Der Gang war fensterlos niedrig, wie alle Räume an Bord der SHAROKAAN, und führte durch die volle Länge des Schiffes bis zum Bug hin. Der Boden war hier nicht massiv wie in der Mannschaftskabine, sondern bestand lediglich aus einem grob zusammengenagelten Lattenrost, der unter seinen Schritten federte und unter dem das faulige Wasser der Bilge sichtbar wurde. An den Wänden waren Flecken hellgrauen Schmierpilzes gewachsen, und das Dröhnen der Brecher, die monoton gegen den Rumpf schlugen, klang hier unten wie ein dumpfer, nie aufhörender Trommelwirbel. Skars Unwohlsein schien sich zu verstärken, als er den Gang betrat. Die Enge vermittelte ihm den Eindruck, eingesperrt zu sein. Er fragte sich unwillkürlich, warum jemand, der ein Schiff konstruierte und baute, auf diese Winzigkeit verzichten mußte. Die SHAROKAAN war ein großes Schiff - es hätte ihrem Stauraum kaum Abbruch getan, die Decken einen Fuß höher und die Wände ein paar Zoll weiter auseinander anzubringen, so daß man nicht ständig das Gefühl haben mußte, lebendig begraben zu sein. Aber Seefahrer waren ohnehin ein Volk für sich, das er wahrscheinlich nie verstehen würde. Der Gang wurde so gut wie nie benutzt - das Deck der SHAROKAAN war nicht so massiv, wie es einem Außenstehenden erscheinen mochte, sondern bestand im Grunde nur aus einem Balkengerüst, auf das einzelne Platten wie übergroße Dachpfannen aufgelegt waren, so daß jeder Punkt der Laderäume bequem von oben erreicht werden konnte, und Del und er waren vielleicht seit Jahren die ersten, die regelmäßig hier herunterkamen. Auf dem Boden lag der Staub von Jahrzehnten, von Nässe und Fäulnis zu einer schmierigen Schicht zusammengebacken, in der seine Schritte saugende Geräusche verursachten und die ihn festzuhalten versuchte, so daß er ständig glaubte, gegen einen unsichtbaren Widerstand ankämpfen zu müssen.
Skar fröstelte, senkte den Kopf ein wenig und ging schneller. Die Kälte war hier unangenehmer als hinten in der Kabine - nicht schlimmer, aber direkter und aufdringlicher, als hätte sie ihm aufgelauert, um hier, wo er allein und nicht in der Gesellschaft anderer war, mit ganzer Kraft über ihn herzufallen.
Er erreichte das Ende des Ganges, schob den Riegel zurück und betrat die dahinterliegende Kammer. Sie maß kaum drei Schritte im Quadrat und wurde auf der gegenüberliegenden Seite von einem mannshohen, aus fingerdicken Stangen von eisenhartem altem Eichenholz gefertigten Gitter abgeschlossen. Sorgsam zog er die Tür hinter sich wieder zu, ehe er sich umdrehte und den wuchtigen Schlüssel von der Wand nahm. Er war so alt und grob wie dieses Schiff und hing offen an einem krummgeschlagenen Nagel, aber doch so weit vom hinteren Teil der Kammer entfernt, daß keiner, der seinen Arm durch die Gittertür zwängte, ihn erreichen konnte.
Skar steckte den Schlüssel ins Schloß, drehte ihn halb herum und zögerte einen Herzschlag lang. Sein Blick glitt mit einem Mißtrauen, das so unbegründet wie unbewußt war, durch den winzigen, nur schwach erhellten Raum auf der anderen Seite des Gitters.
Er war nur wenig größer als dieser Teil der Kammer, in der er sich jetzt noch befand, und auf schwer in Worte zu fassende Weise düster. Wenn er jemals einen Ort gesehen hatte, auf den das Wort Kerkeratmosphäre zutraf, dann war es dieser winzige Verschlag im Bug der SHAROKAAN. Die Wände zogen sich im vorderen Teil der Kammer, der Krümmung des Schiffsrumpfes folgend, zusammen und schienen seine Insassen erdrücken zu wollen, und wenn der Boden auch hier, anders als hinten im Gang, massiv war, so glaubte er die lauernde kalte Tiefe darunter doch zu spüren.
Del lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand und schlief; wie meistens, wenn er herkam, und auch Vela hatte sich auf dem niedrigen, mit Stroh und Decken gepolsterten Lager ausgestreckt und das Gesicht in der Armbeuge vergraben. Die dünne Kette, die ihr linkes Handgelenk mit dem wuchtigen Eisenring in der Wand verband, glitzerte wie eine silberne Schlange auf dem mattgrauen Stoff ihres Gewandes, dessen zerschlissene Seide mit dem schmutzigen Braun der Wände zu verschmelzen schien, als hätte das Schiff bereits angefangen, sie aufzusaugen. Skar drehte den Schlüssel vollends herum und warf sich leicht mit der Schulter gegen das Gitter, um es in den verquollenen hölzernen Angeln zu bewegen. Das quietschende Geräusch hallte überlaut in der winzigen Kammer wider.
