6. Ein Kampf, bei dem ich Freunde fand

Das Geschöpf, das eher unseren Erdenmenschen als jenen Marsmenschen ähnelte, die ich bisher gesehen hatte, hielt mich mit einem riesigen Fuß am Boden fest, während es sich mit jemandem hinter , mir plappernd und gestikulierend unterhielt. Dieser andere, offensichtlich sein Gefährte, gesellte sich bald zu uns, ausgerüstet mit einer riesigen Steinkeule, mit der er mir offenbar den Schädel einschlagen wollte.

Die Kreaturen waren ungefähr zehn oder fünfzehn Fuß groß, standen aufrecht und verfügten wie die grünen Marsmenschen zwischen ihren oberen und unteren Gliedmaßen über ein zusätzliches Paar von Armen oder Beinen. Ihre Augen standen dichter beieinander und lagen tief in den Höhlen, die Ohren befanden sich oben, aber mehr an der Seite als bei den Marsmenschen, während ihre Schnauzen und Zähne denen unserer afrikanischen Gorillas auffallend ähnlich waren. Im Vergleich mit den grünen Marsmenschen waren sie im großen und ganzen nicht unansehnlich.

Die Keule vollzog über meinem nach oben gewandten Gesicht gerade einen hohen Bogen, als ein vielfüßiges Monster durch die Tür gefegt kam und sich gegen die Brust meines Henkers warf. Mit einem Angstschrei setzte der Affe, der mich festhielt, durch das offene Fenster, doch sein Gefährte begann mit meinem Beschützer einen grauenvollen Kampf auf Leben und Tod, denn der war niemand Geringeres als mein treues Wachtier (Ich bringe es nicht über mich, eine so gräßliche Kreatur als Hund zu bezeichnen).

So schnell wie möglich rappelte ich mich auf und verfolgte mit dem Rücken zur Wand einen Kampf, wie nur wenige Menschen je zu Gesicht bekommen. Die Kraft, Beweglichkeit und unbändige Grausamkeit dieser beiden Kreaturen lassen sich mit nichts auf der Erde vergleichen. Mein Wachtier befand sich zuerst etwas im Vorteil, es hatte die mächtigen Reißzähne seinem Widersacher tief in die Brust geschlagen, doch der Affe, dessen Muskeln weit stärker entwickelt waren als die aller mir bisher bekannten Marsmenschen, hielt meinen Beschützer mit seinen kräftigen Händen am Hals, drückte ihm langsam die Luft ab und bog den Kopf zurück, so daß ich glaubte, ihn bald mit gebrochenem Genick leblos darniedersinken zu sehen.

Dabei riß dem Affen die ganze Vorderseite auf, da sie von den mächtigen Kiefern fest umklammert wurde. Die beiden rollten auf dem Boden hin und her, wobei keiner einen Laut der Angst oder des Schmerzes von sich gab. Bald sah ich, wie meinem Wachtier die großen Augen aus den Höhlen traten und Blut aus den Nasenlöchern strömte. Es ermattete merklich, aber auch der Affe, dessen Anstrengungen mit jedem Augenblick verzweifelter wurden.

Plötzlich kam ich zu mir, und mit dem seltsamen Instinkt, der mich offensichtlich immer zu meiner Pflicht treibt, ergriff ich die Keule, die zu Beginn des Kampfes zu Boden gefallen war, und schwang sie mit all der Kraft meiner irdischen Arme voll gegen den Kopf des Affen, dessen Schädel wie eine Eierschale zerbrach.

Kaum war dies geschehen, sah ich mich einer neuen Bedrohung gegenüber. Der Gefährte des Affen, der sich von seinem ersten Schrecken erholt hatte, war durch das Gebäude zum Schauplatz des Geschehens zurückgekehrt. Ich erspähte ihn, als er bereits an der Tür stand, und sein Anblick, wie er angesichts seines leblos daliegenden Gefährten aufbrüllte, und wie ihm vor irrsinniger Wut der Schaum aus dem Mund trat, erfüllte mich mit bösen Ahnungen.

Ich bin immer bereit, mich zur Wehr zu setzen und zu kämpfen, wenn die Übermacht nicht allzu groß ist, doch in diesem Fall sah ich weder Ruhm noch Nutzen darin, meine relativ dürftige Kraft mit den eisernen Muskeln und der ungezähmten Brutalität des wutentbrannten Einwohners einer unbekannten Welt zu messen, eigentlich schien doch das einzige, was für mich bei einem solchen Unterfangen herauskommen konnte, der Tod zu sein.

Ich stand neben dem Fenster und wußte, daß ich, befand ich mich erst einmal auf der Straße, den Platz erreichen und mich in Sicherheit bringen könnte, bevor diese Kreatur mich einholte. Zumindest konnte ich mich vor dem Tode retten, der mir gewiß war, falls ich blieb und noch so verzweifelt kämpfte.

