XX

»Sieht so aus, als hätten Sie es geschafft.« Feths Worte klangen bedrückt.

»In welcher Hinsicht?« fragte Ken. Die beiden waren allem Anschein nach damit beschäftigt, die mechanische Funktionsfähigkeit der gekühlten Vivarien-Behälter zu überprüfen.

»Ich habe Jahre darauf verwandt, den Flachland-Mythos zu nähren. Dabei war mir klar, daß es nur eine Theorie war, aber Drai mußte den Unterschied zwischen Tatsachen und Mythos erst gezeigt bekommen. Und ich habe mein Bestes getan, um die Tafak-Produktion auf einem Minimum zu halten.«

»Vorausgesetzt, sie stagnierte nicht ganz«, warf Ken nicht ohne Schärfe ein.

»Stimmt. Und jetzt kommen Sie daher und lassen die Geschichte hochgehen, die ihn davon abhielt, den Planeten zu erforschen. Gleichzeitig geben Sie ihm ein Mittel in die Hand, durch Gewalt und Drohungen von den Eingeborenen zu bekommen, was er möchte. Falls Sie überhaupt Ideen gehabt haben, dann sind es bloß Versager.«

»Ach, so würde ich das nicht sehen. Sie sahen ja, wie Drai zumute war, als er von Bord ging.«

»Ja gewiß, ihn reuten die vergeudeten Jahre und das gleichzeitig vergeudete Geld, nehme ich an. Aber diese Reue wird nicht mehr lange anhalten. Sein Mißmut dauert jetzt schon ein paar Tage. Er wird…«

Während Feth düster seine Ansichten vortrug, dachte Ken angestrengt nach. Jetzt unterbrach er ihn rüde.

»Dann wird es zu spät sein. Feth, Sie müssen mir eine Weile blindlings vertrauen. Ich verspreche Ihnen, daß Sie um Ihre Dosis nicht umfallen werden. Ich werde jetzt ein paar Stunden in der Luftschleuse zu tun haben. Lee ist noch an Bord. Ich möchte, daß Sie zu ihm gehen und ihn festnageln. Wie, das ist Ihre Sache. Er soll nicht sehen, was ich mache. Sie kennen ihn länger als ich und können sich sicher etwas ausdenken, was ihn interessieren könnte. Bloß töten dürfen Sie ihn nicht. Wir brauchen ihn noch.«

Feth sah Ken voller Zweifel an. Ken sagte nichts mehr und überließ es ihm allein, den Kampf mit einer ganz natürlichen Furcht auszukämpfen.

Als Feth schließlich sagte ›In Ordnung‹, war Ken erleichtert, aber nicht weiter verwundert. Er wartete ab, bis Feth in Richtung Kontrollraum verschwunden war. Als er einigermaßen sicher sein konnte, nicht gestört zu werden, schloß er die innere Luftschleusentür, zog einen gewöhnlichen Raumanzug über und machte sich eifrig ans Werk.

Es tat ihm leid, daß er dabei einige seiner lebenden Proben opfern mußte, tröstete sich aber mit dem Gedanken, daß man diese später ersetzen könne. Und das Vivarium, das er jetzt benutzen wollte, enthielt nur ein paar Pflänzchen. Das Feuer war dazwischengekommen, ehe die Kinder es hatten füllen können. Das war Voraussicht und nicht nur Glück. Er hatte entscheiden müssen, welches er benützen würde, ehe er den Planeten verlassen hatte.

Feth konnte im Kontrollraum feststellen, daß seine Aufgabe nicht zu schwierig sein würde. Er stand mit dem Piloten nicht auf allerbestem Fuß, empfand aber für ihn nicht den glühenden Haß, den er Drai gegenüber hegte. Lee hatte in der Vergangenheit bewiesen, daß er nicht viel Skrupel kannte, andererseits konnte Feth sich an nichts erinnern, was ausgesprochen negative Gefühle gerechtfertigt hätte. Folglich war es nichts Besonderes, als Feth nun in den Kontrollraum geschlendert kam und sich auf einen Schwatz niederließ. Der Pilot war in seine Lektüre vertieft wie immer, wenn er dienstfrei hatte. Auf seine Frage, wo Ken wäre, sagte Feth, dieser bastle mit seinem Grünzeug in der Luftschleuse herum.

