III

Ich fing also an, die Beine zu bewegen und hoffte dabei, keine in der Nähe befindlichen Instrumente würden die Gleichstromimpulse auffangen, als ich die Einklapp-Solenoide ein— und ausschaltete. Die Praxis hatte gezeigt, daß ich einen fünf— oder sechsgradigen Hang erklettern konnte, wenn der Untergrund hart war und den „Füßchen“ Halt bot, daß aber, wenn der Hang steiler war, das Gehen reine Glückssache wurde. Wenn ich Übergewicht bekam und wieder bergab rollte, dann bedurfte es blitzschneller und emsiger Betätigung der genau richtigen Füße, um das Rollen zu stoppen. Die Kugel hatte nämlich ein beträchtliches Trägheitsmoment. Wegen der äußeren Unregelmäßigkeit waren gewisse Stellungen natürlich stabiler als andere, und andere wiederum noch wackliger. Das war der Augenblick, da ich mir mehr Übung wünschte, obwohl ich mich mit dem Gedanken trösten konnte, daß unser Boß den zusätzlichen Energieverbrauch ohnehin nicht bewilligt hätte.


Ich hatte mich etwa dreißig bis vierzig Yards den Hang hochgearbeitet und dabei nur einen Fehler begangen, der mich ein Stück Weges kostete, als die erwartete Truppe auftauchte.

Groß war sie nicht — alles in allem vier Personen.

Eine davon hätte das Mädchen sein können, das ich zuvor sah. Die anderen sahen aus wie Männer, nur war das aus dieser Entfernung mi t Sicherheit nicht festzustellen. Einer zog einen Ausrüstungsgege nstand hinter sich her, schätzungsweise drei Fuß lang, zylinderförmig, Durchmesser wenig mehr als ein Fuß. Das Ding hatte einen leicht negativen Auftrieb, verständlich — man wollte sichergehe n, daß nichts an die Oberfläche gelangte, was sich losriß.

Sie schwammen an das Wrack heran. Zwei Mann fingen nun an, Leinen aus dem Zylinder zu ziehen.

Diese Schnüre befestigten sie an geeigneten Teilen der „Pugnose“, während der dritte aus dem anderen Zylinderende etwas zog, das aussah wie ein schw eres Netzbündel mit einem luftleeren Ballon darin.

Als die Seile festgemacht waren, werkelte er an dem Zylinder herum, und der Ballon füllte sich langsam. Das Wrack hatte nicht viel Unterwassergewicht, und es dauerte nicht lange, und der Ballon hatte es vom Dach hochgehoben. Die vier schwammen zur anderen Seite und schoben nun mit wild schlagenden Schwimmflossen kräftig an.


Nach wenigen Minuten hatten sie das Wrack von der glatten Fläche fortgeschafft und waren außerhalb des beleuchteten Bereiches. Ich nahm an, damit wäre alles erledigt, aber ich sollte mich tä uschen. Nun war das Zeltdach nicht mehr gefährdet, und sie schwammen hin und her und schoben ihre Fracht in die Richtung, die das Mädchen nach seiner Entdeckung eingeschlagen hatte.

Das konnte gefährlich werden. Vielleicht wollten sie das Wrack bloß als Souvenir. Daneben bestand aber auch die Möglichkeit, daß sie es unter günstigeren Bedingungen — in besserem Licht oder gar außerhalb des Wassers — genauer begutachten wollten. Egal was zutreffen mochte, solange bei ihnen Interesse bestand, solange bestand auch die Mö glichkeit, daß jemandem die Befestigungsvorrichtungen für den Tank auffielen. Mir wäre viel wohler gewesen, wenn sie den Bugteil einfach von ihrem Dach geschoben und die ganze Angelegenheit vergessen hätten. Jetzt hatte ich keine Ausrede mehr, mich nicht an ihre Fersen zu heften. Ja noch mehr, ich mußte den Eingang oder einen der Eingänge zu dem System feststellen.

