21. Kapitel

Liorens Antwort hatte Khone zufriedengestellt oder seine Zweifel in ihren Augen hinreichend untermauert, denn sie stellte ihm keine weiteren Fragen über Gott.

Deshalb wechselte sie das Thema und sagte: „Vorhin hat der Tarlaner von seiner Neugier bezüglich der organischen Struktur, die mit den telepathischen Fähigkeiten der Gogleskaner zusammenhängt, und der Gründe für einen möglichen Verlust oder für ein Nachlassen der Funktion gesprochen. Wie der Tarlaner bereits weiß, hat die einzelgängerische Veranlagung der gogleskanischen Lebensform die Entwicklung komplizierter Operationstechniken verhindert, und nur sehr wenige Ärzte haben sich dazu durchringen können, die Leiche eines Gogleskaners von innen zu untersuchen. Die vorhandenen Informationen sind spärlich, und jede zugefügte Enttäuschung wird bedauert. Doch es steht noch eine Schuld offen, und jetzt ist es Pflicht der Gogleskanerin, nicht mehr Fragen zu stellen, sondern sie zu beantworten.“

„Danke“, sagte Lioren.

Khones Haare zuckten, sträubten sich und stellten sich am ganzen Körper in langen, ungleichmäßigen Büscheln auf — ein deutliches Zeichen für die seelischen Anstrengungen, die die Gogleskanerin unternehmen mußte, um über persönliche Angelegenheiten zu sprechen. Doch wie Lioren rasch bemerkte, war diese körperliche Reaktion auch als eine veranschaulichende Geste gedacht.

„Zur Telepathie durch Berührung kommt es nur bei zwei Gelegenheiten“, klärte Khone ihn auf. „Als Reaktion auf einen Ruf nach Zusammenschluß innerhalb einer Gemeinschaft, wenn eine wirkliche, häufiger jedoch nur eingebildete Gefahr droht, oder zum Zweck der Fortpflanzung. Wie schon erwähnt wurde, kann dieser Notruf emotional äußerst leicht ausgelöst werden. Eine geringfügige Verletzung, ein überraschendes Ereignis, eine plötzliche Veränderung der normalen Umstände oder eine unerwartete Begegnung mit einem Fremden können diesen Mechanismus ungewollt in Gang setzen, woraufhin sich durch das Verflechten der Körperbehaarung und der telepathischen Fühler eine Gruppe bildet. Dieses durch Angst zur Raserei getriebene Gruppenwesen reagiert nun auf die wirkliche oder eingebildete Bedrohung, indem es alles zerstört, was sich in seiner unmittelbaren Nähe befindet und kein Artgenosse ist. Dabei ziehen sich einzelne Mitglieder der Gruppe Verletzungen zu. In solchen Momenten wird es durch den Geisteszustand unmöglich, objektiv zu beurteilen, wie gut oder schlecht die telepathischen Fähigkeiten funktionieren, da das Vermögen, nüchtern zu beobachten oder auch nur zusammenhängende Gedanken zu fassen, durch die Kurzschlußhandlung außer Kraft gesetzt wird.

Ganz bestimmt weiß der Tarlaner aus eigener Erfahrung, daß es bei der geschlechtlichen Vereinigung zwischen den beiden Partnern zu einem ähnlichen, aber sehr viel angenehmeren Aufruhr der Gefühle kommt. Doch in diesem Fall stellt die telepathische Verbindung der Gogleskaner sicher, daß die Beteiligten ihre Empfindungen miteinander teilen und sie doppelt so stark wahrnehmen. Geringfügige Veränderungen oder ein Nachlassen dieser Gefühle wären, falls überhaupt vorhanden, nur schwer festzustellen, und man kann sie sich im nachhinein auch nicht ins Gedächtnis zurückrufen.“

„Der Tarlaner verfügt auf diesem Gebiet über keinerlei Erfahrungen“, merkte Lioren an. „Von den Heilern auf Tarla, die einen Aufstieg in hohe Positionen ihres Berufsstands erwarten, verlangt man, auf derartige emotionale Zerstreuungen zu verzichten.“

„Dem Auszubildenden sei das tiefe Mitgefühl der Gogleskanerin versichert“, sagte Khone. Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Aber die Ärztin wird versuchen, die körperlichen Vorbereitungen und die telepathisch verstärkten emotionalen Reaktionen, die mit dem Geschlechtsakt der Gogleskaner zusammenhängen.“

Sie verstummte, weil jemand anders den Raum betreten hatte. Es handelte sich um eine weibliche DBDG, die das Abzeichen einer Oberschwester trug und einen kleinen Wagen mit einem Essensspender vor sich herschob.