»Warum muß er die Luftschleuse zum Labor umfunktionieren?« äußerte Lee im Klageton. »Ich sagte ihm schon, daß es eine schlechte Angewohnheit ist. Er hat ja ein richtiges Labor in der Station. Warum bringt er die Proben nicht dorthin?«

»Ich schätze, er hofft im Falle eines Kühlsystemdefekts die Luft aus der Schleuse pumpen zu können, damit die Proben es überstehen, bis er den Fehler behoben hat«, antwortete Feth. »Aber Sie müssen ihn selbst fragen, wenn Sie Genaueres wissen wollen. Aber ich würde mir da keine Sorgen machen. Wir sind bloß zu dritt an Bord, und Kens Behälter sind ja nicht so groß, daß sie im Weg stünden, falls die Antriebe verrückt spielen.«

Der Pilot brummte etwas und vertiefte sich wieder in seine Lektüre. Ein Blick wanderte immer wieder zum Schaltbrett mit den verräterischen Lämpchen. Er wußte genau, wann Ken die Schleuse leerpumpte und die Außentür öffnete, hielt es aber offenbar für nicht der Mühe wert, nach dem Grund zu fragen. Feth wußte es auch nicht. Und er war noch viel neugieriger als der Pilot. Zum Glück war Lee an Feths Schweigsamkeit und an seinen finsteren Gesichtsausdruck gewöhnt, so daß sein Verhalten bei Lee keinen Argwohn erweckte. Ken, der sich dieses Umstandes bewußt war, hatte aus diesem Grund Feth nichts von seinem Plan gesagt. Er hatte Angst, der Techniker würde vor lauter Glück und Freude unnatürlich aussehen.

Die nächste Unterbrechung veranlaßte den Piloten, sein Buch wegzulegen und aufzustehen.

»Was treibt dieser Verrückte jetzt?« fragte er laut. »Bohrt er am Ende Löcher in den Rumpf?«

Feth konnte seine Besorgnis verstehen. Die Außentür der Luftschleuse war geschlossen worden und der Druck hatte schon eine geraume Zeit seinen Normalwert erreicht, nun aber fiel der Druck wieder rapid ab, als wäre irgendwo ein Leck entstanden. Es wurde Luft in die Kammer hineingepumpt. Die Außentür war noch immer geschlossen.

»Vielleicht füllt er ein paar Tanks«, meinte Feth optimistisch.

»Womit denn? Wir haben an Bord keine Pumpe, die schneller Luft aufnehmen kann, als die Schleusenablaßventile sie liefern… bis auf die Hauptzirkulatoren natürlich. Aber die kann er von seinem Standort aus nicht bedienen.«

»Warum fragen Sie ihn nicht? Wie ich sehe, ist auch die Innentür versperrt. Wenn Sie hingehen und die Tür aufmachen, bekommt er womöglich mitten in der Arbeit vor Schreck einen Anfall.«

»Den Anfall kriege ich, wenn das so weitergeht«, grollte Lee. Er sah wieder zum Druckmesser hin. Der Druck hatte sich auf der Hälfte des normalen Wertes stabilisiert. »Na ja, wenn es ein Leck war, dann hatte er wenigstens so viel Verstand, es zu stopfen.«

Er ging ans Mikrophon, schaltete die in ihren Raumanzügen benutzte Wellenlänge ein und rief Ken an. Dieser antwortete prompt. Nein, er hatte keine Löcher in den Rumpf gebohrt. Er würde bald fertig sein. Mehr konnte Lee nicht von ihm herausbekommen.