Del öffnete träge ein Auge, blinzelte und schnitt eine Grimasse, als er ihn erkannte. Sein Gesicht zeigte jenes verquollene Aussehen eines Menschen, den man unvermittelt aus dem tiefsten Schlaf gerissen hatte. Die Errish rührte sich nicht.
»Ist es schon soweit?« fragte Del gähnend. Er reckte sich, so daß sich seine mächtigen Oberarmmuskeln für einen Moment deutlich unter dem dünnen Wollcape abzeichneten, das er über seinen Panzer geworfen hatte, schlug spielerisch mit den Fingerknöcheln gegen die Wand über seinem Kopf und ließ die Arme klatschend auf seine Oberschenkel fallen. Er trug noch immer den schwarzen Panzer aus Tuan, obwohl er unpraktisch und kaum sicherer als der Lederharnisch der Satai war. Aber er war jung genug, daß Skar ihm diese romantische Spielerei vergab, und früher oder später würde er wohl von selbst einsehen, daß er sich eher lächerlich als interessant machte.
Skar zog das Gitter hinter sich zu und sah den jungen Satai kopfschüttelnd an. »Wenn du mit deiner Frage meinst, ob der Dronte schon heran ist, dann lautet die Antwort nein«, sagte er. »Und wenn du wissen willst, ob deine Wache vorbei ist...« Er hob die Schultern, suchte sich einen einigermaßen trockenen Platz auf dem Fußboden und ließ sich mit überkreuzten Beinen darauf nieder, ehe er weitersprach. »Das kommt darauf an - wenn du das Gefühl hast, ausgeschlafen zu haben, dann müßten die zwölf Stunden vorüber sein.«
Del grinste, warf einen flüchtigen Blick auf die schlafende Errish neben sich und rieb sich mit den Knöcheln der Rechten über die Augen. »Höre ich da so etwas wie Kritik in deiner Stimme?« fragte er. Seine Worte hatten spöttisch klingen sollen, aber er war noch immer nicht richtig wach und sprach so undeutlich, daß Skar Mühe hatte, ihn überhaupt zu verstehen. »Es ist nicht gerade kurzweilig, zwölf Stunden neben einer Stummen zu sitzen, weißt du? Ein Stein ist gesprächiger als du.«
Skar spürte einen scharfen, raschen Stich in der Brust. Dels Stimme hatte bei den letzten beiden Sätzen kalt geklungen, nicht feindselig, sondern so unbeteiligt, als spräche er tatsächlich über einen Stein. Was immer die Sumpfmänner mit ihm gemacht hatten - sie hatten jedes Gefühl, das er jemals für die Errish empfand, ausgelöscht; so gründlich, als hätte es niemals existiert. Vielleicht gründlicher. Und sie hatten dafür gesorgt, daß es niemals wiederkommen konnte.
Aber der Gedanke beruhigte Skar nicht. Im Gegenteil. Es gab Augenblicke, in denen er sich nicht sicher war, vor wem er mehr Furcht empfinden sollte - vor Vela oder dem breitschultrigen Riesen, der einmal sein Freund gewesen war. Seit sie Elay verlassen hatten, versuchte er sich einzureden, daß das alles nicht stimmte und er sich nur selbst verrückt machte, aber er spürte einfach, daß Del nicht mehr er selbst war. Etwas fehlte in seinem Wesen. Aber er wußte nicht, was. »Was macht der Kapersegler?« fragte Del, plötzlich wieder ernst werdend.
»Er kommt näher«, antwortete Skar. »Aber wir haben noch Zeit. Vielleicht zwei Tage. Möglicherweise finden wir irgendwo Land oder eine Insel...« Er zuckte abermals mit den Schultern, lehnte sich zurück und fuhr hastig wieder hoch, als sein Rücken die Wand berührte. Das Holz war eisig. Obwohl in der winzigen Kammer nahezu gleich viele Kohlebecken aufgestellt waren wie in der großen Kabine im Heck, vermochte ihre Glut die feuchte Kälte nicht zu vertreiben, die sich in ihren Wänden eingenistet hatte.
Als sie in Anchor aufgebrochen waren, hatte der Sommer seinen Einzug gehalten, aber der Dronte jagte sie immer weiter nach Norden, hinein in ein Reich von ewigem Winter und eisiger Kälte.
»Ich wollte, wir hätten uns zum Kampf gestellt«, murmelte Del, als hätte er seine Gedanken erraten.