„Entschuldigung für die Störung, die in der Hoffnung, dieses Gespräch wäre bald beendet, so lange wie möglich hinausgeschoben wurde“, sagte die Schwester. „Doch die Hauptmahlzeit der Patientin ist lange überfällig, und die für ihre Pflege verantwortliche Person bekäme harte Worte zu hören, wenn sie zulassen würde, daß eine Patientin verhungert, die sich bereits auf dem Wege der Besserung befindet. Falls der Besucher ebenfalls Hunger hat und bei der Patientin bleiben möchte, kann ihm Essen bereitgestellt werden, das für den Metabolismus der tarlanischen Lebensform vielleicht nicht gerade schmackhaft, so doch geeignet ist.“

„Sehr freundlich“, willigte Lioren ein, dem zum erstenmal zu Bewußtsein kam, wie lange er sich mit Khone bereits unterhalten hatte und wie hungrig er war. „Vielen Dank.“

„Dann sollte das weitere Gespräch so lange aufgeschoben werden, bis das Essen serviert worden ist, und damit eine sittsame Terrestrierin nicht in Verlegenheit gebracht werden kann“, schlug die Oberschwester vor, wobei sie das gedämpfte Bellen von sich gab, das ihre Spezies als ̃̄„Lachen“ bezeichnete.

Als die Oberschwester die beiden verlassen hatte, erinnerte Khone den Tarlaner daran, daß sie mehr als einen Mund besaß und folglich in der Lage war, gleichzeitig zu essen und Fragen zu beantworten. Inzwischen hatte Lioren noch einmal über alles nachgedacht und war zu dem Schluß gekommen, daß die Auskünfte der Gogleskanerin, so interessant sie an sich sein mochten, seine Kenntnisse über eine mögliche Funktionsstörung des organischen Sende- und Empfangsmechanismus der telepathischen Fähigkeiten bei dem Groalterri nicht vergrößern würden. In entschuldigenden und unpersönlichen Worten teilte er der Gogleskanerin mit, daß er die Auskünfte nicht mehr benötige.

„Das ist eine große Erleichterung und kränkt die Gogleskanerin keinesfalls“, stellte Khone dazu fest. „Doch sie steht nach wie vor in der Schuld des Tarlaners. Gibt es noch andere Fragen, deren Beantwortung vielleicht hilfreich wäre?“

Eine ganze Weile starrte Lioren Khone wortlos an und verglich den kleinen, aufgerichteten, eiförmigen Körper einer erwachsenen Gogleskanerin mit dem von dem kleinen Groalterri Hellishomar, dem Messerheiler, der bis auf den letzten Millimeter eine ganze Station ausfüllte, die groß genug war, um ein Ambulanzschiff aufzunehmen, und versuchte, eine erneute höfiche Ablehnung zu formulieren. Doch auf einmal war er so verärgert, enttäuscht und hilflos, daß es ihn große Anstrengung kostete, eine geeignete unpersönliche Formulierung zu finden.

„Es gibt keine weiteren Fragen“, antwortete er schließlich.

„Weitere Fragen sollte es eigentlich immer geben“, widersprach Khone. Die zu Stacheln aufgerichteten Haarbüschel sanken herab, und der Körper sackte auf den Muskelwulst, so daß Lioren die Enttäuschung der Gogleskanerin regelrecht spüren konnte. „Ist das der Fall, weil der ungebildeten Gogleskanerin die Intelligenz fehlt, um diese Fragen zu beantworten, und der Tarlaner jetzt gehen möchte, ohne weitere Zeit zu vergeuden?“

„Nein“, antwortete Lioren in bestimmtem Ton. „Intelligenz sollte nicht mit Bildung verwechselt werden. Der Tarlaner benötigt Fachinformationen, die zu erfahren die Gogleskanerin gar keine Möglichkeit gehabt hat; deshalb ist es nicht Intelligenz, was ihr fehlt. Ganz im Gegenteil. Hat die Ärztin weitere Fragen?“

„Nein“, antwortete Khone prompt. „Die Ärztin hat eine Bemerkung zu machen, zögert aber, weil sie fürchtet, den Tarlaner zu kränken.“

„Er wird der Gogleskanerin ihre Bemerkung nicht übelnehmen“, versicherte Lioren.

