1. Die Pflanzenmenschen

Als ich in jener klaren, kalten Nacht im frühen März 1886 am Steilufer vor meinem Haus stand, wirkte der majestätische Hudson-River auf mich wie das graue und stille Gespenst eines toten Flusses. Wieder spürte ich den seltsamen, zwingenden Einfluß des mächtigen Kriegsgottes, meines geliebten Mars, den ich zehn lange und einsame Jahre mit ausgestreckten Armen angefleht hatte, mich zu meiner verlorenen Liebe zurückzutragen.

Diese unwiderstehliche Anziehungskraft des Schutzpatrons meines Berufsstandes hatte sich meiner seit jener Märznacht 1866 nicht wieder bemächtigt, als ich vor jener Höhle in Arizona stand, in der meine sterbliche Hülle lag, bekleidet mit dem stillen und leblosen Gewand des irdischen Todes.

Die Arme flehend dem Stern entgegengestreckt, einem rotglühenden Auge, stand ich und betete um die Rückkehr jener seltsamen Macht, die mich zweimal durch das unermeßliche Weltall getragen hatte, ich betete wie schon tausend Nächte zuvor, während der langen zehn Jahre des Wartens und Hoffens.

Plötzlich befiel mich Übelkeit, vor mir geriet alles ins Schwimmen, die Knie gaben unter mir nach, und ich stürzte der Länge nach am Rand des schwindelerregenden Steilufers zu Boden.

Augenblicklich klärte sich vor mir alles wieder auf, und die grauenhaften Geschehnisse in der gespenstischen Höhle in Arizona wurden vor meinen Augen lebendig. Wie in jener weit zurückliegenden Nacht verweigerten meine Muskeln dem Willen den Dienst. Mir war, als ob ich sogar hier am Ufer des stillen Hudson das schreckliche Stöhnen und Rascheln des furchteinflößenden Wesens hören konnte, das mir damals im verborgenen Teil der Höhle aufgelauert und mich bedroht hatte. Erneut unternahm ich übermenschliche Anstrengungen, um die seltsame Lähmung zu überwinden, die mich befallen hatte, wieder ertönte das scharfe Klicken, wie wenn gespannter Draht zerreißt, und ich stand nackt und frei neben dem leblosen, starr dreinblickenden Ding, in dem soeben noch das warme, rote Blut von John Carter, mein Blut, pulsiert hatte.

Ohne meine sterbliche Hülle eines Abschiedsblickes zu würdigen, sah ich wieder zum Mars, streckte die Hände in Richtung der düsterroten Strahlen aus und wartete.

Es dauerte nicht lange. Kaum hatte ich mich umgewandt, als ich schnell wie der Gedanke durch das schreckliche, vor mir liegende Nichts schoß. Genau wie vor zwanzig Jahren fühlte ich es einen Augenblick lang undenkbar kalt und äußerst dunkel um mich herum werden. Als ich die Augen wieder aufschlug, befand ich mich in einer anderen Welt, unter den sengenden Strahlen einer fremden Sonne, die durch eine winzige Öffnung in der Baumdecke eines Waldes drangen, in dem ich lag.

Die Landschaft, die ich erblickte, war für den Mars so untypisch, daß mir das Herz beinahe stehenblieb, vor Angst, ein grausames Schicksal habe mich auf irgendeinen fremden Planeten verschlagen.

Warum nicht? Welchen Führer hatte ich denn in der weglosen Einöde des Weltalls? Welche Sicherheit gab es, daß ich nicht auf einen weit entfernten Stern eines anderen Sonnensystems geschleudert worden war?

Ich lag auf einem kurzgeschnittenen Rasen, einer Art von rotem Gras, inmitten eines Hains fremdartiger, schöner Bäume, die von riesigen, prächtigen Blüten bedeckt waren und auf denen unzählige glänzende, doch stumme Vögel hockten. Ich nenne sie Vögel, da sie Flügel hatten, doch kein Sterblicher bekam jemals solche merkwürdig geformten, unirdischen Geschöpfe zu Gesicht.

