XV

Mr. Wing war nicht bloß interessiert, er war fasziniert von dem Bericht, den ihm Roger und Edie lieferten. Natürlich war ihm klar, daß der Grund für die ungewohnte Entdeckungsfreude der Außerirdischen nicht seine Familie war, doch die Tatsache, daß sie überhaupt Interesse an der Erde zeigten, war seinen eigenen Plänen sehr nützlich.

Beim Abendessen drehte sich das Gespräch ausschließlich um das Erlebnis der Kinder. Sämtliche Bestrebungen, die Einzelheiten vor anderen Familienmitgliedern geheimzuhalten, wurden fallengelassen. Mrs. Wing war ohnehin von Anfang an eingeweiht worden. Roger und Edie waren am Morgen diesbezüglich instruiert worden.

Aber Billy und Marjorie mangelte es an Grundwissen und den neuesten Informationen, so daß sie sich der Bedeutung der Situation nicht bewußt waren. Ihre Fragen störten immer wieder den Gedankenfluß, was allerdings nur bei Roger Ungeduld hervorrief. Da auch er nicht wagte, seinen Unmut über ihr Unwissen zu äußern, blieb der Ton der Unterhaltung friedlich, und es gelang sogar, einige wichtige Entscheidungen zu treffen.

»Mir scheint, daß diese Dinge – jetzt könnten wir sie vielleicht schon als Menschen bezeichnen, da wir eine Ahnung haben, wie sie aussehen – mindestens einen Wissenschaftler dabei haben«, sagte Mr. Wing. »Der Grund für ihre späte Entdeckerfreude ist mir allerdings schleierhaft…«

»Sieh dir mal ein astronomisches Foto der Milchstraße an, dann hast du eine Ahnung«, warf Don ein.

»Grund oder nicht, die Tatsache an sich könnte nützlich sein. Es werden sowohl Forscher als auch Apparate runtergeschickt werden, gar kein Zweifel. Und daß ein gewisser Prozentsatz der Instrumente verlorengeht, damit müssen die rechnen. Ich möchte bei meinen Nachkommen keineswegs Unehrlichkeit fördern, aber wenn es uns gelänge, einen dieser Apparate in die Finger zu bekommen und ihn zu zerlegen, dann wäre ich sehr froh.«

»Du fürchtest also nicht mehr, sie zu erschrecken?« stellte Mrs. Wing in Form einer Frage fest.

»Nein. Ob sie die Handelsbeziehungen fortsetzen oder nicht, entzieht sich ohnehin meinem Einfluß. Das hängt wahrscheinlich von den Ergebnissen ab, die ihre Forscher bringen. Nein, ich habe keine Befürchtungen. Sie sind ungeheuer scharf auf Tabak. Ich möchte sehr bezweifeln, ob dieser auf einem anderen Planeten wächst. Noch sicherer wäre ich natürlich, wenn ich wüßte, wozu sie das Zeug benötigen. Ich dachte immer, sie rauchen den Tabak wie wir, seitdem wir aber über ihre normale Temperatur Bescheid wissen, erscheint mir dies als unwahrscheinlich.

Jetzt aber zurück zu unserem ursprünglichen Thema. Wer von nun an mit ihnen Kontakt bekommt, könnte den Vorschlag machen, sie sollten einen zweiten Richtungssender herunterschaffen, damit sie von vornherein dieses Haus hier anpeilen. Mir erscheint es sinnlos, einen Gewaltmarsch von zehn Kilometern und dann noch den Rückweg auf sich zu nehmen, nur wegen ein bißchen Unterhaltung. Roger, übrigens kommt mir vor, wir hätten vielleicht einen besseren Eindruck machen können, wenn wir versucht hätten, ein paar Wörter von ihnen zu lernen, anstatt ihnen unsere beizubringen.«

»Ja, mag sein. Daran dachte ich nicht.«

»Wie steht’s mit der Handelsbeziehung, Dad?« fragte Don. »Wirst du wie üblich weitermachen oder versuchen, diesen Forschern unser Zeug mitzugeben?«

Mr. Wing überlegte. »Ich glaube, wir bleiben bei unserer gewohnten Routine«, sagte er dann. »Wir wissen nicht mit Sicherheit, daß die Händler und die Forscher zusammenarbeiten. Wäre doch ein Jammer, wenn wir unsere Kunden enttäuschten. Wenn wir morgen zu der Verabredung gehen, könntest du vom Sender aus das Signal geben. Dazu nimmst du eine Packung Zigaretten mit. Normalerweise dauert es zwei, drei Tage, bis sie reagieren, wenn sie aber mit dem Forscherteam gemeinsame Sache machen, sind sie vielleicht näher dran. Du mußt vorbereitet sein, für den Fall, daß sie sofort reagieren.«

