17. Kapitel

Liorens nächster Besuch bei Hellishomar war sowohl sehr nützlich als auch äußerst frustrierend. Der Groalterri erzählte Lioren viel über das Leben und das Verhalten der Kleinen und gestattete ihm, diese Informationen auch mit anderen zu erörtern, doch schien er sich zu ausführlich über ein Thema zu äußern, das ihm überhaupt nicht am Herzen lag. Zwar dürften die Einzelheiten, die Lioren über die Gesellschaft der Kleinen auf Groalter erfuhr, beim Monitorkorps auf Begeisterung stoßen, doch gewann der Tarlaner den nachhaltigen Eindruck, daß der Patient nur redete, um zu vermeiden, über ein anderes Thema sprechen zu müssen. Nachdem sich Lioren drei Stunden lang Informationen angehört hatte, die sich allmählich wiederholten, verlor er schließlich die Geduld.

In der nächsten Pause warf er rasch ein: „Hellishomar, ich freue mich und bin Ihnen für diese Auskünfte über Ihren Heimatplaneten genauso dankbar, wie es meine Kollegen sein werden. Aber ich würde lieber etwas über Sie hören, und ich habe den Eindruck, Sie würden es ebenfalls vorziehen, über sich selbst zu sprechen.“

Der Groalterri schwieg.

Lioren zwang sich zur Geduld und versuchte, die passenden ermutigenden Worte zu finden. Indem er langsam sprach und viele Pausen einlegte, um Hellishomar jede denkbare Gelegenheit zu bieten, auf seine Fragen einzugehen, erkundigte er sich: „Sind Sie wegen Ihrer Verletzungen beunruhigt? Das ist unnötig, denn wie mir Seldal versichert, schreitet die Behandlung gut voran, auch wenn sie sich aufgrund des Größenunterschieds zwischen Chirurg und Patient ein wenig in die Länge zieht. Jedenfalls ist Ihr Leben durch die Infektion, die sich in Ihrem ganzen Körper ausgebreitet hat, nicht mehr bedroht. Sie sind doch selbst ein geschickter Messerheiler und werden von den Kleinen bestimmt außerordentlich geschätzt, die Sie bald wieder auf Ihrem Planeten willkommen heißen werden, damit Sie sich von neuem daran machen können, das Leben der Eltern zu verlängern, nicht wahr? Zweifellos müssen diese leidenden Eltern Sie wegen Ihres chirurgischen Geschicks ebenfalls sehr achten, das Sie ja nach wie vor anwenden können, wenn.“

„Ich bin zu groß geworden, um den Eltern zu helfen oder als Messerheiler weiterzuarbeiten“, fiel ihm Hellishomar plötzlich ins Wort. „Die Kleinen werden mich auch nicht mehr wollen. Für die bin ich nichts weiter als ein Versager, dessen sich alle schämen müssen, und ich selbst schäme mich wegen der großen Sünde, die ich begangen habe, gleich doppelt.“

Lioren wünschte sich, mehr Zeit zu haben, um über die ganze Tragweite dieser Mitteilung nachzudenken, und sein Bedürfnis, Hellishomar eingehender zu diesem Punkt zu befragen, war wie ein großer geistiger Hunger. Doch damit drang er in einen empfindlichen Bereich ein, auf den er schon einmal erfolglos zu sprechen gekommen war. Zu viele Fragen zu diesem Thema könnten Hellishomar wie ein Verhör vorkommen und ihn sogar zu dem Schluß kommen lassen, Lioren hätte vor, ihn zu verurteilen oder ihm irgendeine Schuld anzulasten. Liorens Instinkte sagten ihm, daß dies nicht der richtige Zeitpunkt für weitere Fragen war, sondern eher für weitere moralische Unterstützung.

„Aber Ihre chirurgische Erfahrung ist doch sicherlich im gleichen Maße gewachsen wie Ihr Körper“, gab Lioren zu bedenken. „Jedenfalls haben Sie so etwas Ähnliches selbst einmal gesagt. Bei vielen Spezies der Föderation macht ein Lebewesen, das große Kenntnisse erworben hat, die damit zusammenhängende körperliche Arbeit jedoch nicht mehr erledigen kann, dieses Wissen den jungen und weniger erfahrenen Berufskollegen zugänglich. Sie könnten Lehrer werden, Hellishomar. Ihre Kenntnisse könnten an andere Kleine weitergegeben werden, die Ihnen dafür sicherlich genauso dankbar wären wie die Eltern für die Leben, die Sie dadurch indirekt retten würden. Habe ich nicht recht?“