Die Vegetation glich der in der Heimat der roten Marsmenschen bei den großen Wasserstraßen, aber diese Bäume und Vögel hatte ich auf dem Mars noch nie gesehen. Dann entdeckte ich weiter hinten etwas, mir auf dem Mars ebenfalls nicht Bekanntes – ein offenes Meer, dessen blaues Wasser unter der bronzenen Sonne gleißte.

Als ich aufstand, um auf Erkundungstour zu gehen, machte ich dieselben komischen Erfahrungen wie damals bei meinen ersten, verhängnisvollen Gehversuchen auf dem Mars. Die geringere Anziehungskraft des kleineren Planeten und der niedrigere Luftdruck der dünnen Atmosphäre boten den Muskeln des Erdenmenschen, der ich war, so geringen Widerstand, daß mich bereits die zum Aufstehen erforderlichen Anstrengungen mehrere Fuß in die Lüfte beförderten und ich schließlich kopfüber im seidigen Gras dieser seltsamen Welt landete.

Das bestärkte meine Vermutung, mich in einer mir noch unbekannten Gegend des Mars zu befinden. Dies lag durchaus im Rahmen des Möglichen, da ich während meines zehnjährigen Aufenthaltes nur einen winzigen Teil seiner riesigen Weiten erschlossen hatte.

Ich erhob mich, lachend über meine Vergeßlichkeit, und hatte es bald wieder gelernt, meine irdischen Kräfte den ungewohnten Bedingungen anzupassen.

Als ich langsam den kaum wahrnehmbaren Abhang zum Meer hinablief, fiel mir das Parkähnliche meiner Umgebung auf. Das teppichartige Gras war kurz, es erinnerte an einen alten englischen Rasen; das untere Geäst der Bäume hatte man offenbar bis zu einer Höhe von fünfzehn Fuß sorgfältig beschnitten. So sah der Wald aus geringer Entfernung in jeder Richtung wie ein riesiges Zimmer mit einer sehr hohen Decke aus.

All diese Hinweise auf eine gewissenhafte und systematische Pflege überzeugten mich davon, daß ich bei meinem zweiten Besuch auf dem Mars das Glück hatte, den Fuß in zivilisiertes Gebiet zu setzen, so daß mir von Anfang an Gastfreundlichkeit und Fürsorge zuteil wurden, wie sie einem Prinzen des Hauses von Tardos Mors geziemten.

Je näher ich zur See kam, desto mehr wuchs meine Bewunderung für den Wald. Die dicken Stämme, einige von ihnen mit reichlich einhundert Fuß Durchmesser, zeugten von der ungewöhnlichen Höhe der Bäume, welche ich nur erahnen konnte, da das Blätterdach so dicht war, daß ich nicht mehr als sechzig, achtzig Fuß nach oben blicken konnte.

So weit ich sehen konnte, waren die Stämme, Äste und Zweige so glatt und glänzend wie das Furnier eines nagelneuen Klaviers. Einige Bäume waren schwarz wie Ebenholz, während ihre unmittelbaren Nachbarn im Dämmerlicht klar und weiß wie feines Porzellan schimmerten, azurblau, scharlachrot, gelb oder in dunklem Purpur gefärbt waren.

Genauso bunt und abwechslungsreich war das Laubwerk, während die unzähligen Blüten mit unseren Worten nicht zu beschreiben waren. Ihre Schönheit wiederzugeben hätte selbst die Götter vor eine schwierige Herausforderung gestellt.

Als ich am Waldrand ankam, sah ich zwischen den Bäumen und der offenen See einen breiten Streifen Wiesenland. Ich wollte schon aus dem Schatten treten, da wurden allen romantischen und poetischen Betrachtungen über die reizvolle Landschaft ein jähes Ende gesetzt.

