23.

»Bist du soweit?« Del hob den Schild in die Höhe, den er auf Skars-Bitte hin aus ihrer Ausrüstung herausgesucht hatte, hielt ihn einen Moment wie einen gewaltigen Spiegel ins Licht und ließ ihn wieder sinken. Es war ein gewaltiger Schild, fast einen Meter im Durchmesser und aus zollstarkem, auf der Außenseite mit gehämmertem Kupfer belegtem Eichenholz gefertigt. Trotzdem wirkte er in Dels Händen wie ein Spielzeug.

Skar nahm ihn entgegen, schob die Hand durch den Haltegriff und bewegte prüfend den Arm. Sein Gewicht zerrte merklich an ihm, aber er gab ihm auch ein Gefühl der Sicherheit. Er nickte.

»Es wäre wirklich besser, wenn ich gehen würde, Skar«, sagte Del leise. Es war nicht das erste Mal, und es war auch nicht das erste Mal, daß Skar mit einem entschiedenen Kopfschütteln darauf antwortete. Nicht, daß Del nicht recht gehabt hätte - seine Kräfte neigten sich jetzt spürbar dem Ende entgegen, und Del hätte sicherlich mehr Aussichten gehabt, Helth zu besiegen. Skar war sich nicht mehr sicher, ob es ihm wirklich gelingen würde. Aber darauf kam es auch gar nicht an. Er mußte ihn aufhalten, wenige Augenblicke, bis Del und das halbe Dutzend Männer, das er für den Kampf ausgesucht hatte, ihm gefolgt waren.

Sein Blick streifte den Toten. Sie hatten ihn liegenlassen, wo er gestürzt war, aber herumgedreht, um sein zerschmettertes Gesicht nicht weiter ansehen zu müssen. Sein Kopf lag in einer großen, glitzernden Blutlache. Wahrscheinlich hatte er den tödlichen Hieb nicht einmal gespürt.

Skar versuchte, das Gefühl der Furcht, das der Anblick in ihm auslöste, zurückzudrängen, aber es gelang ihm nicht ganz. Nervös zog er sein Schwert aus dem Gürtel, drehte sich noch einmal zu Del und Gowenna um und atmete tief durch. »Ihr wißt, was ihr zu tun habt.« Gowenna antwortete irgend etwas, aber Skar hatte sich schon wieder herumgedreht und verstand sie nicht mehr. Das Schweigen, das sie einhüllte, erschien ihm mit einem Mal um eine Winzigkeit drohender als bisher, und durch das Rauschen des Blutes in seinen Ohren glaubte er das Knistern und Splittern des Eises zu hören. Es war Einbildung - wenn die bizarre Metamorphose, deren Zeugen Del und er geworden waren, sich mit der gleichen Geschwindigkeit fortsetzte, würde noch eine halbe Stunde oder mehr vergehen, ehe sie, so langsam vorrückend, die Krieger und den Ausgang erreichte -, aber deshalb nicht weniger furchteinflößend. Er schloß die Augen, schüttelte das Bild ab und spannte sich. Wieder spürte er mit schmerzhafter Deutlichkeit, wieviel er in den vergangenen Tagen seinem Körper abverlangt hatte. Zu viel.

»Jetzt!« rief Del.

Skar rannte los, duckte sich und federte mit einem kraftvollen Hechtsprung durch den Ausgang. Die Stadt und der kochende Himmel führten einen irren Veitstanz um ihn herum auf. Er fiel, rollte über die Schulter ab, sprang wieder auf die Füße und riß den Schild in die Höhe. Der Sturm schlug wie mit unsichtbaren Fäusten auf ihn ein. Aber der erwartete Angriff blieb aus.

Eine, vielleicht zwei Sekunden blieb Skar reglos und geduckt neben dem Eingang stehen, ehe er es wagte, den Schild herunterzunehmen, und sich - noch immer vorsichtig und jederzeit auf einen Angriff gefaßt - aufrichtete. Um ihn herum tobte ein weißes Inferno aus wirbelnden Schwaden, hinter denen die Umrisse der anderen Gebäude seltsam verschwommen und schemenhaft erschienen.

»Bravo, Satai.« Die Stimme schien von überall her gleichzeitig zu kommen. Der Sturm und die glitzernden Eiswände reflektierten sie, brachen ihren Klang und vermittelten Skar den Eindruck, als stünde der Sprecher unmittelbar neben ihm. Er fuhr herum, hob das Schwert ein wenig höher und versuchte, Helth hinter den kochenden Schneewirbeln auszumachen.

»Eine eindrucksvolle Vorstellung!« höhnte der Vede. »Aber nicht sehr klug. Hast du mich wirklich für so närrisch gehalten, direkt vor der Tür auf dich zu warten?« Er lachte, schrill und in einem Tonfall, der Skar schaudern ließ. Seine Stimme klang nicht mehr menschlich. Sie war hart; Töne, die von Stimmbändern aus Eis erzeugt wurden. Skar trat einen Schritt zur Seite, blinzelte aus zusammengekniffenen Augen in den tobenden Sturm und winkte mit dem Schwert; das Zeichen für Del und die Männer, ihm zu folgen.

