IV

Ein Kreis mit einem Radius von vier Kilometern bedeckt ein Gebiet von knapp über fünfzig Quadratkilometer. So kam es, daß die von Roger und Edith Wing angefertigte Karte nicht so detailliert war, wie sie hätte sein können. Andererseits bietet ein bewaldeter Berghang keine Einzelheiten, die der Eintragung wert wären, wie ihr Vater zugeben mußte. Und was die Kinder da ablieferten, zeigte auch den allerkleinsten Wasserlauf und Pfad, von dem Mr. Wing Kenntnis hatte. Was aber noch wichtiger war, die Karte bewies, daß sie das fragliche Gebiet tatsächlich durchwandert hatten. Genau diesem Mangel an Erfahrung des Mädchens hatte er abhelfen wollen, ehe sie von der Regel entbunden wurde, sich strikt an die Pfade zu halten.

Plötzlich sah er von dem fleckenübersäten Heft auf. Die Familie hatte sich wieder um den Kamin geschart, die zwei Kartographen hatten sich auf den Armlehnen seines Sessels niedergelassen. Don hockte zwischen den Sesseln auf dem Boden mit Billy, der es sich auf seinen Schultern bequem gemacht hatte. Marjorie saß auf dem Schoß ihrer Mutter. Alle warteten auf das Urteil.

»Mir scheint, du hast ganze Arbeit geleistet«, sagte Mr. Wing schließlich. »Mit dieser Karte könnte sich hier in der Umgebung jeder zurechtfinden. Edie, wie kannst du nur glauben, du könntest ohne die Karte auskommen?«

»Schon gut, Dad, ich weiß Bescheid«, erwiderte das Mädchen ein wenig erstaunt. »Muß ich denn?«

»Das mußt du selbst wissen, ob du die Karte immer bei dir haben mußt«, sagte er achselzuckend. »Meinetwegen mußt du nicht. Na, wie habt ihr beiden die Kontrollgänge eingeteilt?«

Jetzt übernahm Roger das Wort. Er rückte noch näher an die väterliche Schulter heran und benutzte die Karte zur Verdeutlichung.

»Insgesamt existieren acht Pfade, die an verschiedenen Punkten in den Vier-Kilometer-Kreis führen. Don und ich gingen täglich den Kreis ab und verfolgten jeden Pfad so weit, bis man feststellen konnte, daß ihn niemand benützt hatte. Es gibt immer wieder Stellen, wo man nicht hindurch kann, ohne Spuren zu hinterlassen. Diese Stellen haben wir an jedem Pfad abgeklappert.

Jetzt möchten wir die Sache anders angehen. Ich werde die Enden dieser Pfade zwar kontrollieren, aber wir haben daneben eine Aufstellung jener Punkte gemacht, von denen man die Zugänge überwachen kann – es sind übrigens nicht viele. Edie kann sie morgens und nachmittags mit einer Tour von zweieinhalb Stunden hinkriegen. Und ich übernehme die äußeren Wege. Eigentlich ähnelt das deiner Methode, die du immer bei den Rückwegen angewandt hast. Du gingst im Zickzack und hast uns nach eventuellen Beobachtern Ausschau halten lassen, so daß einer von uns immer eine Abkürzung nehmen und dich warnen konnte, falls wir jemanden gesehen hätten, was eigentlich niemals der Fall war. Aber das wirst du wohl kaum als Beweis gelten lassen.«

Mr. Wing lächelte flüchtig. »Ja, vielleicht sind meine Vorsichtsmaßnahmen übertrieben«, sagte er. »Aber ich habe meine Gründe, die Stelle geheimzuhalten, von der ich das Metall beziehe. Ein halbes Dutzend dieser Gründe befinden sich hier mit mir im Raum. Außerdem weiß ich, daß es euch Spaß macht und daß ihr euch damit ausreichend Bewegung an der frischen Luft verschafft. Wenn sich noch einer oder zwei für die Naturwissenschaften entscheiden, dann werden wir zusammen etwas ausarbeiten, was dann nicht mehr geheimgehalten werden muß.«

Marjorie, die Anzeichen von Unwillen hatte erkennen lassen, während ihr Bruder redete, mischte sich nun ein, als sie glaubte, ihr Vater hätte zu Ende gesprochen.