»Du meinst also, ich sollte notfalls den ganzen Tag beim Sender bleiben?«

»Nein, das nun auch wieder nicht. Bleib eine Weile, dann kannst du wieder zu uns stoßen. Wir können ja deine Richtung im Auge behalten, für den Fall, daß ein zweites Torpedo runterkommt. Es können höchstens ein paar Kilometer Luftlinie sein, also müßten wir es sehen können.«

»Meinetwegen. Ich gebe das Signal und mache den Vorschlag, daß ein zweiter Sender heruntergebracht wird… immer vorausgesetzt, beide Partner lernen genügend von der Sprache des anderen, um solche Vorschläge in die Tat umzusetzen.« Don wechselte unvermittelt das Thema. »Dad, ich hatte eben eine Idee. Du sagst, die Zeitspanne zwischen Signal und Ankunft des Torpedos wäre nicht immer gleich?«

»Das stimmt. Niemals weniger als zwei Tage, niemals viel länger als drei.«

»Könntest du mir spezielle, mit dem Signalgeben zusammenhängende Daten und dazu die Ankunftszeiten nennen? Je mehr desto besser. Ich glaube, ich könnte damit etwas anfangen.«

Mr. Wing mußte erst überlegen. »Ja, einige sicher. Ich kann mich die letzten paar Jahre gut zurückerinnern, wahrscheinlich bringe ich auch ein paar weiter zurückliegende Daten zusammen. Und wie sieht deine Idee aus?«

»Darüber möchte ich erst sprechen, wenn ich meiner Sache sicherer bin. Und jetzt sag, was du noch weißt.«

Unter Mithilfe der ganzen Familie, die sich teilweise noch an die Zeiten seiner Abwesenheit erinnern konnte – dabei war ein von Edie geführtes Tagebuch die beste Gedächtnisstütze –, kamen etwa zwei Dutzend Daten so genau zusammen, daß Don sehr zufrieden war. Er lief sofort hinauf in sein Zimmer und nahm die Unterlagen mit.

Von da an glitt das Gespräch unmerklich in den reinen Phantasiebereich über, und als es Zeit war, zu Bett zu gehen, hatte man sich die schönsten Bilder über das Leben in der Heimat der feurigen Besucher ausgemalt. Klein Marjories Beitrag war der interessanteste, wenngleich unzutreffendste.

Sallman Ken hingegen vergeudete keine Zeit mit Phantastereien. Er hatte sich sein Vorgehen noch nicht in allen Einzelheiten zurechtgelegt, bei der Arbeit nahmen aber bestimmte Ideen allmählich Gestalt an.

Kaum war er an Bord der Karella gegangen und aus seinem umfangreichen Panzeranzug gestiegen, hielt er mit Feth eine Besprechung ab. Lee nahm anfangs daran teil, ja, er folgte den beiden sogar in Kens Unterkunft. Zwischen Ken und Feth wurde ein vielsagender Blick gewechselt, worauf das Gespräch einen bemerkenswert hochgestochenen Verlauf nahm. Für Lee war nur herauszuhören, daß es um höhere Physik und Chemie ging und um das Problem, die Pflanzensamen in den Bodenproben am Leben zu erhalten und gedeihen zu lassen. Es sah zunächst aus, als wolle Lee bleiben und sich alles anhören, doch Feth hatte plötzlich die Idee, den Piloten in einigen Punkten um seine Meinung zu fragen. Daraufhin ließ sich Ordon Lee zurück in seinen Kontrollraum treiben.