»Man könnte meinen, Sie trauen ihm nicht über den Weg«, ätzte Feth. »Sie haben ebensoviel Grund ihm zu glauben wie mir. Und ich scheine Ihnen halb so viel Kummer zu machen.«

»Na, wenn der erst ein paar Prisen von dem Zeug bekommen hatte, werde ich ähnlich von ihm denken. Aber jetzt… wenn man ihn so hört, möchte man meinen, er glaube nicht recht daran, daß er unter Rauschgifteinfluß steht. Daß jemand so mit Drai spricht, habe ich noch nie gehört.«

»Ich habe so mit ihm gesprochen… früher mal.«

»Ja. Aber Ken hat sich schon öfter so benommen. Drai teilt meine Meinung. Er sagte mir, ich sollte praktisch im Kontrollraum mein Lager aufschlagen, solange ihr beide an Bord seid. Ich bin zwar anderer Ansicht. Immerhin habe ich den Schlüssel. Und wenn jemand das gesamte Kontrollsystem, das nur durch eine Spezialsperre zugänglich ist knacken will, dann muß er schon verdammt gut sein. Na ja, Befehl bleibt Befehl.«

Er wandte sich wieder seinem Buch zu, und Feth überließ sich seinen düsteren Gedanken.

Die verlassen sich also einzig und allein auf das Rauschgift. Als ob ich das nicht gewußt hätte. Wenn Ken einen Weg fände, an den Kälte-Safe Drais heranzukommen mir ist es nie geglückt – und wenn schon, wir könnten Sarr ohnehin nicht finden… wenn man sich bloß nach einer Sonne wie Rigel oder Deneb richten müßte, die man schon aus Tausenden von Parsek erkennt, anstatt ganz nahe heranzumüssen, damit man Planeten erkennt… so jagten sich seine Überlegungen, die größtenteils aus vielen ›Wenn bloß‹ bestanden, wie seit Jahren schon. Das Rauschgift hatte Feths Bewußtsein wenig oder gar nichts anhaben können, doch die Tatsache seiner Abhängigkeit hatte ihn allen Fluchtplänen gegenüber eine apathische Haltung einnehmen lassen. Warum nur hatte er sich jetzt Ken gefügt… wie würde Ken sein gegebenes Versprechen halten können?

Kens Stimme unterbrach seine Gedankengänge. »Feth, könnten Sie auf einen Sprung herunterkommen und mir helfen? Ich bin fast durch. Ich möchte ein paar Behälter aus der Schleuse rausschaffen.«

Beide Sarrianer sahen zum Druckanzeiger hin. Der Druck in der Schleuse zeigte steigende Tendenz.

»Gut, ich komme«, antwortete Feth. »Öffnen Sie die Innentür, wenn der Druck normal ist.« Er ging den Gang entlang. Der Pilot blieb zurück. Ken hatte die Worte seiner Durchsage geschickt gewählt.

Er blieb nicht so lange aus, als daß der Pilot hätte mißtrauisch werden können. Nach zwei oder drei Minuten hörte Lee Feth und Ken auf dem Gang. Sie sprachen kein Wort miteinander, so daß die Neugierde des Piloten erwachte. Er wollte ihnen entgegengehen und stand auf, als die beiden auch schon eintraten. Feths düstere Miene hatte sich verflüchtigt. Sie hatte einem Ausdruck Platz gemacht, der viel schwerer zu deuten war. Lee hatte auch gar keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sein Blick wurde von einem Gegenstand gefesselt, den beide in einer Stoffschlinge zwischen sich trugen.

Das Ding war in etwa kubisch, dreißig Zentimeter lang. Farbe gelb. Ihm entströmte eine sichtbare Dunstspur, auf der Oberfläche zeigten sich gelbe Tröpfchen, die sich vergrößerten, Tröpfchen von satterem, honigfarbenem Ton, Tröpfchen, die zusammenliefen, die Seite des Blocks entlangliefen, die Schlinge durchfeuchteten und in der dünnen Luft verschwanden. Lee war sichtlich verwirrt, als er das Ding sah. Seine Verwirrung ging in Entsetzen über, doch er bewahrte seine Fassung.

