16

Der Schattenrat.

Selbst jetzt, so viele Jahre später, wissen wir wenig darüber, wer dazu gehörte und was sie getan haben. Gul’dan nahm sehr viele Geheimnisse mit ins Grab. Möge er dort unter Qualen verrotten. Es fällt mir schwer genug zu verstehen, warum einer oder zwei von uns sich derart korrumpieren ließen, dass sie ihre eigenen Nachfahren im Tausch gegen Macht zu Lebzeiten in die Verdammnis schickten. Aber dass es dermaßen viele waren, die exakten Zahlen sind nicht mal bekannt, begreife ich überhaupt nicht.

Selbst das wäre nicht so schlimm gewesen, hätten die Dämonen sie nicht fest im Griff gehabt. Sie werden nun dafür Qualen leiden, und das freut mich. Denn für das, was sie anderen angetan haben, die ihnen folgten, weil sie ihnen vertrauten, verdamme ich sie mit jeder Faser meines Seins.


„Das war ein exzellenter Test.“ Kil’jaeden lächelte, während sich Gul’dan vor ihm verneigte. Seine Augen leuchteten angesichts des Lobs seines Meisters. Ner’zhul kauerte sich hin, den Blick auf den Boden gerichtet. Aber er hörte trotzdem zu.

„Ich gebe zu, ich war überrascht, dass Durotan meinen Befehl tatsächlich ausgeführt hat“, sagte Gul’dan. „Ich habe mit Widerstand gerechnet, zumindest ein wenig. Aber die Stadt wurde erobert und zerstört, mein Herr. Alle Draenei, die dort einst lebten, sind fort, die meisten tot.“

„Die meisten ist nicht genug, Gul’dan, das weißt du.“ Gul’dan zuckte bei der Kritik zusammen. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, worin die Verbindung zwischen Kil’jaeden und den Draenei bestand und warum das schöne Wesen sie derart hasste. „Es war das erste Mal, dass wir eine ihrer Städte angriffen statt nur vereinzelte Jagdgruppen“, antwortete der Hexenmeister, ein wenig überrascht von seinem eigenen Wagemut.

Kil’jaeden neigte den gehörnten roten Kopf, dachte nach und nickte dann. „Richtig. Und es ist noch Zeit.“

Mehrere Tage waren seit dem Fall von Telmor vergangen. Beeindruckt von Durotans Werk hatte Kil’jaeden dem Frostwolf die Stadt als ein Geschenk überlassen wollen. Aber Durotan hatte abgelehnt. Die Frostwölfe, so sagte er, würden im Land ihrer Vorfahren weiterleben.

Die Schwarzfelsen hingegen waren nicht so dumm gewesen. Schwarzfaust und seine Familie lagen nun in den Betten, in denen einst der Magistrat der Stadt geschlafen hatte. Zuerst hatten die Orcs nicht gewusst, was sie mit den unbekannten Gegenständen der Draenei anfangen sollten. Aber inzwischen begannen sie sich an die Lebensart ihrer Opfer zu gewöhnen. Sie saßen auf Stühlen, aßen an Tischen, übten mit Draeneiwaffen, passten deren Rüstungen ihren massigeren Orc-Körpern an. Einige der Frauen und nicht wenige der Männer des Schwarzfels-Clans begannen die Kleidung der Draenei zu tragen; sie kombinierten sie mit traditionellen orcischen Tuniken und Schnallen.

Gul’dan wusste, dass viele sich fragten, warum er oder Ner’zhul die Stadt nicht für sich selbst beansprucht hatten. Es war ein verführerischer Gedanke gewesen, aber Gul’dan war von seinem Herrn wohl instruiert worden. Weltlicher Komfort war angenehm, aber Macht war süßer, und je weniger Gul’dan für sich selber öffentlich beanspruchte, desto größer wuchs seine Macht. Kil’jaeden würde ihn nicht im Stich lassen, solange Gul’dan die von seinem Herrn aufgetragenen Aufgaben zu desen Zufriedenheit erledigte. Ein paar Dinge waren zu jenem Ort gebracht worden, den er seit neuestem sein Heim nannte: ein riesiger runder Tisch mit Einlegearbeiten aus weich leuchtenden Schalen und Steinen und ein paar schöne Stühle.