»Dumm ist er nicht«, sagte Feth, der ihm gedankenvoll nachsah. »Aber er traut seiner Bildung wohl nicht über den Weg. Also, was wollten Sie vor Drai geheimhalten?«

»Mir ist eingefallen, daß unser Chef alles mitanhören wird wollen, was auf Planet Drei vor sich geht, sobald wir ein halbwegs anständiges Mittel zur Verständigung mit den Eingeborenen gefunden haben. Ich habe ein paar vage Ideen, wie man diese Wesen nutzbringend einsetzen könnte. Mir wäre lieber, Drai würde nicht alle Gespräche mitanhören. Da es im Augenblick keine Möglichkeit gibt, dies zu verhindern, möchte ich wissen, ob es nicht möglich wäre, mich mit dem Torpedolautsprecher zu verbinden, ohne daß hier oben alles mitgehört wird. Am besten wäre es, wenn ich Sie nach Belieben ein- und ausschalten könnte, damit Drai so viel mitbekommt, daß er nicht Argwohn schöpft.«

»Ja, das müßte sich machen lassen«, sagte Feth bedächtig. »Ich fürchte nur, es wird mehr Arbeit kosten, als die Sache wert ist. wäre es nicht viel einfacher, wenn Sie eine zweite Anlage ins Torpedo mitnähmen? Es besteht die Möglichkeit, Sender und Empfänger in den Panzer einzubauen. Dann könnten Sie die eine oder andere Anlage einschalten, ganz nach Belieben.«

»Wird das Fehlen der zweiten Anlage nicht auffallen?«

»Erst wenn Drai sich mehr für die technischen Einzelheiten interessiert, als er es bis jetzt getan hat.«

»Na schön, machen wir es so. Jetzt noch etwas: Ich habe bereits vorgeschlagen, den Panzer vertikal anstatt horizontal vom Torpedo hängen zu lassen, so daß ich mich umhertragen lassen kann, anstatt dieses Stück Metall unter erhöhter Schwerkraft weiterzubewegen.«

»Ja, das wird nicht weiter schwierig sein.«

»Noch ein Grund spricht dafür. Das einzige unbehagliche Gefühl auf diesem Planeten hatte ich in den Füßen. Auf diese Weise können wir Bodenberührung vermeiden und es kommt gar nicht erst zum Wärmeverlust.

Als zweites hatte ich noch eine Idee zur Torpedosteuerung. Wäre es möglich, eine so kleine Einheit zusammenzubasteln, daß ich sie selbst mit herumtragen kann und Ihnen nicht jede Bewegung ansagen muß? Auf diese Weise könnte ich mich frei bewegen.«

Feth runzelte die Stirn. »Daran dachte ich selbst schon, während ich Ihnen ständig das Torpedo nachschickte. Also ehrlich gesagt, bezweifle ich, daß es möglich ist. Nicht die Kleinheit der Steuerung ist es, die Schwierigkeiten macht, vielmehr glaube ich, daß es mit dem vorhandenen Material nicht zu schaffen ist. Aber ich will es versuchen, wenn wir wieder auf Eins sind. Ich nehme an, Sie haben nichts dagegen, wenn Drai von diesen letzten zwei Vorschlägen hört?«

»Nein, keineswegs. Es wird ihn sicher freuen. Vermutlich erübrigt sich die Hoffnung, er würde selbst eine Landung auf Drai wagen, wenn erst feststeht, daß es ungefährlich ist?«

Feth grinste breit. »Dazu bedarf es besserer Psychologen, als wir es sind. Drais Vertrauen in seine Mitarbeiter reicht nicht so weit. Und außerdem, was würde das schon nützen? Wir hätten nichts davon, wenn wir ihn dort aussetzten, so verlockend diese Idee auch klingt, und ihn mit Drohungen einzuschüchtern ist ebenso sinnlos, da er natürlich jedes abgepreßte Versprechen brechen würde.«

»Na ja, viel habe ich mir von dem Vorschlag ohnehin nicht erwartet. Aber jetzt bin ich dafür, daß wir die Proben schleunigst auf Planet Eins bringen, ehe sie erfrieren. Dort wollen wir rasch ein Vivarium zusammenbasteln. Wenn es uns glückt, auch nur irgend etwas zum Gedeihen zu bringen, wird Drai für eine Weile Ruhe geben.«

Das Torpedo, das Ken und seine Proben zur Karella gebracht hatte, wurde an den Rand des Reflektorfelds gelenkt, als Ken sich aus den Halterungen gelöst hatte. Feth kehrte zu seinen Instrumenten zurück und führte das Schiff ganz nahe an den Rumpf des Schiffes heran, so daß es von den Antriebsfeldern der Karella mitgezogen wurde. Auf Kens Wunsch hin hielt Lee wieder auf die Sonne zu. Dreizehnhundert Kilometer über der Merkur-Oberfläche wurde das Torpedo wieder losgeschickt, um von Feth in der Höhle sanft gelandet zu werden. Vor einiger Zeit war dort eine Fernsehanlage eingerichtet worden, mit deren Hilfe er jetzt die Landung durchführte. Er richtete es so ein, daß etwa ein Meter der Torpedospitze sich in der Sonne befand, während alles andere im Schatten eines großen Felsens zu liegen kam. Damit war seiner Ansicht nach die richtige Temperatur wenigstens für einige Stunden aufrechtzuerhalten.