»Daddy, ich dachte, ich sollte mithelfen. Das sagte Roger gestern, und du hast es am ersten Abend gesagt.«

»Ach? Und woher willst du wissen, was ich am ersten Abend sagte? Soviel ich weiß, wurde die Sache erst besprochen, als du schon im Bett warst. Aber was ich sagte, das gilt. Du kannst Roger oder Edie begleiten, aber du hältst dich an die Regeln, wenn du allein unterwegs bist. Billy, du übrigens auch! Es wird für alle ausgiebige Touren geben, ohne daß ihr auf eigene Faust losziehen müßtet. Außerdem gibt es hier ums Haus jede Menge Arbeit für euch. Seit Jahren schon will ich eine Ladung Zement hier heraufschaffen lassen, wenn ihr bloß genügend Felsbrocken zum Dammbauen gesammelt hättet – ich möchte selbst gern ein Schwimmbecken. Don glaubt zwar, wir schaffen es ohne Zement, aber das muß er mir erst beweisen. Wenn er es ohne Zement schafft, soll es mich freuen.«

Mr. Wing lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Billy verlegte seinen Sitz von Dons Schulter auf die Schienbeine seines Vaters und griff nun in das Gespräch ein. Er wollte einen großen Ausflug machen, ehe sein Vater wieder auf Metallsuche ging, und ließ sich über dieses Thema ausführlich vernehmen. Mr. Wing ließ sich zu keinen Zugeständnissen verleiten und hörte sich alles ruhig an, bis endlich das Schlagen der Uhr Erlösung brachte. Er zog seine Beine unvermittelt ein und ließ den Kleinen auf den Boden plumpsen.

»Die Kleinen ins Bett!« rief er ernst.

»Eine Geschichte!« rief Margie. »Du hast uns nichts vorgelesen, seit wir hier sind!«

Der Vater lächelte. »Hm, wie lange die Rasselbande braucht, um sich fürs Zubettgehen zurechtzumachen?« fragte er sich in einem gespielten Selbstgespräch. Es folgte lautes Fußgetrappel. Mr. Wing drehte sich zu dem Bücherschrank neben dem Kamin um und sah direkt in das feixende Gesicht seines zweiten Sohnes.

»Ganz recht, junger Mann, Spaß muß sein, aber auch Disziplin. Wie wär’s, wenn du und Edie Zeit spart und dem glänzenden Beispiel der jüngeren Geschwister folgt?« Kichernd kamen die beiden der Aufforderung nach.

Aus einem unerfindlichen Grund zog sich die Geschichte in die Länge. Der Anfang war ungeheuer spannend, später aber wurde es beschaulicher, und schließlich mußten Billy und Marge hinauf ins Bett getragen werden – und beide weigerten sich am nächsten Morgen, diese Tatsache zu glauben.

Roger versuchte beim Frühstück Billy dazu zu bringen, daß er das Ende der Geschichte erzählte, und wunderte sich, als Billy sich weigerte, seine Unfähigkeit als Beweis dafür zu akzeptieren, daß er eingeschlafen war. Schließlich gab Roger es auf und machte sich ans Satteln der Pferde. Er war unfähig, sich in einer Debatte zu behaupten, bei der die einzigen Worte des Gegenspielers lauteten: »Ich auch nicht!«

Es war Einkaufstag, und es war die Reihe an Roger, mit seiner Mutter in Clark Fork die Sachen für die nächste Woche zu besorgen. Kaum waren die Pferde bereit, ging es los. Edie und die anderen Kinder gingen auf eigene Faust aus dem Haus. Kaum waren alle fort, als Mr. Wing und Don Wanderkleidung anzogen und in östlicher Richtung losmarschierten. Roger hätte viel darum gegeben, ihren Aufbruch beobachten zu können.

Die Wege waren in gutem Zustand, so daß sie zwei Stunden lang gut vorankamen. Meist folgten sie dem Lauf der Bäche, doch ging Mr. Wing ein oder zweimal über Felsformationen, was mühselige Kletterei bedeutete.