Hellishomars gewaltige Tentakel bewegten sich unruhig hin und her und hoben und senkten sich wie große Wellen aus Fleisch auf einem organischen Ozean. „Nein, Sie irren sich, Lioren. Die Kleinen werden so tun, als sei ich gar nicht vorhanden, so daß mich meine Scham in das Sumpfgebiet treiben wird, und zwar in den einsamsten und unwirtlichsten Winkel, den ich dort finden kann. Und die Eltern. die Eltern werden mich einfach nicht beachten und erst recht keinen telepathischen Kontakt zu mir aufnehmen. Das, was mit mir geschehen wird, hat sich in der groalterrischen Geschichte auch schon früher zugetragen, glücklicherweise allerdings nur wenige Male. Ich werde für mein ganzes langes Leben ein Ausgestoßener bleiben und mit meinen eigenen Gedanken und meiner gesellschaftlichen Schuld leben müssen, denn das ist die Strafe, die ich verdiene.“

Für Lioren, dem plötzlich wieder der eigene Kummer und die Schuld, die er auf sich geladen hatte, einfielen, waren diese Worte ein Widerhall dessen, was er sich selbst so oft vorgehalten hatte, und einen Augenblick konnte er an nichts anderes denken als an die Cromsaggi. Verzweifelt versuchte er, seine Gedanken wieder auf Hellishomars Sünde zu lenken, die unmöglich so schwerwiegend sein konnte wie das Verbrechen, die ganze Bevölkerung eines Planeten ausgerottet zu haben. Vielleicht war einer der Kleinen oder auch ein Elternteil gestorben, weil Hellishomar irgend etwas getan oder auch nicht getan hatte. Jedenfalls konnte es nach Liorens Dafürhalten nichts geben, das mit seinem Verbrechen Wirklich vergleichbar war.

Mit unsicherer Stimme sagte er: „Ob Sie Ihre Strafe verdient haben, kann ich erst wissen, wenn Sie mir von dem Verbrechen oder der Sünde, die Sie begangen haben, erzählen. Von groalterrischer Philosophie oder Theologie habe ich keine Ahnung, und falls Sie über diese Themen sprechen dürfen, würde ich mich freuen, etwas von Ihnen darüber zu erfahren. Doch durch meine jüngsten Untersuchungen weiß ich, daß alle Religionen, die innerhalb der Föderation ausgeübt werden, eine Gemeinsamkeit besitzen, und das ist die Vergebung aller Sünden. Sind Sie sich dessen so sicher, daß Ihnen die Eltern nicht vergeben werden?“

„Die Eltern sind nicht mit meinem Verstand in Verbindung getreten“, antwortete Hellishomar. „Da sie das nicht getan haben, bevor ich Groalter verlassen habe, wird dies auch nie geschehen.“

„Sind Sie sich da wirklich ganz sicher?“ hakte Lioren noch einmal nach.

„Wußten Sie schon, daß die Eltern Kontakt zu dem Verstand des kommandierenden Offiziers des Schiffs aufgenommen hatten, das Ihren Heimatplaneten umkreist? Diese Verbindung ist ganz leicht und fast nicht zu bemerken gewesen, und es war das erste und einzige Mal, daß ein Groalterri in direkten Kontakt zu einem Außerplanetarier getreten ist, aber dennoch ist der Captain genau zu der Stelle geleitet worden, an der Sie im Sterben gelegen haben.“

Ohne Hellishomar Zeit zu einer Antwort zu lassen, fuhr Lioren fort: „Wie Sie mir bereits erzählt haben, sind die Eltern von ihrer philosophischen Einstellung her außerstande, jemandem körperlichen Schaden oder Schmerzen zuzufügen. Unter den Kleinen verfügen Ihren Angaben zufolge selbst die geschicktesten Messerheiler über zu primitive und unausgereifte Methoden, um eine Operation an einem ihrer Altersgenossen vorzunehmen; krank werden überhaupt nur die ältesten und größten Eltern, die Kleinen hingegen nie. Weiterhin steht fest, daß Ihre jungen Messerheilerkollegen nie die Feinheit und Präzision der Arbeit erreichen können, wie sie Seldal leistet. Daß dies so ist, wissen Sie, und außerdem ist Ihnen bekannt, daß Sie selbst tot wären, wenn man Sie nicht ins Orbit Hospital eingeliefert hätte.

