sigmund Freud hatte vor zweitausend Jahren einige einleuchtende Aussagen dazu gemacht. Und außerdem würde er doch nicht wieder einschlafen können.

Er schloß die Augen, löste den SUCH-Befehl aus und wartete. Obwohl das reine Einbildung war — der Vorgang spielte sich auf einer völlig unterbewußten Ebene ab — malt er sich aus, wie irgendwo in den Tiefen seines Gehirns Myriaden von Ks vorbeiflackerten.

Jetzt passierte etwas mit den Phosphenen, die ständig in willkürlichen Mustern über die Netzhaut des fest geschlossenen Auges tanzen. Wie durch Zauber war in dem schwach leuchtenden Chaos ein dunkles Fenster erschienen; Buchstaben bildeten sich — und da war es:

KILIMANDSCHARO: Vulkanischer Berg, Afrika. Höhe: 5,9 km. Standort des ersten Weltraumfahrstuhls auf der Erde.

Tja. Was hatte das zu bedeuten? Er spielte in Gedanken mit dieser kargen Information.

Hatte es etwas mit dem Krakan, dem anderen Vulkan zu tun, der in letzter Zeit sicher eine gewisse Rolle in seinem Denken gespielt hatte? Das schien ihm ziemlich weit hergeholt. Und er brauchte auch keine Warnung, daß Krakan — oder sein stürmischer Abkömmling — vielleicht erneut ausbrechen könnte.

Der erste Weltraumfahrstuhl? Das war wirklich eine alte Geschichte; er markierte den ersten Anfang der Planetenkolonisierung, indem er der Menschheit praktisch freien Zugang zum Sonnensystem eröffnete. Und hier arbeiteten sie mit der gleichen Technik, sie verwendeten Kabel aus superstarkem Material, um damit die großen Eisblöcke zur ‚Magellan‘ hinaufzubefördern, während das Schiff im stationären Orbit über dem Äquator schwebte.

Aber auch das war ein sehr weiter Weg von dem Berg in Afrika. Der Zusammenhang war zu entfernt; die Antwort, da war Kaldor sicher, mußte anderswo liegen.

Der direkte Zugang hatte versagt. Die einzige Möglichkeit, das Verbindungsglied zu finden — wenn ihm das überhaupt je gelang — war, es dem Zufall, der Zeit und der rätselhaften Arbeitsweise des Unterbewußtseins zu überlassen.

Er würde sich bemühen, den Kilimandscharo zu vergessen, bis der sich den günstigsten Zeitpunkt aussuchte, um in seinem Gehirn auszubrechen.

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