2. Eine Schlacht im Wald

Tars Tarkas und ich fanden keine Zeit für ein Plauderstündchen, als wir, inmitten der Leichen unserer grotesken Angreifer, vor dem großen Felsen standen. Aus allen Himmelsrichtungen strömten die furchteinflößenden Kreaturen herbei und folgten dem unheimlichen Ruf der seltsamen Gestalt hoch oben in der Felswand.

»Komm, laß uns versuchen, die Felsen zu erreichen!« rief Tars Tarkas. »Nur dort haben wir eine Chance, ihnen für kurze Zeit zu entkommen. Vielleicht finden wir eine Höhle oder einen kleinen Felsvorsprung, so etwas können zwei Krieger ewig gegen eine solche unbewaffnete und unorganisierte Horde verteidigen.«

Wir stürmten über den scharlachfarbenen Rasen, wobei ich mich etwas zügelte, um meinen langsameren Gefährten nicht zurückzulassen. Bis zu den Klippen waren es etwa dreihundert Yard, dann mußten wir nur noch eine geeignete Barriere finden, von der aus wir unseren entsetzlichen Verfolgern Einhalt gebieten konnten.

Unser Vorsprung wurde zusehends kleiner, da rief Tars Tarkas mir zu, ich solle vorauslaufen und bereits nach einem günstigen Platz Ausschau halten. Das war eine gute Idee, denn so konnten wir viele wertvolle Minuten sparen. Ich lief aus Leibeskräften und war nach wenigen Sätzen am Fuß des Felsens.

Jäh stiegen die Felsklippen vom beinahe ebenen Boden auf. Ungleich den meisten Felsen, die ich bisher gesehen habe, hatte sich unten kein Geröll angesammelt, das einem das Klettern erleichtert hätte. Die abgesprengten größeren Felsbrocken, die von oben heruntergestürzt waren, nun auf der Erde lagen oder sich teilweise darin vergraben hatten, wiesen als einziges darauf hin, daß dieses steil aufragende Massiv überhaupt der Verwitterung ausgesetzt war.

Beim ersten oberflächlichen Blick auf die Felswand packte mich helle Angst, denn nirgendwo war etwas zu sehen, das in irgendeiner Form eine Zuflucht bot, abgesehen von dem natürlichen Balkon, von dem der unheimliche Herold noch immer seine schrille Botschaft verkündete.

Zu meiner Rechten führte der Felsen ins Dickicht des Waldes, der am Massiv endete und sich mit seinem prächtigen Laubwerk bis tausend Fuß über dem Erdboden gegen seinen schroffen und abweisenden Nachbarn schmiegte.

Zu meiner Linken sah ich nur Felswand, sie bildete die Stirnseite des breiten Tales und verlor sich schließlich in einer Kette des mächtigen Gebirges, von dem das Flachland eingeschlossen war.

Etwa tausend Fuß von mir entfernt schien der Fluß aus dem Felswerk hinauszubrechen. Dort bot sich mir meines Erachtens jedoch keinerlei Fluchtweg, und so wandte ich mich wieder dem Wald zu.

Der Felsen ragte über mir reichlich fünftausend Fuß in die Höhe. Die Sonne stand noch nicht im Zenit, so daß er halb im Schatten lag. Hier und da wurde das düstere Gelb des Gesteins von dunkelroten und grünen Streifen und Flecken, gelegentlich auch von weißem Quarz durchbrochen.

Es war ein großartiger Anblick, doch fürchtete ich, daß ich ihm im ersten Moment nicht die nötige Würdigung entgegenbrachte.

Jetzt dachte ich nur an Flucht, und während mein Blick auf der Suche nach einer Spalte immer wieder erfolglos über diese riesige Fläche schweifte, packte mich plötzlich unbändiger Haß, wie ihn ein Häftling für die grausamen und undurchdringlichen Wände seines Kerkers empfinden muß.

Tars Tarkas kam zusehends näher, doch noch schneller war die schreckliche Horde, die sich an seine Fersen geheftet hatte.

