Das Geborgene Land, Königinnenreich Weyurn, 30 Meilen nordöstlich von Mifurdania, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.
Die Wogenschwinge schoss über das Wasser und hielt auf die Nordausläufer des Roten Gebirges zu, wo sich der Eingang zu dem Stollen verbarg, von dem das Monstrum berichtet hatte.
Der Nebel lichtete sich mehr und mehr, der Sonnenschein wärmte alle, die sich an Deck befanden, mit seinen Strahlen und ließ sie die feuchte Dunkelheit, in der sie gesteckt hatten, vergessen.
Sirka küsste Tungdil auf den Mund. »Du bist ein echter Gelehrter.«
Er genoss es, ihre weichen Lippen auf seinen zu fühlen. »Nein. Ich habe nur beobachtet«, sagte er und hielt nach der Sandbank Ausschau.
»Immer diese Bescheidenheit«, nörgelte Rodario, der in einer Hängematte lag und sich die erstarkende Sonne auf den Bauch scheinen ließ. »Wenn du nicht den Einfall gehabt hättest, in den leeren Kessel zu klettern, wären wir alle ertrunken.« Er schloss die Lider und blinzelte in das helle Gestirn. »Selbst Lot-Ionan. An dieser Stelle nochmals meinen verbindlichsten Dank.«
»Es war das gleiche Prinzip wie bei der Insel. Was mit Luft gefüllt ist, steigt unweigerlich nach oben.« Tungdil lächelte und erlaubte sich ein wenig Stolz.
Flagur, dem einer der scharfen Kesselränder eine Schnittwunde in die Schulter beschert hatte, nickte lobend. Er saß mit freiem Oberkörper auf einem Fass, das Verbandszeug lag griffbereit daneben. Einer seiner Begleiter nähte die Wunde geschickt, »Der Schauspieler spricht die Wahrheit. Es hätte anders kommen können. So sind die meisten von uns noch am Leben.« Flagur schien die Stiche der Nadel nicht zu spüren.
Tungdil bemerkte, dass Lot-Ionan abseits von ihnen im Schatten des Großmastes auf einer Taurolle saß. Er sah äußerst bekümmert aus. »Entschuldigt mich«, sagte er und ging zu seinem Ziehvater. »Was ist, ehrenwerter Magus?«
Lot-Ionan hob das weiße Haupt und bemühte sich, ein wenig zu lächeln. »Hast du es nicht bemerkt?« Er hob seine Hände. »Früher habe ich mit ihnen die kompliziertesten Gesten vollführt, niemals ging etwas fehl. Niemals!« Er senkte die Hände und verschränkte sie ineinander, als wollte er sie vor ihm verbergen. »Nun vollbringe ich Torheiten damit, und mein Gedächtnis foppt mich in einer äußerst ungünstigen Stunde.« Er stieß die Luft aus. »Ein Spiegelzauber! In einer Höhle, eingeschlossen von Wasser und tief auf dem Grund des Sees! Oh, was bin ich nur für ein Narr geworden.«
»Es ist Nudins Schuld«, versuchte Tungdil, ihm die Verantwortung zu nehmen.