Endlich entdeckte er Helth. Er stand, hoch aufgerichtet und völlig deckungslos, als gäbe es den Sturm und die reißenden Eiskristalle nicht, dreißig oder vierzig Schritte entfernt auf einem mannshohen Vorsprung und blickte herausfordernd in seine Richtung. »Komm her!« schrie Skar. »Wenn du einen Kampf willst, dann komm her, Helth!« Er kam sich beinahe albern vor, und der Sturm und Cor-ty-cor verschluckten seine Worte, aber Helth verstand sie trotzdem, so wie auch Skar seine Stimme hörte.

Er lachte. »Narr!« höhnte er. »Du hattest die Chance zu einem fairen Kampf, Satai, aber du wolltest ja nicht. Jetzt spielen wir nach meinen Regeln!« Seine Hände bewegten sich, und - war es wirklich Zufall, dachte Skar entsetzt? - die tobenden Schwaden rissen auf, der Sturm legte sich, und der Schnee trieb auseinander, so daß er Helth deutlicher erkennen konnte.

»Bei allen Göttern!« keuchte Del neben ihm. Skar hatte nicht gemerkt, wie er herangekommen war, und er drehte sich auch jetzt nicht herum, sondern starrte gleichermaßen fasziniert wie von Grauen gepackt zu der schlanken Gestalt des Veden hinauf. Helth war nackt. Seine Haut glitzerte wie ein starrer gefrorener Panzer, Haar und Brauen waren zu Eis erstarrt, und sein Körper war mit dunklen Flecken übersät, wo die Haut bereits abgestorben und zu spröden schwarzen Flecken erstarrt war. Seine Füße waren bis zu den Waden hinauf dunkel und erfroren und die Hände zu verkrümmten, schwarzglitzernden Klauen geschrumpft. Skar hatte plötzlich die irrsinnige Vorstellung, Helth' Gelenke wie trockenes Laub rascheln zu hören, als der Vede mit kraftvollem Schwung von seinem Standort heruntersprang und über das Eis auf sie zukam.

»Du willst kämpfen?« fragte Helth noch einmal. »Du bist ein Idiot, Satai. Wie viele von euch muß ich noch umbringen, bis du begreifst, daß du verloren hast. Ich gebe dir eine letzte Chance. Geh zurück zum See, Skar. Vielleicht ist noch genug von der SHAROKAAN übrig, um ein Floß daraus zu bauen. Geh, oder ich muß euch töten.«

Del wollte antworten, aber Skar brachte ihn mit einem hastigen Wink zum Schweigen. Sein Verstand weigerte sich, das Bild, das seine Augen sahen, als wahr anzuerkennen, aber Skar versuchte erst gar nicht mehr, eine logische Erklärung zu finden. Er ist tot, dachte er hysterisch. Erstarrt. Er ist erfroren.

»Geh zurück, Skar!« sagte Helth noch einmal. »Mir liegt nichts an eurem Tod. Aber ich werde euch vernichten, wenn ihr nicht umkehrt. Du weißt, daß ich es kann.«

»Halt ihn auf«, flüsterte Del. »Versuche ihn irgendwie hinzuhalten.«

Skar nickte fast unmerklich. Del verschwand zwischen den Männern, die einer nach dem anderen aus dem Gebäude drängten, und Skar machte einen Schritt auf Helth zu, blieb aber stehen, als der Vede warnend die Hand hob. »Was willst du?« fragte er laut. »Und wer bist du, Helth?«

Helth lachte, schrill und mißtönend. Seine Reaktionen sind nicht mehr die eines Menschen, dachte Skar bestürzt. Er benahm sich wie jemand - oder etwas -, der darum bemüht ist, menschliches Verhalten nachzuahmen. Gut, aber nicht gut genug, um ihn zu täuschen. »Wer ich bin? Ich bin Helth, Rayans Sohn«, antwortete er. »Und Brads Bruder, Satai. Das weißt du doch. Schließlich hast du sie beide umgebracht.«

Skar fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. Er wußte nicht, was Del vorhatte, aber er mußte Zeit gewinnen. Warum fiel es ihm nur so schwer, sich zu konzentrieren, einen klaren Gedanken zu fassen? »Das ist nicht wahr«, sagte er lahm. »Du bist nicht Helth. Du -«

Helth schnitt ihm mit einer ungeduldigen Bewegung das Wort ab. »Genug geredet, Satai«, zischte er. »Geh, solange noch Zeit ist. Ich schenke dir dein Leben, Satai. Dir, deinem Freund und den Männern.« Skar schwieg einen Moment. »Und Gowenna?«

»Sie bleibt.« Helth kicherte. »Sie würde sowieso keinen Wert darauf legen, dich zu begleiten, glaube ich. Entscheide dich, Satai - gleich. Geh, oder -«

Skar wußte nicht, wie es Del gelungen war, das Gebäude in wenigen Sekunden zu umrunden und in Helth' Rücken zu gelangen, aber der junge Satai war plötzlich da, überwand die letzten Meter mit einem kraftvollen Satz und warf sich mit weit ausgebreiteten Armen auf den Veden.