Das bedeutete, daß uns wohl nur der Weg in den Wald übrigblieb. Gerade wollte ich Tars Tarkas Zeichen geben, mir dorthin zu folgen, als die Sonne über der Felsspitze aufstieg. Die hellen Strahlen trafen auf die düstere Oberfläche, und augenblicklich brachen Millionen sprühender Funken von glänzendem Gold, flammendem Rot, sanftem Grün und strahlendem Weiß aus ihr hervor – kein menschliches Auge bekam jemals ein prächtigeres und bezaubernderes Bild zu sehen.

Wie sich bei einer späteren Untersuchung endgültig herausstellte, durchzogen Adern und Erznester aus massivem Gold die Felswand, daß es beinahe so wirkte, als bestünde sie ausschließlich aus diesem wertvollen Metall, außer jener Stellen, an denen Blöcke von Rubinen, Smaragden und Diamanten zutage traten – nur ein schwacher und verlockender Hinweis auf die unermeßlichen und unschätzbaren Reichtümer, die tief hinter dieser prächtigen Oberfläche verborgen lagen.

Doch was mich in diesem Moment, als die Sonne die Felswand zum Erstrahlen brachte, am meisten fesselte, waren mehrere schwarze Flecken, die sich deutlich sichtbar hoch oben auf der prachtvollen Wand neben den Baumwipfeln abzeichneten und offenbar hinter dem Geäst weiterführten.

Augenblicklich erkannte ich, worum es sich dabei handelte: Es waren die Eingänge zu Höhlen in der Felswand. Erreichten wir sie, boten sie vielleicht einen Fluchtweg oder wenigstens vorübergehend Schutz.

Es gab nur einen Weg, und der führte über die gewaltigen, hoch aufragenden Bäume zu unserer Rechten. Daß ich sie erklimmen konnte, wußte ich, doch für jemanden mit der Größe und dem Gewicht von Tars Tarkas stellte es eine schier unlösbare Aufgabe dar, denn die Marsmenschen sind, gelinde gesagt, nur armselige Kletterer. Auf dem ganzen Planeten habe ich nicht einen Berg von mehr als viertausend Fuß Höhe gesehen, gemessen vom Grund der ausgetrockneten Meere, und da der Boden bis zu den Gipfeln sanft ansteigt, bieten diese kaum Übungsmöglichkeiten. Auch hätte kaum ein Marsmensch das Klettern üben mögen, denn es fand sich immer ein Weg, der am Fuße des Berges entlangführte, und diesen zogen sie dem kürzeren, aber mühevolleren Aufstieg vor.

Doch diesmal blieb uns nichts weiter übrig, als an einem der Bäume neben dem Felsen zu den Höhlen nach oben zu klettern.

Der Thark verstand sofort die Schwierigkeiten dieses Vorhabens, aber wir hatten keine andere Wahl, und so rannten wir los.

Unsere unnachgiebigen Verfolger hatten sich so dicht an unsere Fersen geheftet, daß es schien, als könne der Jeddak der Thark niemals vor ihnen den Wald erreichen. Auch verschwendete er nicht allzu viel Energie für diese Bemühungen, denn die grünen Menschen von Barsoom verabscheuen die Flucht. Ich habe noch keinen von ihnen vor dem Tod davonlaufen sehen, in welcher Form er ihm auch gegenüberstand. Und gerade Tars Tarkas hatte schon tausendmal, ja zehntausendmal im tödlichen Zweikampf mit Mensch und Tier bewiesen, daß er der mutigste Marsmensch von allen war. Und so wurde mir klar, daß es für seine Flucht einen anderen Grund geben mußte als Todesangst, so wie auch er wußte, daß mich eine größere Macht als Stolz oder Ehre anspornte, diesen wilden Zerstörern zu entkommen. In meinem Fall war es Liebe – die Liebe zur göttlichen Dejah Thoris. Doch warum der Thark plötzlich derart an seinem Leben hing, war mir ein Rätsel, denn eher ziehen diese absonderlichen, lieblosen und unglücklichen Menschen den Tod dem Leben vor.

Schließlich erreichten wir den Schatten der Bäume, während rechts hinter uns der schnellste unserer Verfolger, ein riesiger Pflanzenmensch, die Klauen schon voller Blutdurst nach uns ausgestreckt hatte, um seine Mäuler an uns zu heften.