»Das weiß ich«, erwiderte der Magus, »aber es macht es nicht besser.« Er schaute den Zwerg an. »Ich sorge mich um das, was die Zukunft bringt. Was nach dem Kampf gegen den Unauslöschlichen geschieht.« Tungdil versuchte, seine Gedanken zu erraten. »Das Jenseitige Land?«
»Nein. Die Zukunft der Magie im Geborgenen Land.« Er berührte das verwitterte Holz des Großmastes. »Die neue Quelle liegt an einer tiefen Stelle, und ohne die Insel wird es kaum jemandem gelingen, die Kraft zu nutzen.« Er schaute zu den Felswänden, die sich in vier Meilen Entfernung von ihnen erhoben. Eine davon erinnerte an ein Gesicht, der Felsvorsprung darin schuf eine Nase. Die Nase des Riesen. »Die Frage, die ich mir stelle, lautet: Gibt es überhaupt jemanden, der sie nutzen kann, außer mir?«
»Vielleicht noch mehr Schüler Nudins?« Tungdil spielte mit dem Tauende. »Macht Euch keine Sorgen, wie man auf den Grund sinken kann. Wenn man mit einem Kessel an die Oberfläche gelangt, kommt man damit auch wieder hinab. Es ist eine Frage des Ballastes. Wir brauchen keine Insel dazu.«
»Wenn es noch mehr Schüler von Nudin geben sollte, warum haben sie sich dann Dergard und seinen Freunden nicht angeschlossen?« Er stand auf und hielt sich den Rücken, der ihm wieder einen glühenden Stich versetzt hatte. »Was ist, wenn ich der letzte Magus des Geborgenen Landes bin?«
»Sie könnten es als Verrat angesehen haben, dass Dergard nicht auf den Spuren Nöd'onns wandelte, sondern sich an Euch wandte«, gab Tungdil seine Meinung kund. »Dergard hat die Quelle aufgespürt. Wir werden sehen, ob bald noch mehr Menschen in Weyurn auftauchen, die sich verdächtig nahe über dieser Stelle aufhalten.« Ein Ruf aus dem Ausguck machte ihn auf den Felsen aufmerksam. »Wir erreichen unser Ziel, ehrenwerter Lot-Ionan. Seid Ihr bereit?«
»Ich weiß es nicht.« Seine hellblauen Augen schauten unendlich müde. »Aber ich habe keine andere Wahl.« Er lächelte. »Wir alle haben keine Wahl, nicht wahr?«
Die Wogenschwinge pflügte durch die Wellen und ritt auf die bewachsene Sandbank zu.
Tungdil wünschte sich, seinen Freund Ingrimmsch in der bevorstehenden Auseinandersetzung an seiner Seite zu haben. Er konnte kämpfen und sorgte mit seinen markigen Worten selbst in aussichtslosen Lagen für Heiterkeit, gewollt oder ungewollt.
Ein Wirbel auf der Wasseroberfläche erinnerte Tungdil an die letzte Rune auf der Rüstung des Wesens, das zusammen mit der Insel auf dem Grund des weyurnschen Sees ruhte.
»Acht«, sagte er leise. Euere Tode haben acht Gesichter, setzte er den Spruch zusammen. Es war das Versprechen des Unauslöschlichen an die Elben gewesen. Ob es sich als voreilig erweist? Die Zahl Acht erklärte sich für ihn leicht. Fünf Maschinenwesen, zwei Unauslöschliche und der Alb, dem er in Toboribor begegnet war. Der Tod in achtfacher Gestalt. Zwei davon existierten noch.
Rodario öffnete die Augen und stemmte sich aus der Hängematte. »Wo ist das Kriegsschiff, mit dem der Unauslöschliche hierher gefahren ist?«, wunderte er sich. »Unsichtbar kann er es wohl nicht gemacht haben.« Flagur deutete nach steuerbord. »Da ist ein Schatten unter der Wasseroberfläche.« Er hob den Kopf zum Ausguck. »Was ist das?«, rief er und gab die Richtung an. Derweil hatte man ihm die Nahtstelle verbunden, und er zog seine Kleider und seine Rüstung wieder an.
»Ein Schiff«, kam es von oben. »Es ist abgesoffen und auf Grund gelaufen. Sieht aus wie das Kriegsschiff.« »Damit ist es sicher. Der Unauslöschliche befindet sich hier.«
Sirka ließ die Segel reffen und die Beiboote setzen, um den Segler nicht zu nahe an die Sandbank und das flachere Gewässer zu führen. Wer wusste schon, wie schnell sie von hier flüchten mussten? Schweigend und in Gedanken versunken setzten sie über. Als sie über den weichen Strand liefen, entdeckten sie hinter dichtem Gestrüpp einen drei Schritt hohen und zwei Schritt breiten Durchgang.