Links sah ich nur die See, mir gegenüber konnte ich undeutlich das andere Ufer erkennen, während sich zu meiner Rechten ein mächtiger Fluß zwischen scharlachfarbenen Ufern majestätisch in Richtung Meer ergoß.

Ein Stück flußaufwärts erhoben sich riesige Felsklippen, denen der große Fluß wohl entsprang.

Doch nicht diese ehrfurchtgebietenden, prächtigen Zeugnisse der Erhabenheit von Mutter Natur lenkten plötzlich meine Blicke auf sich, sondern die etwa zwanzig Individuen, welche sich gemächlich am Ufer des mächtigen Flusses entlangbewegten.

Es waren merkwürdige, groteske Gestalten, wie ich sie auf dem Mars noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Von weitem schienen sie dem Menschen zu ähneln. Die größeren Exemplare waren aufgerichtet etwa zehn, zwölf Fuß groß, wobei die Proportionen der unteren Gliedmaßen und des Rumpfes denen des Erdenmenschen entsprachen.

Ihre Arme waren allerdings sehr kurz, und meiner Meinung nach wirkten sie, als seien sie nach Art der Elefantenrüssel geschaffen, denn die Kreaturen vollführten damit schlangenartige, wellenförmige Bewegungen, als ob sie völlig knochenlos oder zumindest nur mit Wirbeln ausgestattet waren.

Als ich sie so aus der Deckung eines riesigen Baumstammes beobachtete, bewegte sich eine der Kreaturen langsam in meine Richtung, wie ihre Artgenossen davon in Anspruch genommen, mit den merkwürdig geformten Händen über den Rasen zu fahren. Jedoch konnte ich nicht feststellen, welchem Zweck diese Tätigkeit diente.

Das Wesen kam dicht an mich heran, und deshalb konnte ich es sehr gut betrachten. Obwohl ich mit seiner Art später besser bekannt werden sollte, muß ich sagen, daß mir ein einziger, kurzer Blick auf dieses schreckliche Spottbild der Natur völlig genügt hätte. Das schnellste Flugzeug der Luftwaffe von Helium hätte mich nicht schnell genug aus der Reichweite dieses entsetzlichen Geschöpfes schaffen können.

Der unbehaarte Körper war von einem merkwürdigen, düsteren Blau, mit Ausnahme eines breiten weißen Kreises um das einzige hervorstehende Auge: Ein Auge, das ausschließlich weiß war – die Pupille, die Iris und der gesamte Augapfel.

Als Nase diente ein zerklüftetes, entzündetes, rundes Loch in der Mitte seines leeren Gesichtes. Es wies eine erschreckende Ähnlichkeit mit einer frischen Schußwunde auf, die noch nicht zu bluten begonnen hatte.

Unter dieser widerwärtigen Öffnung war das Gesicht bis zum Kinn leer, denn einen Mund konnte ich bei dem Wesen nicht entdecken. Seinen Kopf bedeckte eine verfilzte Masse kohlrabenschwarzen Haares von acht, zehn Zoll Länge. Jedes Haar war dick wie ein fetter Angelwurm, und wenn die Kreatur mit den Kopfmuskeln zuckte, schien sich diese furchteinflößende Mähne zu winden, zu zappeln und in das gräßliche, unbehaarte Gesicht zu kriechen, als ob jedes einzelne Haar sich unabhängig von den anderen bewegen konnte.

Rumpf und Beine hatte die Natur wie bei den Menschen symmetrisch gestaltet, auch die Füße besaßen, abgesehen von der immensen Größe, menschliche Form. Von der Ferse bis zu den Zehen waren sie reichlich drei Fuß lang, sehr flach und breit.

