20. In der Atmosphärenfabrik

Zwei Tage wartete ich auf Kantos Kan, doch da er nicht kam, machte ich mich zu Fuß in nordwestlicher Richtung auf den Weg, wo seiner Aussage nach die nächste Wasserstraße entlangführte. Ich ernährte mich ausschließlich von der Milch jener Pflanzen, die diese wertvolle Flüssigkeit so reichhaltig zur Verfügung stellten.

Zwei lange Wochen war ich unterwegs, stolperte, von den Sternen geleitet, durch die Nächte und versteckte mich tagsüber hinter vereinzelt emporragenden Felsen oder zwischen den wenigen Hügeln, an denen mich mein Weg vorbeiführte. Mehrere Male wurde ich von wilden Tieren angegriffen, fremdartigen, klobigen und monströsen Wesen, die mich im Dunkeln ansprangen, so daß ich immer das lange Schwert in der Hand hatte, um darauf gefaßt zu sein. Normalerweise warnten mich rechtzeitig meine merkwürdigen, erst kürzlich angeeigneten telepathischen Fähigkeiten, doch einmal lag ich am Boden, und bevor ich die leiseste Ahnung von der drohenden Gefahr hatte, schnappten teuflische Kiefer nach meiner Halsschlagader, und ein behaartes Gesicht drückte sich an meines.

Um welches Geschöpf es sich handelte, wußte ich nicht, dennoch fühlte ich, daß es groß und schwer war und über mehrere Gliedmaßen verfügte. Ich hatte die Hände an seiner Kehle, ehe sich seine Zähne in meinen Hals bohrten, schob das behaarte Gesicht langsam von mir weg und drückte ihm unnachgiebig die Luft ab.

Lautlos lagen wir da. Das Biest unternahm alles, um mich mit den schrecklichen Stoßzähnen zu erreichen, und ich versuchte es zu erwürgen und gleichzeitig von mir fernzuhalten. Langsam gaben meine Arme jedoch dem ungleichen Kampf nach, Zoll für Zoll kamen mir die glühenden Augen und glänzenden Stoßzähne des Widersachers näher, bis sein behaartes Gesicht wieder auf mir lag und ich spürte, daß bald alles vorüber war. Und plötzlich warf sich eine unförmige, massige Gestalt in offenbar mörderischer Absicht aus der Dunkelheit auf die Kreatur, die mich am Boden festhielt. Knurrend rollten die beiden über das Moos und zerfetzten und zerrissen einander aufs schrecklichste, doch der Kampf war von kurzer Dauer, und bald stand mein Retter mit gesenktem Kopf über dem leblosen Wesen, das mich beinahe getötet hatte.

Im Schein des ersten Mondes, der mit einemmal über dem Horizont aufstieg und die Landschaft von Barsoom erhellte, erkannte ich ihn, es war Woola. Doch woher er gekommen war und wie er mich gefunden hatte, blieb mir ein Rätsel. Es erübrigt sich zu sagen, daß ich über seine Gesellschaft von Herzen froh war, doch die Wiedersehensfreude war gedämpft, da ich mich beunruhigt fragte, warum er Dejah Thoris verlassen hatte. Ich war überzeugt, daß er sich von ihr nur trennen würde, wenn sie nicht mehr am Leben war. So gehorsam befolgte er meine Befehle.

Im inzwischen strahlend hellen Mondlicht sah ich, daß er nur noch ein Schatten seines früheren Selbst war, und als er sich meinen Liebkosungen entzog und gierig den Kadaver zu meinen Füßen zu verschlingen begann, fiel mir auf, daß der arme Geselle fast verhungert war. Mir ging es nicht wesentlich besser, doch brachte ich es nicht über mich, Fleisch ungekocht zu essen, und ich hatte nichts, womit man ein Feuer entfachen konnte. Als Woola seine Mahlzeit beendet hatte, nahm ich wieder meine beschwerliche und anscheinend endlose Suche nach der verborgenen Wasserstraße auf.