Aber Helth reagierte vollkommen anders, als Del erwartet hatte. Er versuchte weder auszuweichen noch Dels eigene Kraft auszunutzen, um den Angreifer über sich hinwegzuschleudern; auf beides wäre Del vorbereitet gewesen und hätte entsprechend reagiert, aber Helth blieb einfach stehen, fing Dels Anprall mit übermenschlicher Kraft auf und rammte ihm im gleichen Augenblick die Faust in den Leib. Del stolperte zurück, brach in die Knie und preßte die Hände gegen den Leib. Sein Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei.

Skar rannte mit verzweifelter Kraft los, aber er hatte plötzlich das Gefühl, durch einen unsichtbaren, zähen Sirup zu waten. Seine Bewegungen kamen ihm lächerlich langsam vor. Hinter ihm setzten sich die Krieger in Bewegung, aber Skar wußte, daß sie zu spät kommen würden. Er schrie, um Helth von Del abzulenken, riß den Schild in die Höhe und führte gleichzeitig einen geraden Stich nach Helth' Gesicht. Der Vede wich dem Angriff mit der gleichen übermenschlichen Schnelligkeit aus, mit der er auf Dels Angriff reagiert hatte. Er lachte, ließ die flache Hand auf Skars Schild prallen und brachte ihn damit aus dem Gleichgewicht. Skar stolperte an ihm vorüber, fiel und schlug noch im gleichen Moment zu. Die Spitze seines Schwertes schrammte über Helth' Bein und riß es vom Fußknöchel bis zum Knie auf. Helth taumelte mit einem wütenden Knurren zurück, kämpfte einen Herzschlag lang um sein Gleichgewicht und stürzte auf die Knie, als das verletzte Bein unter seinem Körpergewicht nachgab. Aber die Wunde war nicht tief; ein Kratzer, der gerade durch die Haut gedrungen war und nur hier und da blutete. Skar und er kamen im gleichen Augenblick wieder auf die Füße.

Der Vede griff sofort wieder an. Seine Faust schoß vor und traf Skars Schild; seine erfrorenen schwarzen Finger verkrallten sich in seinen Rand und rissen Skar mit einem brutalen Ruck abermals aus dem Gleichgewicht. Skar trat nach seinem Bein und traf, aber Helth schien den Tritt nicht einmal zu spüren. Er lachte schrill, griff auch mit der anderen Hand nach Skars Schild und wirbelte ihn wie ein Spielzeug herum. Skar schrie auf, riß das Schwert empor und schlug zu, während Helth weiterhin mit brutaler Kraft an seinem Schild zerrte. Die Klinge traf seine Schläfe nur mit der Breitseite und einem Bruchteil der Wucht, die der Hieb gehabt hatte. Helth nahm auch diesen Treffer hin, ohne mehr als einen grunzenden Schmerzenslaut auszustoßen, spreizte die Beine und riß Skar gleichzeitig zu sich heran und in die Höhe. Er fiel. Helth ließ den Schild nicht los, verdrehte ihn und seinen Arm, der in den metallenen Halteschlaufen gefangen war. Skar schrie vor Schmerz, sein Schwert entfiel ihm und er begann sich zu winden, aber Helth vollzog jede seiner Bewegungen mit unglaublicher Schnelligkeit nach und verdrehte seinen Arm weiter. Der Schmerz wurde unerträglich. Eine Winzigkeit mehr, und sein Ellbogengelenk würde zerbrechen wie eine Nußschale.

Dann verschwand der Druck von seinem Arm. Skar brach mit einem krächzenden Laut vollends zusammen, wälzte sich auf den Rücken und versuchte, die blutigen Schleier vor seinen Augen wegzublinzeln. Helth war zurückgetaumelt. Eine frische blutende Schnittwunde zog sich quer über seine Stirn, blendete das rechte Auge und verlief weiter über seine Wange bis zum Hals hinunter, aber der Mann, der den Hieb geführt hatte, lag reglos zu seinen Füßen. Sein Schwert war zerbrochen. Das Eis unter seinem Kopf rötete sich. Ein zweiter Freisegler drang - wie Skar mit Schild und Schwert bewaffnet - auf den Veden ein, hackte nach seinem Kopf und duckte sich blitzschnell hinter seinen Schild, als Helth sich wegduckte und gleichzeitig zurückschlug. Sein Hieb ließ den Schild erbeben und brach den Arm, der ihn hielt. Der Mann keuchte, torkelte mit schmerzverzerrtem Gesicht zur Seite und verlor seine Waffe. Helth sprang zu ihm hin und stieß die Hand nach dem Gesicht des Kriegers; Daumen, Ring- und kleinen Finger einwärts geknickt, Zeige- und Mittelfinger wie tödliche Dolche ausgestreckt. Der Freisegler schrie auf, taumelte ein paar Schritte, stürzte auf die Knie und schlug die Hände vor seine leeren, blutenden Augenhöhlen.

