13 Unterschätzt

Die Weltraumfahrt verheißt uns die Begegnung mit den Lebewesen fremder Welten. Die Auseinandersetzungen mit ihnen werden nicht immer friedlicher Natur sein. Neben den technischen Mitteln werden es vor allem die Waffen des Geistes sein, die dabei eine Rolle spielen: Auffassungsgabe, Mut, Intelligenz, jeder Kontakt mit unbekannten Intelligenzen stellt das Bestehen der Menschheit in Frage. Wird sie sich auf die Dauer als überlegen erweisen?

Das hohe Steppengras behinderte die Sicht. Ben hielt sich genau nach dem Kompaß und überließ es Kai, auf die Umgebung zu achten. Sie erreichten eine erhöhte Stelle, von der sie ein wenig Überblick hatten. Weit und breit wogendes Gras. Gelegentlich tauchten daraus die geschmeidigen Körper von Antilopen hervor und verschwanden wieder.

»... einem Raumschiff ist nichts zu sehen«, konstatierte Kai. Ben wollte antworten, da fiel ein Schatten über sie. Lautlos schwebte ein großer dunkler Körper hernieder, und, bevor sie sich niederwerfen konnten, zappelten sie in einem Netz. Es schloß sich um ihre Beine und hob sie empor. Ben sah gerade noch, wie sich eine vibrierende Metallfeder über Kai senkte und dieser zusammensackte, als er selbst von einem Schlag getroffen wurde, der ihn lähmte und ihm das Bewußtsein raubte.

Als er erwachte, fühlte er sich seltsam leicht. Jemand rüttelte an seinem Arm – Kai, der vor ihm wieder zu sich gekommen war.

Sie befanden sich in einem Raum mit metallenen Wänden. Am Boden lagen einige Bastmatten, in einer Ecke standen mehrere tönerne Krüge und Schüsseln. Kai fand Wasser in einem der Gefäße und trank hastig. Ben untersuchte die Tür, an der er keine Vorrichtungen zum Öffnen bemerkte. Neben ihr war eine Tafel mit mehreren Drucktasten in die Wand eingelassen.

»Geht es dir gut?« erkundigte sich Kai.

»... fehlt nichts«, antwortete Ben. »Aber ich ärgere mich. Sie haben uns übertölpelt wie kleine Kinder!«

»Wieviel Zeit mag vergangen sein?« fragte Kai.

»Meine Uhr wurde mir abgenommen«, stellte Ben fest. »... glaube, daß wir längst irgendwo im Weltraum sind.«

Er ging zum Schalterkästchen und drückte wahllos einige Tasten... Nach einer Weile glitt die Schiebetür zur Seite. In ihr stand ein Wesen – ein schlanker Leib saß auf vier behuften, dünnen Beinen, darüber, über einem sehr beweglichen Hals, ein großer Kopf mit zwei Augen, einem hervorstehenden Mund, aber ohne Nase. An ihrer Stelle lag eine siebartige Öffnung. Die beiden oberen Extremitäten liefen in stumpfe Enden mit gestielten Saugnäpfen aus. Zum erstenmal sahen sie einen Slepper. Er setzte einen Topf mit dampfendem Inhalt auf den Boden ab und zog sich wieder zurück.

Kai untersuchte das Gefäß, von dem ein widerlicher Geruch ausging.

»Eine Mahlzeit für uns«, meinte Ben.

»... halten uns für Wilde«, beschwerte sich Kai. »... soll ich diesen Brei ohne Löffel in den Mund bekommen?«

»... den Fingern«, riet Ben. »Aber du bringst mich auf eine Idee. Ich bin neugierig, ob ich recht habe.«

Der Hunger zwang sie, von der Speise zu essen. Sie schmeckte nicht so schlecht, wie sie roch. Dann warteten sie wieder.