Vorsichtig betraten sie die Höhle, die sie nach wenigen Schritten zu einer steil nach unten verlaufenden Treppe führte. Aus dem dunklen Stollen vernahmen sie weit entferntes Hämmern, Stampfen und Rumpeln. Sie stiegen die Stufen hinab und gelangten in einen kreisrunden Stollen, dessen Durchmesser sich auf zehn Schritte belief. Der Boden war knietief mit feinem Gesteinsmehl bedeckt, die Luft war angefüllt mit grauem Staub, der Rodario zum Niesen zwang. Die glatt geschmirgelten Wände schimmerten in fahlem Licht. »Niemand zündet eine Fackel an«, befahl Tungdil rasch. »Der Staub in der Luft ist zu dicht. Er könnte sich durch eine Flamme entzünden.«
»Davon habe ich gehört«, nickte Rodario. »Hat es nicht einmal in Porista eine Getreidemühle durch Mehlstaub und eine Kerze zerrissen?« Er wandte sich nach dorthin um, wo der Stollen an den See grenzte. Eine gewaltige Verschalung war angebracht worden, baumstammdicke Eisenträger und Streben stemmten sich gegen eine Mauer aus Stein und Stahl, um die Wassermassen davon abzuhalten, den riesigen Gang zu fluten. »Dieser Bandilor war ein Meister des Bergbaus, kann das sein?«, richtete er seine Frage an Tungdil. »Ich dachte, die Dritten wären in erster Linie Krieger?«
»Man kann sich viel anlesen«, meinte Tungdil grinsend. »Los, vorwärts! Wer weiß, wie weit der Unauslöschliche vor uns ist.«
Sie liefen den Stollen entlang und erreichten eine Schienentrasse, die denen der Zwerge glich. Drei Loren standen bereit, die durch Muskelkraft und Kurbeln bedient werden konnten.
Flagur zeigte auf eine leere Stelle, wo sich weniger Staub am Boden befand. »Es waren einmal vier.« »Nichts wie hinterher.« Tungdil sprang auf das Gefährt, die anderen stiegen hinzu, und die Fahrt begann. Das Kurbeln übernahmen die Ubariu, die eine beachtliche Ge schwindigkeit erreichten. Der feine Staub setzte sich in den Augen, in der Nase und im Mund ab, es knirschte zwischen den Zähnen und schmeckte bitter. Die Augen juckten und brannten, und am liebsten hätten alle die Lider geschlossen.
Der Stollen zog sich schnurgerade durch das Rote Gebirge.
»Einen einfacheren Weg wird es für die Scheusale aus dem Jenseitigen Land nicht geben«, sagte Rodario und spuckte aus, um den Staub aus dem Mund zu bekommen. »Weder schrecken sie schroffe Gebirgskämme und Steilhänge, noch der scharfe Wind oder Eis und Schnee.«
»Sicher. Aber sie müssen Boote mitnehmen. Oder wie sollen sie sonst von der Sandbank gelangen?«, warf Sirka ein.
Tungdil bezweifelte im Stillen, dass Bandilor hinter dem Plan steckte. Auch wenn er sich verzweifelt dagegen wehrte, es sah alles danach aus, als habe Furgas in seinem Rachewahn den Untergang des Geborgenen Landes geplant. Und er war sich sicher, dass der Magister auch etwas ersonnen hatte, um die Scheusale weiterzutransportieren. Vielleicht mit seiner Insel oder einer eroberten schwimmenden Insel, von denen es genügend in Weyurn gab.
Einen echten Beweis für Furgas' Verrat hätte er erhalten, wenn er dessen Hinweise auf Schwachstellen an den Maschinenwesen verfolgt hätte. Doch im Kampf war keine Zeit dafür geblieben. »Sind wir froh, dass wir nicht mit eigenen Augen sehen, wie es funktioniert hätte«, meinte er. »Denn dann wären wir zu spät.« Die Fahrt dauerte lange, aber sie näherten sich unaufhörlich dem Stampfen und Rumpeln. Die Staubschleier wurden dichter und höher, die Lore fuhr wie durch Asche und wirbelte dicke graue Wolken auf. Der Lärm wurde lauter und lauter, bis er alles übertönte und eine Unterhaltung nicht mehr möglich war.