»Ach, dafür wurde die Luft verbraucht«, bemerkte er. »Und was soll das?«

Ken, der noch in seinem Raumanzug steckte, aber keinen Helm mehr trug, beantwortete die Frage nicht direkt. Statt dessen stellte er eine Gegenfrage.

»Sie kennen die Koordinaten von Sarr und würden von hier aus zurückfinden?«

»Natürlich. Ich bin die Strecke oft genug geflogen. Sie bilden sich doch nicht ein, ich würde Ihnen Sarrs Koordinaten verraten, nur um keine Frostbeulen zu kriegen.«

»Ob Sie uns etwas sagen oder nicht, ist mir völlig einerlei. Sie werden jedenfalls das Schiff steuern, das habe ich so geplant. Nicht geplant habe ich, Sie an diesen Block anzufrieren. Wir werden ihn vielmehr hier plazieren. Bis er verdampft ist, können Sie sich entscheiden. Hinterher werden wir in der Lage sein, an Ihrer Stelle Entscheidungen zu treffen.«

Lee lachte. »Das habe ich irgendwie erwartet. Und ich soll glauben, daß dies da drinnen Tafak sein soll? Sie haben den Block doch erst vor einigen Minuten gemacht.«

»Stimmt auffallend. Da Sie schon davon sprechen, ja, im Block steckt ein Zylinder Tafak. Ich habe ihn eigenhändig hineingesteckt. Vor einigen Minuten, wie Sie selbst sagten…«

»Sie müssen Drais Safe aufgebrochen und das Zeug geklaut haben.« Der Pilot konnte es nicht fassen.

»Nein. Drais Vorschlag, die Sympathien der Eingeborenen von Planet Drei zu mobilisieren, war übrigens eine sehr gute Idee.«

»Ich könnte mir denken, daß man Ihnen für die Rettung der Kinder hundert Einheiten schenkte.«

»Um ehrlich zu sein, es sieht mir eher nach zweitausend Einheiten aus. Gezählt habe ich sie nicht. Sie sind aber feinsäuberlich geordnet. Und wenn die Einheit ein Zehntel des gelieferten Zylinders ist, kommen wir ungefähr auf diese Zahl.«

Der Pilot hätte wenigstens eine Spur Unbehagen zeigen können.

»Nachdem Drai mit dieser Idee kam, gab es keine Landungen mehr. Sie können das Zeug also gar nicht von den Eingeborenen erbeten haben«, wandte er ein.

»Wollen Sie mich beleidigen, indem Sie behaupten, ich hätte Drais Geistesblitz dazu gebraucht? Mir ist es selbst eingefallen. Da ich aber über ein Gewissen verfüge, wollte ich es erst gar nicht versuchen. Außerdem beherrsche ich wie gesagt die Sprache nicht so gut. Zufällig gab mir der Eingeborene, mit dem ich redete, einen Behälter mit dem Zeug, ohne daß ich ein Wort sagen mußte. Scheint mir ein netter Kerl zu sein. Vor allem weiß er, welchen Wert das Tafak bei uns hat. Leider vergaß ich Drai davon Mitteilung zu machen.«

Lee sah richtig verstört aus, als ihm dämmerte, daß an Kens Geschichte etwas dran sein konnte. Feth hingegen war aufgeblüht. Es war ihm nur noch leiser Zweifel anzusehen, ob Ken nicht doch bluffte. Aber andererseits hatte es wenig Sinn, den Rückflug nach Sarr anzutreten, wenn man nicht einen gewissen Vorrat von dem Rauschgift hatte. Und er hatte nichts davon verlauten lassen, daß er Lee zwingen würde, sie zu Drais Safe zu führen und ihnen beim Knacken zu helfen.