Skar spürte einen plötzlichen Zorn in sich aufsteigen. Er war nicht hierhergekommen, um über den Dronte zu reden, und er wollte auch nicht das Gespräch, das Gowenna ihm hatte aufzwingen wollen, nun mit Del fortsetzen. Aber er beherrschte sich und zog statt der scharfen Antwort, die ihm auf der Zunge lag, nur die linke Augenbraue ein Stück nach oben. »Kampf?« wiederholte er. »Was für einen Kampf meinst du, Del? Niemand hat je gegen einen Dronte gekämpft. Er kämpft gegen die anderen. Das ist ein Unterschied.«
Del wischte seinen Einwand mit einer unwilligen Geste beiseite. »Unsinn«, sagte er. »Niemand hat es je versucht. Du hast diese Fischgesichter doch gesehen - sie haben sich doch schon fast vor Angst in die Hosen gemacht, als sie das Schiff nur sahen! Rayan hätte beidrehen und sich zum Kampf stellen sollen. Wir hätten eine gute Chance gehabt. Bisher haben diese Piraten immer nur wehrlose Handelsschiffe überfallen, vergiß das nicht.«
»Während die SHAROKAAN bis an die Zähne bewaffnet ist, wie?« fragte Skar spöttisch. »Mit Tonnen von Caba-Nüssen und Stoffballen, mit denen wir werfen können.«
Del runzelte die Stirn. »Immerhin sind wir an Bord«, erinnerte er. Skar nickte. »Sicherlich. Zwei Satai, die froh sind, noch einmal mit dem Leben davongekommen zu sein...«
»Und zwei Veden«, fiel ihm Del ins Wort. »Auch wenn ich diese eingebildeten Gimpel nicht leiden kann, heißt das nicht, daß sie nicht imstande wären, ihr Schwert zu führen.« Er setzte sich ein Stück weiter auf, hob die Hand und streckte vier Finger aus. »Und da wäre noch Gowenna«, sagte er und hielt nun auch noch den Daumen in die Höhe. »Wir fünf sollten doch ausreichen, mit ein paar dahergelaufenen Piraten fertig zu werden.«
Skar verzichtete auf eine Antwort. Del wußte so gut wie er, daß er Unsinn redete, aber seine Worte weckten wieder die Erinnerung an ihre erste, schreckliche Begegnung mit dem Dronte. Sie hatte nur wenige Augenblicke gedauert, aber es waren Augenblicke gewesen, die er vielleicht nie wieder vergessen würde. Vorher hatte er alles, was ihm je über die schwarzen Killersegler zu Ohren gekommen war, für übertrieben oder schlicht und einfach unwahr gehalten, aber er war rasch eines Besseren belehrt worden. Die Wirklichkeit war schlimmer gewesen.
Er hatte sich niemals vor Piraten oder ähnlichem Gelichter gefürchtet. Aber Dronte waren keine gewöhnlichen Piraten. Dronte enterten nicht. Sie töteten. Niemand wußte, warum, aber sie taten es, mitleidlos und immer. Kein Schiff hatte je den Angriff eines Dronte überlebt, und so beruhte nahezu alles, was man von ihnen wußte, auf Gerüchten und Legenden, Geschichten, die sich die Seefahrer abends in den Hafenkneipen erzählten oder mit denen sie sich vor Fremden brüsteten. Jedenfalls hatte Skar das geglaubt, bis er dem Dronte selbst gegenübergestanden hatte. Sie waren Killer, mitleidlose Jäger, die ein Wild, auf dessen Spur sie sich einmal gesetzt hatten, nie wieder verloren. Das Schiff war wie ein gigantischer schwarzer Alptraum aus der Nacht hervorgebrochen und hatte warnungslos das Feuer auf die SHAROKAAN eröffnet. Einzig durch Rayans hervorragendes seemännisches Können waren sie davor bewahrt worden, schon von der ersten Salve weißglühender Feuerbälle vernichtet zu werden.
Die Erinnerung ließ Skar schaudern. Keines der todbringenden Katapulte des Dronte hatte seine Ladung ins Ziel gebracht, und trotzdem waren sie der Vernichtung nur mit knapper Not entronnen. Eines der Brandgeschosse war dicht neben der SHAROKAAN im Meer eingeschlagen; ein flammenspeiender Stern, der das Wasser in einen kochenden Hexenkessel verwandelte und das Schiff mit siedendem Dampf verbrühte und in erstickende Schwefelnebel tauchte. Nur ein winziger Spritzer der brennenden Masse hatte das Schiff getroffen, und schon er hätte ihnen beinahe den Untergang gebracht. Fockmast und Segel waren in Flammen aufgegangen, und die Mannschaft konnte das Feuer nur mit äußerster Mühe löschen. Für wenige Augenblicke war die SHAROKAAN in einen lodernden Scheiterhaufen verwandelt, eine schwimmende Fackel inmitten der unendlichen Wasserfläche des Ozeans. Hätte das Geschoß das Schiff voll getroffen, wäre von der SHAROKAAN nichts übriggeblieben. Niemand hätte das Feuer der Hölle löschen können.