Bei Anbruch des fünfzehnten Tages erblickte ich zu meiner übergroßen Freude die hohen Bäume, die das Ziel meiner Suche kennzeichneten. Gegen Mittag schleppte ich mich erschöpft an die Pforte eines riesigen Gebäudes, das etwa vierhundert Quadratmeilen einnahm und zweihundert Fuß nach oben ragte. In den riesigen Mauern gab es keine andere Öffnung außer einer winzigen Tür, vor der ich entkräftet niedersank. Von Leben war weit und breit keine Spur.

Ich fand keine Klingel oder etwas ähnliches, um den Bewohnern des Bauwerkes meine Anwesenheit kundzutun, lediglich ein kleines, rundes Loch im Gemäuer neben der Tür. Es besaß den Durchmesser eines Bleistiftes. Ich hielt es für eine Art Sprachrohr, legte den Mund daran und wollte gerade etwas hineinrufen, als eine Stimme herausdrang, die mich fragte, wer ich sei, woher ich käme und was mein Begehr sei.

Ich entgegnete, daß ich von den Warhoon geflohen sei und an Hunger und Erschöpfung litt.

»Du trägst das Metall eines grünen Kriegers, dir folgt ein Calot, und doch hast du die Gestalt eines roten Menschen. Von der Farbe her bist du weder grün noch rot. Im Namen des Neunten Tages, was für eine Art von Geschöpf bist du?«

»Ich bin ein Freund der roten Menschen von Barsoom und bin am Verhungern. Im Namen der Menschlichkeit, öffne uns!« entgegnete ich. Sogleich begann die Tür vor mir zurückzuweichen, bis sie nach fünfzig Fuß stoppte, leise nach links glitt und vor uns einen kurzen, engen Gang mit Betonwänden freigab, an dessen Ende sich eine weitere Tür befand, die jener, wie ich sie gerade passiert hatte, in jeder Hinsicht glich. Keine Menschenseele war zu sehen, doch kaum waren wir durch die erste Tür getreten, schloß sie sich wieder lautlos und glitt schnell an ihre ursprüngliche Stelle in der Außenmauer des Gebäudes zurück. Als sich die Tür zur Seite bewegt hatte, war mir ihre erstaunliche Stärke aufgefallen, volle zwanzig Fuß. Nachdem sie sich hinter uns wieder geschlossen und ihren alten Platz eingenommen hatte, kamen große Stahlzylinder von der Decke herab und sanken in die eingelassenen Vertiefungen im Boden.

Eine zweite und dritte Tür wichen vor mir zurück sowie zur Seite gleich der ersten, dann kam ich in eine riesige Halle, wo ich auf einem großen Steintisch zu essen und zu trinken vorfand. Eine Stimme hieß mich meinen Hunger stillen und meinen Calot füttern und unterzog mich währenddessen einem strengen und gründlichen Verhör.

»Deine Aussagen sind höchst bemerkenswert«, sagte mein unsichtbarer Gastgeber zum Schluß. »Offenbar sprichst du die Wahrheit, und ebenso klar ist, daß du nicht von Barsoom stammst. Das kann ich nach dem Aufbau deines Gehirns, der seltsamen Anordnung deiner inneren Organe sowie der Größe und Form deines Herzens sagen.«

»Kannst du durch mich hindurchblicken?« rief ich aus.

»Ja, ich sehe alles außer deinen Gedanken, und wärest du von Barsoom, könnte ich auch diese lesen.«

Dann öffnete sich eine Tür auf der anderen Seite der Halle, und ein seltsames, vertrocknetes kleines Männchen kam auf mich zu. Es trug nur ein einziges Kleidungs- oder Schmuckstück, einen kleinen goldenen Kragen, von dem ein tellergroßes Ornament bis zur Brust herabhing. Dieses war dicht mit riesigen Diamanten besetzt. In seiner Mitte befand sich ein eigenartiger Stein von einem Zoll Durchmesser, von dem neun verschiedenartige Strahlen ausgingen, und zwar außer in den sieben Farben, wie sie auf der Erde ein Prisma wirft, noch in zwei wunderschönen und mir unbekannten. Ihr Aussehen genauer zu schildern fällt ebenso schwer, als erkläre man einem Blinden die rote Farbe. Ich weiß nur, daß sie äußerst faszinierend waren.