»Es ist der kürzeste Weg zum Sender«, sagte er an einer Stelle. »Er liegt nämlich viel näher beim Haus, als selbst deine Mutter vermutet, obwohl ich weiß Gott die Stelle nicht vor ihr versteckt halten möchte, wenn sie bloß einmal mit herauskommen wollte. Ich mache immer einen Umweg, den ich schon vor Jahren ausgearbeitet habe. Damals mußte man wirklich fürchten, daß einem jemand folgte. Das war kurz nach dem Ersten Weltkrieg, lang bevor ich deine Mutter kennenlernte. Damals gab es hier in der Gegend eine Handvoll Leute, die mich liebend gern von einem Gipfel gestürzt hätten, nur um einen Bruchteil des Wertes, den ich vom ersten Ausflug zurückbrachte. Ich kann dir sagen, daß ich mir damals auf dem Rückweg ordentlich den Kopf zerbrochen habe. Warum, das wirst du gleich sehen.«

Don gab darauf zunächst keine Antwort. Seine Aufmerksamkeit galt voll und ganz der steilen Geröllhalde, die sie querten.

Es war unmöglich, in diesem Gelände keine deutlichen Spuren zu hinterlassen. Er wunderte sich nicht wenig, daß sein Vater diese Route wählte, bis ihm einfiel, daß damit die Absicht verbunden war, auf dem Rückweg etwaige Verfolgerspuren feststellen zu können. Kaum hatten sie die Geröllhalde hinter sich und hielten nun wieder den Hang entlang bergab, als er zu sprechen anfing.

»Dad, du hast vor einiger Zeit gesagt, wir Kinder wären der Grund dafür, daß du diese Metallquelle geheimgehalten hast. Mir scheint aber, daß dies während des Krieges als Grund nicht ausreichte. Vielleicht wäre es besser gewesen, du hättest die Regierung eingeweiht und sie hätte die Fundstelle ausbeuten können. Das soll nicht heißen, daß ich es nicht zu schätzen wüßte, aufs College zu gehen, aber – na ja…« Er ließ eine von Unbehagen gefärbte Pause eintreten.

»Das hat etwas für sich, mein Sohn, und es hat mir viel Kopfzerbrechen gemacht, damals als du auf der Highschool warst und Billy eben erst laufen lernte. Ja, ich hätte mich so verhalten können, wie du eben vorgeschlagen hast, bloß wäre damit höchstwahrscheinlich nur eines erreicht worden: man hätte die Metallquelle ruiniert. Noch ein wenig Geduld, wir sind in wenigen Minuten an Ort und Stelle, und du wirst selbst sehen.«

Donald nickte. Schweigend ging es ein Stück weiter. Die Richtung, die Mr. Wing eingeschlagen hatte, nachdem sie das Geröll querten, führte sie zu einem schmalen, tiefeingeschnittenen Bachbett. Er ging nun das Ufer des Bächleins entlang flußaufwärts. Nach einem Anstieg von gut zehn Minuten lichteten sich die Bäume, und ein Stück weiter standen sie praktisch auf blankem Fels. Dieser erstreckte sich ziemlich weit nach oben, doch Mr. Wing schien gar nicht die Absicht zu haben, auf den Gipfel zu gelangen.

Statt dessen wechselte er wieder die Richtung und querte den nackten Fels, als folge er einem vorgezeichneten Weg. Mit ein paar Schritten war der Rand einer kleinen Senke erreicht, die als Auffangbecken für Felsbrocken diente, die von weiter oben heruntergerollt waren. Mr. Wing schlängelte sich gefolgt von Don zwischen ihnen hindurch. Plötzlich blieb er stehen, rückte beiseite und ließ seinen Sohn das ansehen, was vor ihnen lag.

Es war ein formloses Metallgebilde von annähernd kubischer Form, knapp dreißig Zentimeter an jedem Ende. Auf einer Seite hatte das Ding eine kleine Öffnung, aus der etwas hervorragte, was einem Kippschalter ähnelte. An verschiedenen Teilen der Oberfläche waren Bolzenköpfe zu sehen.