Vor ihnen erschien ein gewaltiger schwarzer Schatten, der den Stollen vollständig ausfüllte. Es war eine zwanzig Schritt lange Maschine, die ratterte, tickte und mahlte. An dem vorderen Ende drehte sich eine Art Bohrer und fraß sich unaufhörlich vorwärts, aus dem hinteren Stück rieselte der feine Staub heraus. Reihen von Rädern, ein jedes so groß wie eine kleine Hütte, drehten sich langsam und sorgten für den notwendigen Druck und Vortrieb beim Bohren. Tungdil hatte nun eine Erklärung für das Loch des Stollens, das nachträglich mit viel Aufwand geschlossen werden musste. Die Maschine war vermutlich von der Insel aus in das Rote Gebirge getrieben worden, und zwar deswegen unter der Wasseroberfläche, damit niemand sie durch einen Zufall entdeckte. Nachdem sie sich weit genug in den Fels gefressen hatte, wurde das Loch verstopft. »Sie bewegt sich von selbst«, schrie Sirka in Tungdils Ohr, um den Krach zu übertönen. »Ich sehe keine Mannschaft, die sie bedienen müsste.«
Er nickte nur. Das war mit Abstand das größte Meisterwerk, welches der Magister technicus vollbracht hatte. Eine Maschine, die sich unbeirrt und ohne Steuerung ihren Weg durch harten Fels fraß, Zyklus um Zyklus. Bis sie ins Jenseitige Land gelangte und dem Verderben Tür und Tor öffnete.
Rodario zupfte an seinem Kettenhemd und deutete auf die fehlende Lore. Sie stand dicht unterhalb der Maschine, ohne den Unauslöschlichen darin.
»Er ist irgendwo auf der Maschine«, schrie Tungdil und stieg aus. Er versank bis zur Brust in dem Staub und stapfte vorwärts zu einer eisernen Leiter, die neben dem hintersten Rad nach oben führte. Es fühlte sich an, als wate er durch pudriges Wasser.
Seine Begleiter folgten ihm, einer nach dem anderen erklomm die Maschine. Das Eisen erzitterte und vibrierte sanft, unentwegt rumpelte es, als seien schwere Hämmer im Innern bei der Arbeit. Es roch nach Stein, nach warmem Eisen, Öl und Staub.
Sie standen bald auf einem Laufgang aus Eisengittern, der sich einmal rund um die Maschine zog. In regelmäßigen Abständen gingen Treppen und Leitern nach oben und unten und führten zu anderen Ebenen. Auf den ersten Blick erkannten sie nur Eisenverkleidungen, weder Hebel noch Stellschrauben oder andere Vorrichtungen, mit denen man die Fahrt der Maschine aufhalten konnte. Dann hörten sie, dass sich das Rumpeln verstärkte und der Takt sich erhöhte. Der Bohrer beschleunigte seine Arbeit.
»Wir müssen sie aufhalten«, brüllte Tungdil. »Der Unauslöschliche hat...«
Eine schwarz gerüstete Gestalt landete hinter dem am Schluss laufenden Ubari und schlug mit seinen beiden Schwertern zu. In drei Teile gespalten, fiel der Krieger auf den Laufgang, ohne zu wissen, wer ihm das Leben genommen hatte. Sein Blut spülte den Staub vom Laufgang, mischte sich mit ihm und schuf graurote, feuchte Klumpen.
Der Unauslöschliche bewegte sich in seiner prachtvollen Tioniumrüstung so schnell und sicher, als wöge sie nichts. Das fahle dreckiggelbe Licht verlieh ihm eine noch unheimlichere Aura, und der geschlossene Helm machte es unmöglich, einen Blick auf sein Gesicht zu werfen. Tungdil starrte den Gegner an und konnte nur ahnen, was sich unter dem Metall verbarg.
Der Alb wollte sich nicht auf einen langen Kampf einlassen. Schon drückte er sich ab, um auf die Ebene über ihnen zu gelangen.
Flagur schleuderte seinen Dolch nach ihm und traf den Unauslöschlichen im Sprung. Die Spitze durchbrach die Panzerung oberhalb der rechten Hüfte, die Schneide bohrte sich zur Hälfte in den Alb. Dann war er so schnell verschwunden, wie er gekommen war.