Kaum war die Karella gelandet, als er und Ken in die Werkstatt gingen. Dort wurde in aller Eile ein Metallbehälter zusammengestellt, etwa sechzig Zentimeter hoch, einen Meter lang und ebenso breit. Feth verschweißte sorgfältig alle Fugen und unterzog sie einem vollen Drucktest. Auf den Behälter kam ein Glasdeckel, mit Silizium-Vakuum-Wachs abgedichtet, das zur Standardausrüstung aller Raumschiffe gehörte. Auch diesen Deckel unterzog er einer Druckprobe, die einem irdischen Barometerstand von zwölfhundertfünfzig Millimeter entsprach. Ein zweiter, ähnlicher Behälter, in dem der erste Platz haben sollte, wurde eben zusammengebaut, ab Drai auftauchte. Offenbar hatte er endlich mitgekriegt, daß das Schiff gelandet war. »Na, Sie haben also mit einem Eingeborenen sprechen können, hörte ich eben von Lee. Bravo, sehr gut gemacht. Haben Sie irgend etwas über die Herstellung des Tafaks herausbekommen?«

»So gut können wir uns nicht verständigen.« Ken unterdrückte seinen Sarkasmus nach besten Kräften. »Unsere Arbeit war nach anderen Gesichtspunkten ausgerichtet.« Er deutete auf das halbfertige Vivarium. Drai betrachtete das Gebilde stirnrunzelnd, als müsse er sich über dessen Zweck erst klar werden. »Es ist eine kleine Kammer, in der wir hoffentlich die Umweltbedingungen von Planet Drei nachvollziehen können. Mehr oder weniger ein reines Experiment. Zwischen den beiden Behältern stellen wir ein Vakuum her. Feth sagt, einer der mit Schwefelhexafluorid betriebenen Kühlschränke, die er vor Jahren zusammenbaute, könnte die Temperatur entsprechend niedrig halten. Wir haben jetzt so viel Luft von Planet Drei, daß wir den Behälter mehrmals unter entsprechendem Druck füllen können.«

Drais Miene verriet seine Verwunderung. »Ist der Behälter für einen Eingeborenen nicht zu klein? Lee sagte mir, Sie hätten die auf fast eineinhalb Meter geschätzt. Außerdem weiß ich ja von diesen Plänen gar nichts.«

»Eingeborene? Ich dachte, wir sollten hier Pflänzchen ziehen! Was sollen wir hier mit einem Eingeborenen?«

Drais Miene verklärte sich. »Ach, ich verstehe. Ich wußte ja nicht, daß Sie schon Pflanzen mitgebracht haben. Hm; wenn ich es recht überlege, wäre es aber gar nicht schlecht, wenn man einen oder zwei Eingeborene zur Hand hätte. Falls die Planetenbewohner halbwegs zivilisiert sind, könnte man die Gefangenen gegen gewaltige Mengen von Tafak austauschen, und wir könnten sie außerdem in der Höhle zum Bearbeiten und Ernten des Tafaks verwenden. Vielen Dank für die Idee.«

»Ich weiß bloß nicht, wie intelligent die Eingeborenen sind«, antwortete Ken. »Aber ich halte sie nicht für so hirnverbrannt, daß sie einfach in einen Käfig hineinmarschieren, den wir offen vor sie hinstellen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, behalte ich mir diese Möglichkeit als letzte Ausflucht vor… wir werden schon genug Ärger haben, unsere Erdproben und die Samen von ihren jetzigen Behältern in diesen hier zu verlagern, ohne daß sie unserer Atmosphäre oder dem leeren Raum ausgesetzt werden. Hundertmal schlimmer wäre es, einen Eingeborenen in eine dieser Höhlen hineinzubekommen.«

»Ja, vielleicht haben Sie recht. Aber ich glaube, wir würden mit dieser Methode an mehr Tafak herankommen.«

»Ja, sicher, wenn sie zivilisiert sind. Aber ich verstehe nicht, was Sie an unserer Methode auszusetzen haben. Das Verfahren ist weiß Gott äußerst preiswert.«