Der kleine alte Mann setzte sich und unterhielt sich mit mir einige Stunden lang, wobei mich an unserem Gespräch am meisten verblüffte, daß ich jeden einzelnen seiner Gedanken lesen konnte, während er nicht das geringste von meinen Überlegungen zu erraten vermochte, sofern ich sie nicht aussprach.

Ich verschwieg ihm, daß ich in der Lage war, seine Gedankenzüge mitzuverfolgen, und erfuhr so viele Dinge, die mir später von großem Nutzen sein sollten und von denen ich niemals Kenntnis erhalten hätte, wenn er von meiner seltsamen Fähigkeit gewußt hätte, denn die Marsmenschen haben ihren Denkapparat derart unter Kontrolle, daß sie ihre Gedanken mit absoluter Genauigkeit zu steuern vermögen.

In dem Gebäude, in dem ich mich aufhielt, befand sich die Anlage, die die künstliche Atmosphäre herstellt, die das Leben auf dem Mars aufrechterhält. Das Geheimnis des ganzen Prozesses liegt in der Verwendung des neunten Strahles, eines jener wunderschönen Lichtbögen, die ich von dem großen Stein im Ornament meines Gastgebers hatte ausgehen sehen.

Dieser Strahl wurde von den anderen gebrochenen Sonnenstrahlen durch exakt eingestellte Instrumente getrennt, die sich auf dem Dach des riesigen Gebäudes befanden, welches zu drei Vierteln als Speicher für den neunten Strahl dient. Er wird dann elektrisch behandelt, beziehungsweise mit bestimmten Anteilen verfeinerter elektrischer Schwingungen vermischt; das Endprodukt wird in die fünf größten Luftzentren des Planeten geleitet, wo es dann freigelassen und durch den Kontakt mit dem Äther des Himmels in atmosphärisches Gas umgewandelt wird.

Es wird immer ausreichend Licht des neunten Strahls in dem großen Gebäude gespeichert, um die Atmosphäre auf dem Mars für eintausend Jahre aufrechtzuerhalten. Die einzige Sorge bestand nach Aussage meines neuen Freundes darin, daß es bei der Anlage zu einem Unfall kam.

Er führte mich in einen anderen Raum, wo ich einen Satz von zwanzig Radiumpumpen erblickte, von denen eine jede den Mars mit dem atmosphärischen Gas versorgen konnte. Seit achthundert Jahren beaufsichtigte er nun schon diese Pumpen, die abwechselnd einen vollen Tag lang in Betrieb waren, etwas mehr als vierundzwanzig und eine halbe Erdenstunde. Ein Gehilfe teilte mit ihm die Aufsicht. Ein halbes Marsjahr, das sind ungefähr dreihundertundvierundvierzig Erdentage, verbringen die Männer allein in dieser riesigen, abgelegenen Fabrik. Jedem roten Marsmensch werden in der Kindheit die Prinzipien der Herstellung von atmosphärischem Gas erklärt, aber nur zwei Menschen kennen das Geheimnis des Zugangs zu dem Bauwerk, das mit seinen einhundertundfünfzig Fuß dicken Wänden absolut uneinnehmbar ist. Sogar das Dach ist durch ein fünf Fuß dickes Glas vor Luftangriffen gesichert.

Das einzige, was sie befürchteten, waren Angriffe grüner oder irgendwelcher irrer roter Marsmenschen, denn alle Einwohner von Barsoom wußten, daß das Dasein jeder Form von Leben vom ungestörten Betrieb dieser Fabrik abhing.