Skar schüttelte die Erinnerung mit einer ärgerlichen Bewegung ab. Doch die Bilder verblaßten nicht. Sie zogen sich zurück, verkrochen sich in einem finsteren Winkel seines Gedächtnisses, aber sie waren noch da. Lauernd, bohrend, wie ein Rudel kleiner, gefährlicher Raubtiere, jederzeit bereit, einen Moment der Unaufmerksamkeit auszunutzen und erneut über ihn herzufallen. Vielleicht würde er sie nie wieder vollkommen loswerden. Sie waren durch die Hölle gegangen in diesen wenigen Minuten, eine Hölle aus brennendem Holz und Tauwerk und Qualm und Gestank, Schreien und weißglühenden Geschossen, die erbarmungslos auf den Freisegler herunterregneten. Aber ihre Reise stand vom ersten Augenblick lang unter keinem guten Stern. Ursprünglich hatten Del und er beabsichtigt, von Elay aus direkt nach Muur-Eyl und dann durch die westliche Wüste nach Larn zu ziehen; ein Weg, der vielleicht mühsam, aber größtenteils ungefährlich war. Aber sie hatten ihre Rechnung ohne die Ehrwürdige Mutter gemacht. Die Herrscherin des Drachenlandes hatte ihnen nicht nur ihre Dankbarkeit bekundet, sondern sie gleichzeitig auch gebeten, Gowenna und die verstoßene Errish zum Berg der Götter zu geleiten. Und die Bitte der Ehrwürdigen Mutter der Errish war Befehl. Auch - oder vielleicht gerade - für einen Satai. So mußten Del und er zustimmen, noch einmal in den Dienst der Errish zu treten und Vela zum Rat der Satai zu bringen, obwohl es ihnen widerstrebte, sich als Kerkermeister zu verdingen. Aber es hatte Gründe gegeben, diesen Auftrag anzunehmen. Gründe, die weit zurücklagen, weiter, als er sich erinnern wollte. Einer der Gründe war das Kind, das Vela in ihrem Leib trug. Sein Kind...
Skar schrak aus seinen Überlegungen hoch, als ihn Del unsanft an der Schulter berührte. »Was...?« fragte er verwirrt.
Del zog eine Grimasse. »Ich habe dich jetzt dreimal hintereinander angesprochen«, bemerkte er spöttisch. »Sprichst du nicht mehr mit jedem, oder wirst du langsam alt?«
Skar rettete sich in ein verlegenes Lächeln. »Ich... war in Gedanken«, sagte er rasch. »Entschuldige.« Er setzte sich gerade auf, seufzte und machte Anstalten, vollends aufzustehen. »Ich lasse dich in vier Stunden ablösen«, bestimmte er. »Dann ist deine Wache nämlich offiziell vorbei. Sieh zu, daß du bis dahin ausgeschlafen hast. Es ist ziemlich ungemütlich an Deck.«
»Warte noch einen Moment«, bat Del. Plötzlich grinste er, und für einen Moment erinnerte er Skar wieder an den großen, jähzornigen Jungen, als den er ihn in Erinnerung hatte. Aber nur für einen Moment. »Ich... muß noch etwas erledigen.« Er stand auf, reckte sich noch einmal und trat gebückt durch die Gittertür. Skar runzelte ärgerlich die Stirn, als Del weiterging und sowohl das Gitter als auch die darunterliegende Tür achtlos offenließ, verzichtete aber darauf, aufzustehen und sie zu schließen. Er hielt die Sicherheitsmaßnahmen, auf denen die Ehrwürdige Mutter bestanden hatte, ohnehin für übertrieben. Vela stellte keine Gefahr mehr dar. Die Macht, die sie gehabt hatte, war dahin, ein für allemal, und allein die dünne Kette, mit der sie gebunden war, garantierte dafür, daß sie die Zelle nicht verlassen konnte. Sie war aus Sternenstahl geschmiedet, dem gleichen, nahezu unzerstörbaren Material, aus dem auch sein Tschekal gefertigt war. Nicht einmal die Kräfte eines Banthas hätten ausgereicht, sie zu zerreißen.
Aber vielleicht diente sie auch eher Velas Schutz, so wie die Wache, in der sich Del und einer der Veden abwechselten. Es war nicht so sehr das Schiff oder seine Besatzung, die sie vor Vela beschützten, als vielmehr Vela, die zu ihrer eigenen Sicherheit hier vorne untergebracht war. Skar hatte bis jetzt nicht begriffen, wie es Gowenna gelungen war, die Ehrwürdige Mutter zu überreden, ihr - ausgerechnet ihr - die Verantwortung dafür zu übertragen, daß die ehemalige Errish sicher am Berg der Götter ankam. Ein Wächter sollte seinen Gefangenen nicht hassen. Sein Blick glitt über Velas zusammengekrümmte Gestalt. Obwohl sie auf der Seite lag und eine schwere Felldecke über sich ausgebreitet hatte, war jetzt nicht mehr zu übersehen, daß sie schwanger war. Skar versuchte nachzurechnen, wie lange es jetzt noch dauern würde, kam aber zu keinem genauen Ergebnis. Sechs, vielleicht sieben Wochen - es spielte im Grunde keine Rolle. Sie würde tot sein, lange bevor das Kind - sein Kind - zur Welt kommen konnte.