Helth setzte ihm abermals nach, bückte sich nach seinem Schwert und riß die Waffe mit einem triumphierenden Schrei hoch. Ein weiterer Freisegler starb, so schnell, daß Skar den Hieb, der ihn tötete, nicht einmal sah. Die anderen wichen angstvoll zurück und ließen die Waffen sinken.

Der Vede drehte sich herum und kam mit wiegenden Schritten auf ihn zu. Skar versuchte sich aufzusetzen und gleichzeitig nach seinem Schwert zu greifen, aber er führte die Absicht nicht zu Ende. Helth lachte, aber seine Lippen bewegten sich nicht dabei. Sein rechtes Auge war blind, die Wange darunter von einem Schwerthieb zerfetzt, so tief, daß Skar den Knochen darunter erkennen konnte. Seine Halsschlagader war zerrissen, und seine rechte Körperhälfte begann sich in ein bizarres Netz roter Linien zu verwandeln. Aber er lebte weiter. »Du wolltest den Kampf, Satai!« krächzte er. Seine Finger schlossen sich um den Schwertgriff, zermalmten ihn. Die Waffe polterte zu Boden. »Du wirst sterben - du und alle, die bei dir sind. Niemand wird je -«

Ein silberner Blitz fegte auf ihn zu und traf seinen Leib eine Handbreit unterhalb des Nabels. Helth brüllte vor Schmerz und Zorn, torkelte zurück und zerrte mit beiden Händen an den rasiermesserscharfen Zacken des Shuriken, den Del nach ihm geschleudert hatte. Del kam mit einem unartikulierten Laut auf die Füße, packte ihn mit der Rechten zwischen den Schenkeln und verkrallte die andere Hand in seine Kehle. Helth kreischte. Del riß den Veden wie ein Spielzeug in die Höhe, hielt ihn eine halbe Sekunde hoch über dem Kopf in der Schwebe und schleuderte ihn mit aller Macht zu Boden. Helth überschlug sich mehrmals, bevor er mit haltlos zuckenden Gliedern liegenblieb. Del war sofort wieder über ihm, trat nach seinem Gesicht und ließ sich nach vorne fallen. Seine Knie trafen Helth' Brustkorb mit der ganzen Wucht seines Körpergewichts und brachen seine Rippen. Helth versuchte nach seinen Augen zu stechen, wie zuvor nach denen des Matrosen; Del schlug seine Hand mit einem wütenden Knurren zur Seite, legte die Hände um seinen Hals und drückte mit seiner ganzen gewaltigen Kraft zu, um dem Veden das Rückgrat zu brechen. Helth' Genick brach nicht. Skar wußte, wie stark Del war; er hatte gesehen, wie der junge Satai armdicke Balken mit der Kraft seiner gewaltigen Pranken zerbrochen und massive Eichentüren mit bloßen Fäusten eingeschlagen hatte, manchmal nur zum Spaß. Aber Helth war stärker. Langsam, Millimeter für Millimeter, stemmte er sich hoch, stützte sich mit Händen, Füßen und Ellbogen auf dem Eis ab und drückte seinen Gegner zurück. Del begann vor Anstrengung zu keuchen. Skar sah, wie sich seine Nacken- und Schultermuskeln spannten, als würden sie jeden Moment zerreißen. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Aber Helth drängte ihn weiter zurück. Dels Knie rutschten von seiner Brust, dann verlor er vollends den Halt, kippte zur Seite, kam aber mit einer Rolle wieder auf die Füße.

Helth erhob sich etwas langsamer. Er wankte. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt, und seine Hände zuckten ununterbrochen. Er wollte etwas sagen, aber sein Mund war voller Blut, und er brachte nur ein krächzendes Geräusch zustande.

Langsam begannen sich die beiden Gegner wieder zu umkreisen. Dels Arme pendelten lose vor seinem Leib, aber jeder übrige Muskel seines Körpers war bis zum Zerreißen angespannt. Er blieb stehen, spreizte die Beine und suchte auf dem Eis nach festem Stand. Auch Helth verharrte. Seine Hände waren jetzt vollends zu Klauen geworden, und der Blick seines unversehrten Auges loderte vor Haß. Skar spürte, daß seine Kraft noch lange nicht gebrochen war. Das unselige Ding, das von ihm Besitz ergriffen hatte, war so mächtig und wild wie im ersten Moment. Vielleicht stärker.

