VIII

»Nein, das ist nicht das Hauptproblem!« Laj Drai wiederholte diese Feststellung eher nachdenklich, als er in den Kontrollraum glitt und die Tür geistesabwesend hinter sich schloß.

»Chef, ich…« Feth kam nicht weiter.

»Ich will Sie nicht unterbrechen. Los, Ken – Sie stehen da vor einem Problem, wie ich sehe. Wir wollen es ausräumen, ehe wir uns dem nächsten zuwenden. Es wird keine Unterbrechungen mehr geben.«

Einigermaßen erstaunt wandte Ken sich wieder dem Mikro zu und fuhr in seinem scheinbar endlosen Singsang fort. Er hatte Drais Drohung schon vergessen gehabt. Obwohl er die Worte nicht verstand, mit denen Roger ihn unterbrach, wußte er doch, daß es lange genug gedauert hatte. Er teilte die Ungeduld des Jungen bis zu einem gewissen Grad. Und das Poltern, als Roger gegen das Torpedo trat, war unmißverständlich.

Es war Drai, der gleich darauf das Torpedo anheben ließ. Auch er hatte diese Worte noch nie zuvor gehört. Sie waren aber so verschieden von den üblichen menschlichen Äußerungen, daß es ihn schauderte. Der Gedanke an gespannte oder gar abgebrochene Beziehungen mit Planet Drei war ihm unerträglich – und dieses Wesen war unmißverständlich erregt und mehr als nur verärgert. Dieser Schlag gegen den Rumpf..

Drais Tentakel fegte an Sallman Ken vorbei. Der Hauptantriebsschalter und der Richtungsgeber wurden betätigt. Ken drehte sich auf seinem Ständer um und sah seinen Chef neugierig an.

»Sie sind ja ebenso außer sich wie der Eingeborene. Was ist denn?«

Laj mußte tief Atem holen. Schließlich aber hatte er seine Stimme wieder unter Kontrolle. Ihm dämmerte, daß sein dramatischer Auftritt nicht sein allerklügster Schachzug gewesen war. Es war nämlich ohne weiteres möglich, daß sein angeheuerter Experte den Namen des irdischen Produkts auf ganz harmlose Weise erfahren hatte. In diesem Fall wäre es sehr ungeschickt, wenn man dem Vorfall zuviel Gewicht beimaß, nach außen hin zumindest. So unauffällig als möglich wechselte er das Thema. »Ihre chemische Analyse ist wohl auf Schwierigkeiten gestoßen?«

»Hm, sieht so aus. Die Eingeborenen sind doch nicht so ausgeprägte Tagwesen, wie Sie behauptet haben.« Das war nicht als Verteidigung seiner Vorgangsweise gemeint. Ken fiel bloß keine bessere Antwort ein.

Laj Drai ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Zwanzig Jahre lang haben die immer nur bei Tag Signal gegeben. Ob die Flachländer dahinterstecken? Ich kann mir aber nicht vorstellen wie. Sind Sie wenigstens mit den Tests fertig?«

»Ja, es reicht. Wir müssen das Torpedo wieder hierherbeordern, damit ich feststellen kann, welche Wirkung die Atmosphäre auf meine Proben hatte. Wir wissen schon, daß einige gebrannt haben, aber ich möchte zu gern wissen, was dabei produziert wurde.«

»Sulfide können es nicht sein. Die kommen einem als natürliche Verbrennungsprodukte zuerst in den Sinn.«

»Falls nicht gefrorener Schwefelstaub in gewaltigen Mengen in der Atmosphäre enthalten ist. Aber daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich werde eine entsprechende Probe machen. Bis jetzt machen mir die Ergebnisse ziemliches Kopfzerbrechen. Ich kann mir nicht denken, daß es bei dieser Temperatur ein Gas gibt, das die Verbrennung auslöst, und doch gibt es etwas derartiges.«

»Wie steht es mit Fluor?« Laj kramte in den undeutlichen Erinnerungsbrocken eines naturwissenschaftlichen Grundkurses.