Gul’dan trat vor den Tisch und ließ seine Hände über die polierte Platte gleiten. Er lächelte. Er musste nur noch die zusammenrufen, von denen er annahm, dass sie vertrauenswürdig waren. Einige Namen standen sofort fest. Andere kamen erst nach längerem Nachdenken dazu. Dann war die Liste vollständig, und sie war lang genug, um alle wichtigen Orcs zu berücksichtigen, und kurz genug, um dennoch übersichtlich zu sein...

Schneller, als er selbst bisher gehofft hatte, würde sich der Schattenrat bilden. Während nach außen hin Schwarzfaust die Orcs als Volk regierte und die „Feinde“, die Draenei, eliminierte, würde eine Handvoll Orcs, so korrupt und machthungrig wie Gul’dan selbst, die Fäden im Hintergrund ziehen.

Es ging nicht um die Orcs als Rasse.

Es war nie um die Orcs als Rasse gegangen.

Es ging um Macht, sie zu bekommen, sie auszuüben und sie zu behalten. Ner’zhul hatte das nie verstanden. Er mochte die Macht, aber er war nicht willens gewesen, ihr das Fleisch zu geben, nach dem sie verlangte. Das Ende, nach dem Kil’jaeden verlangte.

Täuschung, Lüge, Manipulation, selbst Schwarzfaust, der dachte, er wäre in Gul’dans ultimative Pläne eingeweiht, begriff dessen wahre Ambitionen nicht. Sie waren so groß wie Kil’jaedens Streben, die Draenei auszulöschen – so groß wie der Himmel, so tief wie die Ozeane und so beißend wie der Hunger.

Gul’dan schaute Ner’zhul geringschätzig an, während der ältere Orc, der einst sein Lehrer gewesen war, in der Ecke kauerte. Dann richtete er den Blick auf die blitzenden Augen Kil’jaedens, und das große Wesen nickte.

„Ruf sie!“, sagte Kil’jaeden. Seine Lippen teilten sich zu einem Lächeln und zeigten seine scharfen weißen Zähne. „Sie werden kommen, wenn du rufst. Und sie werden nach deiner Pfeife tanzen. Dafür werde ich sorgen.“


Verbündete.

Sie brauchten Verbündete.

Gul’dan fragte sich, wie Kil’jaeden das übersehen konnte. Die Orcs waren tatsächlich mächtig, speziell, wenn sie kontrolliert und richtig geführt wurden. Die langen Monate, über ein Jahr bereits, die sich dieser Krieg schon hinzog, hatten das gezeigt. Ihre besten Denker verstanden inzwischen einen Teil der Draenei-Technologie, soweit das eben möglich war. Eine zentrale Festung wurde gebaut, die Gul’dan Zitadelle nannte. Dort konnte bequem ein stehendes Heer untergebracht und ausgebildet werden. Die Orcs hatten so etwas noch nie zuvor versucht, und Gul’dan war stolz darauf, dass er die Idee dazu gehabt hatte.

Auf der einen Seite gab es Krieger, auf der anderen Schamanen – die natürlich Hexenmeister hießen –, hier waren Heiler, dort Handwerker.

Die ersten drei Gruppen hatten klare Vorgaben und keinen Mangel an Gelegenheiten, ihre Aufgaben auszuführen. Die Handwerker arbeiteten auf einer anderen Ebene, schufen Rüstungen und Waffen und errichteten Gebäude, um diejenigen zu unterstützen, die die Ehre hatten, die Draenei zu töten, bis ihre Körper klebrig vom vergossenen Blut waren.

Manch einer würde diese Arbeiter eine niedrigere Klasse von Orcs nennen. Im Stillen dachte Gul’dan auch so. Aber er wusste, dass ihre Arbeit, obwohl wenig glamourös, so notwendig war wie eines Kriegers Wille zu Töten oder die magischen Fähigkeiten eines Hexenmeisters. Ohne diejenigen, die für Nahrung, Unterkunft und Waffen sorgten, würden die Krieger und Hexenmeister nicht weit kommen. Deshalb hatte Gul’dan eine Leistungsschau der Handwerker aus der Taufe gehoben, mit dem schönen Ergebnis, dass sie dadurch noch härter arbeiteten und sich stetig verbesserten.