Genau diese Einwände mußten auch dem Piloten durch den Kopf gegangen sein. Er sah mit wachsendem Entsetzen zu dem kleiner werdenden Schwefelklumpen hin. Einen letzten Einwand äußerte er noch, obwohl ihm dessen Schwäche klar war, noch ehe er ihn aussprach.

»Sie würden nicht wagen, das Zeug freizusetzen. Feth hat keinen Anzug und Sie selbst keinen Helm.«

»Na und? Was sollte uns das schon ausmachen?«

Lee unternahm einen plötzlichen verzweifelten Ausbruchsversuch zur Tür hin. Er machte einen Satz direkt auf Feth zu. Es folgte ein Alptraum wirbelnder Beine und Tentakel. Ken stand daneben. Sein Eingreifen war nicht nötig. Und dann bewegte sich der Pilot fast rollend an sein Instrumentenbrett. Seine Tentakel zuckten wie verrückt. Als er wieder auf den Beinen war, schien ihm die Lust an weiteren Kämpfen vergangen.

»Wenn ich bloß…«

»Ja, ganz recht. Wäre schön, wenn Drai nicht nur sich selbst eine Waffe zugebilligt hätte. Aber er tat es nicht. Und Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit. Also, was ist?« Feth verlieh seinen Worten Nachdruck, indem er den Thermostaten höher einstellte.

Der Pilot gab nach. Falls er noch an Kens Wahrhaftigkeit zweifelte, so wagte er doch nicht mehr, auf diesen leisen Zweifel zu setzen. Er hatte außer Feth noch andere Süchtige gesehen. Es waren ihm grauenvolle Einzelheiten im Gedächtnis geblieben.

»Also gut. Aber verschwindet endlich mit dem Zeug!« keuchte er. »Ich mache, was Sie wollen!«

Wortlos faßte Ken beide Enden der Schlinge und trug das nun viel leichter gewordene Bündel wieder in die Luftschleuse. Gleich darauf war er wieder zur Stelle.

»Geschafft!« sagte er. »Ich befürchtete schon, es würde durchschmelzen, bevor ich Sie mürbe machen konnte. Lee, Sie haben sich länger gehalten, als ich dachte. Na, jetzt ist die Luft rein. Ich möchte noch erwähnen, daß dieser spezielle Block zuoberst in meiner kleinen Kühlanlage liegt und jederzeit einsatzbereit ist. Und jetzt wollen wir ein wenig vorabplanen. Ich würde unseren Freund Drai zu gern festnehmen, weiß aber nicht recht, wie wir die Sache angehen sollen. Hat jemand Vorschläge?«

»Festnehmen?« Auf Feths Gesicht zeigte sich die Andeutung eines Lächelns.

»Ja. Wie das Schicksal so spielt… ich bin ein Ermittler im Auftrag der Rauschgiftabteilung… nicht daß ich mich auf die Stelle gedrängt hätte oder besonders gute Arbeit geleistet hätte. Feth, vielleicht sollte ich Sie auch vereidigen… vermutlich wäre ich dazu legal sogar berechtigt.«

»Nicht nötig. Ich habe vor mehr als achtzehn Jahren meinen Eid abgelegt. Offenbar hat man vergessen, Ihnen zu verraten, daß man schon einmal den Trick versuchte, einen harmlosen Naturwissenschaftler zum Polizisten umzufunktionieren… ohne sichtbaren Erfolg.«

»Davon hat mir niemand etwas gesagt. Wenn wir zurück sind, werde ich ein Wörtchen mit Rade wechseln müssen. Wenn der wüßte…«

»Tragen Sie es ihm nicht nach. Unter den gegebenen Umständen bin ich froh, daß er noch einen Versuch machte. So übel waren Sie gar nicht.«