»Tja, schon möglich – aber wie kann es in der Atmosphäre frei vorkommen? Man möchte meinen, daß es zu aktiv wäre, sogar bei dieser Temperatur. Das trifft natürlich auf alle verbrennungsfördernden Elemente zu, deswegen müssen wir abwarten, bis die Proben da sind. Ich bin fast schon soweit, daß ich eine Landung auf dem Planeten riskieren würde, nur um zu sehen, wie es dort aussieht.«

Drai reagierte mit einem bezeichnenden Achselzucken. »Wenn Sie und Feth einen praktikablen Weg sehen, dann werde ich Sie nicht aufhalten. Damit können Sie sich sogar einen Bonus verdienen. Bis Ihr Zeug wieder da ist, dauert es drei Tage, und in der Zwischenzeit gibt es nicht viel zu tun. Feth stellt das Torpedo auf den Leitstrahl ein, sobald die Entfernung von Planet Drei entsprechend ist.«

Ken faßte dies als Wink auf, daß er gehen sollte. Er ging hinaus und ließ sich ziellos durch die Korridore treiben. Im Moment mußte er ohnehin einige Überlegungen in eigener Sache anstellen. Wie Drai gesagt hatte, konnte man vor der Ankunft des Torpedos nichts unternehmen. Er hatte also keine Ausrede, sich Rades Problem nicht durch den Kopf gehen zu lassen.

Das Produkt hieß ›Tafak‹. Zumindest hatte er diese Information bekommen. Rade hatte den Namen des Rauschgifts nicht gekannt, daher war der Wert dieser Information sehr fraglich.

Dieses Planetensystem lag zu Sarr relativ nahe. Wieder eine Tatsache. Die Vorsichtsmaßnahmen, die Drai und seine Leute ergriffen hatten, um diese Tatsache zu verschleiern, konnte man für ein am Rande der Legalität arbeitendes Unternehmen als angemessen ansehen oder nicht. Sie waren mit Sicherheit selbstverständlich, wenn es sich um Schwerkriminalität wie Rauschgifthandel handelte.

Planet Drei war kalt – milde ausgedrückt – und das fragliche Rauschgift hielt normale Temperaturen nicht aus. Das war ein Tatsachenbindeglied von ungewisser Tragfähigkeit und wurde nur ganz leicht von Drais schweigendem Eingeständnis verstärkt, daß ›Tafak‹ ein Pflanzenprodukt war.

Trotz angestrengten Nachdenkens wollte ihm keine weitere Information mehr einfallen, die für Rade auch nur annähernd von Nutzen hätte sein können. Ken nahm es dem Chef der Rauschgiftabteilung ein wenig übel, weil er ihn in diese Sache verwickelt hatte. Die rein astronomischen und ökologischen Probleme, denen er sich dabei gegenübersah, interessierten ihn natürlich sehr viel mehr als einen Berufspolizisten.

Was wußte er überhaupt über diesen verdammten Planeten Drei? Fest stand, daß er bewohnt war, eine an sich schon phantastische Tatsache. Fest stand, daß er unbekannt war. Kein Bildsender und kein bemanntes Raumschiff war jemals in seine Atmosphäre eingedrungen. Das erschien Ken nun bei gründlicher Überlegung ziemlich sonderbar. Auch in Anbetracht der schrecklichen Kälte und der Tatsache, daß eine Atmosphäre Wärme ableitete, wie es im freien Raum möglich war, fand er es unglaublich, daß es einem tüchtigen Ingenieur bislang noch nicht gelungen sein sollte, etwas zu erfinden, womit man auf dem Planeten landen konnte.

Feth war mehr Mechaniker als Ingenieur. Es sah aus, als fehle es dem Unternehmen an wissenschaftlichem Unterbau. Allein die Tatsache, daß man Ken eingestellt hatte, war ein Beweis dafür.

