26. Vom Blutbad zur Glückseligkeit

Einige Zeit später kehrten Tars Tarkas und Kantos Kan mit der Nachricht zurück, daß ganz Zodanga eingenommen sei. Die Armeen waren vernichtet oder ihre Soldaten gefangen genommen, und innerhalb der Stadt war kein weiterer Widerstand zu erwarten. Einige Schlachtschiffe waren entkommen, doch befanden sich weitere tausend Kriegs- und Handelsschiffe in den Händen der Krieger von Thark.

Die kleineren Horden hatten begonnen, die Stadt zu plündern. Schon jetzt entbrannten sie in heftigen Streitereien, so daß entschieden wurde, alle verfügbaren Krieger zusammenzurufen, so viele Schiffe wie möglich mit Gefangenen zu beladen und unverzüglich nach Helium aufzubrechen.

Fünf Stunden später legte unsere Flotte aus zweihundertundfünfzig Schlachtschiffen, bemannt mit ungefähr einhunderttausend grünen Kriegern, von den Docks auf den Dächern der Armeegebäude ab, gefolgt von einer Gruppe von Transportschiffen mit unseren Thoats.

Wir ließen die leidgeprüfte Stadt Zodanga in den Klauen von vierzigtausend wilden und brutalen grünen Kriegern aus den kleineren Stämmen zurück. Sie plünderten, mordeten und kämpften gegeneinander. An unzähligen Stellen hatten sie Brände gelegt, und dichte Rauchsäulen stiegen über der Stadt auf, um dem Himmel diesen schrecklichen Anblick zu ersparen.

Am Nachmittag erblickten wir den scharlachroten und den gelben Turm von Helium, und kurze Zeit später kamen uns unzählige Schlachtschiffe der Armee von Zodanga entgegen, die die Stadt belagerte.

Auf jedem unserer riesigen Fahrzeuge flatterte von vorn bis achtern das Banner von Helium, doch die Zodanganer bemerkten auch so, daß wir Feinde waren, denn unsere grünen Krieger hatten bereits während ihres Aufsteigens das Feuer auf sie eröffnet. Sie versetzten der nahenden Flotte eine Salve nach der anderen und lieferten so eine weitere Probe ihres außerordentlichen Könnens.

Als die Zwillingsstädte von Helium bemerkten, daß wir in freundlicher Absicht kamen, sandten sie uns einhundert Boote zu Hilfe, und nun begann die erste wirkliche Luftschlacht, die ich jemals miterlebt hatte.

Unaufhörlich kreisten die Fahrzeuge unserer grünen Krieger über den einander bekriegenden Flotten von Helium und Zodanga, denn die Thark wußten mit den Geschützen an Bord nichts anzufangen, da sie über keine eigene Marine verfügten und demzufolge in der Seekriegsführung unkundig waren. Dennoch erwies sich das Feuer aus ihren kleinkalibrigen Gewehren als äußerst wirkungsvoll, und der Verlauf des Gefechtes wurde von ihnen in beträchtlichem, wenn nicht entscheidendem Maße beeinflußt.

Zuerst umkreisten die beiden Gegner einander auf derselben Höhe und bedachten sich mit einer Breitseite nach der anderen. Bald klaffte in einem der riesigen Schlachtschiffe der Zodanganer ein großes Loch, es schlingerte und überschlug sich, worauf die kleinen Gestalten der Mannschaft zappelnd tausend Fuß in die Tiefe stürzten. Dann rauschte das Schiff ihnen in rasendem Tempo hinterher, um schließlich fast vollständig vom weichen Lehm des uralten Meeresbodens verschluckt zu werden.

Die Schwadron der Heliumiten brach in wildes Jubelgeschrei aus. Mit neuem Mut fielen sie über die Flotte der Zodanganer her. Durch ein geschicktes Manöver gelang es zwei Schiffen von Helium, über ihre Gegner aufzusteigen, von wo aus sie eine Unmasse von Bomben aus den Schächten am Kiel über ihnen ausschütteten.