Er wollte aufstehen und Del zu Hilfe eilen, aber der junge Satai machte eine hastige Geste mit der Hand, als hätte er die Bewegung hinter seinem Rücken gefühlt, und Skar erstarrte wieder. Der Kampf verlagerte sich, ging von einer Sekunde zur anderen auf eine neue, unbegreifliche Ebene über. Skar spürte, wie irgend etwas in dem zerfetzten Bündel, das einmal ein Mensch gewesen war, zum Leben erwachte, etwas Dunkles, Pulsierendes und unendlich Böses mit unsichtbaren Linien puren Hasses nach Del griff...

... aber er fühlte auch, wie die Kraft von Del abprallte und mit schmerzhafter Wucht zurückgeschleudert wurde...

Für einen kurzen, unendlich quälenden Moment hatte Skar ein furchtbares Empfinden des dejá-vu, schoben sich Bilder in seinen Geist, die nicht hierher gehörten und die er in die tiefsten Abgründe seiner Seele verbannt zu haben glaubte. Er sah sich wieder in einer winzigen Laubhütte am anderen Ende der Welt, fühlte die unsichtbare psionische Faust, die sich zum Schlag ballte, bereit, alles zu zerschmettern, was sich ihr in den Weg stellte. Die Gestalt Dels verschwamm vor seinen Blicken, wurde grau und unscharf, flackerte wie ein Trugbild. Er stöhnte, versuchte die Augen zu schließen und konnte es nicht, sondern sah weiter zu, ein hilfloser Zeuge eines Kampfes zwischen zwei Wesen, von denen eines unbegreiflicher schien als das andere. Helth taumelte. Sein geschundenes Gesicht zuckte wie unter Schmerzen.

Aber auch Del wankte. Seine Hände hatten sich geöffnet, und sein Atem ging rasselnd und mühsam. An seinem Hals pochte eine Ader. »Skar...« Es war nicht Dels Stimme, auch wenn es seine Lippen waren, die den Namen formten. Skar sprang vollends auf, ergriff sein Schwert und lief los, im gleichen Moment, in dem auch Helth vorsprang und abermals nach seinem Gegner schlug. Del versuchte dem Hieb auszuweichen, aber Helth war zu schnell. Seine Faust traf Del zweimal hintereinander an Kopf und Brust und ließ ihn zusammenbrechen.

Skar warf sich mit einem verzweifelten Satz zwischen ihn und seinen unheimlichen Gegner, tauchte unter einem Hieb von Helth' Krallenhand hinweg und schlug blind zu. Er traf, aber der Schlag war schlecht gezielt, und Helth hatte sich im letzten Moment noch einmal zurückgeworfen: Die Klinge traf nicht seinen Hals, sondern hackte schräg über Wangenknochen und Schläfe in seinen Schädel und spaltete ihn.

Helth kippte mit einem sonderbar pfeifenden Laut nach hinten, griff sich an den Kopf und begann zu schreien. Skar setzte ihm nach, aber Helth trat nach ihm, kam torkelnd auf die Füße und versetzte ihm einen Stoß vor die Brust, der ihn zurücktaumeln und abermals zu Boden stürzen ließ.

Als er aufsprang, war der Vede verschwunden. Für einen kurzen Moment glaubte er seine Gestalt noch einmal zu sehen, dann schlossen sich die tanzenden Schleier um ihn; der Sturm hatte ihn verschluckt. Schweratmend ließ Skar seine Waffe sinken, blieb eine Sekunde reglos und mit geschlossenen Augen stehen und wartete darauf, daß das schmerzhafte Pochen in seiner Brust aufhörte. Als er sich umwandte, sah er, daß Del zusammengekrümmt im Schnee hockte, die Hand gegen den Hals preßte und Blut spuckte. Seine Gestalt schien zu flackern, und als er den Kopf hob und Skar anschaute, war sein Blick trüb. Sein Gesicht schien leblos, als wäre es nicht echt, sondern nur eine Maske, die aus Wachs gegossen war und allmählich ihre Form verlor. Skar blieb neben ihm stehen und starrte ihn schweigend fast eine Minute lang an. Die Männer kamen langsam näher, aber er beachtete sie nicht.

»Geht es wieder?« fragte er leise.

Del nickte. Auf seinen Lippen war Blut. »Es... ist nicht schlimm«, murmelte er. »Laß mich einen Moment hier sitzen.«

Skar nickte. »Geht zurück«, rief er laut dem halben Dutzend Männern zu, die fassungslos ihn, Del und die drei Toten umstanden. Nicht einmal die Furcht auf ihren Zügen vermochte ihn noch zu erschüttern. »Geht!« sagte er noch einmal, als die Männer zögerten. »Del und ich kommen gleich nach. Geht zurück in die Ruine.« Er wartete geduldig, bis sie sich umgewandt hatten und gegangen waren, aber er schwieg weiter, wartete, bis auch der letzte im Inneren des Gebäudes verschwand und sie allein waren. Erst dann ließ er sich vor Del auf die Knie sinken und griff nach seiner Schulter.