Vielleicht war er bereits in die unmittelbare Nähe von Rades Problem geraten. Es war klar, daß jede interstellare Handelsorganisation über eine gut besetzte eigene Umweltabteilung verfügte. Ohne eine solche Abteilung hätte keiner dieser Konzerne sich lange behaupten können. Man brauchte nur an die sehr merkwürdigen Situationen denken, die sich beispielsweise einstellten, wenn das an Metallen reiche Sarr mit den amphibienhaften chemischen Zauberern von Rehagh in Handelsbeziehungen traten. Und doch war er, Sallman Ken, ein naturwissenschaftlicher Dilettant, das einzige, was Laj Drai sich in dieser Hinsicht zugelegt hatte! Das war nicht nur sonderbar, das war unglaublich! Er fragte sich, wie es Drai geschafft hatte, diesen Umstand auch nur eine Sekunde lang als selbstverständlich erscheinen zu lassen.

Nun, wenn er nichts herausbekam, dann würde man ihn wahrscheinlich nicht behelligen. Er konnte und wollte Planet Drei so gründlich wie nur möglich erforschen, zurückkehren und seine Informationen an Rade weitergeben – der sollte damit anfangen, was er wollte. Planet Drei war interessanter.

Aber wie ließ sich eine Landung auf diesem Teufelsplaneten bewerkstelligen? Nach dem Zusammenstoß mit den Eingeborenen der ebenen, blauen Gebiete würde man große Schiffe lieber nicht einsetzen. Aber Torpedos waren ohne Verluste zwanzig Jahre lang gut durchgekommen. Radarstrahlen in den letzten zwei oder drei Jahren waren die einzige Aktivität, durch die die Flachländer sich bemerkbar gemacht hatten. Und diese konnten durch Viertelwellenabschirmung leicht abgelenkt werden, wie Drai gesagt hatte. Nein, das einzige wirkliche Hindernis stellten die fürchterlichen Umweltbedingungen dar.

In einem Standardschutzanzug konnte ein Sarrianer in einem See aus geschmolzenem Aluminium arbeiten, und zwar eine ganze Weile. In diesem Fall war der Temperaturunterschied geringer, als er es auf dem Eisplaneten sein würde. Die Leitfähigkeit des Metalls müßte größer sein als die der Planetenatmosphäre. Damit ließ sich der Unterschied vielleicht ausgleichen. Und wenn nicht, dann konnte man den Anzug mit zusätzlichen Heizschlangen oder einer Isolierschicht oder gar mit beidem ausrüsten. Warum hatte man nie den Versuch gemacht? Er mußte Feth oder Laj Drai fragen.

Angenommen, eine Landung war auch mit dieser Ausrüstung unmöglich. Aber warum waren dann auch Fernsehaufnahmen unmöglich? Ken wollte einfach nicht glauben, daß man das dünne Glas einer Fernsehröhre nicht so stark kühlen konnte daß es sich den Umweltbedingungen anpaßte, ohne zu zerspringen, auch wenn die elektronischen Teile erwärmt bleiben mußten. Gewiß war der Unterschied nicht größer als in den antiken Glühbirnen.

Diese beiden Fragen mußte er Feth vorlegen. Er hielt jetzt wieder auf den Kontrollraum zu, als er Drai begegnete, der ihn anredete, als hätte er heute keinen einzigen argwöhnischen Gedanken gehegt.

»Feth hat Ihr Torpedo nun auf dem Hauptleitstrahl. Drei Tage lang geht es nun ohne Steuerung dahin. Und Sie machen ein Gesicht, als hätten Sie es eilig, in den Kontrollraum zu kommen.«

»Ich wollte mit Feth etwas besprechen. Ich habe mir überlegt wie ein Raumanzug aussehen müßte, der auf Planet Drei Bestand haben soll. Mir scheint, es ließe sich da etwas machen.« Er lieferte seinem Chef eine zensierte Version seines Gedankenganges.