Dann glückte es weiteren Schlachtschiffen von Helium, sich über die Zodanganer zu erheben, und innerhalb kurzer Zeit taumelten unzählige Schlachtschiffe der ehemaligen Belagerer als hilflose Wracks auf den hohen, scharlachroten Turm von Großhelium zu. Andere versuchten zu entkommen, doch alsbald umschwärmten Tausende der winzigen einsitzigen Flugzeuge jeden Flüchtling, und ein gigantisches heliumitisches Schlachtschiff schwebte über ihm, dessen Mannschaft bereit war, sich zum Entern auf die feindlichen Decks hinabzulassen.

Nur eine reichliche Stunde, nachdem die zuvor siegreichen Zodanganer von ihrem Lager vor Helium aufgestiegen waren, um uns zu empfangen, war die Schlacht vorüber, und die übriggebliebenen Fahrzeuge der ehemaligen Belagerer wurden unter Führung der siegreichen Mannschaften nach Helium gelenkt.

Die Kapitulation dieser mächtigen Flieger hatte etwas äußerst Feierliches an sich. Sie verlief nach jahrhundertealtem Brauch, wonach sich der Kommandeur des eroberten Luftschiffes freiwillig vom Schiff stürzte. Ein tapferer Mann nach dem anderen warf sich mit hoch erhobener Fahne vom steil aufragenden Bug seines Schiffes in einen schrecklichen Tod.

Erst als der Oberkommandierende der Flotte den entsetzlichen Sprung vollbracht und somit die Kapitulation der übrigen Fahrzeuge besiegelt hatte, endete das Gefecht und gleichzeitig der sinnlose Opfertod von kühnen Männern.

Nun signalisierten wir dem Flaggschiff der Marine von Helium, sich zu nähern, und als es auf Rufweite herangekommen war, teilte ich ihnen mit, daß wir die Prinzessin Dejah Thoris an Bord hatten und sie ihnen übergeben wollten, damit man sie sofort in die Stadt brachte.

Als ihnen die Bedeutung meiner Worte klar wurde, brachen alle auf dem Deck des Flaggschiffes in Jubelgeschrei aus, und einen Augenblick später sah man auf den Aufbauten hundertfach die Fahnen der Prinzessin von Helium aufleuchten. Die anderen Schiffe der Flotte verstanden diese Botschaft, schlössen sich augenblicklich dem ungestümen Beifall an und entfalteten ebenfalls ihre Fahnen im strahlenden Sonnenschein.

Das Flaggschiff kam auf uns zu, drehte voller Anmut bei und legte an. Dann sprangen ein Dutzend Offiziere auf unser Deck. Als ihre erstaunten Blicke auf die über hundert grünen Krieger fielen, die nun aus ihrer Deckung hervorkamen, blieben sie entsetzt stehen, doch angesichts Kantos Kans, der ihnen entgegentrat, löste sich ihre Erstarrung und sie scharten sich um ihn.

Dann schritten Dejah Thoris und ich auf sie zu, worauf ihre Leute für nichts anderes mehr Augen hatten. Sie empfing sie voller Anmut und begrüßte einen jeden von ihnen mit Namen, denn es waren hochangesehene Männer im Dienst ihres Großvaters, die sie gut kannte.

»Legt eure Hände auf die Schulter von John Carter, dem Mann, dem Helium sowohl das Leben seiner Prinzessin als auch den Sieg des heutigen Tages zu verdanken hat«, sagte sie und wandte sich an mich.

Sie waren von äußerster Höflichkeit und sagten mir viele freundliche und artige Dinge, doch offensichtlich beeindruckte sie am meisten, daß ich für meinen Feldzug zur Befreiung von Dejah Thoris und Helium die Hilfe der wilden Thark gewonnen hatte.

»Ihr schuldet einem anderen Mann als mir euren Dank«, sagte ich. »Hier steht er, seht einen der tapfersten Soldaten und Staatsmänner von Barsoom, Tars Tarkas, den Jeddak von Thark.«

Mit derselben ausgesuchten Höflichkeit, die sie mir entgegengebracht hatten, ließen sie dem großen Thark ihre Begrüßung zuteil werden, und zu meiner Überraschung stand er ihnen hinsichtlich Auftreten oder Redegewandtheit in keinem Punkt nach. Obwohl die Thark nicht sehr gesprächig sind, achten sie sehr auf Etikette, und ihre Sitten messen dem würdevollen und höflichen Umgang erstaunlich viel Bedeutung bei.