»Hast du Schmerzen?« fragte er. Del mußte spürten, wie schwer es ihm fiel, ruhig zu bleiben. In seinem Inneren schien ein Taifun von widerstrebenden Gefühlen zu toben.

Del schüttelte mühsam den Kopf. »Jetzt nicht mehr.« Er lächelte, aber sein Gesicht verweigerte ihm den Dienst, als hätte er seine Muskeln nicht mehr völlig unter Kontrolle.

»Was war das, Del?« fragte Skar. Seine Stimme klang brüchig, flach und in seinen eigenen Ohren fremd. Irgendwo in seiner Brust erwachte ein dünner, quälender Schmerz. Er spürte, daß er nicht mehr lange die Kontrolle über sich selbst haben würde.

»Helth?« Del atmete hörbar ein. »Ich fürchte, wir haben einen schrecklichen Fehler gemacht, Skar. Es sieht so aus, als wäre unser Feind die ganze Zeit unter uns gewesen.«

»Dieses Ding war nicht Helth«, murmelte Skar.

»Nicht mehr«, verbesserte ihn Del. »Wir waren blind, Skar - du, ich, Gowenna... wir alle. Er hat die ganze Zeit nur auf eine Gelegenheit wie diese gewartet.«

»Er?«

»Der Dronte«, erwiderte Del ernst. »Dieses Ding ist ein Stück von ihm, Skar.« Er schwieg einen Moment, hob den Kopf und starrte an Skar vorbei nach Westen, dorthin, wo hinter den Ruinen Cor-ty-cors das Meer lag, als könne er den schwarzen Killersegler schon sehen. »Helth war der letzte, der von Bord des Dronte geflohen ist«, sagte er leise. »Er war länger auf diesem Ding als irgendeiner von uns, Skar. Irgend etwas ist mit ihm geschehen.« Seine Stimme zitterte, aber er sprach trotzdem, laut und beinahe zu ruhig, weiter. »Ich weiß nicht was, Skar, und ich weiß nicht wie, aber er hat von ihm Besitz ergriffen. Dieser Mann war schon nicht mehr Helth, als wir auf die SHAROKAAN zurückkehrten.«

Skar schwieg. Er wußte, daß Del recht hatte, aber etwas in ihm sträubte sich dagegen, seinen Worten zu glauben. Es war die ganze Zeit unter ihnen gewesen, vom ersten Moment an. Vielleicht nicht so mächtig und stark wie jetzt, aber schon im Keim vorhanden. Vielleicht war es gewachsen, ganz langsam, aber unerbittlich, hatte Helth wie ein Parasit Stück für Stück innerlich aufgefressen und ihn vom Mensch zum Ungeheuer werden lassen.

»Es war nicht Helth«, wiederholte Del noch einmal. »Der Vede ist zusammen mit seinem Vater und seinem Schiff gestorben, Skar.« Er bewegte die Schultern, schloß für einen Herzschlag die Augen und wollte aufstehen. Skar griff nach seinem Arm, umklammerte sein Gelenk und drückte mit aller Gewalt zu. Dels Lippen zuckten vor Schmerz.

»Ich habe noch eine Frage«, sagte er leise, »und ich möchte eine Antwort darauf.«

In Dels Augen blitzte es auf. Aber er schwieg.

»Du hast recht«, fuhr Skar fort. »Dieses Wesen war nicht mehr Helth. Aber wenn wir schon einmal dabei sind, Geheimnisse zu lüften, dann...« Er stockte. Alles in ihm sträubte sich dagegen, die Worte auszusprechen, und als er es tat, war seine Stimme nur noch ein heiseres Krächzen.

»Ich will wissen, wer mit mir in Anchor an Bord des Schiffes gegangen ist. Es war ein Mann, der aussah wie Del, wie er redete und sich benahm wie er. Aber er war es nicht. Wer bist du?«

Del schwieg einen Moment. Auf seinen Zügen entstand ein Ausdruck von Verblüffung, aber er war nicht echt, nur gespielt. Er versuchte, seinen Arm loszumachen, aber Skar drückte nur noch fester zu und stieß ihn grob zurück. »Wer bist du?!« sagte - schrie er.

»Bist du von Sinnen?« keuchte Del. »Ich bin Del!«

»Wer bist du?« wiederholte Skar stur. In seinem Hals saß plötzlich ein schmerzhafter, scharfer Klumpen.

Del seufzte. »So genau weiß ich das selbst nicht«, antwortete er, in jenem halb ungeduldigen, halb resignierenden Ton, in dem man einem Blinden versucht, Farben zu erklären. »Meine Eltern haben mich ausgesetzt, als ich ein Jahr alt war. Ich wuchs bei verschiedenen Leuten auf, bis mich eine Räuberbande fand und...«

Skar schlug ihn. Del kippte nach hinten, stützte sich im letzten Moment mit den Händen ab und starrte Skar verblüfft an.