Aber obwohl jedes Mitglied von jedem Clan so hart arbeitete, wie es konnte Gul’dan hatte in jedem Clan Spione, um auch in dieser Hinsicht sicher zu sein –, war es nicht genug. Die Eroberung von Telmor war ihnen überraschend leicht gefallen, und der Moralschub war enorm gewesen. Aber Gul’dan wusste, dass der Sieg der Horde größtenteils auf Glück basierte. Niemand in der geschützten Stadt hatte einen Moment lang geglaubt, dass sie entdeckt und binnen weniger Stunden überrannt werden könnten. Sie hatten sich völlig sicher gefühlt, beschützt von der Magie des grünen Steins, den Gul’dan Laubschatten nannte. Der hatte die Draenei zuerst vor den Augen der Oger und dann vor denen der Orcs geschützt. So leicht würde der nächste Sieg nicht werden. Wie sollte...

„Oger“, sagte er laut. Er tippte sich mit einem krallenbewehrten Finger gegen das hervorstehende Kinn. „Oger...“


„Niemals!“ schrie Schwarzfaust. Er überwand den Abstand zwischen sich und Gul’dan mit zwei Schritten und ragte bedrohlich vor dem kleineren Orc auf. Gul’dan musste seine ganze Tapferkeit aufbringen, um nicht vor dem furchteinflößenden Gesicht zurückzuweichen, das nur einen Zentimeter von dem seinen verharrte, als der Kriegshäuptling ihm den Kopf entgegensenkte.

„Immer mit der Ruhe, Schwarzfaust“, versuchte ihn Gul’dan zu beschwichtigen. „Höre erst, was ich zu sagen habe. Du bist derjenige, der davon am meisten profitieren wird.“

Damit hatte er ihn. Schwarzfaust grunzte. „Sie sind seit langem Feinde der Orcs. Länger als die Draenei. Wie soll ich einen Vorteil aus diesem Bündnis ziehen?“

Er kommt direkt zum Punkt, dachte Gul’dan mit Befriedigung. Er hatte Schwarzfaust richtig eingeschätzt.

„Es gibt immer noch einige, die erzählen, bei deiner Wahl wäre es nicht mit rechten Dingen zugegangen“, sagte er. „Wenn du mit diesem Bündnis Erfolg hast, wird es deinem Namen zu ewigem Ruhm verhelfen.“

Schwarzfausts Augen schmälerten sich. „Vielleicht“, murmelte er. „Aber werden die Oger da auch mitmachen?“

Gul’dan erlaubte sich ein Lächeln. „Sie werden, wenn wir es von ihnen verlangen“, antwortete er.

Schwarzfaust warf den Kopf in den Nacken und brüllte vor Lachen.


Orgrim rutschte unbehaglich in seinem Sattel hin und her, während er seinen Anführer ansah. Schwarzfaust hatte ihm erklärt, was er beabsichtigte, und Orgrim hatte protestiert. Er war über die Jahre an zahllosen Jagdgruppen beteiligt gewesen, um der Bedrohung durch die Oger entgegenzutreten. Mehr als allen anderen Orcs war es ihm ein persönliches Anliegen. Er hasste sich immer noch dafür, dass er vor Jahren vor einer der riesigen plumpen, dickschädeligen Kreaturen davongelaufen war.

Und plötzlich schlug Schwarzfaust so etwas vor!

Aber Orgrim wusste, dass, wenngleich sein Anführer einige Fehler hatte, er doch ein guter Stratege war. Der Plan war schlüssig, man musste ihn nur frei von Emotionen betrachten. Deshalb hatte er seine Unterstützung angeboten.