»Na, ich weiß nicht«, sagte Drai daraufhin. »Das müssen Sie mit Feth besprechen. Seit er bei uns ist, haben wir es schon einige Male versucht. Die Versager traten ein, als wir es mit Fernsehkameras versuchten. Auf der ersten Expedition war er nicht dabei. Damals ging es ja auch gar nicht um Erforschung, wie ich Ihnen schon sagte. Es handelte sich um eine Kreuzfahrt aus purem Vergnügen. Wir hatten so viele Torpedos an Bord, weil der Schiffseigner seine Besichtigungen gern in aller Bequemlichkeit absolvierte. Wenn wir in ein Planetensystem gelangten, schickte er ein ganzes Dutzend aus und blieb mit der Karella im Respektsabstand, bis er etwas entdeckte, was er sehen oder persönlich tun wollte.«

»Kenne ich ihn?«

»Nein, er starb schon vor einiger Zeit. Als wir das hier entdeckten, war er schon hochbetagt. Ich erbte sein Schiff und gründete das Handelsunternehmen.«

»Und wann kam Feth dazu?«

»Ein, zwei Jahre nach der Firmengründung – er ist der Dienstälteste meiner Mitarbeiter. Er kann Ihnen alle technischen Schwierigkeiten erklären, was ich selbst nicht könnte. Also, wenden Sie sich an ihn… falls ihm nach Reden zumute ist.« Ohne seine letzte Bemerkung zu erläutern, ging Drai weiter. Ken wunderte sich nicht darüber, er wußte bereits daß Feth zu den wortkargen Typen gehörte.

Der Techniker war im Moment arbeitslos. Er hing noch immer auf dem Ständer vor der Torpedosteuerung und dachte angestrengt nach. Als Ken eintrat, raffte er sich auf, sagte aber nichts und begnügte sich mit einem Begrüßungsnicken. Ken, dem an Feths Verhalten nichts Ungewöhnliches auffiel, überschüttete ihn geradezu mit seinen Ideen. Er durfte zu Ende sprechen, ohne unterbrochen zu werden.

»Ihre Gründe klingen gut«, mußte der Techniker eingestehen, »und ich habe auch keine Theorie zur Hand, um sie zu entkräften. Ich kann bloß darauf hinweisen, daß die Röhren immer wieder zersplittern. Wenn Sie unbedingt einen Anzug vollgepfropft mit Thermometern und Druckmessern runterschicken wollen, soll es mir recht sein, wenn ich Ihren Optimismus auch nicht teile, was Sie sicher verstehen werden. Ich habe in der Atmosphäre von Planet Drei schon jede Menge tadelloser TV-Röhren verbraucht.«

»Ich gebe gern zu, daß Sie mir an Praxis viel voraushaben«, antwortete Ken, »aber einen Versuch ist es wert.«

»Und wenn die Werte, die uns die Instrumente liefern, akzeptabel sind… wer geht dann als nächstes im Anzug runter? Der Gedanke allein macht mir steife Kniegelenke. Die Vorstellung jagt mir richtig Angst ein, das gebe ich gern zu.«

»Mir auch.« Ken dachte an das nicht zu unterdrückende Gefühl, das ihn erfaßt hatte, als er zum erstenmal Planet Drei erblickte. »Zweifellos ein scheußlicher Ort. Aber ich möchte mehr darüber wissen, und bin gewillt, meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen.«

»Gesundheit – daß ich nicht lache! Fünf Sekunden, nachdem sich der erste Nadelstich im Raumanzug zeigt, sind Sie eine fix und fertige Gedenkstatue«, gab der Techniker zurück. »Ich halte es schon für einen miesen Trick, wenn man tadellose Instrumente hinschickt, auch wenn ich weiß, daß sie es aushalten. Na, ich verpasse Ihnen einen schönen Anzug, wenn Sie es wirklich wollen. Torpedos haben wir in Hülle und Fülle.«

