Das Geborgene Land, Königinnenreich Weyurn, 12 Meilen nordwestlich von Mifurdania, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.
Tungdils Freude darüber, den auf immer verloren geglaubten Ziehvater in die Arme zu schließen - was er früher als dessen einfacher Laufbursche niemals gewagt hätte - ließ sich schwer in Worte fassen. »Ihr seid von den Steinen auferstanden, ehrenwerter Lot-Ionan! Die Götter waren mit uns allen«, jubelte er.
Lot-Ionan lächelte ihn an, die vielen Falten in seinem alten Gesicht verzogen sich und lachten mit. »Tungdil Bolofar! Ein bekanntes Gesicht in der Fremde von Weyurn. Kräftig bist du geworden, kräftig und ernster. Wie ein Krieger, nicht mehr wie mein Schmied und Laufbursche.« Er schaute sich nach den Menschen und Zwergen in der Tür um, von denen er keinen einzigen kannte. »Ich nehme an, dass es viel zu erzählen gibt? Ich habe schon gehört, dass Nudin vernichtet wurde. Vor mehr als sechs oder sieben Zyklen.«
»Seid Ihr müde oder erschöpft?«
»Nicht ein winziges Bisschen. Als hätte ich in einem Jungbrunnen gelegen.«
»Was ist das Letzte, an das Ihr Euch erinnert?«, erkundigte sich Tungdil.
Der Magus überlegte. »Es war die Auseinandersetzung mit Nudin. Ich dachte, mir rinne Sand durch die Adern, und mein versteinertes Herz erstarb. Im nächsten Augenblick erwachte ich auf dem Grund eines Sees und ertrank beinahe. Meine Magie rettete mich.«
»Wir wissen, dass es dort eine neue magische Quelle gibt, ehrenwerter Magus«, sagte Tungdil. »Dafür ist die andere für immer versiegt.« Bevor er weitersprach, wandte er sich an seine Begleiter. »Geht am besten zu Bett, lasst eure Wunden pflegen und brecht morgen zusammen mit mir und Lot-Ionan nach Toboribor auf. Ich werde mich lange mit meinem Ziehvater unterhalten, damit er einen Bruchteil von dem erfährt, was inzwischen im Geborgenen Land vor sich gegangen ist.« Dann schaute er zu dem Dorfältesten. »Seid so nett und gewährt uns ein Nachtlager. Königin Wey wird für alle Kosten aufkommen, die wir verursachen. Lasst uns bitte etwas zu essen und zu trinken bringen.«
»Sehr gern«, sagte der Mann und stand auf, um die notwendigen Anweisungen zu geben. Wenig später wurden ihnen Käse, getrockneter Fisch, Brot und Wein gebracht.
Tungdil roch den Wein und widerstand der Verlockung. Er fasste Lot-Ionans Hand und schüttelte sie noch einmal. »Ich bin so unendlich froh, Euch zu sehen«, wiederholte er und setzte sich neben ihn auf einen Stuhl. Der Magus entdeckte den goldenen Fleck auf seiner Hand, der im Schein des Feuers aufleuchtete. »Nanu, was ist denn das? Erzähle mir alles, was in den vergangen Zyklen geschehen ist.« Die Augen betrachteten ihn aufmerksam. »Was geht im Geborgenen Land vor?« Er fuhr dem Zwerg durch die kurzen braunen Haare. »Und vor allem möchte ich wissen, wie es dir ergangen ist.«
Tungdil unterdrückte seine Müdigkeit und berichtete von alten Zeiten, von den Kämpfen gegen Nudin und die Eoil samt ihrer Avatare. Er verschwieg nicht die Wahrheit und offenbarte dem Magus, dass es sich um eine Elbin gehandelt hatte, welche die Heimat in großes Unglück gestürzt hätte.
Er fasste sich kurz und beschränkte sich auf das Wesentliche. Die Zeit verging dennoch rasch. Als sich das Morgenrot am Himmel vor den Fenstern zeigte, kam er zu den neusten Ereignissen um die Steine, die Dritten und die Unauslöschlichen. »Jetzt ist es ihnen gelungen den Diamanten zu erobern. Sie werden versuchen, seine Macht zu befreien und Böses anzurichten. Gleichzeitig steht ein riesiges Heer vor den Toren der Vierten, das sich aus Untergründigen, Orks und einem weiteren Volk zusammensetzt. Es sind die alten Besitzer des Diamanten, die Anrecht auf ihren Stein haben«, kam er zum Schluss. »Ihr seid zur rechten Zeit aus Eurer Starre erwacht.« Er gähnte; der Drang ließ sich nicht länger unterdrücken.