Trickreich hatten sie sich die notwendigen Informationen beschafft. Die Schwarzfels-Orcs hatten drei Oger gefangen genommen und eine lange Nacht damit verbracht, mit ihnen in einfachen Worten zu reden, bis diese trügerisch plumpen Dinger verstanden, was sie wollten und sie zu kooperieren begannen. Jetzt stand jeder Krieger, Hexenmeister und Heiler des Clans bereit zum Kampf.

Die Oger hatten ihnen erzählt, wo sich ihre Meister versteckt hielten, und hatten sie zu diesem Ort geführt, eine Lichtung am Fuße der Bergkette namens Blake’s Edge. Die Gronn gaben sich nicht die Mühe, ihre Anwesenheit zu verbergen. Abfall lag überall in der Gegend herum, und zahlreiche Abdrücke von Ogerfüßen waren am Boden zu erkennen. Orgrim beobachtete, wie eine kleine Gruppe Oger von den Bergen ins Land zog. Kein Zweifel, sie fühlten sich in Sicherheit, so wie die Draenei sich in Telmor sicher gefühlt hatten, und vor einem Jahr hätte das auch gestimmt. Aber vieles hatte sich seitdem geändert. Die Orcs waren nicht länger kleine Gruppen, sondern eine geschlossene Macht und gewillt, einen alten Groll gegen neuen Hass zu tauschen.

Schwarzfaust ritt voran, begleitet von drei Ogern. Hinter ihm kamen seine Söhne Rend und Maim, die sich miteinander leise unterhielten und ab und an rau glucksten. Orgrim war zuerst dagegen gewesen, den Jungen das Kämpfen zu erlauben. Aber sie hatten bewiesen, dass sie stärker waren, als man hätte annehmen können. Ihnen fehlte zwar die Durchtriebenheit ihres Vaters, aber sie hatten seine Brutalität geerbt. Griselda war ebenfalls zum Kämpfen ausgebildet worden, aber sie war nicht so begabt wie die beiden Jungen. Ihr Vater warf ihnen einen zornigen Blick zu, und sie verstummten sofort.

Orgrim fragte sich, ob Schwarzfaust eine Rede halten würde. Er hoffte nicht. Mit Worten hatte Schwarzfaust es nicht so, und sein Clan war ohnehin schon bereit, ihm zu folgen. Zu Orgrims Erleichterung sah Schwarzfaust über das Meer der Krieger, nickte einmal und gab dann den Befehl zum Angriff.

Die erste Welle brüllte wild und rannte die Hügel hinab. Der Anblick von drei der ihren, die gemeinsam mit den Orcs kämpften, verwirrte die Oger zunächst derart, dass sie einfach stehen blieben, um sich töten zu lassen. Dann, als ihre langsam arbeitenden Gehirne begriffen, dass sie angegriffen wurden, zogen sie sich zurück. Und sie attackierten noch immer nicht ihre Artgenossen, die durch ihre Reihen stapften, um mit dem Anführer zu sprechen, der irgendwo in den Höhlen zu finden war.

Orgrim war derjenige, der den letzten Oger zu Fall brachte. Er wirbelte seinen Schicksalshammer und empfand dabei so etwas wie Freude. Sein Wolf war schnell und schoss leichtfüßig zwischen den baumdicken Beinen des Ogers hindurch, der tobte und mit seinem Knüppel verbissen zuschlug. Orgrim erinnerte sich daran, wie groß ihm diese Kreaturen als Kind vorgekommen waren. Sie waren immer noch groß, doch das war er inzwischen auch, und er beherrschte seine legendäre Waffe vorzüglich. Er zertrümmerte das Schienbein des Ogers, der vor Schmerz brüllte. Orgrims Wolf tanzte zur Seite, als das große Ding fiel und die Erde bebte, als es aufschlug. Es versuchte aufzustehen, versuchte seinen Körper mit seinen großen fetten Händen hochzudrücken. Aber da waren schon andere Schwarzfels-Orcs heran. Schneller als selbst Orgrim schauen konnte, war der Oger tot und blutete aus über einem Dutzend Wunden.