Er kam etwa einhundert Yards vor seinen Leuten, und so rief ich Tars Tarkas zu, auf einen großen Baum zu klettern, dessen Äste den Felsen streiften. Ich würde währenddessen der Kreatur den Garaus machen, damit der des Kletterns unkundige Thark in der Zwischenzeit die weiter oben gelegenen Äste erreichen konnte, bevor die gesamte Horde bei uns war und unserer Flucht ein Ende setzte.

Doch ich hatte weder den Verstand des Pflanzenmenschen noch die Schnelligkeit in Betracht gezogen, mit der seine Leute die Entfernung zurücklegten.

Als ich mit dem langen Schwert nach der Kreatur ausholte, blieb sie wie angewurzelt stehen und fegte, während meine Klinge nur harmlos die Luft durchschnitt, mit dem bärenstarken Schwanz über den Grasteppich, so daß ich zu Boden geschleudert wurde. Sofort warf sie sich auf mich, doch bevor sie mir ihre schrecklichen Mäuler auf die Brust und den Hals setzen konnte, hatte ich beide der schlangenartigen Fangarme gepackt.

Der Pflanzenmensch verfügte über ein dickes Muskelpaket und war schwer und kräftig. Doch da ich die Stärke und Beweglichkeit eines Erdenmenschen besaß und zu einem tödlichen Würgegriff angesetzt hatte, wäre ich wahrscheinlich als Sieger hervorgegangen, hätten wir ungestört unsere Kräfte miteinander vergleichen können. Aber während wir miteinander unter dem Baum rangen, in dessen Laubwerk sich Tars Tarkas verzweifelt abplagte, sah ich über die Schulter meines Gegners hinweg die unzähligen Verfolger auf mich zugeströmt kommen.

Nun endlich begriff ich, worum es sich bei den anderen Monstern handelte, die gemeinsam mit den Pflanzenmenschen dem unheimlichen Ruf des Mannes in der Felswand gefolgt waren. Es waren die gefürchtetsten aller Kreaturen vom Mars – die großen weißen Affen von Barsoom.

Schon zu früherer Gelegenheit hatte ich Bekanntschaft mit ihrer Art gemacht, und ich kann sagen, daß von all den entsetzlichen, unheimlichen und grotesken Einwohnern dieser seltsamen Welt die weißen Affen mir am ehesten Furcht einflößten.

Ich denke, das liegt daran, daß die weißen Affen dem Erdenmenschen verblüffend ähneln und einem so wie Menschen vorkommen. Es ist die Kombination von Größe und Aussehen, die sie jedoch unheimlich macht.

Sie sind fünfzehn Fuß groß und bewegen sich aufrechten Ganges. Wie die grünen Marsmenschen verfügen sie über ein zusätzliches Armpaar zwischen den oberen und unteren Gliedmaßen. Die Augen stehen sehr dicht beieinander, liegen jedoch, anders als bei den grünen Marsmenschen, tief in den Höhlen. Die hoch angesetzten Ohren befinden sich seitlicher als bei den grünen Menschen; Mundpartie und Zähne ähneln jenen des afrikanischen Gorillas. Auf dem Kopf haben sie einen dichten Schöpf borstigen Haares.

Meine Augen trafen die des weißen Affen und der Pflanzenmenschen, als ich über die Schulter meines Widersachers sah. Dann warfen sie sich in einem Knäuel auf mich – vor Wut knurrend, schnappend, schreiend und fauchend. Am schlimmsten von all den Geräuschen, die meine Ohren plagten, war für mich das furchteinflößende Zischen der Pflanzenmenschen.

Im Nu versenkten sich eine Unzahl grausamer Fänge und scharfer Krallen in mein Fleisch. Kalte Lippen saugten sich an meinen Arterien fest. Ich versuchte, mich ihnen zu entwinden, und obwohl mich ihre riesigen Körper niederdrückten, gelang es mir, wieder auf die Füße zu kommen. Mit dem langen Schwert in den Händen, das ich nun weiter unten, mehr wie einen Dolch anpackte, schaffte ich um mich herum ein solch verheerendes Durcheinander, daß ich kurz darauf völlig allein dastand.

