20

Es gab nur wenige Dinge, die Archimonde erschüttern konnten. Normalerweise betrachtete er jede Situation mit dem ihm eigenen nüchternen und analytischen Verstand – egal, ob sie Nachtelfen, Magie oder Drachen betraf.

Doch jetzt war er erschüttert, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass die Drachen in so großer Zahl erscheinen würden. Alles, was er über sie gelesen hatte, wies darauf hin, dass sie sich aus weltlichen Angelegenheiten heraushielten und sich von allem abkapselten. Er hatte wohl damit gerechnet, dass einige sich einmischen würden. Deshalb hatte er Verdammniswachen an strategisch günstigen Stellen im Nebel positioniert. Aber diese waren überfordert, denn es waren nicht nur ein paar Drachen erschienen, sondern… alle.

Der Dämonenkommandant riss sich zusammen. Sargeras ließ kein Versagen zu. Archimonde sandte seine Gedanken aus und befahl jeder Verdammniswache und jedem Eredar, sich auf die herannahenden Clans zu konzentrieren. Er war sicher, dass selbst Drachen nicht der Macht seiner Zauberer widerstehen konnten. Also wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Schlacht zu. Die Drachen überließ er den Nathrezim und den Hexenmeistern. Schließlich waren die Leviathane Geschöpfe dieser Welt und daher an ihre Gesetzmäßigkeiten gebunden. Auf die Legion traf das nicht zu. Sie bestand nicht aus weltlichen Wesen. Schon deshalb waren sie in diesem Krieg den Drachen überlegen. Und nichts würde ihren glorreichen Sieg mehr verhindern können.

Tyrandes Schwestern waren bis zu einigen Hügeln zurückgedrängt worden, auf denen ein paar tote Eichen standen. Der unerwartete Gegenangriff der Dämonen hatte die Nachtelfen völlig aus der Bahn geworfen. Die Schwestern versuchten zwar, die Kämpfer zu motivieren, aber ihnen fehlte es selbst an Hoffnung.

Die neue Hohepriesterin musste zu Fuß kämpfen, nachdem sich ihr Nachtsäbler todesmutig den Klingen entgegengeworfen hatte, die für seine Herrin bestimmt gewesen waren. Tyrande hatte die Dämonen getötet und widmete sich jetzt einer Schwester, die bei dem Angriff schwer verletzt worden war. Sie zog die blutüberströmte Frau auf die Äste eines Baumes und hoffte, dass sie dort kein Angreifer bemerken würde.

Aus dieser Höhe wirkte der Kampf hoffnungslos. Tyrande sah eine wahre Dämonenflut, die ihr Volk von allen Seiten bedrängte. Überall wurden Nachtelfen bestialisch ermordet.

„Elune, Mutter Mond“, murmelte sie. „Gibt es denn nichts, das du für deine Kinder tun kannst? Die Welt wird hier enden, wenn wir verlieren.“

Aber anscheinend hatte die Göttin alles gegeben, was sie zu geben bereit war, denn der Tod ließ nicht von den Nachtelfen ab. Tyrande kümmerte sich um ihre Schwester, fragte sich aber gleichzeitig, ob das überhaupt noch wichtig war.

Plötzlich überkam sie das seltsame Gefühl, beobachtet zu werden. Die Hohepriesterin unterbrach ihren Heilzauber. Sie blickte über ihre Schulter, war sicher, dass sie einen Schatten aus den Augenwinkeln gesehen hatte. Doch als sie genauer hinschaute, fand sie nur ein paar tote Bäume.

Sie wollte schon wieder zu ihrer Arbeit zurückkehren, als etwas ihre Aufmerksamkeit erregte. Tyrande blickte zum Himmel. Ihre Hoffnung kehrte zurück.

Drachen flogen über sie hinweg. Drachen aller Clans.

„Gepriesen sei Elune!“, stieß sie hervor.

Entschlossen und hoffnungsvoll wandte sie sich wieder ihrem Heilzauber zu. Mutter Mond hatte ihre Gebete also doch noch einmal erhört. Sie hatte den Nachtelfen eine Unterstützung geschickt, gegen die selbst die Brennende Legion machtlos war. Was musste man jetzt noch fürchten?