Orgrim drehte sich gerade rechtzeitig um, um mitzubekommen, wie ein orcischer Krieger durch die Luft wirbelte. Er wurde von einem einzigen Treffer des massiven Knüppels eines Ogers getötet. Knurrend wollte sich Orgrim auf die mörderische Bestie stürzen, als ein Ruf erschallte: „Aufhören, aufhören!“

Es zeugte von Schwarzfausts Macht, dass seine Orcs, völlig im Blutrausch, den Kampf tatsächlich abbrachen. Die Oger taten es nicht, zumindest nicht sofort, und Orgrim stellte fest, dass er Abstand von ihnen suchte, bis die langsamen Ogergehirne verstanden, was los war. Es ist zu unser aller Nutzen, sagte er zu sich selbst. Er sah, wie jene Oger, welche die Schwarzfels-Orcs gezähmt hatten, mit ihren Artgenossen sprachen. Oder besser: wie sie diese anbrüllten und – wie es unter ihnen üblich war – sie schlugen. Und die Oger stoppten tatsächlich ihre Angriffe und schienen zuzuhören.

Einer von ihnen, ein Größerer, der so etwas wie eine offizielle Schärpe trug, musste über ein gewisses Maß an Intelligenz verfügen. Orgrim konnte ihre Sprache nicht verstehen und nutzte die Pause, um zu Atem zu kommen und etwas Wasser zu trinken.

„Ich kann’s kaum erwarten, dass wir sie wieder töten können“, sagte Rend.

Orgrim sah den ältesten Sohn seines Häuptlings an. „Wenn wir erfolgreich sind, werden sie gemeinsam mit uns kämpfen. Dir wird es nicht erlaubt sein, sie zu töten.“

Maim spuckte aus. „Dann töten wir sie eben ohne Erlaubnis!“

Orgrim musste grinsen. Er selbst hätte nichts lieber getan, aber... „Einige sind tot, das muss reichen. Euer Vater würde es nicht mögen, würdet ihr seinen Plan gefährden.“

Rend feixte. „Wer würde uns verraten?“

„Ich. Wenn das hier klappt und sie uns zuhören und dann doch noch irgendeiner von ihnen tot aufgefunden wird, nenne ich eure Namen.“

Rend schaute ihn finster an. Im Moment sah es aus, als ob es jugendliche Launenhaftigkeit wäre, die in ihm tobten, aber Orgrim hatte eine böse Vorahnung. Er hatte Schwarzfaust nie gemocht und mochte seine Kinder, mit Ausnahme von Griselda, noch weniger. Er wusste nicht, ob dafür ihre Abstammung oder ihr unnatürliches Wachstum verantwortlich war. Aber in ihnen lauerte eine Dunkelheit, der Orgrim misstraute. Eines Tages, wenn sie nicht nur ihre mächtigen Muskeln, sondern auch ihren Verstand gebrauchten, würden sie gefährlicher sein als ihr Vater.

„Ich hab dir doch gesagt, dass er nicht zuhört, Rend“, sagte Maim launenhaft. „Der alte Orc hat vergessen, wie es ist, wenn der Blutrausch dich durchströmt. Komm, gehen wir.“@

Mit einem letzten Feixen folgte Rend seinem Bruder. Orgrim seufzte. Doch er hatte größere Probleme als zwei schnöselige Burschen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Verhandlungen zu, obwohl er als Orc nicht ein Wort davon verstand. Es wurde nicht mehr gekämpft. Schwarzfaust, der das Schlachtfeld verlassen hatte, wie er es auch jedem anderen aus seinem Clan befohlen hatte, führte seinen Wolf dorthin, wo sich die Oger versammelt hatten. Orgrim ritt an die Seite seines Häuptlings und hörte, wie der Anführer der Oger verkündete: „Wir nicht mögen Gronn. Gronn tun uns weh.“

Er winkte einen der anderen Oger heran, der sich umdrehte, um Orgrim und Schwarzfaust seinen Rücken zu zeigen. Orgrim sah, dass Narben im Zickzack den Rücken des Ogers überzogen. Er fühlte kein Mitleid mit der Kreatur; sie hatten den Orcs in den letzten Jahrzehnten Schlimmeres angetan. Trotzdem war es gut, dies zu wissen. Die gefangen genommenen Oger hatten ebenfalls davon gesprochen, und nun nickten sie, als wären sie fürchterlich weise.