Mir fiel etwas Interessantes auf, als ich seine Gedanken beobachtete: Die Handhabung der Außentüren erfolgte durch telepathische Mittel. Die Schlösser sind derart fein eingestellt, daß sich die Türen nur durch eine bestimmte Kombination von Gedankenwellen öffnen ließen. Um meine neue Entdeckung auszuprobieren, wollte ich ihn dazu verleiten, diese Kombination zu verraten, und fragte ihn beiläufig, wie er es zustande gebracht hatte, mir die massiven Türen von den Innenräumen aus zu öffnen. Blitzschnell durchzuckten neun Marslaute sein Gehirn, die ebenso schnell verklangen, und er antwortete, daß das ein Geheimnis sei, das er nicht enthüllen dürfe.

Von diesem Augenblick an änderte sich seine Haltung mir gegenüber, als befürchte er, daß man ihm sein großes Geheimnis entlockt habe. Ich las Mißtrauen und Furcht in seinen Blicken und Gedanken, obwohl er sich mir gegenüber noch immer freundlich verhielt.

Bevor ich mich zur Nachtruhe zurückzog, versprach er, mir einen Brief an einen Landwirtschaftsbeamten mitzugeben, der mir auf dem Weg nach Zodanga, der nächstgelegenen Stadt auf dem Mars, behilflich sein könnte.

»Aber vergiß nicht: Sie dürfen nicht erfahren, daß du nach Helium willst, denn zwischen ihnen herrscht Krieg. Mein Gehilfe und ich stammen aus keinem Volk, wir gehören ganz Barsoom, und dieser Talisman, den wir tragen, beschützt uns überall, sogar unter den grünen Menschen – obwohl wir uns nicht in ihre Nähe wagen, wenn es zu vermeiden ist.« Dann fügte er hinzu: »Nun gute Nacht, mein Freund, ich wünsche dir einen erholsamen und langen Schlaf, vor allem einen langen.«

Obwohl er dabei freundlich lächelte, las ich in seinen Gedanken die Einsicht, daß er mich besser nicht hätte einlassen sollen. Dann sah ich ihn, wie er sich des Nachts über mich beugte, mir mit dem langen Dolch einen kurzen Stoß versetzte, dabei murmelte: »Es tut mir leid, aber es ist das beste für Barsoom.«

Als er die Tür meines Gemaches schloß, entzogen sich mir mit ihm gleichzeitig seine Gedanken. Dies kam mir mit meinen geringen Kenntnissen über Gedankenübertragung seltsam vor.

Was sollte ich tun? Wie konnte ich diesen mächtigen Mauern entkommen? Ich könnte ihn mühelos töten, nun, da ich gewarnt war. Doch wenn er tot war, konnte ich nicht mehr fliehen, und mit dem Aussetzen der Maschinen in der großen Fabrik würde ich gleich allen anderen Einwohnern des Planeten zugrunde gehen – Dejah Thoris gleichfalls, sofern sie überhaupt noch lebte. Auf die übrigen Menschen legte ich nicht den geringsten Wert. Doch der Gedanke an sie trieb mir jeglichen Mordgedanken gegenüber meinem dem Irrglauben verfallenen Gastgeber aus.

Vorsichtig öffnete ich die Tür meines Raumes und begab mich, gefolgt von Woola, auf die Suche nach der innersten der großen Türen. Ich hatte einen kühnen Plan gefaßt: Ich wollte versuchen, die großen Schlösser mit Hilfe der neun Gedankenwellen zu öffnen, die ich im Gehirn meines Gastgebers gesehen hatte.

Lautlos schlich ich durch einen Gang nach dem anderen, Treppen hinab, die sich einmal in die eine, einmal in die andere Richtung wandten, bis ich schließlich in der Halle ankam, wo ich am Morgen meine Fastenzeit beendet hatte. Nirgendwo erblickte ich meinen Gastgeber, noch wußte ich, wo er sich des Nachts aufhielt.