Die Drachen verteilten sich am Himmel, wie es Neltharion befohlen hatte. Unterschiedliche Farben fanden sich zusammen, um die Eigenheiten und Fähigkeiten der einzelnen Clans möglichst gleichmäßig aufzuteilen. Neben dem Erdwächter hielten sich Alexstrasza, Ysera, Malygos und die bronzefarbene Gefährtin des Zeitlosen auf. Hätte Neltharion die rote Königin angesehen, wäre ihm aufgefallen, dass ihre Blicke die Umgebung absuchten, als hoffe sie, dort jemanden zu finden. In seinem Wahnsinn war dem Schwarzen aber noch nicht einmal aufgefallen, dass ihr jüngster Gefährte fehlte.

Die Nachtelfen und Dämonen am Boden hatten die Drachen bemerkt. Neltharion grinste. Sein Publikum war bereit.

„Jetzt werden unsere Feinde die Drachenseele zu spüren bekommen!“, donnerte er.

Die kleine Scheibe leuchtete so hell, dass jeder Drache außer Neltharion sich abwenden musste. Der Erdwächter ignorierte das Brennen in seinen Augen, so hingerissen war er von dem Anblick.

Die Drachenseele schlug zu.

Ein Blitz wie aus purem Gold schoss aus ihr hervor. Es war ein Blitz, der reiner als die Sonne und die Sterne war, reiner als das Licht des Mondes. Er fegte über die Dämonenhorden hinweg und vernichtete die Brennende Legion, wo auch immer er sie traf.

Die Dämonen heulten. Die Dämonen kreischten. Sie flohen vor dem tödlichen Licht, liefen schneller davon, als sie je zuvor gelaufen waren. Die Furcht, die ihnen noch vor kurzem fremd gewesen war, holte sie jetzt mit aller Macht ein.

Die Nachtelfen standen so still, dass sie wie aus Stein gemeißelt wirkten. Selbst die arrogantesten Adligen starrten ungläubig auf das Schauspiel vor ihren Augen. Die Macht, die sie dort erblickten, verdeutlichte ihnen, wie lächerlich die Magie des Brunnens war.

Nur Rhonin stand kopfschüttelnd zwischen ihnen. „Nein… nein… nein.“

Illidan beobachtete den unvorstellbaren Vernichtungszug voller Neid. Er begriff, dass all das, was er erlernt hatte, nichts war im Vergleich zur Magie der Drachen.

Auf der anderen Seite der Schlacht erzitterte Archimonde, als seine mächtige Armee hinweggefegt wurde. Er spürte bereits Sargeras’ Wut und wusste, dass sein Herr ihn, nicht etwa Mannoroth oder die Hochwohlgeborenen, dafür zur Verantwortung ziehen würde.

Die Brennende Legion wehrte sich, auch wenn es sinnlos war. Die Eredar und Nathrezim schleuderten der Scheibe und dem Erdwächter ihre dunkle Magie entgegen. Sie warfen Sprüche, um die Drachenseele einzuschmelzen und Neltharion das Fleisch von den Knochen zu reißen. Dann griffen sie die restlichen Drachen an und versuchten, sie zu vernichten.

„Es ist so weit!“, brüllte der Erdwächter. Es fiel ihm schwer, seinen Wahnsinn zu verbergen. „Verbindet euch!“

Die anderen Leviathane vereinten sich im Geiste. Da sie bereits einen Teil ihrer selbst in die Drachenseele gepflanzt hatten, fiel es ihnen leicht, noch mehr Energie hineinzuleiten.

Spöttisch lächelnd warf Neltharion den Hexenmeistern die Kräfte der Scheibe entgegen.

Die Eredar zerfielen zu Staub. Ihre Schreie waren kurz, aber voller Entsetzen. Schreckenslords fielen aus dem Himmel, als das Licht sie bis auf die Knochen verbrannte. Die Hexenmeister starben auf hundert verschiedene Arten, die Scheibe warf ihre eigenen Zauber auf sie zurück.

Schließlich flohen selbst die Furchtlosesten voller Panik. Dieser Macht hatten sie nichts entgegenzusetzen. Auch ihre Furcht vor Sargeras hielt sie jetzt nicht mehr zurück.