Seltsamerweise ließ ihn der Gedanke beinahe kalt. Es war sein Sohn, der da in ihrem Körper heranwuchs, aber es war ein Kind, das gegen seinen Willen entstanden war und das niemals hätte gezeugt werden dürfen. Er empfand nichts bei dem Gedanken, der Vater dieses Knaben zu sein; allerhöchstens Abscheu. Vielleicht auch so etwas wie Mitleid, aber wenn, dann war es ein Mitleid, wie er es auch einem fremden Kind entgegengebracht hätte; vielleicht mehr als seinem eigenen. Er hatte Kinder niemals gemocht - was nicht hieß, daß er sie verabscheute oder gar haßte -, und der Gedanke, daß er selbst dieses Kind gezeugt hatte und sein Vater sein sollte, erschien ihm beinahe lächerlich. In seinem Leben war kein Platz für Kinder; nicht für fremde und schon gar nicht für eigene. Vielleicht - auch darüber hatte er nachgedacht, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen - war es auch nur Schutz; ein Mechanismus, mit dem er sich vor sich selbst schützte, eine instinktive Abwehr gegen die Gefühle, die da in seinem Inneren lauern mochten und die sein Leben noch komplizierter gemacht hätten, als es ohnehin war. Nein - alles, was er für dieses Kind, wenn überhaupt, empfand, war Mitleid, Mitleid mit diesem noch ungeborenen Wesen, das im Grunde von ihnen allen die geringste Schuld trug. Nach allem, was Vela getan hatte, war dies vielleicht der größte Frevel gewesen. Dieses Kind war nicht aus Liebe entstanden, nicht einmal aus Unachtsamkeit oder - und auch das hätte er verstanden und, wenn auch mit Abscheu, akzeptieren können -, um ihn zu erpressen, sondern aus dem einzigen Grund, ihre Macht zu vergrößern. Es wäre zu einer Waffe geworden, einem finsteren Gott des Bösen, ein Dämon, der das Grauen längst vergangener Zeiten wieder hätte auferstehen lassen können.
Aber soweit würde es nicht kommen. Vielleicht war es nicht einmal ein Zufall, daß der schwarze Killersegler ausgerechnet jetzt aufgetaucht war und sie jagte. Skar glaubte nicht an Götter und Dämonen, aber er war auch nicht so vermessen, sich allen Ernstes einzureden, daß es sie nicht doch geben konnte, nur weil er nicht an sie glaubte. Wenn es sie gab - da war er ganz sicher -, dann hatten sie den Dronte geschickt; Feuer gegen Feuer, die größte Geisel der Meere gegen eine Gefahr, die noch nicht einmal geboren war. Die Errish hatte selbst die Götter herausgefordert, und letztlich war es einer von ihnen gewesen, der sie besiegt hatte. Nicht er. Er war nur ein Werkzeug.
Vela bewegte sich. Der graue Stoff ihres Gewandes raschelte, und für einen Moment begegneten sich ihre Blicke. Ihre Augen waren leer; die winzigen, zu schwarzen Punkten zusammengezogenen Pupillen wirkten verschleiert und schienen direkt durch ihn hindurchzusehen. Wahrscheinlich nahm sie weder ihn noch ihre Umgebung wirklich wahr. Skar wußte nicht, was in dem grauen Pulver war, das Gowenna ihr regelmäßig in die Mahlzeiten mischte, aber er hatte am eigenen Leib gespürt, daß sich die Errish auf das Mischen von Drogen verstanden.
Ihr Geist war gefangen. Vielleicht schlief sie, vielleicht stand sie die Qualen der Hölle durch - er wußte es nicht, und er wollte es auch nicht wissen. Die Kette, die ihren Geist gefesselt hielt, war mindestens ebenso stark wie die um ihren Arm.
Del kam zurück, ließ sich fröstelnd neben einem der Kohlebecken niedersinken und rieb die Hände über der Glut aneinander. Sein Gesicht war vor Kälte gerötet. Er zitterte. Die sanitären Einrichtungen der SHAROKAAN waren eine einzige Katastrophe. Es war schon bei gutem Wetter eine Zumutung, seine Notdurft in einem nach drei Seiten offenen Drahtkorb außenbords der Reling verrichten zu müssen. Während eines Eissturmes wie dem, der das Schiff seit drei Tagen beutelte, blieb den Zuschauern selbst das schadenfrohe Lachen buchstäblich im Halse stecken.
Skar stand auf, wandte sich zur Tür und suchte hastig nach festem Halt, als das Schiff von einer stärkeren Woge getroffen wurde und sich bedrohlich auf die Seite legte. Del grinste. Skar schenkte ihm einen bösen Blick, zerbiß einen Fluch auf den Lippen und ging hastig zur Tür. »Ich lasse dich in vier Stunden ablösen«, sagte er, während er den Schlüssel im Schloß herumdrehte und ihn sorgsam an den Haken zurückhängte.
Del knurrte eine Antwort, rollte sich unter der Wand wie ein Hund zusammen und zog mit der linken Hand eine Decke heran. Kopfschüttelnd wandte sich Skar ab. Er beneidete Del keineswegs um seine Aufgabe. Verglichen mit den Temperaturen in der Mannschaftskabine war es hier unten warm, und trotzdem hatte er schon nach den wenigen Minuten, die er hiergewesen war, das Gefühl gehabt, selbst der Gefangene und nicht der Wächter zu sein.