Da es sich hierbei also um Tatsachen handelt“, fuhr Lioren schnell fort, „ist es da nicht möglich oder im Grunde sogar absolut sicher, daß Ihnen die Eltern, die für Ihre Einlieferung ins Orbit Hospital verantwortlich sind, bereits vergeben haben? Haben diese Eltern durch ihre Bereitschaft, mit der groalterrischen Tradition zu brechen, außerplanetarische Spezies niemals um Hilfe zu bitten, nicht den Beweis erbracht, daß sie Ihnen vergeben haben, Sie schätzen und alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um Ihnen zu helfen, wieder ganz und gar gesund zu werden?“

Während Lioren gesprochen hatte, war der gewaltige Körper des Patienten zwar absolut bewegungslos geblieben, doch handelte es sich dabei um eine Reglosigkeit, die eher auf starke Muskelanspannung als auf Gemütsruhe zurückzuführen war. Folglich hoffte Lioren, daß der hudlarische Pfleger am Traktorstrahlenprojektor die Lage weiterhin aufmerksam verfolgte und jederzeit bereit war, ihn im Notfall sofort aus dem Gefahrenbereich zu reißen.

„Die Eltern haben zu einem fremden und geistig zurückgebliebenen Außerplanetarier gesprochen, aber nicht zu mir“, antwortete Hellishomar schließlich.

Sei vorsichtig, ermahnte sich Lioren, du könntest es hier mit einem sehr verletzten und äußerst wütenden Groalterri zu tun haben.

„Wieso hätten sie das denn tun sollen? Nach dem, was Sie mir vorhin erzählt haben, hatte ich angenommen, für die Eltern würde es gar keinen Grund geben, mit dem Verstand eines Kleinen Verbindung aufzunehmen. Sollte ich mich geirrt haben? Was haben die Eltern zu Ihnen gesagt?“

Hellishomars riesige Muskeln kämpften immer noch gegeneinander an, waren sich jedoch so ebenbürtig, daß der Körper reglos blieb. „Sollten Sie tatsächlich weniger intelligent sein, als ich vermutet habe, Lioren? Haben Sie denn nicht begriffen, daß die Kleinen nicht immer und ewig die Kleinen bleiben? Um uns auf den Übergang in das Erwachsensein vorzubereiten, treten die Eltern mit unserem Verstand behutsam in Verbindung und unterweisen uns in den großen Gesetzen, die dem langen Leben der Erwachsenen als Leitfaden dienen und für alle verbindlich sind. Wir erfahren die Gründe, warum sie trotz Krankheiten und körperlichen Schmerzen danach streben, so lange wie möglich zu leben — nämlich damit sie ausreichend auf den Tod vorbereitet sind. All diese Gesetze werden von Lehrern, die noch zu den Kleinen gehören, aber bereits am Rande des Erwachsenseins stehen, in vereinfachter Form an die jüngsten unter uns weitergegeben.

Ich habe geduldig darauf gewartet, daß die Eltern zu mir sprechen, weil ich alt und groß geworden bin und mittlerweile mit Fug und Recht ein junger Elternteil hätte sein müssen“, fuhr Hellishomar fort. „Aber sie sprechen nicht zu mir. Wie ich schon erwähnt habe, gibt es in der groalterrischen Geschichte — zum Glück — nur einige wenige Beispiele für meine Situation, deshalb wußte ich, daß ein langes, einsames, unglückliches und ereignisloses Geistesleben vor mir liegt. In meiner großen Verzweiflung habe ich daraufhin die schwerste Sünde von allen begangen, und jetzt werden die Eltern niemals zu mir sprechen.“

Als Lioren die Tragweite dessen, was der Groalterri gerade gesagt hatte, begriff, wurde er von einer Woge des Mitgefühls ergriffen, und gleichzeitig stieg in ihm wachsende Aufregung auf, da er kurz davor stand, Hellishomars Problem voll und ganz zu verstehen. Er erinnerte sich an Seldals Beschreibung des Gesundheitszustands des Patienten und an Hellishomars beharrliche Beteuerung, die Kleinen seien gegen Krankheiten immun. Jetzt kannte er die schwere Sünde, die Hellishomar begangen hatte, weil Lioren selbst drauf und dran gewesen war, sie zu begehen.

Er wünschte, er fände eine Möglichkeit, wie er dieses schwer geplagte Wesen trösten oder dessen innere Qualen lindern könnte, die ihm durch das Wissen bereitet wurden, inmitten der eigenen hochintelligenten Art geistig zurückgeblieben zu sein. Das war nämlich der Grund gewesen, weshalb sich Hellishomar das Leben hatte nehmen wollen.