Als die Teufelswächter, die Verdammnisgarde und die anderen sahen, wie ihre Brüder den Drachen zum Opfer fielen, schwand auch ihr Mut. Archimondes Armee löste sich auf. Seine Drohungen verhallten ungehört. Selbst, als er einige Dämonen erschlug, liefen die anderen einfach weiter.

Lord Ravencrest stellte sich im Sattel seines Nachtsäblers auf. „Der Sieg ist unser!“, brüllte er. „Für Kalimdor und Azshara!“

Die Soldaten nahmen seinen Ruf auf. Die Streitmacht warf sich dem Feind entgegen. Der Sieg schien zum Greifen nah.

Nur Rhonin zögerte. Nur er kannte die Wahrheit. Aber wie sollte er anderen davon erzählen? Hatte die Drachenseele nicht genau das getan, wofür man sie angeblich erschaffen hatte?

Er sah sich nach Krasus um, dem Einzigen, der außer ihm die Bedrohung verstand und vielleicht sogar wusste, was zu tun war.

Aber von seinem ehemaligen Lehrer fehlte jede Spur.


Neltharion brüllte triumphierend, als die winzigen Dämonen unter ihm flohen. Er hatte die Macht der Drachenseele und damit auch seine eigene Überlegenheit bewiesen.

Doch dann störte eine Gestalt, deren Verrat er bereits spürte, seinen Augenblick des Triumphs.

„Neltharion“, sagte Alexstrasza angespannt. „Die Dämonen fliehen. Die Seele hat ihre glorreiche Aufgabe erfüllt. Jetzt sollten wir die Verbindung lösen und sie von allen Seiten angreifen.“

„Nein!“ Er sah sie drohend an, gab sich keine Mühe mehr, seinen lodernden Wahnsinn zu verbergen. „Nein! Ab jetzt bestimme ich, was getan wird. Ich, nicht du, Alexstrasza!“

Die anderen Aspekte starrten den Erdwächter an, als hätten sie ihn noch nie zuvor gesehen. Malygos begann, auf den schwarzen Drachen einzureden. „Mein guter Freund Neltharion. Sie wollte dich doch nicht beleidigen. Sie hat nur darauf hingewiesen, dass wir effizienter vorgehen, wenn – “

„Sei still!“

Die Scheibe leuchtete auf.

Die Clans versteiften sich. Ihre Flügel erstarrten. Trotzdem stürzten sie nicht in die Tiefe, denn die monströse Macht der Drachenseele sorgte dafür, dass sie getragen wurden. Nur ihre Augen bewegten sich noch. In ihnen spiegelte sich das Entsetzen über den Verrat des Schwarzen wider. Nur dessen eigener Glan teilte diese Reaktion nicht.

„Ihr werdet mich nicht verraten! Ich werde mein Recht durchsetzen! Mein Schicksal wird sich erfüllen. Dieses Land… alle Länder werden sich vor mir verbeugen. Ich werde die Welt so erschaffen, wie sie sein sollte.“

Sein Blick fiel auf die Schlacht, allerdings nicht auf die Brennende Legion. Der schwarze Leviathan richtete die Scheibe auf die vorrückenden Nachtelfen und zischte: „Alle sollen wissen, dass ihr Leben von mir abhängt!“

Die Macht der Drachenseele traf die Streitmacht.

Die Nachtelfen waren so siegessicher, dass sie im ersten Moment nicht begriffen, was geschah. Sie hätten ohnehin nichts daran ändern können. Das gleißend helle Licht traf die ersten Reihen. Die Soldaten schrien kurz auf und verschwanden. Die Reiter auf ihren Nachtsäblern starben ebenso wie die Fußsoldaten, von denen Dutzende in einem Sekundenbruchteil fielen.

Der Vormarsch geriet ins Stocken. Die Nachtelfen flohen. Zurück blieb nur die verbrannte Landschaft und die Überreste einiger Leichen.

Chaos herrschte. Weder die Nachtelfen, noch die Dämonen verstanden, was vor sich ging. Alle Augen richteten sich auf den gewaltigen schwarzen Schatten, der den Tod brachte.