Mit einem letzten, abschließenden Nicken, das Del schon gar nicht mehr zur Kenntnis nahm, verließ er den Raum, legte den Riegel von außen vor die Tür und eilte durch den niedrigen Gang zurück zur Mannschaftskabine.
Von Rayan und dem Veden war keine Spur mehr zu sehen, als er die Kajüte betrat. Sie waren wieder oben an Deck, wie fast immer, obwohl es dort für sie nichts zu tun gab. Nichts außer zu warten und den näher kommenden schwarzen Punkt am Horizont anzustarren. Aber Rayan gehörte zu jener Art von Kapitänen, die nichts von ihren Männern verlangten, was sie nicht selbst zu tun bereit und in der Lage waren, und er schien dies ununterbrochen unter Beweis stellen zu müssen. Ein Verhalten, für das Skar kein Verständnis hatte. Es nutzte niemandem, sondern schadete im Gegenteil. Aber sie waren in einer Situation, in der rationales Handeln nicht mehr unbedingt die wichtigste Rolle spielte. Vielleicht war Rayans Benehmen auch eine Erklärung für die stoische Gelassenheit, mit der die Männer dort oben noch immer weiterkämpften. Gowenna saß allein an ihrem Tisch und redete mit einem Matrosen, der, vergraben unter einem Berg von Decken und zweckentfremdeten Kleidungsstücken, auf dem Boden lag und ihr mit ernstem Gesicht zuhörte. Skar eilte an ihr vorüber, ohne hinzuhören. Ihr Gespräch drehte sich, wie nahezu alles, was während der letzten drei Tage an Bord des Schiffes gesprochen wurde, um den Dronte. Sie waren der Vernichtung entkommen, aber der Tod war nur hinausgeschoben, nicht besiegt, und es kam Skar manchmal vor, als bildeten sie sich ernsthaft ein, ihn wegdiskutieren zu können.
Er ging zu seinem Lager, einem verlausten Bündel gleich denen der anderen, ließ sich darauf nieder und suchte in den schmuddeligen Fetzen nach etwas, das er als Kopfkissen benutzen konnte. Es gab keine Kojen oder auch nur Bettstellen auf der SHAROKAAN, sondern nur eine Anzahl zerschlissener Bündel, auf denen die Besatzung - und auch da machte Rayan keine Ausnahme - wechselweise schlief. Auch Gowenna und er mußten sich damit begnügen. Nicht weil Rayan sie absichtlich schlecht behandelte, sondern weil es auf dem vollgestopften Schiff einfach keinen anderen Raum gab, in den sie sich hätten zurückziehen können. Sie hatten für die Überfahrt bezahlt, sehr viel bezahlt sogar, aber das bedeutete nicht, daß sie mehr Anspruch auf eine besondere Behandlung als irgendein Mannschaftsmitglied hatten. Das einzige Bett auf dem ganzen Schiff stand vorne in Velas Zelle, und auch dies war erst in Anchor zusätzlich an Bord gebracht worden, auf Geheiß der Ehrwürdigen Mutter.
Das Schiff wiegte sich sanft unter ihm, und das dumpfe, regelmäßige Klatschen, wenn sich die Wellen an der Bordwand brachen, hatte etwas seltsam Beruhigendes. Das dunkelrote Licht der glühenden Kohlen schimmerte sanft durch seine geschlossenen Lider und gaukelte ihm eine Wärme vor, die kaum da war. Er bewegte sich unruhig, zog die Decke enger um die Schultern und drehte das Gesicht zur Wand, um möglichst viel von der ausgestrahlten Wärme aufzufangen.
»Schläfst du?«
Skar öffnete widerwillig die Augen, wälzte sich herum und setzte sich auf. Diesmal vermied er es sorgsam, mit der Wand in Berührung zu kommen.
Gowenna hockte sich neben ihn auf den Boden, stand noch einmal auf, um eine Decke als Unterlage heranzuziehen, und ließ sich mit einem Laut, der sowohl Erschöpfung als auch Resignation - oder beides - ausdrücken konnte, auf das provisorische Lager sinken. Das dunkelrote Dämmerlicht im Inneren der Kabine tauchte ihr Gesicht in gnädige Schatten. Sie hatte sich angewöhnt, stets so zu sitzen, daß sie ihrem Gegenüber die unversehrte rechte Seite zuwandte, und auch er machte da jetzt keine Ausnahme mehr. Es war einmal anders gewesen. Er merkte plötzlich, daß er sie anstarrte, senkte den Blick und suchte vergeblich nach einem passenden Wort.
»Es braucht dir nicht peinlich zu sein«, bemerkte Gowenna ruhig. »Gerade du solltest wissen, wie ich aussehe.«
Skar sah auf, aber Gowenna sprach rasch weiter und gab ihm keine Gelegenheit zu antworten. »Glaubst du, daß wir eine Chance haben ?« fragte sie.