Sie schwammen nicht sehr schnell, aber immerhin viel schneller, als ich mit dem Tank dahinrollen konnte. Wieder wünschte ich mir, man hätte das Ding beweglicher gebaut, doch das Gegenargument hatte gelautet, der Tank sollte einem U-Boot mö glichst unähnlich sein, damit die Tarnung leichter sei. Schon damals hatte mir das nicht eingeleuchtet und ich hätte die Debatte mit größtem Vergnügen wieder aufgenommen. Im Augenblick aber konnte ich nur auf eine spätere Chance hoffen und abwarten, bis die Schwimmer ihre Last ein Stück weitergeschafft hatten, um sodann in dieselbe Richtung zu rollen.

Vermutlich habe ich mich noch nicht ausreichend klar über die Schwierigkeiten geäußert, die mit einem Rollen des Tankes verbunden sind. Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach: einfach durch Betätigung der richtigen Feder ein Bein gegen den Boden ausfahren, und zwar auf jener Seite, von der ich wegwollte. Vielleicht ist damit noch nicht klar ausgedrückt, daß diese allgemeine Methode der Fortbewegung es mit sich brachte, daß sämtliche Ausrüstungsgegenstände, Steuerungseinrichtungen und andere Apparate einmal auf dieser, dann auf der anderen Seite waren, einmal oben, einmal unten: Zeitweise bedeutete es ein echtes Kunststück sich nicht auf alle Beinchen-Hebel gleichzeitig zu setzen. Wie gesagt, die Beine dienten me hr der Halte— und Steigungskontrolle und dazu, ein Abrollen zu verhindern, als zum richtigen Fortbewegen.

Die Behörden hatten diese Notwendigkeit nicht vorausgesehen oder zumindest als nicht sehr bedeutsam erachtet.

Ich mußte mich nun so stark auf das Weiterbewegen über dem Meeresboden konzentrieren, daß ich keine Zeit mehr für die Sorgen hatte, die ich mir beim Sinken gemacht hatte. Die Wahrscheinlichkeit, daß ich nun unter gegnerische Beobachtung geraten würde, war zwar größer, aber ich ließ mir deswegen keine grauen Haare mehr wachsen. Die Schwimmer waren in einiger Entfernung verschwunden, in dem beleuchteten Bereich links von mir rührte sich nichts, und in der anderen Richtung sah ich überhaupt nichts. Der Boden unter dem Tank war nicht deutlich zu sehe n, und in gewisser Weise mußte ich mich weitertasten — doch ist das Wort nicht richtig gewählt, denn beim Tasten kann man ja fühlen, was vor einem liegt. Ich aber fühlte gar nichts. Ich konnte nur wahrnehmen, ob mein Vehikel eine kleine Strecke rollte, eine größere oder gar keine, wenn ein anderes Bein ausgefahren wurde. Und wenn es nicht rollte, dann mußte ich erraten, welches andere Bein ich ausprobieren mußte. Viel leichter wäre es gewesen, wenn ich gewagt hätte, Licht zu machen, um bessere Sicht auf den Grund zu bekommen, aber so dumm war ich nicht. Wenn die hier Ansässigen sich aus Schwimmern rekrutierten, dann konnte ich nicht annähernd wittern, wann ein paar davon aufkreuzten. Als der Schlamassel anfing, da waren wir auf U-Boote und Sonare eingestellt. Und die hätte ich auch sofort registrieren kö nnen.

Der Hang war nicht völlig ebenmäßig, wie ich rasch herausfand. Zweimal geriet ich unkontrolliert ins Rollen, als ich auf einen kleinen Sims auftraf.

Einmal dachte ich schon, ich wäre auf ewig steckengeblieben, ich konnte nämlich weder vor noch zurück, noch in die Richtung, die ich als bergab und auf das Licht zu einschätzte. Als letzte Rettung versuchte ich es „bergauf“ und mußte entdeckten, daß es nicht bergauf war. Wieder begann ich unkontrolliert in eine Senke zu rollen, von wo aus ich das beleuchtete Gelände nur als undeutlichen diffusen Schimmer über dem Kamm, den ich eben überwunden hatte, sehen konnte. Aus dieser Senke wieder herauszukommen, nahm viel Zeit in Anspruch und dazu einen ärgerlichen Aufwand an gespeicherter Energie.