Khone richtete sich wieder zu voller Größe auf. „Der Tarlaner hat — wie viele andere vor ihm — bewiesen, daß geteiltes Leid halbes Leid ist, doch in diesem Fall scheint das geteilte Leid nicht gleich groß zu sein. Der Vorfall auf Cromsag, gegen den das Problem mit dem bösen Teufel von Goglesk bedeutungslos erscheint, ist zwar ausführlich geschildert worden, die Auswirkungen, die dieses Ereignis auf die dafür verantwortliche Person hat, jedoch nicht. Viel ist über die verschiedenen Glaubensrichtungen und die Götter — oder möglicherweise den einen Gott — anderer Spezies gesagt worden, aber kein einziges Wort über den eigenen Gott des Tarlaners. Vielleicht ist der Gott von Tarla etwas Besonderes, oder er ist einfach anders und verfügt nicht über das Verständnis und die erbarmungsvolle Gerechtigkeit für die wichtigsten Teile seiner Schöpfung. Erwartet er von seinen Geschöpfen, überhaupt kein Unrecht zu begehen, nicht einmal versehentlich? Die Entschuldigung für das Schweigen des Tarlaners, daß er den Glauben anderer nicht ungerechterweise durch seine umfassenderen Kenntnisse beeinflussen möchte, ist zwar löblich, aber fast ein wenig fade; denn sogar eine ungebildete Gogleskanerin weiß, daß ein Glaube nicht durch eine logische Beweisführung verändert werden kann, selbst der nicht, der durch Selbstzweifel abgeschwächt wurde. Und dennoch spricht der Tarlaner offen über den Glauben anderer, während er sich über den eigenen ausschweigt.

Vermutlich ist der Tarlaner wegen der Schuld an den Todesfällen unter den Cromsaggi zutiefst bekümmert, wobei seine Schuldgefühle noch verstärkt werden, weil ihm die Strafe, die er für dieses ungeheure Verbrechen für angemessen hält, ungerechterweise vorenthalten worden ist“, fuhr Khone fort, bevor Lioren etwas sagen konnte. „Vielleicht strebt er sowohl nach Bestrafung als auch nach Vergebung und glaubt nun, beides werde ihm versagt.“

Es war offensichtlich, daß Khone eine Möglichkeit zu finden versuchte, ihm zu helfen, doch bisher war ihre etwas langatmige Bemerkung weder verletzend noch hilfreich gewesen, und das aus dem einsichtigen Grund, daß Lioren schlichtweg nicht zu helfen war.

„Wenn der Schöpfer aller Dinge unversöhnlich ist oder der Tarlaner nicht an die Existenz dieses Schöpfers glaubt, kann er keine Vergebung erlangen“, fuhr Khone fort. „Oder anders ausgedrückt, wenn der Tarlaner an Gott oder — falls er ungläubig ist und eine nichtreligiöse Bezeichnung vorzieht — an das Gute glaubt, das in allen intelligenten Lebewesen ständig gegen das Böse kämpft, nicht aber an Vergebung, dann wird er natürlich auch nicht imstande sein, sich selbst zu vergeben. Der Vorfall auf Cromsag kann nicht ganz und gar vergessen werden, und die psychischen Wunden sind nicht vollständig zu heilen, doch das Unrecht muß vergeben werden, wenn die Qual des Tarlaners gelindert werden soll.

Deshalb rät und empfiehlt die Gogleskanerin dem Tarlaner dringend, die Vergebung von anderen zu erbitten“, beendete Khone ihre Ausführungen.

Doch ihre Bemerkung war nicht nur langatmig und in keiner Weise verletzend gewesen, sondern obendrein auch reine Zeitverschwendung. Lioren hatte Mühe, seine Ungeduld zu zügeln, als er fragte: „Von anderen Göttern, die moralisch weniger hohe Anforderungen stellen? Von wem denn genau?“

„Ist das nicht klar?“ fragte Khone in einem Ton, der nicht weniger Ungeduld verriet als Liorens. „Von den Wesen, denen so schweres Unrecht geschehen ist: von den überlebenden Cromsaggi!“

Einen Moment lang war Lioren durch diesen Vorschlag dermaßen schockiert und beleidigt, daß er kein Wort herausbekam. Er mußte sich ins Gedächtnis rufen, daß man die Zielscheibe des Spotts genau kennen muß, um einer Beleidigung Wirkung zu verleihen; Khones Beleidigung hingegen beruhte auf völliger Unwissenheit.