Mr. Wing ließ seinem Sohn ein paar Minuten Zeit, sich das Objekt gründlich anzusehen. Dann holte er einen kleinen Schraubenzieher aus der Tasche und machte sich an die Arbeit bei den Bolzen, die sehr locker zu sitzen schienen. Don, der kein Werkzeug dabei hatte, versuchte es mit den Fingern und hatte weiter keine Schwierigkeiten mit den Bolzenköpfen. Es dauerte nicht lange, und Mr. Wing konnte ein paar Metallplatten entfernen. Das Innere des Blockes lag nun frei. Don stieß einen Pfiff aus.

»Dad, was ist denn das? Doch kein gewöhnlicher Sender, oder?«

»Nein, aber ein Sender ist es, das steht fest. Ich weiß nicht, welche Frequenz er benutzt und welche Reichweite er hat, und ich kenne auch seine Energiequelle nicht, obwohl ich darüber schon einige Ideen entwickelt habe. Die Benutzung ist kinderleicht. Ich könnte mir denken, daß die Hersteller das Ding mit Absicht so einfach machten. Es gibt nur diesen einen Schalter. Aber ich bin nicht sicher, ob Absicht dahintersteht, daß das Innere so leicht zugänglich ist.«

»Woher kommt das Ding? Wer hat es gemacht? Wie bist du dazu gekommen?«

»Das ist eine lange Geschichte, die sich, wie schon gesagt, zugetragen hat, ehe du geboren wurdest. Ich hatte eben das College verlassen und interessierte mich für diese Gegend hier. Ich wollte mich hier mal richtig umsehen und ging ins Gebirge. Ich marschierte von Helena aus los, durch die Flatheads, durch den Glacier Park, weiter westlich in die Kootenay-Berge hinein, und zurück den Fluß entlang, vorbei an Bonner’s Ferry in die Cabinets. Sehr aufregend war das alles nicht, aber ich sah eine ganze Menge und verbrachte eine schöne Zeit.

Ich überquerte eben den Bach, dem wir hier herauf folgten. Es war ganz früh am Morgen, kurz nach meinem Aufbruch, als ich von oben, vom Hügel her wildes Getöse hörte. Da ich die Gegend nicht kannte, wurde mir unheimlich zumute. Ich hatte aber eine Flinte dabei und redete mir erfolgreich ein, ich wäre ausgezogen, um meine Neugierde zu befriedigen. Ich hielt also auf den Lärm zu.

Als ich die Bäume hinter mir ließ, wurde der Lärm einer gesprochenen Sprache immer ähnlicher. Deswegen schrie ich selbst ein paar Worte heraus, obwohl ich kein Wort verstand. Zuerst keine Antwort – nur diese ungeheure Brüllstimme, die merkwürdig gleichförmige Laute hervorbrachte. Ein Stück weiter bergauf an einer freien Stelle sah ich die Quelle, und fast gleichzeitig verstummte der Lärm.

Vor mir auf freier Fläche, wo man es von allen Seiten sehen konnte, lag ein Ding, das wie das Torpedo eines Unterseebootes aussah – damals ein sehr vertrauter Anblick, da Unterseeboote im Ersten Weltkrieg eine große Rolle spielten. Science Fiction gab es damals noch nicht, und ich selbst hatte von Naturwissenschaften wahrhaftig nicht viel Ahnung, dennoch erschien es mir kaum glaublich, daß man das Ding hier heraufgeschafft haben könnte. Ich untersuchte es so gründlich als möglich, und entdeckte sofort ein paar Ungereimtheiten in der Torpedo-Theorie.

Erstens fehlten Propeller oder Steuerflosse. Das Ding war etwa sechs Meter lang, im Durchmesser etwa ein Meter, was meines Wissens auf ein Torpedo paßte, doch war die einzige Unterbrechung der Oberfläche ein Teil an der Seite, meiner Ansicht nach an der Vorderseite, die offenstand wie ein Bombenschacht. Ich lugte hinein, wobei ich mich hütete, den Kopf oder Arm hineinzustecken. Ich sah eine Kammer, die den Großteil der Torpedonase einnahm. Die Kammer war leer und roch heftig nach verbranntem Schwefel.