Nach einer Viertelstunde ging die Tür wieder auf. Fünf Slepper traten ein. Einer füllte den Wasserkrug und trug das halbgeleerte Tongefäß fort, zwei andere schoben einen fahrbaren Tisch mit Instrumenten vor sich her. Die zwei letzten waren mit den vibrierenden Metallfedern ausgerüstet, mit denen sie die beiden Freunde schon einmal betäubt hatten; es schien sich um Wachtposten zu handeln.

Ein Slepper hantierte an seiner Apparatur... Aus einem Mikrophon drangen menschliche Laute.

»Verstehst du einen Ton?« fragte Kai.

»... nicht, aber es dürfte ein Suahelidialekt sein«, sagte Ben.

»... kommen die auf Suaheli?« wollte Kai wissen.

»Meine Vermutung von vorhin stimmt«, erwiderte Ben. »... darf aber jetzt nichts mehr sagen – sicher nehmen sie das Gespräch auf und übersetzen es später.«

Die Slepper verständigten sich durch Tonfolgen, die an Musik erinnerten. Irgend etwas schien sie zu überraschen. Der eine drehte an einem Knopf. Wieder ertönte das Mikrophon:

»Verstehst du einen Ton? – Das nicht, aber es dürfte...«

»... wissen mit unserer Sprache nichts anzufangen«, erklärte Ben.

Ein Slepper trat zur Schalttafel neben der Tür und gab ein Zeichen. Kurz darauf traten zwei weitere Vierbeiner ein, sie brachten einen Schrank, dessen Wände aus engmaschigem Drahtnetz bestanden. Hier hinein stellten sie die Tonabhör-und Wiedergabeapparatur und verschlossen ihn. Nun öffnete ein Slepper die Tür, indem er einige Tasten des Schalttäfelchens mehrmals niederdrückte, die fremdartigen Wesen verließen den Raum, die Tür schloß sich.

»Eins ist klar«, sagte Ben, »... dürfen über nichts Wichtiges sprechen, vor allem nicht über Fluchtpläne.«

Die Freunde untersuchten den Drahtnetzschrank – er bestand aus unzerstörbarem Material und ließ sich nicht öffnen. Es blieb zunächst nichts über, als weiter zu warten. So vergingen einige Tage. Sie sprachen Belangloses, lebten von ungewohnter Kost, schliefen auf den Matten, dachten aber jede wache Minute darüber nach, wie sie entkommen könnten. Bis Ben Kai ein Zeichen gab – er trat zur Schalttafel, drückte einige Knöpfe nieder, und die Tür ging auf. Die beiden schlichen hinaus... Sie standen in einem weiten Gang mit vielen Türen.

»Jetzt kann ich dir in aller Eile erklären, was wir tun können«, flüsterte Ben. »Zunächst – sie unterschätzen uns. Wahrscheinlich haben sie einige Eingeborene gefangen und an ihnen menschliche Sprache, Sitte und Lebensweise studiert. Daher der scheußliche Fraß, die Bastmatten und die Suahelisprache aus dem Mikrophon. Sie dachten nicht daran, daß es auch intelligentere Menschen geben könne. Wenn sie auch Lebensformen sind, die denen der Erde sehr ähneln, so muß ihnen doch ein Mensch wie der andere vorkommen. Wir können sie ja auch nicht unterscheiden.«

»... haben nicht damit gerechnet, daß ich die Tastenkombination erfassen kann, die uns die Tür öffnet.«

»Können sie uns nicht entdecken?« fragte Kai.

»Kaum«, antwortete Ben. »Hast du auf die Gongschläge geachtet? In regelmäßigen Abständen erklangen hintereinander vier verschiedene Töne, und danach war es stets ganz still im Raumschiff – in dieser Zeit sind wir auch nie besucht worden. Nach ungefähr drei Stunden erklang eine andere Tonkombination, und die Geräusche begannen wieder. Ich nehme an, daß das eine Ruhezeit ist und daß wir jetzt auf keine Slepper treffen.«

Sie folgten dem Gang und standen dann vor einer großen Tür, die ihn abschloß. »... ist sicher kein Schlafraum«, sagte Ben. »... probiere es!« Er trat zum Schaltkästchen, das auch neben dieser Tür in die Wand eingebaut war – aber, bevor er es noch berühren konnte, glitten zwei Türflügel lautlos auseinander. Vor ihnen lag ein Saal mit vielen Instrumenten und Schalttafeln.