»Ich warne dich«, krächzte Skar. »Spiel nicht mit mir! Sag mir die Wahrheit, oder ich schwöre dir, daß ich dich töten werde.«

Irgend etwas in Dels Blick änderte sich. Langsam setzte er sich auf, starrte einen Moment zu Boden und sah Skar dann erneut an. Seine Augen wirkten plötzlich wie zwei grundlose graue Seen. Es waren nicht Dels Augen. Es waren nicht einmal die Augen eines Menschen, dachte Skar schaudernd. Es waren die Augen eines Wesens, das in Jahrmillionen zu rechnen gewohnt war, nicht in den Spannen eines Menschenlebens, für das es keine Geheimnisse und keine Fragen mehr gab, das nicht einmal in diese Welt gehörte.

»Vielleicht ist es so am besten«, sagte er leise. »Ich möchte nur eines, Skar. Ich möchte, daß du weißt, daß ich es nicht gerne getan habe. Wir hassen es zu lügen, und wir hassen es besonders, Freunde zu belügen.«

»Freunde?«

Del (Del?) nickte. »Du hast recht«, bekannte er. »Ich bin nicht Del. Nicht der Del, den du kennst, Skar, und doch ein Stück von ihm. Vielleicht mehr, als ich selbst bisher gewußt habe.« Seine Züge zerflossen. Schatten huschten auf unsichtbaren flinken Füßen über sein Gesicht, ließen es grau und konturlos werden, eine brodelnde Fläche ohne erkennbare Umrisse. Skar stöhnte.

»Freunde«, sagte der Sumpfmann noch einmal. »Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt haßt, Skar, aber ich fühle für dich wie für einen Freund.«

»Wie... wie ist dein Name?« fragte Skar stockend. Er war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte es gewußt, Augenblicke bevor das Gesicht seines Gegenübers zerfloß und zu dem des Schattenmannes wurde. Trotzdem lähmte ihn der Anblick.

»Mein Name...« Der Sumpfmann lächelte traurig, und Skar sah es, obgleich er kein Gesicht hatte. »Mein Name ist Yar-gan - oder er war es einmal. Warum nennst du mich nicht Del wie bisher? Ich bin es, Skar.«

»Del ist...«

»Nicht, was du denkst«, sagte der Sumpfmann schnell. »Er lebt.« Skar lachte krächzend. »Wo?« murmelte er. »In dir? In Cosh? In eurer Erinnerung?«

»In allem«, erwiderte der Sumpfmann ernst. »Und auch in sich, Skar. Doch ein Teil von ihm ist auch in mir.«

»Er ist tot, nicht?« fragte Skar. »Ihr...«

»Er lebt«, sagte Yar-gan zum wiederholten Mal. »Der Mann, dessen Leichnam du an den Ufern des Besh gefunden hast, war nicht Del.« Skar starrte ihn an. Die Worte des Sumpfmannes hatten ihn getroffen wie ein Fausthieb. »Er...«

»Es war nicht Del, den du aus Cosh fortreiten sahst«, fuhr Yar-gan fort. »Velas Gift war zu stark in ihm, Skar. Es wäre sein Untergang gewesen, hätten wir deinem Wunsch entsprochen und ihn gehen lassen. Er wäre mit ihr in den Tod gegangen, und er hätte vielen anderen den Tod gebracht. Glaube mir. Vielleicht«, fügte er nach einer winzigen Pause hinzu, »hättest du den Kampf verloren, hätten wir ihn gehen lassen. Er ist ein Satai wie du, vergiß das nicht. Er weiß alles, was du weißt, und er ist jung und stark.«

Skar keuchte. »Ihr habt...«

»Ich kenne ihn«, fuhr der Sumpfmann unbeeindruckt fort, »vergiß das nicht. Ein Teil von ihm ist auch in mir. Ich kenne seine Gedanken und seine Art zu reagieren und zu handeln. Vielleicht hätte er dich besiegt. Del ist dein Schüler, und er hat viel von dir gelernt. Mehr, als du selbst ahnst, Skar.«

»Wo ist er?« keuchte Skar. »Noch in Anchor? Oder bei euch in Cosh?«

»Wir haben ihn zurückgeschickt zum Berg der Götter«, antwortete Yar-gan. »Er und ich haben Cosh zur gleichen Zeit verlassen. Wir haben für ihn getan, was wir konnten, doch auch unserer Macht sind Grenzen gesetzt. Wir haben die Wunden seines Körpers geheilt und seine Matrix wieder hergestellt, doch die Narben auf seiner Seele können nur die Hohen Satai pflegen. Du wirst ihn treffen, wenn du zum Berg der Götter zurückkehrst. Ich glaube, er wartet auf dich.« Plötzlich blitzte ein Lächeln durch die wogenden Schemen vor seinem Gesicht. »Du hast es die ganze Zeit gefühlt, nicht wahr?« fragte er. Skar nickte, und Yar-gan fuhr nach einer hörbaren Pause fort: »Ich wußte es. Del und du, ihr seid mehr als Freunde. Ich weiß nicht, was es ist, das euch verbindet, aber es ist zu stark, um auf Dauer getäuscht zu werden. Es ist gut, daß du die Wahrheit erkannt hast, Skar.«