Wenn auch das Schreiben darüber Minuten in Anspruch genommen hat, geschah doch alles binnen weniger Sekunden. Inzwischen hatte Tars Tarkas meine mißliche Lage bemerkt und sich von den unteren Ästen fallen gelassen, die er nach unendlichen Mühen erklommen hatte. Als ich mich gerade des letzten meiner bösartigen Gegenüber entledigte, sprang der Thark neben mich, und ein weiteres Mal kämpften wir Seite an Seite.

Immer wieder sprangen uns die wilden Affen an, und immer wieder schlugen wir sie mit unseren Schwertern zurück. Schwungvoll pfiffen die langen, kräftigen Schwänze der Pflanzenmenschen über uns hinweg, wenn sie uns aus verschiedenen Richtungen ansprangen oder leichtfüßig wie Windhunde über unsere Köpfe hinwegsetzten. Indes begegneten wir einem jeden Angriff mit einer funkelnden Klinge, gehalten von den Händen der beiden Männer, die schon seit zwanzig Jahren auf dem ganzen Mars berühmt waren, denn Tars Tarkas und John Carter waren die Namen, bei deren Klang die Herzen der Krieger des Mars höher schlugen.

Doch sogar die zwei besten Schwerter in der Welt der Soldaten halten nicht ewig einer überwältigenden Übermacht wilder und grausamer Kreaturen stand, die erst wissen, was Niederlage bedeutet, wenn der kalte Stahl dem Schlag ihrer Herzen Einhalt gebietet. Schritt für Schritt wurden wir zurückgetrieben. Schließlich standen wir mit dem Rücken zu dem riesigen Baum, den wir zu erklimmen gedacht hatten, und da wir unablässig angegriffen wurden, mußten wir immer wieder zurückweichen, bis wir zur Hälfte um den gigantischen Stamm gedrängt worden waren.

Plötzlich hörte ich Tars Tarkas, der voranging, frohlockend aufschreien.

»Hier ist mindestens Platz für einen von uns, John Carter«, sagte er. Als ich hinabblickte, sah ich unten im Baumstamm eine Öffnung von etwa drei Fuß Durchmesser.

»Hinein mit dir, Tars Tarkas«, rief ich, doch er zögerte, sagte, daß er nicht durch das kleine Loch passe, während ich hingegen mühelos hineinschlüpfen könne.

»Wir werden beide sterben, wenn wir draußen bleiben, John Carter. Es gibt eine winzige Chance für einen von uns. Nutze sie, und du bleibst am Leben, um mich zu rächen. Ich kann mich nicht durch so eine kleine Öffnung quetschen, während uns diese Horde Teufel von allen Seiten zusetzt.«

»Dann werden wir zusammen sterben, Tars Tarkas, denn ich gehe nicht als erster«, entgegnete ich. »Laß mich den Zugang verteidigen, während du hineinkriechst, ich bin kleiner und zwänge mich hinter dir hinein, ohne daß die Monster es verhindern können.«

Noch immer kämpften wir unbändig gegen unsere Angreifer, verständigten uns in halben Sätzen, die durch teuflische Schnitte und Hiebe unterbrochen wurden.

Schließlich gab er nach, denn es schien der einzige Weg zu sein, um überhaupt einen von uns vor der ständig anwachsenden Schar von Feinden zu retten, die noch immer von allen Seiten aus dem Tal auf uns zuströmten.

»Es war schon von jeher deine Art, zuletzt an dein eigenes Leben zu denken, John Carter, und noch ähnlicher sieht es dir, anderen zu befehlen, wie sie zu leben und zu handeln haben, sogar dem größten aller Jeddaks, die auf Barsoom herrschen«, sagte er. Auf seinem grausamen, harten Gesicht zeigte sich ein düsteres Lächeln, als er, der größte Jeddak von allen, sich umwandte, um den Befehlen eines Wesens aus einer anderen Welt zu gehorchen – eines Mannes, der nur halb so groß war wie er selbst.