Ich wollte gerade in den Saal treten, als mich ein leises Geräusch in eine dunkle Nische des Ganges zurückweichen ließ. Ich zog Woola hinter mir her und hockte mich hin.

Bald kam der alte Mann dicht an mir vorbei, und als er in den schwach erhellten Raum bog, den ich gerade hatte betreten wollen, sah ich einen langen, dünnen Dolch in seiner Hand, den er auf einem Stein zu wetzen begann. Seine Gedanken verrieten mir, daß er sich entschlossen hatte, erst die Radiumpumpen zu kontrollieren, was etwa dreißig Minuten in Anspruch nehmen würde, um sich dann in mein Schlafgemach zu begeben und mich umzubringen.

Als er durch die Halle schritt und im Gang verschwand, der hinunter zu den Pumpen führte, stahl ich mich unauffällig aus meinem Versteck und ging zu der großen Tür, die mich neben zwei weiteren Pforten von der Freiheit trennte.

Ich konzentrierte mich auf das massive Schloß und schleuderte die neun Gedankenströme dagegen. Atemlos wartete ich auf das Ergebnis, bis sich die große Tür endlich sanft auf mich zu bewegte und dann leise zur Seite glitt. Die übrigen Portale öffneten sich gleichfalls nacheinander auf meinen Befehl, und Woola und ich traten in die Dunkelheit, zwar frei, doch fühlten wir uns nur wenig besser als bei unserer Ankunft. Immerhin waren unsere Mägen jetzt gefüllt.

Fluchtartig entfernte ich mich von dem riesigen Gebäude und machte mich auf den Weg zur nächsten Kreuzung, um so schnell wie möglich den zentralen Schlagbaum zu erreichen. Es war Morgen, als ich ankam, und auf der Suche nach Bewohnern betrat ich die erste Farm.

Ich sah flache, unregelmäßig gebaute Steinhäuser, die mit schweren, abweisenden Türen versehen waren, und mochte soviel hämmern und rufen – ich erhielt keine Antwort. Traurig und erschöpft warf ich mich zu Boden und befahl Woola, aufzupassen.

Kurze Zeit später wurde ich von seinem furchteinflößenden Knurren geweckt, und als ich die Augen aufschlug, erblickte ich drei rote Marsmenschen, die sich uns auf einige Schritte genähert und die Gewehre auf uns gerichtet hatten.

»Ich bin unbewaffnet und hege keine feindlichen Absichten«, beeilte ich mich zu erklären. »Ich war in Gefangenschaft bei den grünen Menschen und bin nun auf dem Weg nach Zodanga. Alles, worum ich bitte, ist Nahrung, etwas Ruhe für mich und mein Calot, sowie einen Rat, in welche Richtung ich gehen muß.«

Sie senkten die Gewehre, traten mit freundlicher Miene auf mich zu, legten ihre rechte Hand auf meine linke Schulter, wie es bei ihnen zur Begrüßung üblich ist, und stellten mir viele Fragen über mich und meine Streifzüge. Dann nahmen sie mich mit in das Haus eines von ihnen, das sich unweit von uns befand.

Die Gebäude, an die ich am frühen Morgen geklopft hatte, waren entweder Ställe oder Speicher, das Wohnhaus selbst lag in einem Hain von riesigen Bäumen und schwebte des Nachts etwa vierzig bis fünfzig Fuß über dem Erdboden wie alle Behausungen der roten Marsmenschen, die an einem dicken Metallschaft aus einem in der Erde versenkten Zylinder nach oben gefahren werden konnten, gesteuert von einer winzigen Radiummaschine in der Eingangshalle des Gebäudes. Anstelle sich bei ihren Wohnstätten mit Schlössern und Riegeln abzumühen, fahren die roten Marsmenschen ihre Behausungen des Nachts nur nach oben und gehen so jeder Gefahr aus dem Weg. Auch verfügen sie über eigene Mittel, sie vom Boden aus zu steuern, wenn sie die Häuser verlassen wollen, um wegzufahren.