»Der Preis ist mir egal, es geht mir um die Menge. Wir bekommen bloß zweihundert Zylinder pro Jahr – noch dazu in einem Planet-Drei-Jahr. Diese Menge erlaubt uns nicht, in größerem Maßstab zu operieren. Also, tun Sie, was Sie für richtig halten… vorausgesetzt, Sie können mich überzeugen, daß es das Beste ist.«

Drai empfahl sich mit einem Lächeln. Feth und Ken wurden dabei das Gefühl nicht los, daß Drais Lächeln eine höchst unangenehme Tönung erhalten hatte. Feth sah ihm nach, wollte sich wieder seiner Arbeit zuwenden, hielt wieder inne, warf Ken einen entschuldigenden Blick zu und lief sodann Drai nach. Ken fiel ein, daß Feth die letzte Dosis des Rauschgifts einige Zeit vor ihm bekommen hatte.

Damit war er bei der Frage angelangt, wann er das erste Verlangen nach dem Rauschgift spüren würde. Feth hatte gesagt, es würde nach fünf bis sechs sarrianischen Tagen soweit sein… das entsprach etwa dreizehn Erdenstunden. Einen halben Tag hatte er nach einem Erwachen mit Gerede vertan, mit dem Kontrollieren der Panzeranzüge und mit dem Flug nach Drei. Mehr als ein ganzer Tag war mit den Tests und mit der Begegnung mit den Eingeborenen vergangen. Seither ein halber Tag. Mindestens ein ganzer Tag würde noch vergehen, bevor das geplante Zusammentreffen mit den Eingeborenen von Drei stattfinden konnte. Es war ungewiß, wie lange es dauern würde, aber auf jeden Fall blieben ihm noch zwei Tage Atempause. Er verdrängte die Sorgen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem halbfertigen Vivarium zu.

Er war kein ausgebildeter Schweißer, doch die Proben, die geduldig in einer Entfernung von dreitausend Kilometern warteten, würden nur eine gewisse Zeit überstehen, und er hatte keine Ahnung, wie lange Feth ausfallen würde. Er griff nach dem Schweißapparat und nahm die Arbeit an der Außenhülle auf. Er hatte Feth abgeschaut, wie man die Druckprobe machte, und war angenehm überrascht, als die Nähte dichthielten. Mehr allerdings konnte er nicht tun. Feth hatte keine Aufzeichnungen gemacht, und Ken hatte keine Ahnung, wie er sich das Einbauen der verschiedenen Kühl- und Pumpmechanismen vorstellte. Er ließ daher die Arbeit sein und fing an, über das Problem nachzudenken, das er Drai gegenüber erwähnt hatte, nämlich wie man es anstellen konnte, die Proben in den hübschen kleinen Tank zu verlagern, sobald dieser fertiggestellt wäre.

Erst versuchte er, einen ferngesteuerten Öffner zu konstruieren, als ihm die Lösung blitzartig einfiel. Er war wütend, daß es ihm nicht schon eher eingefallen war. Daraufhin ruhte er sich aus, bis Feth wiederkam, und geriet dabei so dicht an den Schlafzustand, wie es ihm und seinen Artgenossen vergönnt war.

Feth war nach vier Stunden wieder zur Stelle. Er schien in guter Verfassung. Dieses Tafak hatte sichtbare Nachwirkungen, auch noch nach jahrelanger Abhängigkeit, was einigermaßen tröstlich war.

Ken zeigte ihm, was er während seiner Abwesenheit an dem Vivarium gemacht hatte. Feth schien sehr befriedigt. Er machte zwar ein enttäuschtes Gesicht, als er von Kens Plänen zur Verlagerung der Proben hörte, da er, wie es sich zeigte, selbst diesbezügliche Pläne hatte.

»Ich weiß gar nicht, warum wir so vernagelt waren, uns die Proben zu verschaffen, ehe wir einen Aufbewahrungsort hatten«, sagte Ken. »Damit gehen wir das Risiko ein, daß sie in den Kanistern verderben, und zusätzlich haben wir das Verlagerungsproblem. Viel klüger wäre es gewesen, wenn wir den Behälter zuerst gebaut hätten. Wir hätten ihn auf Drei mitnehmen und an Ort und Stelle füllen können. Warum haben wir es nicht getan?«

»Wenn Sie unbedingt eine Antwort wollen: Weil wir es kaum erwarten konnten, hinzukommen«, lautete die plausible Antwort. »Wollen Sie unsere jetzigen Proben verderben lassen?«

»Wir könnten mal ihre Temperatur überprüfen. Wenn sie noch halbwegs in Ordnung sind, dann können wir sie ebensogut mit nach Drei nehmen und sie dort in den Behälter übertragen. Es interessiert mich, ob die eventuell vorhandenen Samen den Transport überstanden haben, obwohl gar nichts damit bewiesen wäre, falls sie nicht aufgehen.«

»Sie könnten ja eine mikroskopische Untersuchung anstellen, ob irgend etwas Samenähnliches vorhanden ist«, schlug Feth vor, die momentane Situation vergessend.