„Ausgeschlossen!“ widersprach er heftig. „Tarlaner entschuldigen sich nicht. Es ist zutiefst erniedrigend, wie die Tat eines ungezogenen Kinds, das versucht, den Unwillen eines Elternteils zu verringern oder zu vertreiben. Die geringen Verfehlungen von Kindern können von denjenigen vergeben werden, denen Unrecht geschehen ist, aber Tarlaner, erwachsene Tarlaner, nehmen die volle Verantwortung und die Strafe für jedes Verbrechen auf sich, das sie begangen haben, und würden weder sich selbst noch demjenigen, dem sie Unrecht zugefügt haben, durch eine Entschuldigung Schande machen. Übrigens sind die Patienten auf der Station für Cromsaggi geheilt und stehen eigentlich eher unter Beobachtung, als daß sie noch medizinisch behandelt werden müßten. Wahrscheinlich würden sie vor Haß wahnsinnig werden und mein Leben sofort beenden.“ „Ist das nicht genau das Los, das sich der Tarlaner gewünscht hat?“ hakte Khone nach. „Oder hat er seine Meinung diesbezüglich geändert?“

„Nein“, antwortete Lioren. „Ein zufälliger Tod würde alle Probleme lösen. Aber eine. eine Entschuldigung ist undenkbar!“

Einen Augenblick lang schwieg Khone; dann sagte sie: „Von der Gogleskanerin wird erwartet, daß sie die ihr durch die Evolution aufgezwungene geistig-seelische Ausrichtung durchbricht, in neuen Bahnen denkt und sich auf ganz andere Weise verhält. Vielleicht hält sie in ihrer Unwissenheit die Anstrengungen, die erforderlich sind, um das Böse in ihren Gedanken zu überwinden, für gering im Vergleich zu denen, die nötig sind, um sich bei einem anderen denkenden Wesen für einen gutgemeinten Fehler zu entschuldigen.“

Sie versuchen, zwei persönliche Übel miteinander zu vergleichen, dachte Lioren.

Auf einmal sah, hörte und spürte er Cromsaggi, die mitten in den schmutzigen Ruinen einer Zivilisation, die sie selbst zerstört hatten, miteinander kämpften, sich paarten oder starben. Er sah sie nach der exzessiven Selbstvernichtung, die seine überstürzte Behandlung heraufbeschworen hatte, hilflos in sterilen Betten auf medizinischen Stationen und übereinandergestürzt in leblosen Haufen liegen. Die Erinnerung an ihren Anblick, an ihre Stärke und an die enge Berührung mit ihnen brach wie eine haushohe Gefühlswelle über ihn herein, zu der auch der Eindruck gehörte, von einer ganzen Station voller Cromsaggi in Stücke gerissen zu werden, die versuchten, sich an ihm für den Tod ihrer Spezies zu rächen. Bei dem Wissen, daß sein Leben bald vorüber und seine Schuld beglichen sein würde, empfand er eine eigenartige Genugtuung und tiefen Frieden. Und dann zogen diejenigen Ereignisse vor seinem geistigen Auge auf, die in so einem Fall wahrscheinlich waren: Bilder von diensthabenden Schwestern und Pflegern, von unter hoher Schwerkraft lebenden Tralthanern oder Hudlarern, die die Groalterri bändigten und ihn retteten, bevor ihm etwas Ernsthaftes passieren konnte; und er stellte sich seine lange, einsame Genesungszeit vor, in der er sich mit nichts anderem würde beschäftigen können als mit den furchtbaren, unabwendbaren Erinnerungen an das, was er den Cromsaggi angetan hatte.

Khones Vorschlag war geradezu lächerlich. Das entsprach nicht dem Verhalten, das von einem ehrbaren Tarlaner erwartet wurde, der zu einer Gesellschaft gehörte, in der es in der Tat nur sehr wenigen an Ehrgefühl mangelte. Einen Fehler einzugestehen, der bereits allen in die Augen sprang, war überflüssig. Sich für einen Fehler in der Hoffnung zu entschuldigen, die angemessene Strafe abzumildern, war geradezu schändlich und feige und das Kennzeichen eines moralisch verdorbenen Geistes. Und anderen die innersten Gedanken und Gefühle zu offenbaren war unvorstellbar. Das war nicht tarlanische Art.