»Wie könnte man einen Anzug per Torpedo befördern? Sicher nicht im Frachtraum.«

»Nein. An der Außenwand sind Ringe, an die wir den Panzeranzug festklammern können. Beim Durchgang durch die Atmosphäre müssen wir diesmal vorsichtiger sein.« Er glitt die ganze Länge des Raumes entlang zu einer Schrankwand. Aus einem der Schränke zog er einen aus dem vielbesprochenen Schutzmaterial gefertigten Anzug hervor. Das Ding war sogar unter der auf Merkur herrschenden Schwerkraft schwierig zu handhaben. Wegen der Eigentümlichkeiten des sarrianischen Körperbaus konnte vom Inneren des Anzugs aus eine gewaltige Hebelwirkung erreicht werden. Dennoch fragte Ken sich, was er in dieser metallenen Monstrosität bei vierfacher Schwerkraft tun würde, falls es ihm glückte, auf Planet Drei zu landen. Dieser Gedanke mündete in eine Frage.

»Feth, welche Körperchemie haben die Eingeborenen Ihrer Meinung nach? Sie bewegen sich… vermutlich… unter gewaltiger Schwerkraft in einer Temperatur, die eigentlich alles Organische abtöten müßte. Schon mal darüber nachgedacht?«

Der Techniker überlegte. »Ja, ich muß zugeben, daß ich mich damit beschäftigt habe. Aber ich bin nicht so sicher, ob ich darüber sprechen möchte.«

»Warum nicht? So schrecklich kann es auf Planet Drei auch nicht sein.«

»Das ist es nicht. Sie wissen doch, was Drai demjenigen antun wollte, der Ihnen ein Sterbenswörtchen über das Zeug verraten würde, das wir vom Planeten beziehen?«

»Ja, ungefähr. Aber was hat das damit zu tun?«

»Vielleicht gar nichts, vielleicht aber doch. Er war ziemlich sauer, weil ich Ihnen die Bezeichnung von dem Zeug verriet. Ich hätte es ohnehin nicht getan, wenn ich bloß einen Augenblick Zeit zum Überlegen gehabt hätte. Die Situation erforderte eine rasche Antwort, und ich gab sie.«

»Aber Ihre Vorstellungen von Körperbau und Stoffwechsel der Eingeborenen kann doch kaum etwas darüber aussagen… oder vielleicht doch. Aber Drai weiß genau, daß ich noch nie für ein anderes Handelsunternehmen gearbeitet habe und selbst kein Kaufmann bin. Warum behandelt er mich wie einen Wirtschaftsspion? Mir doch egal, wie Ihr Zeug aussieht… mich interessiert der Planet.«

»Das bezweifele ich nicht. Trotzdem… falls mir nochmal so ein Ausrutscher passiert, dann behalten Sie bitte für sich, was Sie erfahren haben. Ich dachte, es gäbe eine Kernexplosion, als Drai hereinkam und Sie eben ›Tafak‹ ins Mikro brüllten.«

»Ach was, viel kann er nicht machen«. Diese Behauptung blieb im Raum hängen. Ken stürzte sich wieder in seine Überlegungen.

Feth formulierte seine Antwort sehr vorsichtig. »Drai ist hier der Chef, und meine Arbeit ist nicht die schlechteste. Also tun Sie mir den Gefallen.« Er drehte sich mit einer Miene um, die anzeigte, daß seine redselige Periode vorbei war. Ken konnte der Antwort des Technikers nichts Definitives entnehmen.