»Wenn es dir nicht gelingt, John Carter, dann wisse, daß der grausame und herzlose Thark, dem du die Bedeutung des Wortes Freundschaft beigebracht hast, herauskommen wird, um neben dir zu sterben«, sagte er.

»Wie du wünschst, mein Freund«, entgegnete ich. »Doch schnell hinein, mit dem Kopf zuerst. Ich decke währenddessen deinen Rückzug!«

Immer noch zögerte er, denn nie zuvor in seinem ganzen Leben voller Kämpfe hatte er etwas anderem als dem Tod oder dem besiegten Feind den Rücken zugekehrt.

»Beeile dich, Tars Tarkas«, drängte ich. »Oder es kostet uns beide das Leben, und das völlig umsonst. Allein kann ich sie nicht ewig aufhalten.«

Als er sich zu Boden ließ, um in die Baumhöhlung zu kriechen, warf sich die gesamte Meute der schrecklichen, heulenden Teufel auf mich. Nach rechts und links flog meine glänzende Klinge, mal grün von dem klebrigen Lebenssaft der Pflanzenmenschen, mal dunkel von dem karmesinroten Blut der weißen Affen. Von einem Angreifer ging sie zum nächsten und verharrte lediglich den Bruchteil einer Sekunde in einem wilden Herzen, um dessen Lebenssaft zu trinken.

Die Übermacht, mit der ich es zu tun hatte, war so gewaltig, daß ich mir sogar jetzt nicht mehr vorzustellen vermag, wie menschliche Muskeln dieser fürchterlichen Invasion von Tonnen unbezwingbarer Fleischberge standhalten konnten.

Da die Kreaturen fürchteten, daß wir ihnen entkamen, verdoppelten sie ihre Bemühungen, mich zu überwältigen, und während sich um mich herum ihre toten und sterbenden Kameraden stapelten, gelang es ihnen schließlich, mich zu Fall zu bringen. Das zweite Mal an diesem Tag ging ich unter ihnen zu Boden, und erneut spürte ich die schrecklichen, saugenden Lippen auf der Haut.

Doch kaum war ich unterlegen, wurden meine Handgelenke mit eisernem Griff gepackt, und eine Sekunde später befand ich mich im Inneren des Baumes. Es kam zu einer kurzen, heftigen Auseinandersetzung zwischen Tars Tarkas und einem großen Pflanzenmenschen, der sich hartnäckig an meine Brust klammerte, doch bald brachte ich meine Klinge zwischen uns und durchbohrte den Gegner mit einem mächtigen Stoß.

Zerrissen und aus vielen Wunden blutend, lag ich keuchend auf dem Boden in der Baumhöhle, während Tars Tarkas den Zugang vor dem aufgebrachten Gesindel draußen verteidigte.

Eine Stunde lungerten sie um den Baum herum und heulten, doch nach einigen Versuchen, zu uns zu gelangen, beschränkten sie sich auf einschüchterndes Geschrei und Gekreisch. Grauenerregend war das Knurren der großen weißen Affen, und das Schnurren der Pflanzenmenschen war ebenso unbeschreiblich wie entsetzlich.

Schließlich verschwanden alle bis auf etwa zwanzig, die uns wohl an der Flucht hindern sollten. Unser Abenteuer schien in eine Belagerung überzugehen, und auch diese würde für uns nur mit dem Hungertode enden. Sogar wenn es uns gelingen sollte, nach Einbruch der Dunkelheit herauszuschlüpfen, wohin konnten wir in diesem unbekannten und feindlichen Tal fliehen?

Als der feindliche Ansturm nachgelassen hatte und unsere Augen sich an das vorherrschende Halbdunkel gewöhnt hatten, ergriff ich die Gelegenheit, unser seltsames Schlupfloch zu erkunden.

Die Baumhöhlung hatte einen Durchmesser von etwa fünfzig Fuß und war dem ebenen, harten Boden nach zu schließen schon oft als Behausung genutzt worden. Als ich nach oben blickte, um festzustellen, wie hoch sie war, sah ich weit über mir einen schwachen Lichtschein.