»Mag sein, aber wir sind noch nicht am Ende. Jetzt begreife ich manches, was mir an Ihnen ein Rätsel war. Von jetzt an ist es ebenso Ihre Nummer wie meine. Also, wie können wir Drai unschädlich machen? Die anderen machen mir keine Sorgen.«

»Warum lassen wir ihn nicht dort, wo er ist? Ein anderes Schiff gibt es nicht. Solange wir dieses hier in der Gewalt haben, kann er uns nicht entwischen, falls er nicht auf einem Torpedo Reißaus nimmt. Und das wird er nicht tun, da er hier nirgends im System länger überleben könnte. Ich würde jetzt sofort starten. Soll er sich den Kopf darüber zerbrechen, was passiert ist, bis wir mit offizieller Unterstützung wieder zur Stelle sind.«

»Einverstanden… bis auf eines. Ich muß noch eine Kleinigkeit auf Planet Drei erledigen. Während ich weg bin, behalten Sie unseren Freund und Piloten im Auge.« Ehe Feth weitere Fragen stellen konnte, war Ken in Richtung Luftschleuse verschwunden.

Er sollte sehr lange ausbleiben. So lange, daß das Schiff sich auf die Suche nach ihm machte. Ken befand sich in dem der Bodenstation benachbarten Tal und sah sich einem Problem gegenüber, das er allein nicht bewältigen konnte. Sallman Ken wollte seine Schulden begleichen.

Die Wings hatten natürlich gar nicht das Gefühl, daß der fremdartige ›Feuermann‹ ihnen etwas schuldig war. Ganz im Gegenteil. Und die Schuld am Feuer gaben sie ihm auch nicht. Er hatte ja bei ihnen gestanden und mit ihnen gesprochen, als das Schiff den Brand verursachte. Bis zum Abend war der Brand dank der Mithilfe der Mannschaft aus Clark Fork ohnehin gelöscht. Die einzige Sorge der Familie galt der Frage, ob der Außerirdische wiederkommen würde oder nicht.

Erst am Abend fiel jemandem ein, daß an diesem Tag eine Ladung Metall fällig gewesen war. Don und Roger gingen am Morgen hinaus zum Sender und fanden dort ein Torpedo. Die Frachtluke war zu, und auf ihre Rufe bekamen sie keine Antwort. Das war das Torpedo, das Drai hinuntergeschickt hatte und im Wirbel der Ereignisse vergessen hatte. Es war per Funk und nicht mittels achronischer Senderaussteuerung gelenkt worden, da die Karella zu der Zeit so nahe gewesen war. Und hinterher war es nicht mehr möglich gewesen, es aus so großer Entfernung zurückzuholen, selbst wenn sich der Rauschgifthändler an das Torpedo erinnert hätte. Ken, der sich mit seiner ›Zahlung‹ sicher an Bord der Karella befand, dachte keinen Augenblick daran. Er befaßte sich nun einzig und allein mit der Notwendigkeit, sich einen Überblick über das Sonnensystem zu verschaffen, ehe sie es verließen. Einen ganzen Erdentag hatte man damit vertan, die kalte Familie von Sol gründlich zu begutachten, ehe Ken sich zum Heimflug überreden ließ. Feth hatte es mit dem Überreden auch nicht so eilig, da seine eigene wissenschaftliche Neugierde betroffen war. Schließlich aber startete man zum letzten Besuch auf Planet Drei. Der Sender wurde eben ins Sonnenlicht getaucht. Diesmal hatte Lee nichts mehr dagegen, den Punkt anzusteuern. Zweitausend Meter über den Gipfeln leitete Ken ihn an, so daß er direkt einen Punkt über dem Haus der Wings anpeilte.

Die Eingeborenen hatten ihre Annäherung beobachtet. Alle sieben standen sie draußen vor dem Haus. Ken ahnte, was für Gefühle sie bewegten. Er dirigierte Lee in eine Position, die die Luftschleuse direkt über der Lichtung vor dem Haus brachte. Der untere Teil des Schiffsrumpfes befand sich zehn Meter über den Baumwipfeln.