Es waren Brüder, die mit ihren Frauen und Kindern auf dieser Farm drei gleiche Häuser bewohnten. Sie arbeiteten selbst nicht auf dem Feld, sondern versahen ihren Dienst als Regierungsbeamte. Alle Arbeiten wurden von Sträflingen, Kriegsgefangenen, verbrecherischen Schuldnern und eingefleischten Junggesellen verrichtet, die zu arm waren, die hohen Steuern zu bezahlen, die alle Regierungen der roten Marsmenschen den Unverheirateten auferlegten.

Sie waren äußerst herzlich und gastfreundlich, ich verbrachte einige Tage bei ihnen, ruhte mich aus und erholte mich von den langen Strapazen.

Als sie meine Geschichte vernommen hatten – ich ließ die Sache Dejah Thoris und den alten Mann von der Atmosphärenfabrik aus rieten sie mir meine Haut zu färben, um ihrer Rasse noch ähnlicher zu werden, und dann zu versuchen, in Zodanga eine Beschäftigung zu finden, entweder in der Armee oder bei der Marine.

»Man wird dir deine Geschichte kaum abnehmen, solange du nicht bewiesen hast, daß du vertrauenswürdig bist, und unter den höheren Edelleuten des Hofes Freunde gewonnen hast. Das gelingt am einfachsten beim Militär, da wir auf Barsoom ein kriegerisches Volk sind und unsere höchsten Gunstbezeugungen für den Kriegsmann aufheben«, erklärte mir einer von ihnen.

Abmarschbereit stellten sie mir einen kleinen Thoatbullen zur Verfügung, das Reittier der roten Marsmenschen. Das Tier ist ungefähr so groß wie ein Pferd und sehr zahm, der Farbe und Gestalt nach das exakte Ebenbild seiner riesigen, ungebändigten Vettern.

Die Brüder hatten mir ein rötliches Öl gegeben, womit ich mich von unten bis oben einrieb. Einer von ihnen schnitt mir das inzwischen ziemlich lang gewordene Haar in der vorherrschenden Mode der Zeit, am Hinterkopf gerade und vorn mit Pony, so daß man mich überall auf Barsoom für einen völlig normalen roten Marsmenschen gehalten hätte. Sie gestalteten auch mein Metall und Schmuck in der Art und Weise eines Edelmannes von Zodanga, eines Angehörigen des Hauses Ptor, wie der Familienname meiner Wohltäter lautete.

Einen kleinen Beutel an meiner Seite füllten sie mit ihrem Geld. Das Tauschmittel auf dem Mars unterscheidet sich nicht wesentlich von dem unseligen, allerdings sind die Münzen oval. Einzelne Personen geben nach Bedarf auch Papiergeld aus, das sie zweimal jährlich einlösen. Gibt jemand mehr aus, als er einzulösen vermag, zahlt die Regierung seinen Gläubigern die volle Summe, und der Schuldner arbeitet seine Schuld auf den Farmen oder in den Bergwerken ab, die alle der Regierung gehören. Dies kommt allen zupaß, mit Ausnahme des Schuldners selbst, da es sich als äußerst mühsam erwiesen hat, genügend freiwillige Arbeiter zu finden, um die großen, abgelegenen Farmländer auf dem Mars zu bebauen, die sich wie schmale Streifen zwischen den Polen erstrecken und durch unwegsame Gebiete führen, in denen wilde Tiere und noch wildere Menschen ihr Unwesen treiben.

Als ich sie daraufhin ansprach, daß ich ihnen ihre Freundlichkeit nicht vergelten könnte, versicherten sie mir, daß ich noch genügend Gelegenheit dazu finden würde, wenn ich lange auf Barsoom lebte. So sagten sie mir Lebewohl und blickten mir nach, bis ich hinter dem dicken, weißen Schlagbaum verschwand.

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