Oben war ein Loch. Erreichten wir es, konnten wir doch noch darauf hoffen, in den Felsenhöhlen Unterschlupf zu finden. Als ich meine Erkundungen fortsetzte, stieß ich plötzlich auf der einen Seite auf eine grobe Leiter.

Schnell kletterte ich daran hoch und kam schließlich zu dem untersten einer Reihe von Holzbalken, die im nun engeren Schacht des Baumstammes verankert worden waren. Diese Balken hatte man im Abstand von drei Fuß übereinander gesetzt, sie bildeten, soweit ich sehen konnte, eine ideale Leiter nach oben.

Ich ließ mich ein weiteres Mal zum Boden hinab und erzählte Tars Tarkas von meiner Entdeckung, der daraufhin vorschlug, daß ich den oberen Teil so weit wie möglich erforschte, während er den Eingang vor möglichen Angreifern bewachte.

Ich machte mich auf den Weg. Reichlich fünfhundert Fuß weiter oben erreichte ich schließlich das Loch im Baumstamm, durch welches das Licht einfiel. Es war etwa von derselben Größe wie der Eingang unten und öffnete sich direkt auf einen breiten, flachen Ast, an dessen abgewetzter Oberseite man sehen konnte, daß er lange Zeit als Weg genutzt worden war.

Ich wagte mich nicht ins Helle, da ich fürchtete, daß man mich entdeckte und uns in dieser Richtung den Fluchtweg abschnitt. Statt dessen eilte ich wieder zu Tars Tarkas.

Bald war ich bei ihm, und kurz darauf befanden wir uns auf dem Weg nach oben.

Tars Tarkas kletterte voran, und als ich hinter ihm am ersten Balken ankam, zog ich die Leiter hinter mir hoch und reichte sie ihm. Einhundert Fuß weiter oben verkeilte er sie sicher zwischen einem der Balken und dem Stamm. Auf dieselbe Weise löste ich den jeweils unteren Balken, nachdem ich ihn passiert hatte, so daß wir unsere Feinde bis in einhundert Fuß Höhe jeder Möglichkeit, uns einzuholen, beraubt hatten und eine Verfolgung oder ein Angriff aus dem Hinterhalt somit ausgeschlossen war.

Wie sich später herausstellen sollte, ersparte uns diese Vorsichtsmaßnahme eine Menge Unannehmlichkeiten und rettete uns schließlich das Leben.

Oben angekommen, wich Tars Tarkas beiseite, damit ich hinaustreten und die Lage erkunden konnte, denn ich war auf Grund meines geringeren Gewichtes und meiner Gewandtheit besser geeignet, mich in dieser schwindelerregenden und gefährlichen Höhe zu bewegen.

Der Ast stieg in Richtung Felsen leicht an und endete einige Fuß über einem schmalen Felsvorsprung, von dem aus es in eine enge Höhle ging.

Als ich auf dem schlankeren Teil des Astes stand, bog er sich unter meinem Gewicht, ich balancierte weiter und stellte fest, daß sich der äußerste Arm sanft in Höhe dieses nur noch einige Fuß entfernten Vorsprunges einpegelte. Fünfhundert Fuß weiter unten lag der strahlend scharlachrote Grasteppich, etwa fünftausend Fuß über mir ragte die mächtige, glänzende Felswand voller Pracht empor.

Die Höhle mir gegenüber hatte ich von unten nicht sehen können, die anderen lagen viel höher, vielleicht tausend Fuß. Doch soweit ich das beurteilen konnte, würde sie unsere Zwecke ebenso erfüllen wie jede andere, und so kehrte ich zum Baum zurück, um Tars Tarkas zu holen.

Gemeinsam tasteten wir uns auf der schwankenden Passage entlang. Am Ende des Astes angekommen, mußten wir indes feststellen, daß unser gemeinsames Gewicht den Ast hinunter drückte und die Höhlenöffnung nun zu weit oben lag, um sie zu erreichen.

Schließlich kamen wir darin überein, daß Tars Tarkas zurückklettern und dabei den längsten Ledergurt aus seiner Ausrüstung bei mir lassen sollte. Hatte sich der Ast dann wieder aufgerichtet, würde ich in die Höhle klettern, Tars Tarkas den Gurt hinunterlassen und ihn nach oben zum sicheren Felsvorsprung ziehen.