Mir blieb fast das Herz stehen, als das Ding wieder zu sprechen anfing, diesmal viel leiser. Ich reagierte jedenfalls mit einem gewaltigen Luftsprung. Dann verwünschte ich das Ding in allen mir bekannten Sprachen, weil es mich so erschreckt hatte. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich wieder gefaßt hatte. Erst dann merkte ich, daß die Geräusche, die es von sich gab, unbeholfene Nachahmungen meiner eigenen Worte waren. Um mich zu vergewissern, probierte ich andere Worte aus, und die meisten wurden mit annähernder Genauigkeit wiederholt.

Wer immer da als Sprecher dahintersteckte, konnte kein ›P‹ oder ›B‹ aussprechen, kam aber mit allen anderen Lauten gut zurecht.

Es mußte jemand im hinteren Teil des Torpedos stecken, oder aber jemand meldete sich aus größerer Entfernung über eine Sendeanlage. Ersteres bezweifelte ich wegen des gewaltigen Volumens, das hinter den Geräuschen steckte. Und plötzlich bot sich mir ein Beweis an.

Ich entschloß mich, gleich hier mein Lager aufzuschlagen, obwohl es noch ziemlich früh war. Und ich war eifrig an der Arbeit, wobei ich hin und wieder ein Wort an das Torpedo richtete und als Antwort angedröhnt wurde, als über mir ein zweites dieser Dinger erschien. Es fing leise zu sprechen an, als es sich noch in einiger Höhe befand – man wollte es offensichtlich vermeiden, mich wieder zu erschrecken. Das Ding setzte neben dem ersten auf. Dabei hinterließ es eine dünne blaue Rauchspur, die ich zunächst als Spuren der Antriebsraketen ansah. Dann aber zeigte es sich, daß der Rauch entlang der Ritze einer Tür austrat, ähnlich jener des ersten Torpedos. Eine große Wolke verpuffte, als die Tür aufging. Meine Vorsicht wurde auf den Plan gerufen, nicht zu Unrecht übrigens, denn das Metall war so heiß, daß ich die Hitze noch in eineinhalb Meter Entfernung spürte. Um wieviel heißer es vorher war, weiß ich nicht. Der Schwefelgeruch verlor sich einige Zeit nach der Landung.

Ich mußte warten, bis das Ding sich abgekühlt hatte. Erst dann wagte ich mich näher heran. Und ich entdeckte, daß das Abteil an der Torpedonase nicht leer war. Drinnen steckte so etwas wie ein Angelkasten. Die Fächer auf der einen Seite waren voller Kram, auf der anderen Seite leer. Schließlich langte ich hinein, als ich glaubte, daß es sich genügend abgekühlt hatte.

Als ich die Vorrichtung herausholte, entdeckte ich, daß die einzelnen Fächer mit Glasdeckeln bedeckt und verriegelt waren. Zwischen den beiden Seiten bestand nun eine trickreiche Verbindung: man mußte etwas ins leere Fach legen und den Deckel schließen, ehe man das entsprechende Fach auf der anderen Seite öffnen konnte. Es waren nur ein halbes Dutzend Fächer. Ich fischte also irgendwelchen Kram zusammen – eine Seite aus meinem Notizbuch, ein Granitbrocken, eine Zigarette, Flechten von den Felsen um mich herum – und entleerte die vollen Fächer… Unter den Dingen, die ich aus den Fächern holte, war ein Klumpen Platin und verwandte Metalle, die insgesamt mindestens ein Kilo wogen.

Jetzt ließ ich mich zum gründlichen Nachdenken nieder. Erstens: das Torpedo stammte nicht von unserem Planeten. Das einzige Raumschiff, von dem ich bislang gehört hatte, war das Projektil bei Jules Vernes, doch die Menschen dieses Planeten schicken keine Torpedos ohne sichtbare Antriebsmöglichkeit aus, beladen mit Nuggets von Metallen, die schon damals wertvoll waren. Und wenn sie es tun, dann lenken sie nicht gezielt Aufmerksamkeit auf diesen Vorgang, indem sie fremde Sprachen meilenweit erschallen lassen.