Als die Kreatur in meine Nähe kam, entdeckte ich, daß es sich bei den seltsamen Bewegungen, mit denen die merkwürdigen Hände über den Rasen glitten, um eine spezielle Art der Nahrungsaufnahme handelte: Mit den rasierklingenartigen Krallen schnitt das Wesen das zarte Gras ab und saugte es mit den beiden auf den Handflächen befindlichen Mündern durch die armähnlichen Hälse auf.

Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Eigenarten verfügte das Geschöpf über einen dicken Schwanz von ungefähr sechs Fuß Länge, der am Ansatz rund war, sich jedoch zum Ende hin zu einer flachen, senkrecht zum Erdboden stehenden Klinge zuspitzte.

Bei weitem am eindrucksvollsten aber waren die beiden winzigen Nachbildungen von etwa sechs Fuß Länge, die von den Armbeugen der bemerkenswerten Kreatur hinabbaumelten. Sie hingen an dünnen Schläuchen, welche die Mitte ihrer Köpfe mit dem Körper des Muttertieres verbanden.

Ob das die Nachkommen waren oder einfach ein weiterer befremdlicher Körperteil, wußte ich damals nicht.

Während ich mich der genaueren Betrachtung dieses unheimlichen, monströsen Wesens gewidmet hatte, war auch der Rest der Herde beim Weiden nähergekommen, und nun sah ich, daß nicht an allen solche kleineren Exemplare hingen. Außerdem unterschieden sich die Kleinen untereinander hinsichtlich der Größe. Von ungeöffneten, winzigen Knospen mit einem Zoll Durchmesser, waren alle Entwicklungsstufen bis zum voll ausgebildeten, ungefähr zwölf Zoll großen Geschöpfen vertreten.

In der Herde weideten viele Kleine, die nicht viel größer waren als jene, die noch an ihren Eltern hingen. So schien die Gruppe von diesen Jungen bis hin zu den riesigen Erwachsenen alle Altersstufen einzuschließen.

Trotz des beängstigenden Aussehens der Wesen wußte ich nicht, ob ich sie fürchten mußte, denn sie schienen nicht besonders zum Kampf ausgerüstet zu sein. Ich wollte fast aus meinem Versteck hervortreten und mich ihnen zeigen, um herauszufinden, welche Wirkung der Anblick eines Menschen auf die Wesen hatte, da vernahm ich ein seltsam kreischendes Geräusch vom Steilufer zu meiner Rechten, welches meinen voreiligen Entschluß zum Glück im Keim erstickte.

Nackt und unbewaffnet wie ich war, hätten diese grausamen Kreaturen mir ein schnelles und schreckliches Ende bereitet, wenn ich meinen Gedanken rechtzeitig in die Tat umgesetzt hätte. Doch bei diesem Schrei wandte sich jedes Mitglied der Herde in die Richtung, aus der er kam, jedes einzelne schlangenähnliche Haar richtete sich auf, als sei es ein empfindungsfähiger Organismus, der die Quelle oder die Bedeutung des Wimmerns herausfinden wollte. Mit dieser Annahme irrte ich nicht, denn bei dem seltsamen Gewächs auf den Schädeln der Pflanzenmenschen von Barsoom handelt es sich um die tausend Ohren dieser entsetzlichen Kreaturen, den letzten Nachkommen jener seltsamen Rasse, die dem ursprünglichen Lebensbaum entstammt.

Sofort richtete sich jedes Auge auf einen riesigen Gesellen, offensichtlich den Anführer der Herde. Ein seltsam schnurrender Laut drang aus dem Mund einer seiner Handflächen, als er sich schnell in Richtung Steilufer auf den Weg machte. Die anderen folgten ihm sofort.

Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Fortbewegungsart waren unglaublich. Mit großen Sätzen sprangen die Geschöpfe etwa zwanzig, dreißig Fuß weit, sehr nach der Art des Känguruhs.

