40 Zweitexemplar

Alle körperlichen und geistigen Anlagen sind in winzigen Gebilden festgehalten, den sogenannten Chromosomen. Sie haben die Form von Fäden, die nichts anderes als riesenhafte Moleküle sind. Bei jeder Zellteilung verdoppeln sie sich, so daß jede junge Zelle wieder einen vollständigen Chromosomensatz besitzt. Sie wirken ähnlich wie eine Matrize oder wie eine Kurzschrift. Nach ihrem Muster baut sich der gesamte Organismus auf – ein Abweichen gibt es nicht.

Als Kapitän Ashley vor ihr stand und sie seine Augen sah, da wußte sie sofort, daß sie Bob nicht gerettet hatten. Mühsam richtete sie sich vom Krankenlager auf: »... er...?«

Ashley verscheuchte das Unbehagen, das ihn überkam. Er nickte. »... nicht aufregen...« Er sah selbst ein, wie sinnlos seine Worte waren, aber er sprach weiter. »... sind ja selbst kaum zusammengeflickt! Ein Wunder, daß Sie davongekommen sind. Erst müssen Sie gesund werden...«

»... was dann?« schluchzte sie.

Er wartete eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte. Dann sagte er: »... haben an der Explosionsstelle gesucht. Wir haben einen Fetzen Haut von ihm.«

Marys Tränen versiegten.

»... wollen...?«

»Wenn Sie es wollen?«

Mary weinte wieder.

»Überlegen Sie sich es«, riet Ashley und ging leise hinaus. Eine Woche später kam der Biologe und besprach alles.

»... wissen, daß wir aus einem Chromosomensatz denselben Menschen wieder aufwachsen lassen können. Wir haben die Haut in Nährlösung gelegt. Sie lebt noch. Solange die Haut eines Menschen lebt, ist er nicht tot. In jeder Zelle der Haut ist ein vollständiger Chromosomensatz.«

»Wird es...«, fragte Mary. »Wird es... Bob sein?«

»Es ist ein Mensch mit denselben Erbanlagen. Ein Mensch, der, wenn er dasselbe erlebt, auch dasselbe wird. Jedes Wesen ist das Produkt seiner Anlagen und seiner Umwelt. Er wird Ihr Mann sein, aber so, als hätte er von Geburt auf etwas anderes erlebt.

Sehr wenig erlebt. Sie werden ihn erziehen müssen, wie ein Kind. Werden Sie es können?«

»... glaube ja«, antwortete Mary.

Es dauerte ein halbes Jahr. Dann kamen sie mit ihm. Obwohl sie es sich tausendmal ausgemalt hatte, zitterten ihre Knie. Sie mußte sich an die Wand stützen. Bob stand vor ihr. Ein Bob, der jünger aussah, als es der künstlichen Alterung entsprach. Die Sorgenfältchen, die das Leben zeichnen, fehlten. Ein Bob, der sie zum erstenmal sah – ein anderer Mensch und doch derselbe. Eine Zweitausfertigung, dachte sie bitter.

Dann aber lächelte der Mann vor ihr. Es war dasselbe Lächeln, mit dem sie Bob immer begrüßt hatte, und die Handbewegung, wie er nun ein wenig verlegen eine Haarsträhne aus der Stirn strich, war oft gesehen und altvertraut. Mary überlegte, daß auch Sympathie und Zuneigung von den Anlagen abhängen und weniger vom Erlebten.

»Komm weiter, Bob«, sagte sie, jetzt Frau und Mutter zugleich. »Du bist wieder zu Hause.«

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