Vorausgesetzt, daß das Torpedo aus dem Weltraum stammte, schien sein Verhalten nur eines zu bedeuten – diejenigen, die es ausgeschickt hatten, wollten Handel betreiben. Ich entschloß mich dieser Theorie entsprechend zu handeln. Ich tat all das Zeug mit Ausnahme des Platin-Nuggets wieder zurück in die Fächer und schob die Vorrichtung zurück in die Torpedonase. Ich weiß noch immer nicht, ob sie mich sehen konnten – eher nein, aus verschiedenen Gründen – doch die Tür glitt sofort zu, und das Ding hob ab – senkrecht, und war rasch außer Sicht. Mir tat es leid, daß ich nichts von Wert in die Fächer hatte legen können. Ich hatte kurz daran gedacht, eine Gewehrkugel zu schicken, um anzuzeigen, daß wir über eine mechanische Industrie verfügten, doch ich ließ es sein, als mir einfiel, unter welcher Temperatur das Ding hier gelandet war.

Es dauerte zwei bis drei Stunden, ehe das Torpedo wieder zur Stelle war. Ich hatte indessen mein Zelt aufgeschlagen, Brennholz gesammelt und Wasser heiß gemacht. Ich entdeckte, daß meine Vermutung sich als richtig erwies. Diesmal hatten sie wieder ein Platin-Nugget in ein Fach gelegt. Die anderen Fächer waren leer. Und ich konnte mich erinnern, was ich beim ersten Mal in das entsprechende Fach getan hatte.

Das wäre eigentlich die Geschichte.« Mr. Wing lächelte seinem Sohn zu. »Ich habe Zigaretten für Platin und Iridium getauscht, seit dreißig Jahren. Jetzt weißt du, warum ich unbedingt wollte, daß du Astronomie als Studienfach wählst!«


Don stieß einen gedämpften Pfiff aus. »Ja, jetzt kapiere ich. Aber du hast das hier noch nicht erklärt.« Er deutete auf den Metallwürfel, auf dem sein Vater saß.

»Das kam ein wenig später, an ein Torpedo festgemacht. Der erste Torpedo startete übrigens unmittelbar danach. Ich war immer schon der Meinung, dies würde ihnen dazu dienen, die Stelle wiederzufinden. Im Laufe der Jahre hat sich zwischen uns eine gewisse Routine entwickelt. Ich bin im Winter nie da, und das wissen sie inzwischen. Zwei oder drei Tage nachdem ich diesen Schalter ein paarmal betätige«, er führte es vor, »kann ich wieder Geld auf die Bank tragen!«

Don runzelte die Stirn. »Ich begreife noch immer nicht, warum du das alles geheimhältst«, sagte er. »Wenn es sich wirklich um eine interplanetarische Sache handelt, ist es doch ungeheuer wichtig.«

»Das stimmt natürlich. Wenn aber diese Wesen Kontakt mit der Menschheit im allgemeinen wünschten, dann könnten sie diesen ganz einfach herstellen. Ich hatte immer den Eindruck, ihre Kontaktnahme in dieser Form deute darauf hin, daß sie ihre Anwesenheit nicht allgemein bekanntmachen wollten. Wenn nun Fachleute gekommen wären und ihre Anlage zerlegt hätten oder ihnen Literatur und Maschinen geschickt hätten, um einen Eindruck von unserer Zivilisation zu vermitteln, dann wären sie wahrscheinlich auf und davon.«

»Mir kommt das weit hergeholt vor.«

»Ja, vielleicht. Aber kannst du mir einen einleuchtenderen Grund dafür nennen, warum sie nicht eines dieser Dinger mitten in einer Stadt niedergehen lassen? Sie zahlen enorme Preise für verdammt kleine Mengen Tabak. Jeder Drugstore an der Ecke könnte sie auf Jahre hinaus versorgen bei ihrer Verbrauchsquote.

Damit wir uns nicht falsch verstehen, mein Sohn. Ich weiß sehr wohl, wie bedeutsam dies alles ist, und ich möchte alles über diese Wesen und ihre Maschinen herausbekommen. Aber ich möchte, daß diese Untersuchungen von Menschen durchgeführt werden, bei denen ich mich darauf verlassen kann, daß sie nicht den ganzen Apfelkarren umschmeißen. Ich wünschte, ihr Kinder wäret sieben, acht Jahre älter. Dann hätten wir ein prächtiges Forschungsteam beisammen. Im Moment ist es so, daß du und ich – aber hauptsächlich du – mit den Nachforschungen befaßt sein wirst, während Roger und Edie die Überwachung übernehmen. Natürlich ist nicht zu vermeiden, daß sie sich mal anschleichen und uns beobachten. Roger wird von seiner Neugierde nächtelang wachgehalten, und er ist ein Typ, der aktiv werden muß. Gut möglich, daß wir seine oder Edies Spuren auf dem Rückweg finden. Vielleicht hat er sie überredet, daß sie an seiner Stelle zur Stadt reitet. Hier gibt es für uns jetzt nichts mehr zu tun, es sei denn, du möchtest dir diesen Sender näher ansehen. Am besten, wir machen uns auf den Heimweg und sehen nach, was die junge Generation zuwege gebracht hat.«

