Es gab kein Licht. Es hatte keins gegeben, seit ihm bewußt war, daß er an diesem Ort war. Hauk hatte keine Ahnung, wie lange das her war. Er war weder gefesselt noch angekettet, aber er konnte sich nicht bewegen. Er lag auf feuchtem Stein, und die Kälte sickerte in ihn ein und umfing seine Knochen wie Schüttelfrost.
Es kam ihm so vor, als ob ihm noch nie warm gewesen wäre. Alle seine Erinnerungen drehten sich um einen Schrecken, der durch Mark und Bein ging, um das Sterben – und um eine endlos wiederholte Frage.
Wo ist das Schwert mit den Saphiren?
Er war zweimal gestorben, seit er hier gelandet war. Sein erster Tod war schnell und schmerzhaft gewesen, mit kaltem Stahl im Bauch. Das Blut war aus ihm herausgeströmt. Beim zweiten Mal hatte er in der ewigen Dunkelheit gelegen und gespürt, wie der Tod näher kam. Er hatte gespürt, wie er sich unaufhaltsam wie ein Jäger heranpirschte, hatte ihn kommen gehört wie ein Sommergewitter, das durch ein Tal rollt. Obwohl er nicht gefesselt war, hatte er sich nicht bewegen können. Er hatte im Dunkeln gelegen und auf das Nahen des Todes gelauscht. Stumm hatte er zu jedem Gott gebetet, der vielleicht zuhören würde. Dennoch kam der Tod. Mit Schritten wie Donner, einer Stimme wie einer Totenklage, die seinen Namen rief.
Zwischen den beiden Toden schwebte die eine Frage: Wo ist das Schwert mit den Saphiren?
Hauk antwortete nicht. Er erlaubte sich nicht einmal, die Antwort zu denken oder sich an das Schwert oder das Schankmädchen zu erinnern, dem er es gegeben hatte. Wer ihn zweimal töten konnte, konnte auch das Leuchten in den grünen Augen des Mädchens ausblasen, wie ein Mann, der eine Kerze löscht.
Wer ihn zweimal töten konnte, konnte ihr Herz nur mit seinem Willen durchbohren. Wie ein Dolch, der silbern durch den dicken, blauen Rauch einer Taverne zischte.
Warum jemand das Schwert mit den Saphiren so dringend brauchte, wußte er nicht.
Darum lebte er in einer Einöde aus Warten und Schrecken. Er wußte nicht, wann er schlief oder wann er wach war. Die Dunkelheit verursachte ihm Alpträume, und die gleichen bösen Träume, die ihn im Schlaf plagten, verfolgten ihn im Wachzustand.
Doch jetzt, mitten in der Einöde, wurde Hauk langsam bewußt, daß er nicht allein war. Die Luft fühlte sich plötzlich anders an. Es war nur eine Ahnung, daß sich jemand in der Nähe bewegte.
Da atmete jemand in der Finsternis. Kurze Atemzüge hallten um ihn herum wider, und er erkannte, daß er an einem Ort mit Wänden war. Eine Stimme murmelte vor sich hin. Angst beschlich Hauk und nistete sich kalt und schwer in seinem Herzen ein.
Das war nicht die gnadenlose Stimme, die nach dem Schwert gefragt hatte. Jene Stimme war hart und scharf wie Stahl gewesen. Diese hier war anders: dünner, gebrochener.
Oder war es sein eigenes Murmeln, sein eigenes Geflüster?
Licht explodierte in der Finsternis, das Schatten die Wände hochlaufen ließ und feurige Pfeile in seine Augen schoß. Hauk brüllte vor Schmerz. Er konnte weder den Kopf wegdrehen noch die Augen schließen. Das Licht wurde abgeblendet.
Hinter Hauks schmerzenden Augen brannte das feuerumrahmte Bild eines Zwerges, der mit hoch erhobener Laterne bei seinen Füßen auf dem Boden kauerte.
»Wer…?« stöhnte er. Es kam keine Antwort, sondern ein kurzes Luftholen und das leise Huschen von Füßen in Stiefeln, die über Stein liefen.
»Wer bist du!« Ein Schluchzen. Ein langes, gequältes Stöhnen. Stille. Hauk war wieder allein in der Einöde.