Die Stimme des Erdwächters übertönte jedes andere Geräusch. „Hört zu, wertloses Getier! Richtet eure Gebete an mich, denn ich bin Neltharion, euer Gott!“

Die Stimmen in seinem Kopf schrien wild durcheinander, drängten ihn zu weiteren Gewalttaten. Doch ausnahmsweise ignorierte er sie. Er wollte seinen Triumph auskosten. Die winzigen Gestalten sollten vor ihm auf die Knie fallen und seine Überlegenheit anerkennen. Schließlich konnte er sie töten, wann immer es ihm beliebte.

Und das würde er auch tun, wenn sie ihn zu langweilen begannen.

„Kniet vor mir nieder! Jetzt!“

Die meisten folgten seinem Befehl. Nur einige blieben verwirrt und unsicher stehen.

Die Drachenseele traf die Entscheidung für sie. Ihr tödliches Licht strich einmal kurz über die Nachtelfen, dann über die Dämonen. Das war eine deutliche Lektion. Wer bis dahin noch gestanden hatte, sank jetzt rasch auf die Knie.

Der wahnsinnige Drache knurrte. „Ich habe mit angesehen, wie ihr bemitleidenswerten Kreaturen meine Welt ruiniert habt! Es muss wieder Ordnung herrschen. Meine Welt soll wieder vollkommen sein. Wer nicht bereit ist, mir zu dienen, wird sterben!“

Ein Zischen ließ Neltharion herumfahren. Alexstrasza konnte sich zwar nicht bewegen, aber es war ihr gelungen, ihrer Wut und ihrer Abscheu Ausdruck zu verleihen.

„Und du…“, stieß der Schwarze hervor. Seine neuen Untertanen waren vergessen. „Du und meine anderen verräterischen und intriganten Freunde… euer Leben wird von mir bestimmt werden. Etwas Besseres habt ihr nicht verdient.“

Alexstrasza rang um Worte. Neltharion gab sich großzügig und erlaubte ihr diese Fähigkeit.

„Was hast du getan, Neltharion? Welchen Schrecken hast du erschaffen? Du nennst uns verräterisch, aber ich sehe hier nur einen Verräter!“

„Ich habe dir erlaubt zu sprechen, aber du solltest dieses Geschenk nutzen, um dich für deine Verbrechen zu entschuldigen und meine Gnade zu erflehen. Stattdessen wagst du es, mich zu verurteilen?“

Sie schnaufte abfällig. „Niemand hier hat je ein so schreckliches Verbrechen begangen.“ Alexstrasza zögerte, dann sprach sie in einem sanfteren Tonfall weiter. „Neltharion, das passt doch nicht zu dir… Du wolltest, dass die Welt friedlich und harmonisch ist…“

„Und das wird sie sein! Wenn alle meinen Befehlen gehorchen, wird es kein Chaos und keine Kriege mehr geben.“

„Und keinen Tod? Wie viele sollen sterben, um deinen Frieden zu erschaffen, alter Freund?“

„Ich – “ Die Stimmen drängten ihn, sie zu töten. Der schwarze Drache schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen. „Alexstrasza… ich…“

„Kämpfe gegen den Wahnsinn an, der dich beherrscht, Neltharion! Du bist stark. Denke daran, wer du einmal warst… und vernichte dieses Ding, bevor es für uns alle zu spät ist!“

Sie hatte das Falsche gesagt. Der Blick des Erdwächters verhärtete sich. Er legte eine schützende Tatze auf die Scheibe. „Nein! Dein Verrat wird immer schlimmer. Du willst meine Schöpfung für dich selbst beanspruchen! Ich habe es gewusst. Ich habe gewusst, dass man euch allen nicht trauen kann!“

„Neltharion – “

„Schweig!“

Alexstraszas Kiefer erstarrten. Sie versuchte zu sprechen, aber die Macht der Drachenseele überwältigte sie.

Der dunkle Gigant wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Wesen am Boden zu, die ihn reglos und voller Entsetzen anstarrten.

„Ich habe eine Entscheidung getroffen!“, rief er. „Ich habe entschieden, dass ich kein Getier wie euch in meiner neuen Welt sehen möchte!“

Er hob die Drachenseele. Die Scheibe begann zu leuchten.

Und ein roter Drache stieß heftig mit Neltharion zusammen.