Ken kletterte in seinen Panzer, betrat die Luftschleuse mit seiner ›Bezahlung‹ und öffnete die Außentür, ohne zuerst die Luft zurückzupumpen. Einen kurzen Moment lang war er in eine blaue Feuerschicht gehüllt, die aus der Tür schlug. Die Eingeborenen schrien auf vor Entsetzen. Zum Glück züngelten die Schwefelflammen nach oben und waren sofort wieder erloschen.

Er winkte den Eingeborenen, sie sollten ausweichen, und rollte das Entgelt über den Rand der Schleuse. Es schlug unten auf dem Boden eine stattliche Vertiefung. Es folgte ein sorgfältig gezeichnetes Diagramm auf Fluorsilizium-Material, das die Sarrianer anstelle von Papier benutzten.

Als die Wings wieder hinaufblickten, nachdem sie zur Aufprallstelle gelaufen waren, war die Karella nur mehr ein winziger Fleck am Himmel, und Ken saß bereits an einem Bericht für die interstellaren Ökologen und Mediziner, die an der nächsten Expedition teilnehmen würden. Vielleicht gelang es sogar, ein Gegenmittel für das Rauschgift zu entdecken, und wenn nicht, dann brauchte er sich auch keine Sorgen zu machen, da er mit den Eingeborenen auf gutem Fuß stand. Nicht, daß dieser Punkt sein einziges Interesse an den komischen Wesen gewesen wäre. Nein, sie waren auf ihre Art recht liebenswert…

Ihm fiel sogar ein, daß ein Bericht an Rade fällig war.

Unten sagte zunächst keiner ein Wort.

»Dad, ich schaffe es nicht«, waren die ersten Worte, die gesprochen wurden. Roger hatte sie geäußert, nachdem er vergeblich versucht hatte, den grauen Klumpen von der Stelle zu bewegen, der praktisch vor ihren Füßen gelandet war.

»Das Ding muß an die zweieinhalb Zentner wiegen«, schätzte Don. »Wenn das Platin ist…«

»Dann wird es uns viel Zeit kosten, es in einzelne Stücke zu teilen, die keinen Verdacht erregen«, schloß sein Vater. »Mich interessiert im Moment dieses Bild viel mehr.« Die anderen umdrängten ihn.

Es war eine Skizze des Sonnensystems, ähnlich der, die sie vor zwei Tagen, vor dem Brand, gezeichnet hatten. Daneben war das Bild eines Raumschiffes, eines Schiffes, das sich vom Sonnensystem fortbewegte. Eine zweite Skizze, eine vergrößerte Ansicht der Umlaufbahnen der inneren Planeten, zeigte die Bahnen, die jeder in etwa einem Monat durchlaufen würde. Ein drittes Bild war eine Wiederholung des ersten… nur hielt jetzt das Raumschiff auf das System zu. Die Bedeutung war klar. Mr. Wing lächelte, als er die Bilder erläuterte.

»Ich glaube, wir können uns beruhigt wieder zu Tisch setzen«, sagte er. »Überdies glaube ich, daß unser Freund weitere Sprachlektionen nehmen möchte. Er wird wiederkommen. Ich fürchtete schon, er hätte die Stange Zigaretten in den falschen Hals bekommen. Na denn…« Er wandte sich zu seiner Familie um.

»Don… Roger… wir gehen los. Wenn er einen Monat ausbleibt und das Torpedo noch dort liegt, wo du es gefunden hast, dann steht uns ein hübsches Stück Klempnerarbeit bevor. Roger, bis du in Dons Alter bist, wirst du uns vielleicht zu einem Gegenbesuch bei unseren heißblütigen Freund fliegen können. Wir wollen herausfinden, wie dieses Ding funktioniert!«

Ende

Загрузка...