Schnell entschwanden sie meinem Blick, da fiel mir ein, ihnen zu folgen. Ich ließ jegliche Vorsicht außer acht und setzte ihnen mit Sprüngen und Hüpfern über die Wiese hinterher, die selbst die ihrigen übertrafen, denn auf dem Mars, wo Anziehungskraft und Luftdruck geringer sind, erbringen die Muskeln des athletischen Erdenmenschen erstaunliche Leistungen.

Die Pflanzenmenschen begaben sich direkt auf die Quelle des Flusses am Fuße der Klippen zu, und als ich mich heranpirschte, bemerkte ich, daß der Boden hier mit Geröll übersät war, welches sich im Laufe der Zeit von den Felsen gelöst hatte.

Deswegen nahmen meine Augen das Entsetzliche erst wahr, als ich den Verursachern des jähen Aufbruchs fast gegenüberstand. Von einem kleineren Felsen sah ich, daß die Pflanzenmenschen eine kleine Gruppe von vielleicht fünf oder sechs grünen Marsmenschen von Barsoom, Männern und Frauen, einkreisten.

Nun bezweifelte ich nicht mehr, auf dem Mars zu sein, denn dies waren Angehörige jener wilden Horden, welche die vertrockneten Meeresböden und die Städte des untergehenden Planeten bewohnen.

Ich sah die hochgewachsenen Männer mit ihrer erhabenen Haltung, den glänzend weißen Stoßzähnen, die aus den wuchtigen Unterkiefern hervortraten und etwa in der Mitte der Stirn endeten, den an den Seiten befindlichen, hervorstehenden Augen, mit denen sie ohne Drehung des Kopfes vorwärts, rückwärts oder in beide Richtungen zugleich blicken konnten, den seltsamen antennenartigen Ohren, die über der Stirn lagen, und einem zusätzlichen Armpaar, das sich zwischen Schultern und Hüften befand.

Sogar ohne die glänzende grüne Haut und den ornamentalen Schmuck, der verriet, welchen Stämmen sie angehörten, hätte ich sie augenblicklich als das erkannt, was sie waren, denn wo sonst im Universum hätte man dergleichen schon gesehen?

Es waren zwei Männer und vier Frauen. Ihr Schmuck wies sie als Angehörige unterschiedlicher Gruppierungen aus. Das wunderte mich, da die verschiedenen Völker der grünen Menschen von Barsoom in ewigem Krieg miteinander leben. Niemals hatte ich grüne Marsmenschen verschiedener Stämme anders als im tödlichen Zweikampf vereint gesehen, mit Ausnahme des historischen Ereignisses, als der große Tars Tarkas von Thark einhundertundfünfzigtausend grüne Krieger aus verschiedenen Horden versammelt hatte, um gegen die zum Untergang verurteilte Stadt von Zodanga zu marschieren, wo er Dejah Thoris, die Prinzessin von Helium, aus den Klauen von Than Kosis befreien wollte.

Doch nun standen sie Schulter an Schulter mit angstgeweiteten Augen einem gemeinsamen Feind gegenüber, der bösartige Absichten hegte.

Sowohl die Männer als auch die Frauen waren mit langen Schwertern und Dolchen bewaffnet, doch konnte ich keine Gewehre sehen, mit denen sie sonst den grausamen Pflanzenmenschen kurzen Prozeß gemacht hätten.

Gleich darauf griff der Anführer der Pflanzenmenschen an. Sein Vorgehen war unerwartet und folgenschwer, denn die Kampftechniken der grünen Menschen kannten keine Abwehr gegen eine solch plötzliche Attacke, deren Art ihnen ebenso neu war wie ihre monströsen Gegner selbst.

Er stürmte bis auf zwölf Fuß auf die Gruppe zu und schwang sich dann mit einem Satz in die Luft, als wolle er auf ihre Köpfe springen. Den mächtigen Schwanz seitlich hoch erhoben, fegte der Pflanzenmensch dicht über seinen Opfern hinweg und ließ ihn plötzlich auf einem der Krieger niedergehen, dem dieser fürchterliche Schlag den Schädel zertrümmerte, als sei der eine Eierschale.