»Ausgezeichnet!« meinte Kai. »... Navigationsraum!«

Ben brauchte über eine Stunde, um die Einrichtung zu studieren. Dann deutete er auf die zwei großen Sichtplatten, auf denen der Sternenhimmel sichtbar war: »Dies Schiff hat keine Fenster. Aber auf diesen beiden Schirmen ist die gesamte Umgebung zu sehen. Dieser liegt der Fahrtrichtung entgegengesetzt, du erkennst es daran, daß genau im Fadenkreuz unser Sonnensystem liegt – die Planeten sind deutlich zu erkennen. In der Mitte des anderen Schirms aber liegt Capella im Sternbild des Schwans – das ist sicher das Ziel. Nun brauche ich noch etwas.« Er durchstöberte einige in die Wände eingesenkte Fächer. »... das wird genügen.« Es war ein feiner Metallstab, fast nur ein Draht, aber sehr fest.

»... werden bald wieder aufwachen«, befürchtete Kai. »... müssen etwas unternehmen. Vielleicht finden wir Waffen – die vibrierenden Stäbe, die elektrische Schläge austeilen. Und dann sollten wir uns verstecken!«

Ben lachte – und seit Tagen war es das erste heitere, befreite Lachen. »... gehen in unser Gefängnis zurück!«

Durch das Spiel an den Tasten der Türkästchen öffneten sie die Tür zu ihrem Raum und schlossen sie wieder. Ben verbarg den Metallstab in seinem Hemd. Als sie wenig später die Slepper besuchten, deutete nichts mehr auf ihren nächtlichen Ausflug hin.

Ihre Gastgeber bereiteten ihnen eine kleine Überraschung. Sie brachten ein zylinderförmiges Gebilde mit und setzten es in die Abhöranlage ein. Einige Schaltgriffe mit ihren Saugfingern, und aus dem Mikrophon ertönte gebrochenes Deutsch: »Können ihr verstehen uns... Wieviel Menschen sind auf Erde... Haben Menschen was für Waffen... Haben Menschen was für Krankheiten... Können verstehen uns... Antworten uns...«

»... verstehen nichts«, sagte Ben den Sleppern zugewandt, aber er sagte es zu Kai auf französisch. »Von nun an dürfen wir kein Wort Deutsch mehr sprechen!« Interessiert wandten sich die Slepper zu ihrer Apparatur – sie mußten annehmen, sie hätten eine Antwort erhalten. Die Laute, die nun aus dem Mikrophon drangen, schienen ihnen wenig zu nutzen. Sogar auf ihren menschenunähnlichen Gesichtern war Enttäuschung zu bemerken. Sie versuchten es noch einige Male. Ben antwortete aber abwechselnd in Französisch, Englisch und Russisch, und bald darauf zogen sie ab.

In der nächsten Nacht, wenn man die dreistündige Ruhepause so nennen darf, holte Ben den Stab hervor. Er trat zum Schrank, in dem die Abhöranlage stand, steckte ihn durch die Netzmaschen und legte damit einige Schalthebel um.

»Jetzt ist der Apparat abgestellt«, sagte er befriedigt. »... habe genau darauf geachtet, wie sie ihn bedienen. Er nimmt genau alles Gesprochene auf und kann die Sprache der Slepper in Suaheli und Suaheli in die Sleppersprache übersetzen. Sie haben ihn bei uns aufgestellt, um genügend Worte von uns zu speichern, damit sie auch unsere Sprache übersetzen können. Das ist ihnen ja auch schon gelungen. Sie haben ihn aber nicht abgestellt, wenn sie sich untereinander unterhielten. Vielleicht finde ich jene Stellen im Tonband, oder was es sonst ist.«

Wieder steckte er seinen Stab in den Netzschrank. Es dauerte lange, aber dann hörten sie Worte, Teile ihrer eigenen Gespräche, und dann auch die Tonfolgen der Slepper. »... nun lassen wir uns das übersetzen!« Wieder drückte er Tasten und Schalter – und dann ertönte wieder das schlechte Deutsch.

