In der Luft der Höhle, die Hauk inzwischen als seinen Zufluchtsort betrachtete, schwirrte die Aufregung des irren Isarn. Stammelnd und schluckend versuchte der Schwertschmied verzweifelt zu reden. Das dunkle Haar auf Hauks Armen sträubte sich, als wenn ein Gewitter anrückte. Kalter Haß kroch sein Rückgrat hoch. Isarns Bemühungen, seine Aufregung zu beherrschen, ließen sein Gesicht derart zucken, daß er kaum ein verständliches Wort über die Lippen brachte.
Hauk schlug die Beine übereinander und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand der Höhle, in der sie sich versteckten. »Langsam und ruhig«, flüsterte er. »Erzähl’s noch mal.«
»Der Junge. Das Elfenmädchen. Der Junge.«
Hauk wußte nichts darauf zu antworten. Er begriff nicht, was Isarn ihm sagen wollte. Aber wegen der Panik in den Augen des Schwertschmieds hielt er den Zwerg für klarer bei Verstand als die ganzen letzten Tage.
»Erzähl«, sagte er wieder. Damit Isarn seine Nachricht loswerden konnte, sprach Hauk so freundlich wie möglich und versuchte, seine Ungeduld zu unterdrücken. Er wußte nicht, wie lange es anhalten würde – ob Momente oder ob eine Stunde –, daß Isarn vernünftig reden konnte.
Der Rhythmus der lichten Momente des Zwergs hatte sich ständig verändert, seit sie sich versteckten. Das Licht in seinen Augen war manchmal für längere Zeit scharf und klar, aber es kam selten vor. Wenn er verrückt war, trottete er unablässig in der Höhle herum. Dann erinnerte er Hauk an einen Spatzen, der in einer verschlossenen Scheune gefangen war und sich auf der Suche nach einem Ausgang flatternd gegen die Wände warf. Nur die Stimme in seinem Inneren konnte ihn dann beruhigen.
Wenn er bei Verstand war, so wie jetzt, waren seine Augen so ruhig wie das Wasser eines Weihers. Seine Hände lagen still in seinem Schoß, und er konnte sich nicht mehr daran erinnern, hin und her gelaufen zu sein. Da saß er neben Hauk und redete leise mit ihm wie mit einem Freund, der lange krank gewesen und jetzt auf dem Weg der Besserung ist.
Trotz dieser Fürsorglichkeit wollte Hauk ihn immer noch umbringen. Jetzt aber dachte der Waldläufer nicht ans Töten, obwohl er sich immer noch zeitweise danach sehnte.
Isarn atmete tief durch. Mit blitzenden Augen lehnte er sich vor, und Hauk befürchtete schon, sein Eifer würde einen weiteren Ausbruch wahnsinnigen Herumlaufens ankündigen. »Sturmklinge ist heimgekehrt!«
Hauk saß absolut still und wagte kaum zu atmen.
»Hör zu«, flüsterte Isarn, »hör gut zu. Das Meisterschwert ist hier. Das Königsschwert ist zurück ins Herz der Welt gekommen, wo es geboren ist!«
Hauk bewegte sich immer noch nicht.
»Hörst du?« Hektisch rieb Isarn seine Hände aneinander. Die Stille des Wassers würde gleich vorbei sein.
»Ich höre«, flüsterte der Waldläufer.
Kleines Schankmädchen, dachte er, nun hat er dich gefunden! Oh, Götter, nein! Er hat dich gefunden!
»Ja, zurück, wo es hingehört, zurück zu mir, der ihm Herz und Leben gegeben hat. Zurück zu mir für den Lehnsherrn. Den Lehnsherrn, den König, der sein wird. Mit dem Jungen zurückgekommen.«
Völler Angst fragte Hauk schnell dazwischen: »Was für ein Junge?«
»Der Junge – der Junge, den ich ausgebildet habe. Der Junge. Der kleine Stanach.«
»Ein Lehrling?«
»Genau, genau, der Junge. Und ein Mädchen, angezogen wie eine Elfe und genauso groß. Ist aber keine! Nein. Ein Mädchen mit Feuerhaar und Jadeaugen.«
Isarn schrie auf, als Hauk sein Handgelenk packte. Ein Mädchen mit Feuerhaar und Jadeaugen hatte Sturmklinge nach Thorbardin gebracht! Sein Schankmädchen!
»Erzähl mir von dem Mädchen! Rede!«
Der Zwerg schrak zurück wie ein Kaninchen vor den Fängen eines Wolfes. Sich windend keuchte er etwas, das Hauk nicht verstand.
»Sag schon!«
»Realgar«, jammerte er. Angst durchschoß Hauk wie ein Blitzschlag. Sein Griff zerquetschte das dünne Handgelenk des Zwergs. »Realgar hat sie! Realgar – hat mein Schwert und den Jungen und das Elfenmädchen, das keine Elfe ist!«
»Wo?«
»In den Derro-Tunneln. Versteckt.«
»Warum?« schnappte Hauk. »Sag mir, warum!«
»Ich – ich weiß nicht.«
»Bring mich hin, Alter, oder ich brech dein Handgelenk wie einen dünnen Zweig.«
Es war kein großer Kampf. Etwas in seinen Augen ließ Hauk auf die Idee kommen, daß Isarns Nachgeben geplant gewesen war. Plötzlich verstand er, daß der alte Zwerg wollte, daß er seine kostbare Sturmklinge zurückholte.
Zorn loderte wie Feuer in Hauk. Sein Schankmädchen war gefangen. Er überlegte keine Minute, warum er sie als sein betrachtete. Vielleicht weil sie für ihn so lange das einzige gewesen war, das Realgar ihm nicht hatte nehmen können. Es spielte keine Rolle. Um des Mädchens willen würde er Isarns Sturmklinge finden.