Der Rest der grauenerregenden Herde begann das kleine Häufchen nun immer schneller zu umkreisen. Ihre erstaunlichen Sprünge und das schrille Kreischen aus den unheimlichen Kehlen waren genau darauf ausgerichtet, ihre Opfer zu verwirren und zu verängstigen, so daß, als zwei der Angreifer gleichzeitig lossprangen, dem Schlag ihrer schrecklichen Schwänze kein Widerstand entgegengesetzt wurde und zwei weitere grüne Marsmenschen auf unwürdige Weise zugrunde gingen.

Jetzt waren lediglich ein Krieger und zwei Frauen übrig. Es schien nur noch ein paar Sekunden zu dauern, bis auch sie tot auf dem scharlachroten Rasen liegen würden.

Doch als zwei weitere Pflanzenmenschen angriffen, schwang der Krieger, gewitzt durch die Erfahrungen der letzten Minuten, sein mächtiges Schwert und begegnete dem heranpfeifenden Koloß mit einer scharfen Klinge, welche diesen vom Kinn bis zur Leistengegend spaltete.

Der andere vermochte jedoch den beiden Frauen mit dem grausamen Schwanz einen einzigen Hieb zu versetzen, der beide zertrümmert zu Boden fegte.

Als der grüne Krieger seine letzten Gefährten verloren hatte und sah, daß ihn nun die gesamte Herde angriff, stürmte er ihr kühn entgegen, das lange Schwert auf furchterregende Weise schwingend, wie ich seine Leute im heftigen und fast ständig andauernden Krieg mit Stämmen ihrer eigenen Rasse oft erlebt hatte.

Nach links und rechts Schläge austeilend, bahnte er sich einen Weg durch die herankommenden Pflanzenmenschen und begann auf den Wald zuzustürmen, wo er offensichtlich Schutz und Rettung zu finden hoffte.

Er hatte den Weg zu dem an die Klippen grenzenden Waldstück eingeschlagen, so daß der wilde Wettlauf die gesamte Mannschaftweiter von dem Felsbrocken wegführte, wo ich mich aufhielt.

Angesichts seines heldenhaften Kampfes gegen eine derartige Übermacht war meine Bewunderung für den großartigen Krieger immer tiefer geworden. So handelte ich, wie es meine Art war, ohne langes Nachdenken, sprang sofort aus meinem felsigen Versteck und stürzte zu den Leichen der grünen Marsmenschen, im Kopf eine klar umrissene Idee.

Nach einem halben Dutzend Sätze war ich dort, und im nächsten Augenblick hatte ich die Verfolgung der fürchterlichen Monster aufgenommen, die den Flüchtling zusehends einholten. Doch ich hielt ein riesiges Schwert in der Hand, mein Innerstes war von der altbekannten Kampfeslust des Soldaten erfüllt, roter Nebel hing mir vor den Augen, und ich lächelte wie jedesmal vor einer Schlacht.

Alles in allem kam ich nicht zu früh, denn sie hatten den grünen Krieger schon auf halbem Wege zum Wald eingeholt, er stand nun mit dem Rücken an einem Felsen, während die Herde sich zischelnd und kreischend um ihn scharte.

Da die Untiere nur über ein Auge verfügten und alle hiermit gierig die Beute musterten, bemerkten sie mein lautloses Herankommen nicht. Bevor sie wußten, wie ihnen geschah, war ich mit meinem langen Schwert bei ihnen, und vier der Kreaturen lagen tot am Boden.

Einen Augenblick schreckten sie vor meinem heftigen Ansturm zurück. Der Krieger zeigte sich der Situation gewachsen und nutzte die Sekunde – er sprang neben mich, teilte nach rechts und links aus, wobei seine großen kreisenden Schläge eine Acht bildeten, wie ich es erst ein einziges Mal einen anderen Krieger hatte tun sehen. Er hielt erst inne, als keiner in seiner Nähe mehr am Leben war. Die scharfe Klinge ging durch Fleisch, Knochen und Metall wie durch Luft.