Zwei Stunden saßen sie vor der Apparatur und hörten alles ab, was die Slepper in den letzten Tagen in ihrer Gegenwart gesprochen hatten.

»Viel ist es nicht«, sagte dann Kai, »aber wir wissen wenigstens, daß sie uns nicht ans Leben wollen. Trotzdem möchte ich nicht gern Versuchskaninchen spielen!«

»Eins ist noch interessant für uns«, antwortete Ben, »... ihr Treibstoff gerade noch genügt, um ihren Planeten bei der Capella zu erreichen. Ich weiß jetzt, wie wir uns retten werden.«

Einige Gongschläge unterbrachen ihr Gespräch. Mit höchster Eile brachten sie die Apparatur in den ursprünglichen Zustand. Kurz darauf kam ein Slepper mit einer trüben Brühe, dem Frühstück.

In der nächsten Nacht verließen sie ihr Zimmer wieder und begaben sich in den Navigationsraum. Ben stellte sich an eine zentrale Stelle, die einem Führersitz entsprach, und veränderte die Stellung mehrerer Hebel. Die Sterne auf den Bildschirmen begannen langsam zu wandern. Die Sonne mit ihren Planeten bewegte sich aus dem Fadenkreuz, glitt langsam gegen den Rand des Bildschirms, verschwand vom ersten Schirm und tauchte auf dem zweiten auf. Hier strebte sie der Mitte zu, erreichte sie und blieb in ihr stehen. Ben rückte die Hebel wieder an ihre ursprünglichen Plätze und drehte sich zu Kai um.

»Du steuerst der Erde zu«, rief der. Aber er vergaß nicht, seine Stimme gedämpft zu halten.

»Ganz richtig!« bestätigte Ben. »... da durch Beschleunigung ausgelöste Gravitationskräfte nicht von jenen zu unterscheiden sind, die durch Abbremsung entstehen, wird niemand etwas davon merken.«

»... wollen wir noch ein wenig nachhelfen«, sagte Kai. Er stellte die beiden Leuchtschirme ab, löste die Zuleitungskabel, die beide demselben Loch in der Wand entsprangen, und vertauschte sie. Nachdem er sie wieder eingeschaltet hatte, deutete nichts mehr auf das Manöver hin.

Ben lehnte an der Wand und sah den Arbeiten Kais lächelnd zu. »Du hast mich genau verstanden.« Er trat zu einigen Meßorganen und verstellte sie – Kreiselkompaß, Bahnschreiber, Entfernungsmesser. Dann warfen sie noch einen Blick in den Raum mit den Produkten einer fremdartigen, überlegenen Technik, den Leuchtzeigern an den Instrumenten, den farbigen Tastaturen unerklärlicher Einrichtungen, den Tabellen mit unleserlichen Strichzeichen, den großen Schirmen mit den tausend Sonnen und Planeten, die viel deutlicher zu sehen waren als mit freiem Auge. Dann schloß sich das Tor hinter ihnen. Sie begaben sich freiwillig in ihr Gefängnis.

Tage vergingen. Die Slepper brachten ihnen Wasser und Essen, sie versuchten sich zu verständigen, aber es gelang ihnen nicht. Jede Nacht kontrollierte Ben den Navigationsraum. Da er alle Anzeichen entfernt hatte, die den veränderten Kurs verraten könnten, stellte er dazu den Entfernungsmesser kurzfristig richtig ein und schätzte die Zeit, die sie noch benötigten, um die Erde zu erreichen. Eines Nachts sah er, daß die Entfernung der Planeten von der Sonne auf dem Bildschirm nun schon wahrnehmbar zuzunehmen begann.