Ohne Zwischenfälle verwirklichten wir unser Vorhaben und befanden uns bald in schwindelerregender Höhe am Rand eines kleinen Balkons, von dem man eine wunderschöne Aussicht auf das Tal hatte.

Soweit das Auge blicken konnte, sah man den prächtigen Wald und den dunkelroten Grasteppich an den Ufern des ruhigen Meeres. Das Ganze wurde bewacht von unermeßlich hohen, glänzenden Felsen. Einmal glaubten wir in der Ferne ein vergoldetes Minarett zu erkennen, das in der Sonne inmitten sich wiegender Baumspitzen glänzte, doch schließlich verwarfen wir diese Idee in der Annahme, daß es sich dabei nur um eine Halluzination handelte, die unseren sehnlichsten Wunsch widerspiegelte, an diesem wunderschönen und doch abweisenden Flecken ein Stück Zivilisation zu Gesicht zu bekommen.

Unten am Ufer des Flusses verschlangen die großen weißen Affen die Überreste von Tars Tarkas’ früheren Gefährten, während die großen Herden der Pflanzenmenschen beim Weiden immer größere Kreise zogen, und dabei den Rasen auf Streichholzlänge hielten.

Da wir wußten, daß ein Angriff von Baumseite nun unwahrscheinlich war, beschlossen wir, die Höhle zu erkunden. Wir hatten Grund, zu glauben, daß sich der bereits eingeschlagene Weg im Inneren fortsetzte. Wohin er führte, wußten allein die Götter, offenbar jedoch von diesem Tal des Grauens fort.

Beim Näherkommen stellten wir fest, daß ein gut begehbarer Tunnel in das feste Gestein gehauen worden war. Er war etwa zwanzig Fuß hoch, fünf Fuß breit und hatte eine gewölbte Decke. Da wir nichts hatten, um Licht zu machen, tasteten wir uns langsam durch die zunehmende Dunkelheit, wobei Tars Tarkas mit der einen und ich mit der anderen Wand in Fühlung blieb. Wir hielten uns bei den Händen, um nicht in verschiedene Abzweigungen zu geraten und getrennt zu werden oder uns in irgendeinem komplizierten Labyrinth zu verirren.

Wie weit wir uns in dieser Weise fortbewegt hatten, kann ich nicht sagen, doch bald kamen wir zu einer Wand, die uns den Weg versperrte. Es schien eher eine Zwischenwand zu sein als das Ende der Höhle, denn sie fühlte sich an wie sehr hartes Holz, nicht wie Felsgestein.

Vorsichtig tastete ich sie ab und fand meine Mühe belohnt, als ich den Knopf entdeckte, den man auf dem Mars statt einer Klinke an den Türen anbringt.

Ich drückte sanft darauf und spürte die Tür nun völlig zu meiner Befriedigung langsam nachgeben. Einen Moment später blickten wir in einen schwach erhellten Raum, der leer zu sein schien.

Ohne viel Federlesens stieß ich die Tür auf und trat ein, dicht gefolgt von dem riesigen Thark. Als wir einen Augenblick unschlüssig im Raum umherblickten, veranlaßte mich ein leises Geräusch im Hintergrund, mich schnell umzudrehen, und ich sah zu meinem Erstaunen, daß sich der Zugang mit einem scharfen Klicken wie von unsichtbarer Hand schloß.

Sofort sprang ich zurück und wollte die Tür wieder öffnen, denn irgendwie deutete die mysteriöse Bewegung und die drückende, fast greifbare Stille das namenlose Unheil an, das uns in dieser steinernen Kammer im Inneren der Goldenen Felsen zu erwarten schien.

Vergeblich griff ich nach dem abweisenden Portal, während meine Augen erfolglos nach einem Ebenbild des Knopfes Ausschau hielten, der uns Einlaß gestattet hatte.

Und dann ertönte an diesem trostlosen Ort ein grausames, höhnisches und donnerndes Gelächter aus unsichtbarer Kehle.

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