Ich konnte meinen Gefühlen nicht mal verbal Luft machen. Die Übertragung von Luft durch Plastik hindurch ins Wasser und umgekehrt aus dem Wasser durch Helme in Gas und ins menschliche Ohr mag zwar miserabel sein, aber sie ist nicht gleich Null. Und die Schall-Übertragungseigenschaften kalten Wassers wiegen viele Mängel wieder auf.

Ich wagte es nicht, ein einziges Wort zu äußern.

Kaum war ich aus dem verteufelten Loch heraus und sah das Zeltdach wieder vor mir, ging ich an eine Bestandsaufnahme.

Viel stand mir ja nicht zu Gebote. Ich hatte keine Ahnung, ob ich den Eingang in dreihundert oder dreitausend Yard finden würde. Erstere Annahme schien mir wahrscheinlicher, da das Mädchen mit seinen Helfern sehr rasch wiedergekommen war, aber es war immerhin möglich, daß sie die Männer schon außerhalb getroffen hatte. Nichts stand mit solcher Sicherheit fest, daß eine daraus entwickelte Vorgangsweise auch nur den Anstrich eines kalkulierten Risikos erhalten hätte. Eine Berechnung war unmöglich.

Aber ich mußte mehr herausfinden. Meine ursprüngliche Reaktion hatte sich ein wenig abgekühlt — ich konnte nun glauben, was ich gesehen hatte, und mir war klar, daß andere es auch glauben konnten — doch diese Erkenntnis, über die ich nun verfügte, war für die Aufsichtsbehörde nicht annähernd so nützlich, wie sie hätte sein sollen. Eine Polizeieinheit, die hier mehr sollte, als nur blind herumzutappen, mußte wenigstens wissen, wo sie anfangen sollte. Ein richtiger Eingang wäre der logischste Anfangspunkt. Natürlich war es unwahrscheinlich, daß das Zeltdach ein U-Boot ernsthaft abhalten konnte. Doch in Anbetracht der Fläche, die das Zelt abdeckte, waren die Chancen sehr gering, an einem strategisch sinnvollen Punkt durchzubrechen.

Wahrscheinlich war es das Beste, alle Vorsicht außer acht zu lassen und einfach Licht einzuschalten. Der zusätzliche Energieverbrauch würde durch das zügigere Weiterkommen ausgeglichen, wenn ich endlich sehen konnte, wohin ich rollte. Damit war auch die Chance größer, den Einga ng zu erreichen, ehe mir der Saft zur Neige ging und damit automatisch der Ballast abgeworfen wurde. Falls man mich sichtete, würden die Schwimmer zweifellos näher kommen und mich genauer angucken, und ich hätte die Chance, mir vor dem Auftauchen ihre Hochdruck-Technik näher anzusehen.

Ich bin von Natur aus ein vorsichtiger Mensch und überdachte dies eine ganze Weile, ehe ich ganz überzeugt war. Natürlich sprach sehr viel dagegen.

Nur weil ich bis jetzt nur Schwimmer und keine U-Boote gesehen hatte, hieß noch lange nicht, daß es hier keine Boote gab. Und wenn es welche gab, dann würden sie dafür sorgen, daß ich niemals wieder an die Oberfläche kam — aber dieses Risiko hatte ich ja vor Antritt des Ausfluges akzeptiert. So spielte ich minutenlang mit dem Gedanken PingPong. Dann holte ich tief Luft über der Theorie, daß ich vielleicht nicht mehr viel davon abkriegen würde, und schaltete einen meiner Scheinwerfer ein.

Ja, das war etwas anderes! Der Grund war felsig, wie ich richtig vermutet hatte, und sehr uneben — kein Wunder, daß ich mich mit meinen Beinen mühsam abstrampelte. Da ich nun aber bessere Sicht hatte, setzte ich mich wieder in Bewegung und kam, wie erhofft, viel schneller weiter, und das mit geringerem Energieaufwand. Ganz einfach war es trotzdem nicht. Ich rollte noch immer und mußte während des Rollens sowohl Beine als Lichter wechseln, doch der Fortschritt war immerhin ermutigend.