Als wir uns in das Gemetzel stürzten, erhob sich weit über uns der schon vorhin vernommene schrille, unheimliche Schrei, der die Herde zum Angriff gerufen hatte. Immer wieder ertönte er, doch wir hatten gegen die unbändigen und mächtigen Kreaturen zu kämpfen statt nach dem Urheber dieser schrecklichen Töne Ausschau zu halten.

Lange Nägel fuhren in irrsinniger Wut über uns; Krallen, scharf wie Rasierklingen, zerkratzten unsere Körper. Von Kopf bis Fuß haftete eine grüne, klebrige Flüssigkeit, wie sie aus einer zerdrückten Raupe quillt, an uns. Mit jedem Schnitt und Hieb unserer langen Schwerter spritzte sie aus den verletzten Adern der Pflanzenmenschen, durch die sie sich wie Blut ihren Weg bahnte.

Da klammerte sich eines der schweren Monster an meinen Rücken, und als seine scharfen Krallen in mein Fleisch sanken und feuchte Lippen sich an die Wunden hefteten, fühlte ich, wie fürchterlich es ist, bei lebendigem Leibe ausgesaugt zu werden.

Ich war gerade mit einem bösartigen Gesellen beschäftigt, der von vorn an meine Kehle zu kommen versuchte, während zwei weitere auf teuflische Weise mit den Schwänzen nach mir ausholten.

Der grüne Krieger hatte in diesem Moment sehr mit seinen Gegnern zu tun, und ich wußte, daß ich dem ungleichen Kampf nur noch kurz gewachsen war. Da erkannte er meine Misere, riß sich los und fegte mir den Angreifer mit einem einzigen Schlag seines Schwertes vom Rücken, so daß ich, auf diese Weise erleichtert, mit dem anderen mühelos fertig wurde.

Wieder zusammen, standen wir fast nebeneinander gelehnt an den riesigen Felsbrocken. Das vereitelte den Kreaturen ihr Vorhaben, sich über uns zu schwingen und uns zu zerfetzen Da wir ihnen von Angesicht zu Angesicht durchaus gewachsen waren, konnten wir die Zahl der bisherigen Überlebenden weiterhin verringern, bis das schrille Geheul unsere Aufmerksamkeit erregte.

Diesmal schaute ich auf und entdeckte weit über uns auf einem kleinen Balkon, den die Natur ins Felsgestein gehauen hatte, ein seltsames Männlein. Den schrillen Schrei von sich gebend, winkte es in Richtung Fluß, wie um jemanden von dort herbeizuholen, deutete mit der anderen Hand auf uns und gestikulierte wild.

Ein Blick zum Fluß machte mir seine Absichten deutlich, und mich erfüllten fürchterliche Vorahnungen. Von weit her, vom Flachland und vom Wald, strömten Hunderte unserer Gegner herbei, begleitet von einigen seltsamen, unbekannten Monstern, die sich in rasender Geschwindigkeit aufrecht oder auf allen vieren auf uns wälzten.

»Das wird ein großartiger Tod, sieh!« wies ich meine Gefährten auf die neue Bedrohung hin.

Er warf einen kurzen Blick auf das Geschehen und entgegnete lächelnd: »Zumindest sterben wir im Kampf, wie es sich für große Krieger ziemt, John Carter.«

Wir hatten soeben den letzten unserer unmittelbaren Widersacher zur Strecke gebracht, und ich wandte mich überrascht zu ihm hin, als ich meinen Namen hörte.

Voller Erstaunen erkannte ich vor mir den größten der grünen Menschen von Barsoom, ihren kühnsten Staatsmann und mächtigsten General, meinen besten Freund, Tars Tarkas, den Jeddak von Thark.

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