„Was ihr uns geben, wenn verbünden uns?“, verlangte der Anführer zu wissen.

Schwarzfaust grinste. „Nun, zum einen schlagen wir euch nicht.“ Orgrim dachte an Schwarzfausts Söhne, sagte aber nichts. „Wir kümmern uns darum, dass ihr Essen bekommt und die geeigneten Waffen.“ Daraufhin war Orgrim erleichtert, dass Schwarzfaust ihnen keine Rüstungen versprochen hatte. Mit dem Material, das nötig war, um einen Oger zu schützen, konnten drei Orcs gerüstet werden. Und glücklicherweise war der Anführer, obwohl offensichtlich einer der intelligenteren Oger, trotzdem noch nicht helle genug, selber an Rüstungen zu denken. „Ihr werdet Essen haben, Unterkünfte – und die Freude, Draenei erschlagen zu können.“

Die anderen Oger hatten genau zugehört, und einer von ihnen sprang tatsächlich vor Entzücken auf und ab. „Ich schlagen!“, brüllte er fröhlich, und einige andere nahmen den einfachen, offensichtlich amüsanten Satz auf.

Schwarzfaust wartete, bis sie sich beruhigten, bevor er wieder das Wort ergriff. „Dann sind wir uns einig?“

Der Anführer der Oger nickte. „Keine Jagd mehr auf Oger“, knurrte er. Seine kleinen Augen waren voller Tränen, und als er noch mal den Oger mit dem vernarbten Rücken anschaute, empfand Orgrim auf einmal doch ein wenig Mitleid mit ihm. Aber nur ein kleines bisschen.

„Wie heißt du?“, fragte er den Anführer des Oger-Trupps und sah ihn an.

„Krol“, lautete die Antwort.

„Also dann, Krol“, rief Schwarzfaust schnell, bevor sein Stellvertreter mehr sagen konnte. „Wann, glaubst du, sollten wir unseren gemeinsamen Angriff beginnen?“

„Jetzt!“, sagte Krol, und bevor Orgrim oder Schwarzfaust widersprechen konnten, brüllte er etwas in seiner eigenen Sprache.

Die Oger sprangen auf und ab, und die Erde bebte. Dann drehten sich alle um und strebten jener Höhle zu, aus der sie gekommen waren.

Schwarzfaust warf Orgrim einen Blick zu, der mit den Schultern zuckte. Seiner Meinung nach war es leichter, die Flut aufzuhalten als diese dummen, einfältigen Riesen.

„Ruf sie!“, sagte Schwarzfaust.

Orgrim holte ein Spalthufhorn aus der Tasche und blies hinein. Die Orcs schrien vor Freude und eilten herbei.

Es war nicht genug Zeit, um den Schwarzfels-Clan noch mal an den Plan zu erinnern. Orgrim hoffte, dass sie sich daran halten würden, speziell die übereifrigen Maim und Rend. Gut, sie sollten Oger töten, aber verdammt noch mal die richtigen.

Denn wenn sie den Ogern auch nur den geringsten Grund gaben, diese plötzliche und eigenartige Allianz zu hinterfragen, dann würden die Babys, die alten Männer und Frauen, die auf Nachricht im Lager warteten, die einzigen des Schwarzfels-Clans sein, die diesen Tag überlebten.

Orgrim war nicht optimistisch. Der Schwarzfels-Clan war schon immer sehr kämpferisch gewesen. Schwarzfaust war wenig mehr als ein durchtriebener Primitiver, und Orgrim hatte schon mehrmals erkennen müssen, dass sich eine nahezu manische Wut durch alle Clans zog. Als er seinen Wolf herumriss, um mit seinen Clan-Mitgliedern zur Höhle zu reiten, fragte er sich, ob ihn seine Augen täuschten.

Sicherlich war der grünliche Farbton auf der Haut des Orcs neben ihm nichts anderes als ein Lichteffekt.

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