Tungdil deutete nach oben. »Hinauf! Vielleicht gibt es da einen Eingang«, schrie er. »Erst die Maschine. Der Alb kommt von selbst zu uns.«
Aufmerksam erklommen sie Ebene um Ebene, krochen über den metallenen, verdreckten Rücken des mechanischen Wühlers und erreichten eine Luke. Flagur stieg zuerst hinab, danach folgten Tungdil und die anderen.
Sie sahen, dass der Unauslöschliche Vorbereitungen getroffen hatte. Sicher war dies einmal der Ort gewesen, von dem aus man die Apparatur steuern konnte, aber die immense Zerstörung in dem engen, stickigen und vor allem heißen Raum machte es unmöglich zu erkennen, welches Rädchen welchem Zweck gedient hatte. Sirka hatte eine breite Klappe entdeckt, die nach unten ins Herz der Maschine führte. Fragend deutete sie darauf, und Tungdil nickte nur.
Nun wurde es erst richtig ungemütlich. Die Hitze im Innern trieb allen den Schweiß aus den Poren, Ölspritzer hatten die Eisenstufen rutschig gemacht, und die Laufgänge waren noch schmaler als die auf der Außenseite. Mooslaternen spendeten Licht, das Rodario und Lot-Ionan kaum etwas erkennen ließ, aber für die Augen der Zwerge und Ubariu ausreichte.
Der atemberaubende Anblick des niemals zuvor Dagewesenen überwältigte sie schier.
Große und kleine Zahnräder wirbelten mal schnell, mal lang sam, Stangen rotierten, Ketten und dicke Lederbänder trieben Walzen an, aus denen Gestänge hervorragten und in andere Eisenvorrichtungen verschwanden. Es war ein lebendiger Wald aus Metall, in dem eine unvorsichtige Berührung ausreichen konnte, um von einer der Vorrichtungen gepackt und mitgeschleift zu werden. »Wonach suchen wir?«, schrie Sirka. »Oder sollen wir hiervon etwas kaputt machen?«
»Ich weiß nicht, ob es ausreicht«, brüllte Tungdil zurück. »Wir müssen den Antrieb finden und zerstören.« Sie verzog das Gesicht. »Und wie sieht ein Antrieb aus?«
Rodario deutete nach links, wo ein hausgroßer Eisenblock stand, aus dem etliche Ketten schnurrten und über Umlenkrollen in alle Bereiche der Maschine geleitet wurden. »Fangen wir da an und sehen, was geschieht«, schlug er vor.
Ein Ubari kreischte auf und ließ seine Waffe fallen. Sie sahen, dass zwischen einer Lücke im Eisengitter, auf dem sie liefen, eine schlanke Klinge in die Höhe ragte und sich genau in den Schritt des Kriegers gebohrt hatte. Der Unauslöschliche hing wie eine Spinne unter ihnen auf der anderen Seite.
Sterbend fiel der Ubari, während der Alb sich abstieß, zielsicher auf einer zwei Finger breiten Eisenstrebe landete und von dort wieder im Dunkel verschwand.
Rodario schluckte. Es blieben ihnen nur noch eine Hand voll Ubariu, um den Feind zu besiegen. »Ehrenwerter Lot-Ionan, tut doch etwas!«, verlangte er ängstlich.
Tungdil konnte dem Schauspieler seine Reaktion nicht einmal übel nehmen. »Rasch zu dem Klotz«, ordnete er an und lief los.
Sie gelangten zu dem Eisenblock, den sie für den Antrieb hielten. Die Ketten sirrten mit derart hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbei, dass sie vor ihren Augen verwischten und undeutlich wurden. Sie entfachten einen öligen Wind. Tungdil sah, dass sie straff gespannt waren und sich nicht so ohne weiteres zum Stehen bringen lassen würden. Blieben nur noch die Umlenkrollen.
Bevor er ihnen sagen konnte, was er beabsichtigte, tauchte der Alb wieder auf. Er hatte sich Flagur auserkoren, aber dieses Mal traf er auf einen vorbereiteten Widersacher.