Dejah Thoris ging an Bord des Flaggschiffes und war äußerst verstimmt, daß ich nicht mitkam, doch ich erklärte ihr, daß die Schlacht nur zum Teil gewonnen war, denn noch stand uns die Begegnung mit den Bodentruppen der Belagerer bevor, und ich wollte Tars Tarkas nicht zurücklassen, bevor dies nicht vollbracht war.

Der Befehlshaber der Luftstreitkräfte von Helium versprach, sich darum zu kümmern, daß uns bei unserem Feldzug Truppen aus Helium zu Hilfe kamen, dann trennten sich die Fahrzeuge, und voller Freude brachte man Dejah Thoris zurück zum Hof ihres Großvaters, Tardos Mors, des Jeddaks von Helium.

In der Ferne lag die Transportflotte mit den Thoats der grünen Krieger, wo sie auch während der Schlacht geblieben war. Ohne Landeplätze und im offenen Flachland war es eine äußerst schwierige Angelegenheit, diese Tiere abzuladen, doch hatten wir keine andere Möglichkeit, so begaben wir uns zu einem Punkt ungefähr zehn Meilen vor der Stadt und nahmen die Sache in Angriff.

Es erwies sich als notwendig, die Tiere an Riemen hinabzulassen, womit wir dann den restlichen Tag und die halbe Nacht beschäftigt waren. Zweimal wurden wir von der feindlichen Kavallerie angegriffen, doch erlitten wir nur geringe Verluste, und nach Einbruch der Dunkelheit zogen sie sich zurück.

Sobald das letzte Thoat abgeladen war, gab Tars Tarkas Befehl zum Aufbruch, und in drei Abteilungen bewegten wir uns von Norden, Süden und Osten auf das Lager der Zodanganer zu.

Ungefähr eine Meile vor ihrem Stützpunkt stießen wir auf die Vorposten, wo wir, wie zuvor abgesprochen, mit dem Angriff beginnen sollten. Unser wildes, grausamen Geschrei mischte sich mit dem durchdringenden Gekreisch der durch den Kampf aufgebrachten Thoats, als wir über die Zodanganer herfielen.

Indes fanden wir sie nicht schlafend, sondern in Gefechtsaufstellung und verschanzt. Immer wieder wurden wir zurückgeschlagen, bis ich gegen Mittag um den Ausgang der Schlacht zu fürchten begann. Die Zodanganer hatten etwa eine Million Krieger von ganz Barsoom, wo auch immer sich ihre Wasserstraßen durchs Land zogen, zusammen geholt, während wir mit nicht einmal einhunderttausend grünen Kriegern den Kampf gegen sie aufgenommen hatten. Die Truppen von Helium waren noch nicht angelangt, auch konnten wir nichts über sie in Erfahrung bringen.

Genau zwölf Uhr Mittags fielen entlang der Linie zwischen den Zodanganern und den beiden Städten heftige Schüsse, und wir erfuhren auf diesem Wege, daß die lebensnotwendige Verstärkung eingetroffen war.

Erneut rief Tars Tarkas zum Angriff, ein weiteres Mal trugen die riesigen Thoats ihre erbarmungslosen Reiter zu den feindlichen Schutzwällen. Im selben Augenblick erstürmten die Soldaten von Helium in einem Anlauf die gegenüberliegende Brustwehr der Zodanganer, die einen Moment später wie von zwei Mühlsteinen zermalmt wurden. Sie kämpften heldenhaft, doch umsonst.

Das Flachland vor der Stadt verwandelte sich in ein wahrhaftiges Schlachtfeld, doch schließlich hatte das Gemetzel ein Ende, der letzte Zodanganer ergab sich, die Gefangenen marschierten unter Begleitung gen Helium, und wir zogen durch die Tore der größeren Stadt, ein Triumphzug siegreicher Helden.