Jetzt sah ich auch um mich herum mehr Bewegung. Es gab jede Menge von Kleinlebewesen — Krabben und Verwandtschaft, die ich zuvor nicht hatte sehen können. Sie machten mir Platz und stellten keine große Behinderung dar. Daneben gab es pflanzenähnliche Gewächse, die ich — weil sie von jeder natürlichen Lichtquelle sehr weit entfernt waren — als Schwämme oder ähnliches einstufte.

Soweit ich es beurteilen konnte, konnten sie mein Dahinrollen weder fördern noch behindern.

Für den Vorteil der besseren Sicht auf kurze Entfernung mußte ich mit schlechter Sicht auf entfernte Objekte bezahlen. Eine Schwimmergruppe hätte mich jetzt ganz leicht überraschen können. Was dann aber tatsächlich passierte, war weniger voraussehbar. Ich verlor nämlich die Orientierung.

Nicht im Sinne der Kompaß-Richtung und nicht vollständig. Ich konnte links von mir immer noch das beleuchtete Gebiet ausmache n, wenn auch nicht so deutlich wie zuvor. Der Kompaß funktionierte, wenn er zufällig rechts oben zu liegen kam, doch mein Gefühl für oben und unten, das mehr auf meinem Ausblick auf ein paar Quadrat-Yards Meeresgrund beruhte als auf meinem Gleichgewichtssinn, wurde genasführt, als Teile des Untergrundes plötzlich nicht mehr horizontal waren.

Die Veränderung mußte allmählich gekommen sein, andernfalls ich sie ja innerhalb des kleinen Feldes, das ich überblicken konnte, hätte bemerken müssen. Eigentlich hatte ich keine schlechte Aussicht. Ganz plötzlich befand ich mich auf einem felsigen Abhang, der steiler war als alle vorherigen.

Noch ehe ich es richtig merkte, begann der Tank links abzurollen. Als ich wußte, wie mir geschah, ließ ich ein Bein nach dem anderen in diese Richtung vorschnellen — ohne Erfolg.

Es war beileibe nicht so, als würde man in einem Faß bergab kollern. Es war eine langsame und anmutige Bewegung. Ich hätte mit Leichtigkeit im Tank aufrecht stehen bleiben können, wenn ich mich auf dieses Problem konzentriert und nicht mit der Steuerung herumgekämpft hätte. Das nützte mir aber so wenig, daß ich mich gleich auf meine Bequemlichkeit hätte konzentrieren können. Einige der Beinchen verlangsamten das Rollen ein wenig, keines aber konnte die Bergabbewegung bremsen.

Hilflos rollte ich in das beleuchtete Feld und auf das Zeltdachmaterial. Minutenlang war meine berichterstattende Aufmerksamkeit fast gleichmäßig zwischen oben und unten geteilt.

Über mir konnte ich nun erstmals die Lichter ganz klar ausmachen.

Es handelte sich um ganz gewöhnliche Hochdruck-Gas-Lampen, größer zwar, als die ansonsten für Beleuchtungszwecke benutzten, sonst aber keineswegs außergewöhnlich. Ich konnte jedoch noch immer nicht feststellen, wie die Lampen befestigt waren, denn ich bekam Augenschmerzen, wenn ich längere Zeit hinaufguckte.

Beim Hinuntersehen wiederum wurde meine Vorstellungskraft übermäßig beansprucht, obwohl sie ja mittlerweile allerhand gewöhnt war. Ich wußte bereits, daß der Stoff bemerkenswert stark und dabei elastisch war. Ich hatte gesehen, wie er auf den Bug der „Pugnose“ reagierte, der ja etliche scharfe Ecken und Kanten hatte. Ich wußte auch, daß das Zeug im Normalzustand undurchsichtig, bestenfalls schwach durchscheinend war. Und mir war klar, daß der nun unter meinem Tank befindliche Teil des Materials gedehnt werden würde. Aber nie wäre ich auf die Idee verfallen, daß das Zeug durch Dehnung durchsichtig werden könnte!

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