Er dachte auch nicht weiter darüber nach, da sich das andere Problem als zu interessant erwies. Feth war ein hervorragender Mechaniker, besser als viele Ingenieure, die Ken kannte. Er hatte den Schutzanzug, oder besser gesagt die Rüstung, ganz geöffnet und alle Bedienungseinrichtungen entfernt. Dann hatte er alles generalüberholt. Daraufhin hatte er den Zink-Kreislauf frisch aufgefüllt und alle Einrichtungen wieder angebracht und gesichert. Der Anzug selbst war offen geblieben. Ein Auge fragend auf Ken gerichtet, brach er das zweistündige Schweigen. »Haben Sie schon Vorstellungen, was für Instrumente eingebaut werden sollen? Sie wissen am besten, welche Werte Sie bekommen wollen.«

»Wir wollen eigentlich nur wissen, ob der Anzug Temperatur und Druck standhält. Ich denke, ein Druckmesser irgendwo im Inneren und Thermometer an den Extremitäten müßten ausreichen. Können Sie Fernmeßeinrichtungen einbauen, oder müssen wir warten, bis auch dieses Torpedo zurückkommt?«

»Leider müssen wir warten. Die Instrumente zur Fernmessung könnte ich ja leicht einbauen, doch der sprachgeschaltete Sender könnte die Werte nicht durchgehen. Ich könnte einen Mehrfachrecorder einbauen, die Instrumente daran anschließen und es so einrichten, daß Sie, per Fernsteuerung ein- und ausschalten. Ich verbinde den Recorder einfach mit dem Schaltsystem des Anzugs. Sicher wollen Sie auch die Beheizung selbst einstellen?«

»Ja. Falls erträgliche Temperaturen nur mit Maximalenergie zu erreichen sind, dann müssen wir das wissen. Sicher kann man noch zusätzliche Wärmesysteme einbauen?«

»Ich denke ja.« Zum erstenmal zeigte sich bei Feth ein Ausdruck, der einem Lächeln annähernd entsprach. »Ich könnte an den Beinen Hochöfen anbringen. Aber damit könnten Sie nicht rumgehen.«

»Auch wenn ich es nicht könnte, so kann ich wenigstens sehen.«

»Falls Sie nicht dieselben Schwierigkeiten mit der Sichtscheibe haben wie ich mit den Fernsehröhren. Auch Quarz hat seine Grenzen.«

»Ach, ich schaffe das schon. Außerdem kostet es uns nichts. Also los, rein mit den Instrumenten. Ich bin gespannt, wer von uns beiden recht hat. Funktioniert dieser Recorder?« Er entnahm einem Fach ein winziges Gerät, dessen auffallendster Bestandteil die Doppelspule mit dem sensibilisierten Band war. Er hielt das Ding in die Höhe, und Feth warf einen Blick darauf.

»Da ist nur eine Aufzeichnung möglich. Holen Sie sich ein L-7. Sie erkennen es an der Spule. Das Band ist fünfmal breiter. Ich baue ein einziges Barometer ein, wie Sie wollten, und Thermometer in Kopf, Rumpfteil, in einen Fuß und einen Ärmel, so weit draußen, wie ich es anbringen kann. Bleibt eine freie Spur auf dem Band, die Sie nach Belieben verwenden könnten.«

Der Techniker war eifrig an der Arbeit. Er klemmte winzige Instrumente, die er aus einem reichbestückten Schrank nahm, an die erwähnten Stellen. Ken fragte sich, ob das Vorhandensein dieses reichhaltigen Instrumentenvorrates nicht seine Behauptung, daß wissenschaftliche Einrichtungen fehlten, hinfällig machte. Dann erkannte er, daß alle diese Dinge standardisierte Instrumente waren und höchstens einen beachtlichen finanziellen Posten darstellten. Jeder konnte sich so etwas kaufen, und fast jeder konnte mit diesen Dingen umgehen.

Trotz Feths Geschick dauerte das Zurechtmachen des Anzugs sehr lange. Als Sarrianer brauchten sie keinen Schlaf, aber auch sie mußten gelegentlich Ruhepausen einlegen. Während einer dieser Pausen bemerkte Ken, wie spät es war.