„Wenn die Eltern normalerweise nur zu den Kiemen, die sich dem Erwachsenenalter nähern, eine geistige Verbindung aufnehmen und zu ihnen sprechen, damals aber zum erstenmal in Kontakt zu einem außerplanetarischen Schiffskapitän getreten sind, weil sie gehofft haben, Ihre Verletzungen könnten erfolgreich behandelt werden, dann müssen Sie von ihnen äußerst geschätzt, vielleicht sogar sehr geliebt werden“, sagte er in freundlichem Ton. „Der Grund, weshalb die Eltern nicht zu Ihnen sprechen und Ihnen das sagen, ist der, daß Sie sie nicht hören können. Habe ich recht, Hellishomar?“

„Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß Sie recht haben“, bestätigte Hellishomar.

„Möglicherweise wird ihr zukünftiges Leben gar nicht einsam sein“, fuhr Lioren fort, wobei er es sorgfältig vermied, Hellishomars andere Schande in irgendeiner Weise zu erwähnen. „Wenn die Kleinen aus Verlegenheit oder aus anderen Gründen nicht mit Ihnen sprechen und Sie die Worte der Eltern nicht hören können, dann gibt es andere, die liebend gern mit Ihnen reden, Ihnen zuhören und von Ihnen lernen wollen. Die Fremdweltler würden sich freuen, auf dem polaren Festland einen Stützpunkt zu errichten und ihn für Sie so gemütlich wie möglich zu gestalten. Falls die Eltern dies nicht erlauben, könnten Sie mit Kommunikationsgeräten ausgestattet werden, die den Sprechverkehr in beide Richtungen ermöglichen, der von der Umlaufbahn aus aufrechterhalten wird. Zugegebenermaßen wäre das nicht so befriedigend wie der unbeschränkte telepathische Kontakt mit den Eltern, doch die Fremdweltler und Sie selbst könnten sich gegenseitig viele Fragen stellen und beantworten. Denn deren Neugier auf die Groalterri ist genauso groß wie Ihre auf die Föderation, und sie zu stillen wird ziemlich lange dauern. Viele unserer großen Denker behaupten, für ein wahrhaft intelligentes Wesen sei die Befriedigung der Neugier das höchste und beständigste aller Vergnügen. Sie wären nicht allein, Hellishomar, und es gäbe eine Fülle von Dingen, mit denen Sie Ihren Verstand beschäftigen könnten.“

Obwohl Hellishomars Muskeln immer noch angespannt waren, geriet sein Körper unter und rings um Lioren in Bewegung.

„Ihre Verbindung zu den Fremdweltlern würde nicht nur aus bloßen Wortwechseln oder den mündlichen Fragen, Antworten und Beschreibungen bestehen, die wir beide uns gegenseitig gestellt beziehungsweise gegeben haben“, fuhr Lioren schnell fort. „Wenn Sie wieder gesund sind, wird man Ihnen Großbildgeräte zur Verfügung stellen. Die Bilder werden dreidimensional und durchgehend farbig sein. Sie werden Ihnen nicht nur den physikalischen Aufbau der Galaxis zeigen, in der wir leben, und den winzigen Bruchteil von ihr, der von den Spezies der Föderation bewohnt wird, sondern Ihnen auch so detailliert, wie Sie wünschen, die Wissenschaften, die Kulturen und die Philosophien der vielen und völlig verschiedenen intelligenten Lebensformen vor Augen führen, die Mitglieder der galaktischen Föderation sind. Man könnte Vorkehrungen treffen, die es Ihnen ermöglichen, diese Lebensformen zu befragen und in optisch und akustisch realistischer Darstellung unter vielen dieser Spezies zu leben. Ihr Leben wäre zwar lang, Hellishomar, aber auch reich an Eindrücken und interessant, wodurch das Fehlen des geistigen Kontakts zu den Eltern nicht so.“

„Nein!“

Wieder pfiff die rasiermesserscharfe Knochenplatte an der Spitze einer der zum Operieren verwandten Tentakel an Liorens Kopf vorbei und krachte gegen die Wandverkleidung. Durch die Überraschung und Furcht war Lioren sowohl körperlich als auch geistig wie gelähmt, allerdings nur für einen Sekundenbruchteil. Noch bevor der metallische Nachhall verklungen war, sprach er bereits in eindringlichem Ton mit dem hudlarischen Pfleger im Stationszimmer und wies ihn an, ihn nicht aus der Station herauszuziehen. Hätte ihn Hellishomar mit der scharfen Knochenplatte wirklich treffen wollen, wäre er jetzt ein blutiger, zerstückelter Leichnam gewesen. Mühsam zwang sich Lioren, ruhig zu sprechen.