Flagur parierte die erste Klinge mit seinem Schwert und fing den Arm ab, der die zweite Waffe führte. Dann trat er dem Unaus löschlichen gegen die Brust und schleuderte ihn nach hinten, ohne den Arm loszulassen. Der Knochen würde brechen.
Wie eine Puppe schnellte der Alb nach hinten, drückte sich aber an der Wand ab und kehrte mit zweifacher Wucht zu Flagur zurück. Er schlug mit dem Schwert nach ihm. Der Ubari musste den Arm des Albs loslassen, ohne ihn verletzt zu haben.
Seine Soldaten eilten heran und setzten dem Unauslöschlichen mit schnellen Hieben zu.
Der Unauslöschliche erkannte seinen Fehler. Bei diesen Gegnern handelte es sich nicht um die meist starken, aber dafür sehr behäbigen Orks. Er musste einstecken; nach zwei Treffern gegen seine Brust und seinen linken Oberschenkel versuchte er erneut, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen, um seine heimtückischen Angriffe von dort fortzusetzen.
Einen Ubari stach er nieder, den Schlag eines zweiten fälschte er ab, sodass der Oberkörper des Soldaten gefährlich nahe an eine Kette geriet. Nach einer zweiten, blitzschnellen Attacke, erfassten die Glieder den Ubari und rissen ihn fort. Seine Schreie verstummten bald. Irgendwo in der Maschine ertönte ein lautes Scheppern, und die umlaufende Kette färbte sich dunkelrot von seinem Blut.
»Greift ihn!« Lot-Ionan hatte die Gelegenheit genutzt, um einen Fesselzauber zu weben, den er über den Unauslöschlichen warf.
Die Runen auf der schwarzen Rüstung schimmerten auflehnend, doch sie bewahrten den Träger nicht vor der Wirkung der Magie. Wie eine Statue verharrte er, wütende Schreie drangen hinter dem Helm hervor. »Ringt ihn nieder!« Tungdil warf sich gegen den Alb, Flagur kam ihm zu Hilfe und entriss dem Gegner die beiden Schwerter.
»Macht ruhig, Freunde.« Rodario fühlte wenig Verlangen, sich dem Unauslöschlichen zu nähern, sondern kümmerte sich stattdessen um den Antrieb. »Ich lege die Maschine lahm.« Er hatte eine Klappe gefunden, die sich öffnen ließ, und dahinter sah er ein Zahnrad neben dem anderen und mehrere dicke Eisenfedern, die sich unablässig ab- und aufwickelten.
Darunter stand eine Wanne voller Öl. Kleine Schöpflöffel tauchten darin ein, luden sich voll und übergössen die schnell laufenden Teile damit; die schwarze Flüssigkeit rann an den Gestängen hinab zurück in die Wanne. »Na, da weiß selbst ich, was zu tun ist«, lachte er. Mit seinem Schwert bohrte er ein breites Loch in die Wanne; das Öl rann heraus, und die Schöpflöffel griffen bald ins Leere.
Aber noch tat sich nichts. Die Maschine lief weiterhin wie geschmiert.
»Das dauert zu lange.« Um den Vorgang zu beschleunigen, schleuderte Rodario den Gesteinsstaub, den er fand, durch die Klappe. Die Löffel förderten ihn nach oben und berieselten die kreiselnden Teile. Kurz darauf erklangen die ersten reißenden Geräusche, Metall rieb sich heiß und verbreitete einen stechenden Geruch. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Antrieb zum Stillstand kam.
»Und wieder einmal hatte der Unglaubliche eine unglaubliche Eingebung.« Er schloss die Klappe und sah zu, was Tungdil und die Ubariu mit dem Unauslöschlichen anstellten.
Ächzend blieb das erste Rad stehen. Einige der mit höchster Geschwindigkeit laufenden Teile wurden abrupt abgebremst, während andere weiterliefen und sich die Kraft nicht mehr übertragen ließ. Hell klirrend barst Eisen, mit Wucht durchschlugen Trümmer der Zahnräder die Hülle und sirrten als Geschosse davon.