»Inzwischen muß es auf unserem Teil des Planeten Tag sein. Ob Drais Torpedo schon gelandet ist?«

»Sehr wahrscheinlich«, erwiderte Feth, der mit einem Auge Kens Blick zur Uhr hin verfolgt hatte. »Er müßte schon wieder draußen im Raum sein – er vergeudet keine Zeit.«

»Wird man mir die Haut vom Leib ziehen, wenn ich mal im Observatorium vorbeischaue?«

Feth sah ihn darauf so eindringlich an, daß Ken die Frage sofort bereute. »Mir würde er sie sicher abziehen, wenn herauskäme, daß ich Sie ermuntert hätte«, lautete die Antwort.

»Besser, Sie bleiben hier. Wir haben reichlich zu tun.« Er stand auf und ging wieder an die Arbeit, obwohl die Pause eben erst begonnen hatte. Ken merkte, daß Feth jetzt nichts mehr sagen würde, und machte sich ebenfalls an die Arbeit.

Es stellte sich heraus, daß ihre Zeiteinteilung optimal war. Nach einem einstündigen Test, bei dem ein Leck und Strahlungsverlust im Vakuum der Schleuse simuliert worden war, wurde der Anzug an den Laderingen eines anderen Torpedos befestigt und mittels automatischer Steuerung ins All befördert. Zu diesem Zeitpunkt stand das eintreffende Torpedo kurz vor der Landung. Die automatische Steuerung war deswegen nötig, weil das zweite Torpedo nicht per Funk gelenkt werden konnte, ehe das erste angedockt worden war, da die zweite Kontrollstation noch von Drai benutzt wurde, der seine eigene Ladung erst auf Merkur landen mußte.

Zwischen Start des Anzugs und Landung des mobilen Labors paßte eine Ruhepause. Als das Torpedo mit den Proben unter Feths perfekter Steuerung endlich durch die Schleuse einschwebte, wurde es von Ken schon aufgeregt erwartet. Er hätte sich am liebsten gleich darauf gestürzt, wurde aber durch einen Warnruf des Technikers zurückgehalten.

»Achtung! Sie würden anfrieren, auch wenn es nicht mehr so kalt ist wie auf Planet Drei. Sehen Sie!« Ein Tentakel deutete auf den schimmernden Rumpf, auf dem flüssiger Schwefel in Tröpfchen kondensierte, ablief und auf den Boden tropfte, wo er verdampfte. »Das muß erst aufhören…«

Ken hielt gehorsam inne. Er spürte, wie ihm das eisige Zeug auf die Füße tropfte, und trat zurück. Die Luft, die ihn umströmte, war erträglich, doch der Torpedorumpf mußte so kalt sein, daß sogar Zink gefroren wäre, hätte es das Strahlungsgleichgewicht für diese Sonnendistanz erreicht.

Minuten verstrichen, bis das Metall sich genügend erwärmt hatte und die Tropfen flüssigen Schwefels verschwanden. Nun erst machte Feth die Ladeluke auf, worauf der ganze Vorgang wiederholt wurde. Diesmal hinterließ die strohgelbe Flüssigkeit eine Pfütze auf dem Boden der Frachtkammer, ergoß sich um die Tiegel und ließ Ken ernsthaft an der Reinheit seiner Proben zweifeln. Er schaltete sämtliche Heizmöglichkeiten ein, um das Zeug schleunigst loszuwerden. Da die ernsthafte Chance bestand, daß es bei hoher Temperatur wieder zu einer Reaktion mit Luft kam, öffnete er die Absperrvorrichtung, kaum daß das Zischen und Brodeln kochender Luft aufgehört hatte. Endlich konnte er seine Proben untersuchen. Roger Wing hätte ihm sagen können, was für einen Anblick sie boten!

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