»Dieser Effekt ist nicht zu unterbinden«, bedauerte er. »... müssen sehen, daß wir innerhalb von vier Stunden die Erde erreichen!«

»Wird das gehen?« fragte Kai.

»... fahren mit einer Beschleunigung, die offenbar die unter normalen Umständen höchstmögliche ist. Die logarithmische Skala geht aber noch ein gutes Stück über die Sperre hinaus. Ich werde sie lösen und Höchstbeschleunigung einschalten. Wir müssen aber darauf achten, im richtigen Moment auch durch Höchstverzögerung mit dem Bremsen zu beginnen!«

»Werden wir nicht Schaden nehmen?« sorgte sich Kai.

»Nein, ich habe ja schon einmal aufs äußerste beschleunigt – als ich das Schiff wendete. Ich überschritt den Normalwert um das Hundertfache. Nichts geschah. Mir ist nicht klar, warum sie nicht immer mit größerer Beschleunigung fahren.« Ben änderte wieder einige Hebelstellungen – nichts war davon zu spüren. Nur der Raum, den das Sonnensystem auf dem Bildschirm einnahm, wuchs nun mit beobachtbarer Geschwindigkeit.

»Diesmal würde es auffallen«, bemerkte Kai. »... müssen uns bis zur Landung hier verschanzen.«

»Du hast recht«, bestätigte Ben. »Hole bitte die Tonanlage her.«

Kai tat es. Er suchte auch nach Waffen, aber er fand keine.

»... sollen wir uns wehren, wenn sie uns angreifen?« fragte er.

»Vielleicht können wir uns mit ihnen verständigen«, meinte Ben. »... haben die Zentrale in der Hand und damit die Regelung für Licht, Luft, Wärme und so weiter. Damit können wir sie zwingen. Hier ist es viel heller, als es für uns notwendig ist. Also drehe ich jetzt auf Dämmerlicht. Die Luft ist sehr sauerstoffreich – ich werde den Sauerstoff drosseln. Die Temperatur liegt ziemlich tief. Versuchen wir es einmal mit vierzig Grad Celsius. Wenn nötig, kann ich auch auf doppelte Erdbeschleunigung schalten – die Anziehungskraft ist hier geringer als auf der Erde. So sind sie es wahrscheinlich gewöhnt. Wir werden sehen, wie ihre gebrechlichen Beinchen mit der Schwere fertig werden!«

Sie warteten. Die Planetenbahnen auf dem Bildschirm vergrößerten ihre Durchmesser. In der künstlichen Dämmerung, die Ben erzeugt hatte, ging von den Leuchtscheiben ein unwirklicher Glanz aus. Es schien ihnen, als schauten sie direkt ins sternenübersäte Weltall.

Allmählich wurde die Luft schlechter, und trockene Hitze erfüllte den Raum.

Ben sprach einige Sätze in die Tonanlage: »... habt kein Recht, uns gefangenzuhalten. Laßt uns unangefochten auf die Erde zurück, und wir hindern euch nicht an der Rückreise. Vergeßt nicht, daß wir die Steuerung und die Energieversorgung in der Hand haben.« Er verstellte einige Knöpfe. »... die Übersetzung kann nun jederzeit ablaufen.«

Wenig später ertönte das Gongsignal. Die Freunde warteten gespannt. Bald öffnete sich die Tür, und ein Slepper trat herein. Ben stellte den Übersetzungsautomaten an, aber der Slepper stieß einen schrillen Warnruf aus und wollte fliehen. Kai lauerte neben der Tür. Er stürzte sich auf den Slepper und hielt ihn fest. Weitere Slepper hüpften herein, einige waren mit vibrierenden Metallfedern bewaffnet. Kai hielt seinen Gefangenen schützend vor sich, doch ein halbes Dutzend Slepper bedrängte ihn. In das Getöse des Handgemenges klangen die Tonfolgen der Übersetzungsanlage, doch niemand achtete darauf.