Skar zögerte. Er wollte einfach nicht mehr darüber sprechen, aber er spürte, daß er es mußte, wenn er nicht wirklich grob werden wollte. »Eine Chance? Gegen den Dronte? Niemand hat ihn jemals besiegt.«
»Aber einige sind ihm entkommen.«
Skar lächelte. »Wer hat das gesagt? Rayan?«
»Nein. Ich... habe Geschichten gehört.«
»Du wählst das richtige Wort«, sagte Skar. »Geschichten. Manche behaupten es, aber ich glaube nicht, daß es wahr ist.«
»Wir wüßten kaum, daß es so etwas wie einen Dronte überhaupt gibt, wenn jede Begegnung mit ihm tödlich enden würde«, beharrte Gowenna.
»Das mag sein - aber wenn, dann hatten die anderen bessere Chancen. Wir machen kaum noch Fahrt. Und er holt immer mehr auf.« Gowenna schwieg einen Moment, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme spöttisch. »Was ist mit dir?« fragte sie. »Hat dich Rayan mit seinem Gerede von Tod und Untergang schon angesteckt?« Sie lächelte, zog die Knie an den Körper und stützte das Kinn darauf. Das dunkelrote Licht des Kohlefeuers gab diesem Lächeln etwas seltsam Warmes, Vertrautes. Für einen kurzen, ganz kurzen Moment glaubte Skar in ihren Zügen eine Schönheit zu entdecken, die vorher nicht dagewesen war. Etwas Sanftes und Weiches und Mädchenhaftes, das vielleicht jahrelang tief in ihr geschlummert hatte und erst jetzt hervorbrach. Aber dann hob sie den Kopf, und Skar blickte wieder in die zerstörte Kraterlandschaft, die früher einmal das Gesicht einer schönen Frau gewesen war. Die Illusion zerplatzte.
»Was wirst du tun, wenn wir es schaffen?« fragte sie plötzlich. Skar starrte sie an. »Findest du, daß jetzt der richtige Moment -«
»Der einzige Moment, Skar«, unterbrach ihn Gowenna. »Du hast es selbst gesagt - er kommt näher. Wir werden nicht mehr oft Gelegenheit haben, allein miteinander zu reden. Und ich will wissen, woran ich bin. Ich hätte dich schon... schon längst fragen sollen.«
»Wonach?« fragte Skar betont.
»Was du tun wirst, wenn wir in Pan'am ankommen«, antwortete Gowenna.
Skar lachte unsicher. »Das, was die Ehrwürdige Mutter von mir verlangt hat«, sagte er. »Du weißt es. Du warst dabei. Ich werde Vela zum Berg der Götter bringen, damit sie dort ihr Kind zur Welt bringen kann, und...«
»Du weißt, daß sie sterben wird, sobald dies geschehen ist?« unterbrach ihn Gowenna wieder.
»Wieso? Sie ist gesund, und -«
»Das meine ich nicht, und du weißt es. Der Rat der Satai wird sie nicht leben lassen, Skar. Er darf es nicht zulassen, daß sie am Leben bleibt. Nicht nach allem, was geschehen ist.«
Skar schüttelte unwillig den Kopf. Etwas war in Gowennas Stimme, das ihn alarmierte. »Das ist nicht wahr«, sagte er. »Sie stellt keine Gefahr mehr dar, und -«
»Sie nicht, aber ihr Wissen. Sie hat Geheimnisse ergründet, die für uns Menschen verboten sind. Sie ist noch immer gefährlich.«
»Aber das ist doch Unsinn«, murrte Skar. »Du -«
»Du weißt es«, fiel ihm Gowenna ins Wort. »Aber du willst es nicht wahrhaben.«
Skar schwieg. In Gowenna war eine stärkere Veränderung vor sich gegangen, als er befürchtet hatte. Sie war besessen. Besessen von ihrem Wunsch nach Rache. Sie mußte so gut wie er wissen, daß ihr Leben nur noch Stunden zählte, wenn nicht ein Wunder geschah und sich das Meer auftat, um den Dronte zu verschlingen. Aber für sie schien das alles überhaupt keine Rolle zu spielen. Der schwarze Killersegler bedeutete für sie - wenn überhaupt etwas - nicht viel mehr als ein Ärgernis, ein dummes lästiges Ding, das sie daran hinderte, ihre Rache zu vollziehen. Sie war krank. Krank vor Rache und Haß.
»Und wenn ich es weiß?« fragte er nach einer Weile.
In Gowennas sehendem Auge blitzte es zornig auf. Aber sie beherrschte sich. »Dann beantworte mir meine Frage«, verlangte sie. »Wirst du sie zum Berg der Götter bringen oder nicht?«
»Ich werde tun, was die Ehrwürdige Mutter von mir verlangt hat«, antwortete er steif. »Nämlich Vela sicher zum Berg der Götter geleiten und sie beschützen. Auch vor dir.«
»Du bist ein Narr, Skar«, sagte Gowenna ruhig. »Glaubst du wirklich, du könntest mich daran hindern, sie zu töten, wenn ich das wollte?«
»Nein. Und gerade das ist es, was mir Angst macht. Was hast du wirklich vor? Ich weiß, daß du sie nicht töten willst; wie du selbst gesagt hast, hättest du es hundertmal tun können bis jetzt. Und das ist ein Grund mehr für mich, noch wachsamer zu sein.«
Seine Stimme war bei den letzten Worten immer lauter geworden, und Skar sah an der Reaktion auf Gowennas Zügen, wie sehr sie seine Worte verletzten. Weitaus mehr, als er geglaubt hatte, und mehr, als eigentlich normal gewesen wäre. Sekundenlang starrte sie ihn schweigend und voller Verachtung an, und für einen kurzen Moment glaubte er etwas von dem unbeschreiblichen Haß zu spüren, der in ihrer Seele brannte. Sie schien noch etwas sagen zu wollen, schürzte aber dann nur wütend die Lippen und stand auf.