Ihnen bot sich ein schrecklicher Anblick. Am Boden herrschten Tod und Verwüstung, in der Luft wurden die Drachen in der Falle eines Verräters gefangen gehalten.

Krasus fluchte. „Wir kommen zu spät! Neltharion hat sein Volk bereits verraten.“

Im gleichen Moment erkannte er überrascht, dass der Zauber des Erdwächters ihn nicht mehr behinderte. Wieso auch? Neltharion hatte seinen Verrat selbst offenbart. Der Zauber erfüllte keinen Zweck mehr.

„Das ist schrecklich!“, brüllte Korialstrasz. „Alexstrasza ist seine Gefangene! Wie kann er das wagen? Dafür töte ich ihn.“

„Beruhige dich!“, unterbrach ihn Krasus. „Neltharion und die Dämonenseele sind zusammen zu mächtig.“

„Dämonenseele? Das ist wahrlich ein besserer Name dafür! Diese Scheibe ist eine Höllenschöpfung, die besser zu den Kreaturen der Brennenden Legion als zu einem Drachen passen würde.“

Krasus hatte den Namen, den man der Scheibe in späteren Zeiten geben würde, nicht nennen wollen, aber dazu war es jetzt zu spät. Vielleicht würde der Name ja sogar aus dieser Unterhaltung weitergetragen werden. Der Magier konnte längst nicht mehr sagen, welche Ereignisse zur ursprünglichen Geschichte gehörten und welche durch seine Einmischung entstanden waren. In der gegenwärtigen Situation war das vielleicht auch egal. Nicht egal war jedoch die Bedrohung, der Kalimdor jetzt gegenüberstand und gegen die selbst Dämonen harmlos wirkten.

„Was sollen wir tun?“, fragte Malfurion.

„Die Dra… die Dämonenseele ist nicht unverletzlich. Neltharion ist der Schlüssel. Er hat sie erschaffen, und er ist ihre Schwäche.“

„Willst du sie zerstören? Wir könnten damit mein Volk retten.“

Krasus sah ihn grimmig an. „Druide, jeder andere Weg, der zum Überleben führt, ist besser als diese Ausgeburt des Schreckens. Spürst du denn nicht das Böse, das darin liegt?“

Der Nachtelf spürte es. Außer Neltharion nahm wahrscheinlich jeder das Grauen wahr, das die Dämonenseele ausstrahlte, wenn sie benutzt wurde.

Korialstrasz schüttelte den Kopf. „Ich halte das nicht aus!“

Der rote Drache sank wortlos herab und landete zwischen einigen Hügeln hinter den Linien der Nachtelfen. Hier war er auch vor dem Blick des wahnsinnigen Schwarzen geschützt.

Seine beiden Reiter stiegen ab. Krasus sah ihn an. „Was hast du vor?“

„Das weißt du doch genau.“

Das stimmte. Er konnte sich undeutlich an seine Entscheidung erinnern. Doch auch sie war längst nicht mehr in Stein gemeißelt. Korialstrasz war schon einmal beinahe gestorben. Ein zweites Mal hatte er vielleicht nicht so viel Glück.

Doch trotz dieses Wissens konnte er dem Drachen nicht widersprechen. Sie beide waren von der Liebe zu ihrer Königin erfüllt.

„Versuche, seinen Rücken anzugreifen“, sagte er seinem jüngeren Ich. „Du musst dafür sorgen, dass er die Scheibe fallen lässt.“

Der Leviathan neigte dankbar den Kopf. „Ich werde mir deinen Rat zu Herzen nehmen.“

Dann erhob sich Korialstrasz wieder in die Luft. Seine Schwingen schlugen schneller. Er wollte vor dem Angriff Geschwindigkeit aufnehmen. Seine Begleiter sahen ihm nach. Vor allem Krasus ließ ihn nicht aus den Augen, bis er jenseits der Hügel verschwand.

Die Würfel waren gefallen. Der Magier drehte sich um und sagte: „Komm, Malfurion, wir müssen deinem Volk helfen.“

Krasus lief hastig über die Hügel, wirkte längst nicht mehr so würdevoll wie sonst. Würde konnten sich nur diejenigen leisten, die über Zeit und Geduld verfügten. Ihm und seinem Begleiter mangelte es im Moment an beidem. Sie mussten so schnell wie möglich Rhonin und die anderen finden.