Natürlich hatte ich die Keule, aber was konnte ich damit gegen vier lange Arme ausrichten? Auch wenn ich dem Affen mit dem ersten Schlag einen davon zerschmetterte – ich rechnete damit, daß er den Knüppel abzuwehren versuchen würde –, hätte er noch immer die drei anderen, um mich zu vernichten, bevor ich mich zum zweiten Angriff vorbereiten konnte. Bei diesen Gedanken drehte ich mich zum Fenster. Da fiel mein Blick auf meinen vormaligen Beschützer, und ich schlug alle Fluchtgedanken in den Wind. Er lag keuchend auf dem Boden, die großen Augen starr auf mich gerichtet, fast wie um Hilfe bittend. Ich konnte diesem mitleiderregenden Blick nicht widerstehen, und so war mein nächster Gedanke, daß ich meinen Retter nicht zurücklassen konnte, ohne mich genauso für ihn einzusetzen, wie er es für mich getan hatte. Ohne weiteres Zögern wandte ich mich deswegen dem aufgebrachten Affenmännchen zu. Es war mir nun zu nahe gekommen, als daß mir die Keule noch eine große Hilfe sein konnte. Also schleuderte ich sie mit voller Wucht gegen meinen massigen Angreifer, traf ihn unterhalb der Knie, erntete dabei ein Geheul von Schmerz und Wut und brachte ihn derart aus dem Gleichgewicht, daß er, um seinen Fall aufzuhalten, mit ausgestreckten Armen voll auf mich stürzte.

Wie bereits am Vortrag nahm ich zu irdischen Taktiken Zuflucht, hieb ihm mit der rechten Faust gegen das Kinn und versetzte ihm mit der linken einen Haken in die Magengrube. Die Wirkung war verblüffend, denn als ich nach dem zweiten Schlag etwas beiseite trat, wirbelte er herum und sank vor Schmerz zusammengekrümmt und nach Luft japsend zu Boden. Ich sprang über ihn hinweg, packte die Keule und erledigte das Ungeheuer, bevor es sich wieder aufrichten konnte. Als ich ihm den Schlag versetzte, hörte ich hinter mir lautes Lachen, wandte mich um und erblickte Tars Tarkas, Sola und drei, vier Krieger, die in der Tür standen. Zum zweiten Mal hatte ich ihren selten erteilten Applaus für mich gewonnen.

Sola hatte beim Aufwachen meine Abwesenheit bemerkt und sofort Tars Tarkas benachrichtigt, der sich gleich darauf mit einer Handvoll Krieger auf die Suche nach mir machte. Am Stadtrand angekommen, bemerkten sie das Affenmännchen, als es schäumend vor Wut ins Gebäude stürmte.

Sofort waren sie ihm gefolgt, wobei sie es zuerst kaum für möglich hielten, daß ihnen sein Tun einen Hinweis über meinen Verbleib liefern würde, und hatten meinen kurzen, doch entscheidenden Kampf mit ihm gesehen. Dieses Abenteuer, die Auseinandersetzung mit dem Marskrieger am Vortag, sowie meine Sprungkünste verschafften mir hohes Ansehen. Feinere Gefühle wie Freundschaft, Liebe oder Zuneigung gehen diesem Volk völlig ab, doch beten sie außergewöhnliches Können und Mut förmlich an, und solange das Objekt ihrer Bewunderung seine Geschicklichkeit, seine Kraft und seinen Mut häufig genug unter Beweis stellt, ist ihnen nichts zu gut dafür.

Sola hatte den Suchtrupp freiwillig begleitet und war die einzige, die angesichts meines Überlebenskampfes nicht in Gelächter ausbrach. Im Gegenteil, ihre ernste Miene zeigte offensichtliche Anteilnahme, und kaum hatte ich das Monster getötet, stürzte sie auf mich zu und suchte meinen Körper nach möglichen Wunden oder Verletzungen ab. Zufrieden lächelnd stellte sie fest, daß ich unversehrt davongekommen war, nahm mich bei der Hand und machte sich auf den Weg nach draußen.

Tars Tarkas und die anderen Krieger waren inzwischen eingetreten und standen bei meinem schnell wieder zu sich kommenden Retter, dem auch ich das Leben gerettet hatte. Sie schienen sich ernsthaft zu streiten, und schließlich sprach mich einer an. Doch als ihm einfiel, daß ich seine Sprache nicht verstand, wandte er sich wieder an Tars Tarkas, der ihm mit einem Wort und einer Geste etwas befahl und sich anschickte, uns zu folgen.

In ihrer Haltung gegenüber dem Tier lag etwas Bedrohliches. Ich wollte nicht gehen, bevor ich nicht erfahren hatte, was sie zu tun gedachten, und damit war ich gut beraten, denn der Krieger zog eine gefährlich aussehende Pistole aus dem Halfter und war drauf und dran, der Kreatur ein Ende zu setzen. Ich sprang vor und riß seinen Arm nach oben. Die Kugel traf den hölzernen Fensterrahmen und schlug ein Loch in das Holz und das Mauerwerk.

Ich kniete neben dem furchtsam dreinblickenden Wesen nieder, half ihm auf und gebot ihm, mir zu folgen. Die überraschten Blicke, die mein Tun bei den Marsmenschen hervorrief, spiegelten Verständnislosigkeit, denn Eigenschaften wie Dankbarkeit und Mitgefühl konnten sie nur in kindlicher Weise erahnen. Der Krieger, dessen Pistole ich nach oben gerissen hatte, blickte Tars Tarkas fragend an, doch dieser gab ihm zu verstehen, mich in Ruhe zu lassen, und so kehrten wir zum Platz zurück, wobei Sola mich fest am Arm hielt und dicht hinter mir mein großes Wachtier trottete.

Zumindest besaß ich nun auf dem Mars zwei Freunde, eine junge Frau, die mit mütterlicher Sorge über mich wachte, und ein stummes Wachtier, hinter dessen armseligen, häßlichen Äußeren sich mehr Liebe, Treue und Dankbarkeit verbarg, wie ich später erfahren sollte, als man bei den ganzen fünf Millionen grünen Marsmenschen finden konnte, die in den verlassenen Städten und den ausgetrockneten Meeren des Mars umherstreifen.

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