Skar hielt sie am Arm zurück. »Gowenna«, sagte er ernst. »Wir sind eigentlich beide alt genug und kennen uns zu lange, um uns noch Theater vorspielen zu müssen, meinst du nicht?«
Sie versuchte, ihre Hand aus seinem Griff zu befreien, aber Skar hielt sie unbarmherzig fest.
»Bitte«, fuhr er fort. »Wir haben wirklich im Moment andere Sorgen - laß uns wenigstens ehrlich zueinander sein.« Aber er spürte, schon während er die Worte aussprach, daß Gowenna ihm nicht zuhörte, daß sie ihm nicht zuhören wollte.
»Laß mich los!« zischte sie.
Skar seufzte, schüttelte den Kopf und löste seinen Griff. Gowenna wich hastig ein Stück von ihm weg, massierte mit der Linken ihr schmerzendes Handgelenk und starrte ihn haßerfüllt an. Ihre Haut war rot, wo Skar sie gepackt hatte. Ohne sich dessen bewußt zu sein, hatte er mit aller Kraft zugedrückt. Es tat ihm leid.
»Ich danke dir, Satai«, murmelte Gowenna. »Du hast mir die Antwort gegeben, die ich haben wollte.«
»Habe ich das?«
Sie nickte. »Jedenfalls weiß ich jetzt, was ich wissen wollte«, sagte sie. »Ich werde mich danach richten, wenn die Zeit gekommen ist.« Skar seufzte. Und obwohl er ganz genau wußte, wie sinnlos es war, antwortete er ihr noch einmal: »Ich werde tun, was man mir aufgetragen hat, Gowenna, ich werde Vela und ihr Kind zum Berg der Götter bringen und sie dem Rat der Satai übergeben. Und ich werde mich dem Spruch meiner Herrscher beugen, ganz gleich, wie er ausfällt. Du tätest gut daran, ebenso zu handeln.«
Gowennas Blick sprühte vor Haß, aber sie antwortete nicht mehr auf seine Worte, sondern fuhr mit einer überhastet wirkenden Bewegung herum. Mit raschen Schritten ging sie zwischen den schlafenden Matrosen hindurch und verschwand gebückt auf der Treppe; nicht, weil sie dort oben irgend etwas zu tun gehabt hätte, sondern einzig, um ihn demonstrativ allein zu lassen.
Skar starrte ihr kopfschüttelnd nach. Was war nur mit ihr geschehen in den Monaten, die sie getrennt gewesen waren? Sie war auch zuvor schon verbittert und voller Haß gewesen, aber die Frau, die jetzt mit ihm auf diesem Schiff fuhr, war mehr als nur verbittert. Sie war besessen.
Er ließ sich wieder zurücksinken, schloß die Augen und versuchte an nichts zu denken. Aber er fand keine Ruhe, obwohl er müde war und sein Körper nach Schlaf schrie. Es waren Momente wie diese, in denen er mehr als zuvor daran zweifelte, daß es richtig gewesen war, den Befehl der Margoi zu befolgen. Wahrscheinlich hätten sie sich nicht weigern können, die Bewachung Velas zu übernehmen - aber er hätte sich weigern können, Gowenna als Begleiterin zuzulassen. Die Ehrwürdige Mutter hätte diesen Wunsch akzeptiert - vielleicht hätte sie ihn sogar begrüßt. Skar war sicher, daß es nicht ihre Idee gewesen war, ausgerechnet Gowenna mit der Aufgabe zu betrauen, die verstoßene Errish zu bewachen. Möglicherweise war es ein Akt von falsch verstandener Wiedergutmachung gewesen, und vielleicht - wahrscheinlich, so, wie er Gowenna während der letzten Tage erlebte - hatte sie selbst das Ihre dazu beigetragen, dieses Gefühl in der Herrscherin von Elay zu erwecken. Wenn sie von diesem Schiff herunter waren - wenn sie es schafften -, dann würden sie sich trennen müssen. Skar bewegte sich unruhig, drehte das Gesicht zur Wand und versuchte die Kälte zu ignorieren, die beharrlich unter seine Decken kroch. Er war alles andere als ein Fatalist, aber es hatte keinen Sinn, sich mit all diesen Fragen zu belasten. Nicht jetzt. Vielleicht war es richtig gewesen, vielleicht nicht. Er konnte jetzt nichts mehr daran ändern.
Es würde sich herausstellen. Bald.