WASHINGTON: Das Lächeln der Vizepräsidentin erlosch im selben Moment, als das letzte Mitglied des Fernsehteams den Raum verließ.
Es war ungewöhnlich, daß die Medienmeute in das Büro der Vizepräsidentin einfiel, aber dies war auch ein sehr ungewöhnlicher Tag gewesen. Eine Pressekonferenz vom Mars. Und dieser verdammte Indianer hatte es geschickt geschafft, seinen Teil der Abmachung nicht einzuhalten.
Sie funkelte die beiden Berater, die im Raum geblieben waren, wütend an. Ihre Mediensekretärin stand an dem kleinen Schränkchen, das als Bar diente. Harvey Todd, ihr Berater für Wissenschaft und Technik, ging langsam und mit nervösen Bewegungen vor den mit Vorhängen verhüllten Fenstern auf und ab. Er hat auch allen Grund zur Nervosität, sagte sich die Vizepräsidentin. Sie erhob sich von dem kleinen Sofa, auf dem sie den Reportern Rede und Antwort gestanden hatte, und ging steifbeinig zu ihrem Schreibtisch hinüber. Es war ein winziger, zart geschwungener Schreibtisch aus glänzendem dunklen Rosenholz, dessen Proportionen auf angenehme Weise dem zierlichen Körperbau der Vizepräsidentin entsprachen.
Die Mediensekretärin reichte der Vizepräsidentin ein beschlagenes Glas Wodka mit Zitrone, als diese in dem kastanienbraunen Drehsessel hinter dem Schreibtisch Platz nahm.
Sie trank einen kleinen Schluck von ihrem eiskalten Drink und wandte sich dann an Todd. »Nun?«
Todd machte ein erschrockenes Gesicht. Er war der kleine, nervöse Typ; sein Haar lichtete sich bereits, obwohl er erst knapp über Dreißig war. Obwohl er sanft wirkte, war er im Innern so scharf wie ein Rasiermesser. Er hatte in Princeton in Politologie und Betriebswirtschaft graduiert. Sein Lieblingsautor war Niccolö Macchiavelli.
Er schluckte schwer und versuchte zu lächeln. »Ich fand, die Konferenz ist ganz gut gelaufen. Sie nicht?« fragte er die Mediensekretärin mit einer Spur von Verzweiflung im Ton.
Sie nickte, lächelte jedoch nicht.
»Dieser gottverdammte Indianer hat kein Wort darüber gesagt, daß er mich unterstützt«, fauchte die Vizepräsidentin. »Ich habe mich für ihn aus dem Fenster gehängt, und er hat immer nur über die verfluchten Marsianer geschwafelt!«
»Nun ja, er ist Wissenschaftler …«
»Blödsinn!«
Die Mediensekretärin setzte sich auf das Sofa, das ihre Chefin gerade geräumt hatte, und legte geziert die Beine übereinander. »Wir haben seine schriftliche Erklärung«, sagte sie. »Die können Sie veröffentlichen, wann immer Sie wollen.«
»Er hätte sagen müssen, daß er mich unterstützen wird«, beharrte die Vizepräsidentin.
»Ich weiß nicht recht, ob diese Sendung nun gerade der richtige Zeitpunkt für eine solche Erklärung gewesen wäre«, sagte Todd zaghaft und rieb sich mit einem Zeigefinger über sein rundes Kinn.
»Zum Teufel, was haben die Ihnen in Princeton eigentlich beigebracht?« schrie die Vizepräsidentin beinahe. »Was wäre ein besserer Zeitpunkt, als wenn die ganze verfluchte Welt vor dem Fernseher sitzt? Eine Unterstützungserklärung vom Mars, um Himmels willen! Was könnte einen größeren Eindruck auf die Wähler machen, Sie hirnloser Schwachkopf?«
Die Mediensekretärin ging zur Bar. Todd versuchte, dem wütenden Blick seiner Chefin standzuhalten, aber es gelang ihm nicht; er wandte sich ab und konzentrierte sich statt dessen auf das Gemälde, das auf seine Veranlassung hin im Büro aufgehängt worden war: ein echter Sternenhimmel von Chesley Bonestell.
»Ich könnte mir einen besseren Zeitpunkt für diese Unterstützungserklärung vorstellen«, sagte die Mediensekretärin, während sie einen Bourbon pur in einen Tumbler mit Eiswürfeln einschenkte.
»So? Können Sie?«
»Wenn sie wieder auf der Erde landen. Das werden sich alle ansehen. Und Sie werden auch nicht mit Marsianern um die Aufmerksamkeit der Medien konkurrieren müssen.«
Die wütende Miene der Vizepräsidentin hellte sich ein wenig auf und wurde zu einem nachdenklichen Stirnrunzeln. Sie nippte an ihrem Drink. Todd warf der Mediensekretärin einen zutiefst dankbaren Blick zu. Sie lächelte ihn an und formte mit den Lippen unhörbar die Worte Sie sind mir was schuldig.