Die Frage war nur, was sie dann tun würden.

Sie liefen immer weiter, doch die Nachtelfen schienen nicht näher zu kommen. „Das dauert viel zu lange“, sagte Krasus mürrisch. „Bis wir dort sind, ist es längst zu spät.“

„Vielleicht kann ich etwas beschwören. Vielleicht schickt mir Cenarius noch einmal Hippogriffs.“

„Ich bezweifle, dass wir noch einmal so viel Glück haben werden. Aber wenn ich Rhonin kontaktieren könnte…“

Er unterbrach sich. Dann atmete er tief ein und streckte seinen Geist nach seinem ehemaligen Schüler aus. Er spürte den Menschen zwar, aber dieser wurde zu sehr durch seine Umgebung abgelenkt und nahm Krasus’ Berührung wahrscheinlich noch nicht einmal wahr.

„Ich habe versagt“, meinte er schließlich. „Wir müssen wohl doch weitergehen.“

„Lasst mich es versuchen. Das kann ja nicht schaden.“

Krasus sah den Druiden an. „Wen willst du erreichen?“

„Meinen Bruder natürlich.“

Der Zauberer dachte einen Moment lang über diese Wahl nach, dann sagte er: „Ich würde dir lieber jemand anderen vorschlagen. Tyrande zum Beispiel.“

„Tyrande?“ Malfurion errötete.

Krasus wollte dem Nachtelfen nicht zu nahe treten, deshalb fügte er hinzu: „Als wir dich im Palast gesucht haben, konnten wir die Verbindung dank ihrer Hilfe rasch erstellen. Mit meiner Unterstützung könnte es dir auch gelingen. Außerdem kann sie vielleicht Reittiere für uns organisieren.“

Malfurion nickte. Das ergab Sinn. „Nun gut.“

Krasus und der Nachtelf setzten sich einander gegenüber ins Gras. Der Drachenmagier blickte seinem Begleiter in die Augen. Beide konzentrierten sich.

„Tyrande…“, flüsterte Malfurion.

Krasus spürte, wie sein Geist nach ihr tastete. Die Verbindung zu der Priesterin kam fast augenblicklich zustande und bestätigte den Verdacht des Magiers. Auch wenn beide die tiefen Gefühle, die sie füreinander empfanden, noch nicht erkannt hatten, waren sie für ihn doch deutlich spürbar.

Tyrande… sagte Malfurion in seinem Geist.

Malfurion? Sie klang ebenso überrascht, wie erleichtert. Wo

Hör mir gut zu. Ich kann nicht viel erklären, antwortete er und versuchte die Dringlichkeit seiner Bitte zu betonen. Krasus und ich benötigen Reittiere. Kann eine der Schwestern sie zu den südlichen Hügeln bringen?

Er versuchte das Bild der Landschaft an sie zu übermitteln. Sie verstand ihn.

Ich werde selbst kommen, sagte die Priesterin.

Krasus mischte sich ein, bevor Malfurion protestieren konnte. Sie wird der Verbindung zu uns folgen können. Eine andere Person würde uns vielleicht nicht sofort finden.

Der Drachenmagier spürte Malfurions Zögern und schließlich seine Zustimmung.

Ich muss zuerst Reittiere finden, aber dann komme ich sofort. Mit diesen Worten zog sich Tyrande aus der Unterhaltung zurück. Sie war immer noch mit Malfurion verbunden, hatte den Kontakt aber so weit reduziert, dass seine Gedanken sie nicht ablenken konnten.

„Gepriesen seien die Aspekte!“, verkündete Krasus, als er sich aus der Vereinigung zurückzog. Er zog Malfurion auf die Beine und fügte hinzu: „Jetzt haben wir wieder eine Chance.“

„Aber wie groß ist diese Chance? Zuerst die Dämonen und nun die Drachen. Kalimdor ist dem Untergang geweiht.“

„Vielleicht – aber vielleicht auch nicht. Wir werden tun, was wir können.“ Der Magier blickte in die Richtung, in die Korialstrasz geflogen war. Die Hügel verbargen den Kampf vor seinen Augen.

„Wie die anderen auch“, sagte Krasus ernst. „Wie die anderen auch…“

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