Kapitel 26

Die Zeit verging. Auf dem Feld neben dem Hügel wuchs der Weizen und – die Lehrerin Katja hatte also doch recht gehabt! – auf dem früheren Friedhof war er doppelt so hoch und dicht wie an anderen Stellen, doch auch dort unterschied er sich deutlich von jenem Weizen, den die ehemaligen Kolchosbauern von früheren Ernten her kannten. An den Abenden, die jetzt, da der Herbst seinen goldenen Höhepunkt erreicht hatte, zeitiger hereinbrachen, versammelten sich die fleißigen Werktätigen beim Fluss, wo eine große Banja[4] aus dicken Stämmen errichtet worden war. Die Bauarbeiter, die Rotarmisten und natürlich auch die Bauern kamen dort zusammen, um nach Herzenslust im Dampfbad zu schwitzen, von Zeit zu Zeit allein oder auch zu mehreren hinauszulaufen und in den Fluss zu springen, der etwas seichter geworden war, in dem man aber, wenn man wollte, an einigen Stellen auch bis zum Kopf in das blaugrüne Wasser eintauchen konnte. Den Bewohnern des Neuen Gelobten Landes verhalf sowohl ihre Arbeit als auch der Zufall zu Reichtum. Es entstand eine merkwürdige, freundschaftliche Verbindung zwischen den Rotarmisten und den Kolchosbauern einer nicht weit entfernt gelegenen, großen Siedlung. Die Kolchosbauern kamen nachts mit ihren Fuhrwerken und betrieben einen regen Tauschhandel mit den Rotarmisten. Was dort nicht alles getauscht wurde! An anderen Tagen verschwand plötzlich der gesamte ehemalige Trupp Rotarmisten hinter dem Feld und brachte von dort eine große Zahl an Säcken gefüllt mit herrlichen Sachen mit.

Der Engel wunderte sich sehr darüber. Dann aber erklärte ihm der bucklige Buchhalter eines Tages, dass an jener Stelle, wo die Rotarmisten die Eisenbahnschiene für die Versammlungen abgeschraubt hatten, ein langer Güterzug umgestürzt war, die Menschen jedoch, die damit gefahren waren, aus irgendeinem Grund die Flucht ergriffen hatten. Von dort brachten nun die Rotarmisten Verschiedenes in das Neue Gelobte Land, unter anderem auch zehn Säcke Salz.

Die Kolchosbauern, die des Nachts kamen, freundeten sich auch mit dem Ofensetzer und Räuchermeister Sachar an und brachten oft verschiedene Sorten von Fleisch, damit er es für sie räucherte. Sachars riesige Räucheröfen standen am Ufer des Flusses gleich hinter der Banja, und fast immer stieg eine köstlich riechende, nach Salz duftende Rauchwolke aus seinem Rauchfang auf, die sich in der frischen Luft ausbreitete.

Im Neuen Gelobten Land war nun auch die Schule in Betrieb, und dort gab es eine richtige Schultafel und Kreide, die die Rotarmisten auf Wunsch aus einer Dorfschule der nahe gelegenen Kolchose gestohlen hatten. In diese Schule kamen abends, wie im „Unterrichtsplan“ vereinbart, fünf Rotarmisten, fünf Bauarbeiter, fünf Bauern und acht Kinder unterschiedlichen Alters, das jüngste war dreieinhalb. Sie schrieben verschiedene Gedanken auf die Tafel, unter denen am häufigsten der Satz „Wir sind keine Sklaven, Sklaven sind wir keine“ anzutreffen war.

In naher Zukunft wurde ein Bevölkerungszuwachs im Neuen Gelobten Land erwartet: Drei Frauen, alle noch jung, trugen dicke Schwangerschaftsbäuche vor sich her, und nur von einer wusste man, dass sie sozusagen die Frau des buckligen Buchhalters war. Aber wessen Frauen die anderen waren, wusste niemand.

Archipka-Stepan sonderte sich von den allgemeinen Tätigkeiten ab. Tagsüber schlief er, nachts aber saß er im Gras, in eine Decke gewickelt, die Trofim ihm geschenkt hatte, der sie zuvor bei einem Bauern der nahen Kolchose gegen zwei Paar Stiefel eingetauscht hatte. So saß er im Gras, blickte immerzu in den Himmel und suchte in Gedanken versunken nach verschiedenen Sternen.

Einmal kam der Oberdeserteur zu ihm, mit dem gemeinsam er den Weg ins Neue Gelobte Land angetreten hatte. Er fragte ihn, ob er nicht noch einen weiteren wegweisenden Stern kennen würde. Archipka-Stepan zeigte ihm einen kleinen, unscheinbaren Stern. In derselben Nacht ging der Oberdeserteur für immer fort, da er im Neuen Gelobten Land sein Glück nicht gefunden hatte.

So verging die Zeit und allmählich wurde es Spätherbst. Viele Bauern begannen bereits über die bevorstehende Ernte nachzudenken, und um sie einzufahren und in die von den Bauarbeitern errichteten Speicher zu bringen, hatten die Bauern mit den benachbarten Kolchosbauern vereinbart, dass diese ihnen nachts mit ihren Traktoren zu Hilfe kommen würden.

So floss also das Leben der Bewohner des Neuen Gelobten Landes dahin, und wenn es auch nicht immer gerecht und vollkommen glücklich war, so war es doch einfach und für jedermann verständlich.

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