Entlang der breiten Promenaden hatten sich sowohl Frauen und Kindern versammelt als auch die wenigen Männer, die anderen Pflichten hatten nachgehen und deswegen während der Schlacht in der Stadt bleiben müssen. Uns begrüßte nicht enden wollender Applaus, man überschüttete uns mit Gold, Platin, Silber und wertvollen Juwelen. Die Stadt schien vor Freude außer Rand und Band geraten zu sein.

Meine wilden Thark sorgten überall für helle Aufregung und riefen Begeisterungsstürme hervor. Nie zuvor war ein bewaffneter Trupp grüner Krieger durch die Tore von Helium geschritten, und daß sie nun als Freunde und Verbündete kamen, erfüllte die roten Menschen mit Freude.

Meine armseligen Dienste für Dejah Thoris waren zweifellos ganz Helium zu Ohren gekommen, denn die Leute riefen laut meinen Namen und befestigten unzählige Ornamente an mir und meinem riesigen Thoat, als wir die Promenade zum Palast entlangritten. Sogar das furchteinflößende Aussehen von Woola hielt das Volk nicht davon ab, sich um mich zu scharen.

Als wir uns dem prächtigen Turm näherten, empfing uns eine Gruppe Offiziere, die Tars Tarkas, seine Jeds sowie die Jeddaks und Jeds der wilden Verbündeten und mich wärmstens begrüßten und uns aufforderten, abzusitzen und sie zu begleiten, um Tardos Mors’ Dank für unsere Dienste entgegenzunehmen.

Ganz oben auf der Treppe, deren breite Stufen zum Hauptportal des Palastes hinaufführten, stand die Königsfamilie, und als wir unten am Fuß der Treppe angekommen waren, löste sich einer von ihnen und kam uns entgegen. Er war das Sinnbild der Vollkommenheit, von hohem, kerzengeraden Wuchs, mit wohlgeformten Muskeln, und der Haltung und dem Auftreten eines Herrschers. Man mußte mir nicht sagen, daß das Tardos Mors war, der Jeddak von Helium.

Als erstes Mitglied unserer Gruppe begrüßte er Tars Tarkas, und seine Worte besiegelten für immer die neue Freundschaft zwischen diesen so verschiedenen Völkern.

»Es ist Tardos Mors eine unschätzbare Ehre, dem größten Soldaten, der derzeit auf Barsoom lebt, zu begegnen, doch weitaus glücklicher macht ihn, seine Hand auf die Schulter eines Freundes und Verbündeten zu legen«, sagte er ernst.

»Jeddak von Helium«, entgegnete Tars Tarkas. »Wir haben es einem Mann aus einer anderen Welt zu verdanken, der den grünen Kriegern die Bedeutung des Wortes Freundschaft beibrachte. Ihm schulden wir den Dank dafür, daß euch die Horden der Thark verstehen und diese wohlwollenden Gefühle schätzen und erwidern können.«

Dann begrüßte Tardos Mors jeden einzelnen der grünen Jeddaks und Jeds und bedachte jeden von ihnen mit einigen freundlichen, anerkennenden Worten.

Als er bei mir angelangt war, legte er mir beide Hände auf die Schultern.

»Willkommen, mein Sohn«, sagte er. »Dir gebührt ohne Zweifel das wertvollste Juwel von ganz Helium, ja, von ganz Barsoom als erstes Zeichen meiner Hochachtung.«

Dann wurden wir Mors Kajak vorgestellt, dem Jed von Kleinhelium, dem Vater von Dejah Thoris. Er war dicht auf Tardos Mors gefolgt, und das Treffen schien ihn sogar noch mehr zu berühren als seinen Vater. Dutzendmal versuchte er, mir seine Dankbarkeit auszudrücken, doch seine Stimme versagte, er konnte vor Rührung nicht sprechen, und dennoch, so erfuhr ich später, genoß er einen Ruf als wilder und furchtloser Kämpfer, und das hatte sogar im kriegerischen Barsoom etwas zu bedeuten. Gleich ganz Helium betete er seine Tochter an, und es bereitete ihm noch immer Seelenqualen, wenn er daran dachte, welchen Gefahren sie entronnen war.

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