»Dad, es eilt nicht. Ich möchte mir das Ding tatsächlich ansehen. Einiges deutete darauf hin, daß es ein Kurzwellensender ist, aber da wären ein paar Punkte, die ich auf der Stelle klären möchte.«

»Ich auch. In den letzten zwanzig Jahren habe ich mich viel mit Sendeanlagen befaßt, aber das hier geht über mein Wissen hinaus. Ich habe auch nie gewagt, mehr als die Außenverkleidung abzunehmen. Die nicht sichtbaren Teile sind vermutlich die wichtigsten.«

»Genau. Man müßte irgendwie ins Innere sehen – wir könnten es mit einem Zahnarztspiegel versuchen.«

»Du glaubst doch nicht, daß ich mit einem Metallteil in einem Apparat herumstochere, der mit großer Wahrscheinlichkeit unter astronomischer Spannung steht.«

»Naja, hast ja recht. Aber wir könnten das Ding ja zuerst ausschalten, wenn wir sicher wüßten, welche Schalterstellung ›Aus‹ bedeutet. Wir wissen nicht mal, ob beim Betätigen des Schalters eine Kurzübertragung eintritt oder ob ein kontinuierliches Signal unterbrochen wird. Wenn die anderen das Ding als Zielfluganlage benutzen, ist es die zweite Möglichkeit. Aber sicher können wir nicht sein.«

»Auch wenn wir sicher wären, so würde ein einfaches Abschalten nicht ausreichen. Kondensatoren können über längere Zeit hinweg sehr aktiv bleiben.«

Don mußte seinem Vater in diesem Punkt recht geben. Er spähte minutenlang durch die Öffnungen, die durch das Entfernen der Platten entstanden waren.

»Die Innereien scheinen größtenteils aus Bakelitblöcken zu bestehen«, stellte er fest.

»Vermutlich haben sie alles dauerversiegelt. Möchte bloß wissen, wie sie die Anlage warten. Wahrscheinlich hast du recht. Wir können nach Hause gehen, bis das Torpedo kommt.« Er warf den Sack über die Schulter, in dem sie ihren Proviant, ein paar belegte Brote, mitgenommen hatten, und richtete sich auf. Sein Vater nickte beifällig. Sie gingen nun den Weg zurück bergab.

Don war in Gedanken, und sein Vater wollte ihn nicht stören. Er wußte, wie er selbst auf die eben beschriebenen Ereignisse reagiert hatte. Er war damals wenig älter gewesen als sein Sohn jetzt war. Er hegte zudem eine hohe Meinung von der Intelligenz seiner Kinder und hielt daran fest, daß sie Probleme am besten allein lösten, wenn keine Gefahr damit verbunden war. Außerdem konnte er Don in diesem Fall ohnehin nichts Nützliches sagen, mußte er sich ein wenig bedauernd eingestehen.

Auf dem Rückweg waren keine Spuren dafür zu entdecken, daß ihnen jemand gefolgt wäre, obwohl sie das Geröllfeld getrennt querten und genau nachsahen. Das war auch kein Wunder, denn es zeigte sich, daß Edith ihre vorgeschriebenen Kontrollgänge absolviert hatte und den Rest des Tages mit den jüngeren Geschwistern verbracht hatte, während Roger wie erwartet zur Stadt geritten war. Falls er insgeheim geplant hatte, einen Vertreter zu finden und heimlich seinem Vater zu folgen, so war nichts daraus geworden, Mr. Wing wußte nun nicht, ob er sich freuen oder ob er enttäuscht sein sollte.

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