„Bin ich Ihnen zu nahe getreten?“ erkundigte er sich vorsichtig. „Ich verstehe das nicht. Wenn niemand sonst mit Ihnen reden will, warum lehnen Sie dann den Kontakt mit der Födera.“

„Hören Sie sofort auf, davon zu sprechen!“ schnitt ihm Hellishomar mit der lauten und monotonen Stimme von jemandem das Wort ab, der sich selbst nicht sprechen hören konnte. „Ich bin es nicht wert, und Sie verleiten mich zu einer noch größeren Sünde.“

Über diese plötzliche Veränderung im Verhalten des Groalterris war Lioren zwar zutiefst verwundert, doch entschloß er sich, über die verbalen Äußerungen und Umstände, die letztendlich zu dieser Reaktion geführt hatten, erst ein andermal ernsthafter nachzudenken. Er hoffte, das Sprechverbot bezog sich nur auf dieses eine, offenbar allzu heikle Thema, worum es sich dabei auch drehen mochte. Doch jetzt mußte er sich entschuldigen, ohne zu wissen wofür.

„Ich habe Sie gekränkt, Hellishomar, das ist nicht meine Absicht gewesen, und es tut mir aufrichtig leid. Mit welcher Äußerung habe ich Sie verletzt? Wir können über ein Thema Ihrer Wahl sprechen. Zum Beispiel über die Arbeit des Orbit Hospitals oder über die ständige Suche des Monitorkorps nach bewohnten Planeten in den unerforschten Regionen unserer Galaxis oder über wissenschaftliche Disziplinen, die in der Föderation ausgeübt werden und die man auf einem von Wasser bedeckten Planeten wie Groalter nicht kennt.“

Lioren brach mitten im Satz ab, da ihm Körper und Zunge gleichermaßen vor Angst erstarrten. Die rasiermesserscharfe Schneide einer Knochenplatte war auf ihn zugebraust und hatte erst Millimeter vor seinem Oberkörper und seinem Gesicht haltgemacht. Ein Stückchen höher, und sie hätte ihm zwei seiner Augenstiele abrasiert. Plötzlich drückte ihm die Knochenplatte mit der flachen Seite heftig gegen Kinn, Brust und Bauch und schob ihn beiseite. Hellishomars Tentakel entrollte sich weiter, bis er ganz ausgestreckt war, und die Knochenplatte wurde erst zurückgezogen, als sie Lioren in den Eingang zum Stationszimmer gedrängt hatte.

„Offiziell habe ich nichts gehört“, sagte der diensthabende hudlarische Pfleger, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß Lioren unverletzt war, „aber inoffiziell würde ich sagen, der Patient möchte sich nicht mit Ihnen unterhalten.“

„Der Patient braucht Hilfe.“, begann Lioren.

Dann verstummte er, weil seine Gedanken den Worten weit vorauseilten. Aus dem letzten Gespräch mit Hellishomar entwickelte sich zusammen mit den Kenntnissen über die groalterrische Zivilisation, zu denen er bereits durch Erkundigungen oder Schlußfolgerungen gelangt war, vor seinem geistigen Auge ein Bild, das mit jeder Sekunde klarer wurde. Auf einmal wußte er, was mit und für Hellishomar getan werden mußte und auch mit denjenigen, die diese Aufgabe vollbringen konnten, obwohl ihm schwere moralische und ethische Bedenken kamen, die ihn sehr bedrückten. Dennoch war er sich sicher — oder zumindest so sicher, wie er es vor solch einem Vorhaben sein konnte — , daß er die Sache richtig anpacken würde. Aber das hatte er auch schon bei einer früheren Gelegenheit geglaubt, bei der er ebenfalls recht gehabt hatte und in seiner Selbstsicherheit stolz und ungeduldig gewesen war, was fast zum Tod der gesamten Bevölkerung eines Planeten geführt hatte. Die Verantwortung für die Vernichtung einer weiteren Planetenzivilisation wollte er nicht übernehmen, jedenfalls nicht allein, „.und ich ebenfalls“, beendete er den Satz.

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