»Warum?« fragte Skar matt. »Warum diese Lügen, Yar-gan? Warum habt ihr es mir nicht gesagt, als wir uns in Elay getroffen haben und alles vorbei war?«

»Weil es das nicht war«, antwortete Yar-gan ernst. »Es war nicht vorbei, und es ist immer noch nicht vorbei - vielleicht wird es niemals enden. Die Errish hat Kräfte geweckt, die diese Welt wie eine Eierschale zerbrechen können, Skar. Sie hat ihre Ziele nicht erreicht, aber sie hat das Schicksal dieser Welt verändert. Die Zukunft wird anders aussehen, so oder so.«

Skar fuhr sich müde mit den Händen über die Augen. Plötzlich fühlte er sich müde und ausgebrannt. »Und Gowenna? Weiß sie...«

»Von mir?« Yar-gan schüttelte hastig den Kopf. »Nein. Und es wäre gut, wenn sie weiterhin in dem Glauben bliebe, ich wäre Del. Es ist anders gekommen, als ich geglaubt habe, aber ursprünglich bin ich ihretwegen mitgekommen, Skar. Vieles mag für dich anders aussehen als noch vor Minuten, aber eines ist gleich geblieben: Ich traue ihr nicht. Sie hatte ihre eigenen Pläne mit Vela, sie hatte sie, und ich glaube, sie hat sie noch.«

»Warum zwingst du sie nicht, die Wahrheit zu sagen?« fragte Skar. »Ich kann es nicht, Skar«, antwortete der Sumpfmann ernst. »Du überschätzt unsere Möglichkeiten, wie die meisten. Wir haben Macht über die Gedanken der Menschen, das ist wahr, aber sie ist beschränkt. Wir können ein wenig täuschen und Dinge vorgaukeln, die nicht sind, und einen schwachen Geist vermögen wir zu beeinflussen; manchmal. Aber ihr Geist ist stark, so stark wie der deine, und in ihr schlummern die gleichen Kräfte wie in dir. Vielleicht wäre ich nicht einmal in der Lage, ihr zu widerstehen, wenn es zu einem Kampf zwischen uns käme.«

»Zu einem Kampf...«, wiederholte Skar halblaut. »Glaubst du wirklich, daß es dazu kommen könnte?«

Yar-gan antwortete erst nach einer Weile. Sein Blick ging an Skar vorbei ins Leere, und obwohl sein Gesicht wieder menschliche Züge angenommen hatte, bewegten sich seine Lippen nicht beim Sprechen. »Ich weiß nicht, was kommen könnte«, murmelte er. »Helth hat alles geändert. Ich glaube nicht, daß sich die Frage für uns stellen wird, Skar. Selbst wenn wir Vela finden, ehe sie das Kind gebährt, werden wir sterben.«

Skar machte eine ärgerliche Geste. »Du hast wirklich mehr von Del in dir, als ich dachte«, knurrte er. »Er spricht auch ununterbrochen von Tod und Sterben, weißt du? Noch leben wir, und wir sind vierzig gegen einen. Helth ist keineswegs unsterblich und schon gar nicht unverwundbar. Wäre er es, wäre er... nicht... geflohen.« Plötzlich fiel es ihm schwer weiter zu reden. Sein Verhalten kam ihm mit einem Mal absurd vor, so absurd wie ihre ganze Situation.

»Du bist verwirrt«, sagte Yar-gan leise. Skar versuchte zu lächeln, sah weg und atmete hörbar ein. Yar-gan hatte recht - er war verwirrt, mehr als jemals zuvor in seinem Leben, und man mußte kein Sumpfmann sein und hinter die Stirn seines Gegenübers blicken können, um dies zu erkennen. Was Yar-gan nicht wußte, war der Grund für seine Verwirrung. Es war nicht die plötzliche Demaskierung des Sumpfmannes; er hatte die ganze Zeit gespürt, daß Del nicht Del war, und seine Überraschung hielt nur wenige Augenblicke an. Er vermochte selbst nicht zu sagen, woher das quälende Gefühl in seinem Inneren kam. Irgend etwas stimmte nicht. Yar-gan mochte der Meinung sein, ihm den letzten Teil des Geheimnisses verraten zu haben, aber das war nicht wahr. Etwas fehlte noch, damit alles einen Sinn ergab. Etwas Entscheidendes.

»Gehen wir zurück«, schlug er nach einem Blick in den Himmel vor. Die Wolken zerrissen zusehends; das Firmament jedoch war noch immer von einem tiefen, drohenden Schwefelgelb, aber die größte Wut des Sturmes war gebrochen.

Yar-gan erhob sich wortlos, hob seine Waffen vom Boden auf und steckte Schwert und Dolch wieder in den Gürtel.

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