»Sollte man die Proben verkochen lassen oder den Beobachter erfrieren?« fragte Ken interessiert. Feth verfolgte die Sache nicht weiter. Statt dessen wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Das Vivarium nahm allmählich unter seinen geschickten Tentakeln Gestalt an. Kühlanlage und Pumpe waren winzig. Sie waren seitlich an dem Behälter fest angebracht. Die Bedienung war denkbar einfach: ein Aus-Einschaltknopf für die Pumpe und eine Thermostatwählscheibe für die Kühleinrichtung.

»Den Thermostat habe ich noch nicht kalibriert«, sagte Feth. »Ich werde drinnen ein Thermometer anbringen, dort, wo man es durch den Glasdeckel sehen kann. Sie brauchen dann nur an der Einstellung zu drehen, bis die Temperatur richtig ist.«

»Sehr schön. Sie haben großartige Arbeit geleistet, wenn man bedenkt, daß alles improvisiert werden mußte. Alle Achtung, serienmäßig könnte das Ding nicht besser hergestellt werden. Ich kann keinen Fehler entdecken.«

Bis zu ihrem Verabredungstermin auf Planet Drei dauerte es noch ein paar Stunden. Sie hatten also Zeit, Kens Plan, der immer deutlicher Gestalt annahm, durchzusprechen. Zunächst wurden die Eigentümlichkeiten des Eisplaneten durchgesprochen. Feth sah in seinen Ersatzteilschränken nach und meldete, daß nichts vorhanden wäre, was sich in eine tragbare Steueranlage verwandeln ließe, durch die Ken sein Torpedo selbst steuern konnte. Jetzt war er an der Reihe, sich zu ärgern, als Ken den Vorschlag machte, er solle die Steuerung per Draht mit dem Lenkmechanismus verbinden. Ken bestand nicht unbedingt darauf, das Torpedo per Funk zu lenken. Eine halbe Stunde später war ein Torpedo bereit, dem aus einer winzigen Rumpföffnung ein langes Kabel heraushing, das in einer kleinen Box endete. Die Box wies ein halbes Dutzend Schalthebel auf. Ken, der die Hebel ausprobierte, konnte nun das Torpedo nach Belieben lenken.

»Ich schätze, wir sind jetzt quitt, was das Übersehen des Offensichtlichen anlangt«, sagte er schließlich. »Sollten wir uns nicht zum Start fertigmachen?«

»Ja. Übrigens ist es besser, wenn ich Sie bis auf die Oberfläche navigiere, da Sie die Instrumente des Torpedos nicht ablesen können. Von da an können Sie tun, was Sie wollen.«

»Ja das wäre am besten. Viertausend Kilometer über der Planetenoberfläche könnte ich weder Entfernung noch Geschwindigkeit abschätzen.«

Sie zogen ihre Raumanzüge an und schleppten die Apparate hinaus zur Karella. Das Vivarium ließen sie in der Luftschleuse stehen, da es ohnehin am Torpedo festgemacht werden mußte. Lee stieß kurz danach darauf und gab eine ätzende Bemerkung über Typen von sich, die es darauf anlegten, die Ausgänge eines Raumschiffs zu blockieren. Ken schleppte gehorsam den Behälter hinein, da Feth schon in den Kontrollraum gegangen war, um das mit der Zusatzkonstruktion versehene Torpedo in die Abschußvorrichtung zu schieben.

Sie waren startklar, bis auf einen Punkt. Keinem war ihre Unterlassungssünde aufgefallen. Eine Minute vor dem geplanten Start wurden sie daran erinnert als noch eine in einem Raumanzug steckende Gestalt vor der Luftschleuse der Station zu jener des Schiffes hinüberglitt. Gleich darauf kam Laj Drai in den Kontrollraum. »Wenn alles an Bord ist, können wir starten«, sagte er. Ken nickte wortlos dem Piloten zu.

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