Soweit wir zurückdenken, gab es Kriege zwischen den Menschen. Soweit wir in die Zukunft blicken, wird es Kriege geben. Weder Leid noch Vernunft können daran etwas ändern. Das einzige Mittel, das hilft, ist Gewalt. Überlegene, todbringende Gewalt.
Die Sonne hing dicht über der Hügelkette, jede noch so geringfügige Erhebung warf einen langen Schattenstrich über die Sandwüste von Chorassan. Es war vollkommen windstill, die Stimmen vom Verhandlungsplatz drangen bis an das Leinenzelt, vor dem Kai in einem einfachen Feldstuhl saß. Sein Blick verlor sich dort, wo der Himmel die Erde berührte – er hörte die Worte der beiden Oberbefehlshaber, aber er verstand sie nicht. Eine große Müdigkeit lag über seinen Zügen wie eine Schicht Staub.
Das Widerspiel von Gelb und Blau über dem Horizont wechselte zu satteren Tönen. Matt stieg ein plastischer silberner Mond am wolkenlosen Himmel empor.
Mit einem Ruck schob Kai seinen Stuhl zurück und ging ohne Eile hinüber zu den verhandelnden Gegnern. Er wartete eine Gesprächspause ab, dann fragte er: »Haben Sie sich geeinigt, meine Herren?«
»... Haltung der Gegenseite machte dies leider unmöglich«, rief der kleine bewegliche Mann in der Khakiuniform, dem man es nicht angesehen hätte, daß er der Herr über Millionen von Menschen war.
»Es liegt nicht an uns«, entgegnete der ordengeschmückte Wortführer der anderen Hemisphäre mit unbewegtem Gesicht, »doch unser Sicherheitssystem erfordert...«
Mit einer Handbewegung beendete Kai die Erklärung. »... wissen, was der Erde droht, wenn Sie sich heute nicht einigen. Ich bedaure es zutiefst, aber es bleibt mir keine andere Wahl – ich werde die Einigung mit Gewalt erzwingen. Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden Zeit, damit Sie Ihre Rüstungszentren räumen können.« Er rückte den Ärmel zurück und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Merken Sie sich die Zeit, meine Herren!«
Flüchtig neigte er den Kopf zum Gruß und drehte sich um.
»Halt!« rief eine Stimme hinter ihm. »... beweist uns, daß Sie überhaupt imstande sind, Ihre Drohung auszuführen!«
Erregte Stimmen klangen auf. »Bluff!« erscholl es. »Nehmt ihn fest!«
Kai verhielt seinen Schritt und wandte sich wieder der Menschengruppe zu, die sich plötzlich einig gegen den war, der ihre sinnwidrigen Kriegspläne durchkreuzen wollte.
»... für einen Beweis verlangen Sie?« fragte Kai.
»Vernichten Sie einen der Hügel dort!« forderte einer der Offiziere.
»... die Siedlungen, die dort liegen?« fragte Kai. »... Herden an den Hängen? Die Menschen, denen diese Hügel Heimat sind?« Sein Blick wanderte von den Uniformierten in die Umgebung, über die Hubschrauber, die seltsam plump hinter dem Verhandlungsplatz standen, über die Sandtäler und Dünen, über die Berge in der dämmrigen Ferne. Schließlich fing er sich an der vollen Kugel des Mondes.
Sie sollen ihren Beweis haben, dachte er. Einen Augenblick zögerte er noch. Dann zog er ein graues Kästchen aus der Innentasche seiner Jacke und klappte einen Deckel hoch. Einige Griffe... ein metallisches Schnappen... ein fahler Schein fiel über die bewegungslos Harrenden. Er kam vom Mond, der plötzlich den doppelten Durchmesser zu haben schien. Eine leise Erschütterung lief über den Boden. In diesem Moment wirbelte Sand auf, wie von unsichtbaren Händen emporgeschleudert, ein dumpfes Dröhnen lag in der Luft. Dann war es wieder still. Nur das leise Klingen der abertausend Sandkörner war zu hören, die allmählich wieder zu Boden sanken.
Endlich war die Luft wieder rein, die Sicht wieder frei. Alles war wie früher. Nur – der Mond war vom Himmel verschwunden.