Wie ihm Khone gerade ins Gedächtnis zurückgerufen hatte, war es genausowenig gogleskanische Art, das Böse in den Gedanken zu bekämpfen oder den Körper von jemandem aus anderen Gründen zu berühren, als sich fortzupflanzen oder das Kind zu trösten. Und es gehörte sich auch nicht, ein anderes Wesen, bei dem es sich nicht um den Lebensgefährten, einen Elternteil oder Nachkommen handelte, anders als in der kürzesten und unpersönlichsten Form anzusprechen, doch all das versuchte Khone zu tun.

Allmählich änderte Khone ihre Lebensweise, genau wie der Beschützer der Ungeborenen. Die Veränderungen, die beide Spezies zu vollziehen hatten, waren für sie außerordentlich schwierig und erforderten eine ständige, gewaltige Willenskraft, doch im Gegensatz zu dem, was Khone Lioren vorgeschlagen hatte, handelte es sich dabei nicht um feige und moralisch verwerfliche Handlungen. Und plötzlich dachte er an Hellishomar, dessen Zustand sowohl der Grund für seine gegenwärtigen Nachforschungen über die telepathischen Fähigkeiten anderer Spezies als auch die Ursache für seinen momentanen psychischen Aufruhr war.

Auch der junge Groalterri kämpfte mit sich selbst. Entgegen all seinen natürlichen Instinkten, seiner Ausbildung als Messerheiler und den Lehren seiner fast unsterblichen Eltern hatte er sich verändert und gezwungen, etwas wirklich Verwerfliches zu tun.

Hellishomar hatte versucht, sich das Leben zu nehmen.

„Ich brauche Hilfe“, sagte Lioren.

„Das Bedürfnis nach Hilfe ist ein Eingeständnis persönlicher Unzulänglichkeit“, entgegnete Khone. „Bei jemandem, der stolz ist und über Ansehen verfügt, könnte das als erster Schritt zu einer Entschuldigung betrachtet werden. Leider bin ich nicht in der Lage zu helfen. Weißt du, wo oder von wem du diese Hilfe bekommen kannst?“

„Ich weiß, wen ich fragen muß“, antwortete Lioren und verstummte dann, als ihm schlagartig bewußt wurde, daß er und Khone beim letzten Wortwechsel völlig vergessen hatten, sich der unpersönlichen gogleskanischen Anredeform zu bedienen, und sich wie enge Verwandte miteinander unterhalten hatten. Was das bedeutete, wußte er nicht, und er wollte es nicht riskieren, Khone um Aufklärung zu bitten, denn die Gogleskanerin hätte ihn mißverstanden.

Aus Khones Äußerung ging klar hervor, daß sie angenommen hatte, er wünschte sich Hilfe bei seinen eigenen Problemen bezüglich des Vorfalls auf Cromsag, während er in Wirklichkeit dringend fachliche Unterstützung in Hellishomars Fall benötigte. Zuallererst mußte er O'Mara darum bitten, dann Conway, Thornnastor, Seldal und diejenigen, die sie sonst noch leisten konnten. Er gestand sich ein, daß er sich selbst nicht dafür eignete und der Versuch, das Problem durch die Befragung telepathischer Lebensformen im Alleingang zu lösen, nur ein Mittel gewesen war, um die eigene Eitelkeit zu besänftigen, und sich obendrein als unverzeihliche Zeitvergeudung entpuppt hatte.

Andere um Hilfe zu bitten — was notwendigerweise einen Mangel an Wissen und Können seinerseits verriet — war nicht tarlanische Art. Doch ihm war schon von vielen Mitarbeitern des Hospitals geholfen worden, oftmals, ohne von ihm darum gebeten worden zu sein, und er rechnete nicht damit, daß eine Wiederholung dieses schmachvollen Vorgangs bei ihm zu einem schweren seelischen Trauma führen würde.

Als er ein paar Minuten später Khones Station verließ, fragte sich Lioren, ob sich allmählich seine eigenen Denkgewohnheiten änderten. Natürlich nur ein klein bißchen.

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