Ben stand noch immer an der Steuerung. Einige Slepper liefen auf ihn zu. Ihm entging aber nicht, daß ihre Bewegungen viel unsicherer und matter waren als sonst. Er bewegte einen Schaltgriff – den Gravitationsschalter. Die Schwere wuchs auf die Erdbeschleunigung, stieg weiter auf 1,5g, 2g... Bens Herz begann zu schlagen, sein Atem ging schneller, aber die Slepper schienen noch mehr betroffen. Sie alle standen still und stemmten ihre vier zitternden Beine leicht gegrätscht gegen den Boden, aber noch immer gelang es einem, seine Waffe gegen Kai zu heben. Da drehte Ben weiter auf: 2,5g, 3g... Der erste Slepper sank zu Boden, einer nach dem anderen folgte. Ihre Beine knickten ein, Leib und Kopf lagen am Boden, die Gliedmaßen zuckten.

Kai schleppte sich zu den Bewaffneten und nahm die elektrischen Federn an sich. Ben milderte die Schwere etwas. »... sich rührt, wird betäubt«, sprach er ins Mikrophon des Tonautomaten, der die Warnung sofort in die musikalische Sprache der Slepper übersetzte.

»Wann erreichen wir die Erde?« fragte Kai.

»Nach etwa drei Stunden«, antwortete Ben.

»Solange halten wir diese Anziehungskraft nicht aus«, ächzte Ben.

»... werden die Slepper einsperren. Dann kann ich auf eineinhalbfache Erdschwere zurückgehen – da sind sie noch immer genügend behindert. Geh durchs Schiff und bring alle in die Luftschleuse.«

Kai stöberte nach und nach 16 Slepper auf. Alle waren infolge der Schwere wehrlos. Er schleppte sie in die Luftschleuse und schloß die Glastür. Dann setzte er sich vor ihr nieder und beobachtete die Gefangenen. Ben stellte eilig die normalen atmosphärischen Verhältnisse her. Es war höchste Zeit, beide waren am Ende ihrer Kräfte...

Längst hatte Ben auf Verzögerung umgeschaltet, die Erde stand im Mittelpunkt des Fadenkreuzes, schon waren die Kontinente zu erkennen. Ben ließ das Raumschiff eine Spirale beschreiben. Dreimal umkreisten sie die Erde, dann näherten sie sich wieder dem östlichen Teil Afrikas. Plastisch traten die Berge hervor, wie blaue Korallen lagen dazwischen die Seen. Eine Hochebene schob sich über den Leuchtschirm, die Küste kam in Sicht.

»Neben diesem Dorf werden wir landen«, sagte Ben. Das Bild auf der Sichtscheibe wechselte jetzt rasend schnell – Wald, Steppe, Ödland und wieder Wald, Pflanzungen, Felder, Gehege, Straßen. Ben wählte eine gebüschumschlossene Wiese, in deren Nähe ein Weg vorbeilief. Sanft setzte er auf – die Automatik funktionierte bewundernswert.

»... kommen wir hinaus?« fragte Kai. »... müssen durch die Luftschleuse.«

»... werden die Slepper ein wenig betäuben«, schlug Ben vor. »... werde dem Schleusenraum den Sauerstoff entziehen.« Er betätigte einen Hebel. Die Slepper, die inzwischen wieder lebendig geworden waren, begannen nach Luft zu schnappen. Ben ließ die Pumpe so lange laufen, bis alle das Bewußtsein verloren hatten. Dann öffnete er beide Schleusentüren. Geruch von Heu und Gras drang herein.

»Glückliche Heimreise«, sprach Kai ins Mikrophon des Übersetzungsautomaten. Ben stellte zum letztenmal einige Hebel um. Dann sprangen beide auf den lockeren Wiesenboden – den fruchtbaren Boden der Erde. Sie traten zurück und warteten... Dann schloß sich die äußere Schleusentür, der Flugkörper hob sich erst langsam, dann immer schneller.

Bald war das Schiff im Blau des Himmels verschwunden.

Загрузка...