Lot-Ionan schwieg und schaute in die Flammen des Kamins. Die Haare und auch sein Bart waren inzwischen getrocknet, und er sah aus, als sei er niemals in eine Statue verwandelt gewesen. »Die Freunde von einst sind alle tot, nichts ist mehr, wie ich es kannte.« Seine hellblauen Augen schauten ins Freie. »Kaum bin ich vom Fluch Nöd'onns befreit und habe noch nicht alles erfasst, was geschah, muss ich mich dem nächsten übermächtigen Gegner stellen.« Er seufzte. »Und aus meinem Tungdil Bolofar ist Tungdil Goldhand geworden. Ein echter Zwerg. Ein Held.« Er schüttelte das weiße Haupt. »Ihr Götter! Was habt ihr nur aus meiner Welt gemacht?« »Euren Stollen gibt es noch«, sagte Tungdil lächelnd. »Die Orks haben nicht alles vernichtet, als sie ihn heimsuchten.«
»Wenigstens ein wenig Bestand in dieser neuen Zeit.« Lot-Ionan drehte sich zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Aber wenn Palandiell und anscheinend auch Samusin möchten, dass wir und der junge Magus das Geborgene Land vor den Unauslöschlichen und ihren Geschöpfen bewahren, dann soll es so sein. Du hast deinen wahren Vater mehr als stolz gemacht. Und mich, mein lieber Tungdil, sowieso.«
Tungdil stiegen Tränen der Rührung in die Augen. »Was sollen wir tun, ehrenwerter Magus?« »Was du mir vorgeschlagen hast. Ich sehe nach dem verletzten Elben, der auf Windspiel wartet, und höre mir an, was er zu sagen hat. Es ist schwer zu glauben, dass die Elben den Pfad des Lichts verlassen haben und vor lauter Verblendung Böses anrichten.« Er nahm sich von dem Käse. Als er sich nach vorn beugte, sog er laut die Luft ein und richtete sich sofort wieder auf, hielt sich den Rücken.
»Ehrenwerter Lot-Ionan, was...?«
Er hob die Hand. »Es ist nichts, Tungdil. Mir scheint, als seien noch nicht sämtliche Stellen in mir vom steinernen Fluch befreit.« Er wiederholte seinen Versuch, und dieses Mal gelang es ihm. »Es kann aber auch einfach nur das Alter sein«, fügte er schmunzelnd hinzu. »Ich vergesse gern, wie viele Zyklen ich leben durfte. Die Zeit als Statue zähle ich nicht dazu.« Er aß von dem Käse, spülte ihn mit Wein hinunter. »Danach gehen wir nach Toboribor, um nach den Unauslöschlichen zu sehen. Ich werde Dergard unterwegs auf die Probe stellen, um sein Talent einschätzen zu können. Es sollte uns gelingen, die Herrscher der Albae zu besiegen. Falls sie die Macht des Steins nicht nutzen können.«
»Geben wir den Untergründigen den Diamanten?«, fragte Tungdil.
»Ich bin sehr dafür. Denn es erspart uns Blutvergießen. Wenn sie wirklich über einen Runenmeister und ein solches Heer verfügen - was immer die Acronta sein mögen -, hat ihnen das Geborgene Land nichts entgegenzusetzen.« Er schaute Tungdil in die Augen. »Ganz im Gegenteil. Dass sie uns bislang vor den Monstern bewahrten und niemals trotz ihrer Überlegenheit Anstalten machten, unser Land zu erobern, spricht für sie. Das werde ich gern jedem König und jeder Königin erklären.« Er bemerkte, wie klein Tungdils Augen geworden waren. »Lege dich ein wenig zur Ruhe, Tungdil, damit dein Körper wenigstens einen halben Zyklus Ruhe findet.«
»Ich kann unterwegs schlafen, auf der Überfahrt nach Windspiel«, lehnte er ab. »Wir haben endlich alle wichtigen Leute versammelt; jetzt darf ich erst recht nicht schlafen. Die Zeit arbeitet für die Unauslöschlichen, nicht für uns.« Er stand auf und verließ zusammen mit Lot-Ionan den Raum.
Der Dorfälteste erwartete sie mit der Botschaft, dass zwei Schiffe der königlichen Flotte auf der Suche nach den Verschollenen angelegt hätten.
Ungeduldig weckte Tungdil seine Begleiter und trieb sie ohne Frühstück auf das Schiff. Lot-Ionan bat Dergard in seine Kabine, die beiden Magi verschwanden vor den neugierigen Augen und Ohren hinter die Holzwände, um sich in Ruhe zu unterhalten.
Eines der Schiffe nahm Kurs auf die Alb-Insel und bewachte sie. Ein Kontingent Soldaten würde sie betreten und sich auf die Suche nach dem sich verbergenden Alb machen. Das zweite Schiff mit Tungdil und seinen Freunden fuhr zur Insel Windspiel, um den Elben, den sie in einem einstigen PalandiellHeiligtum zurückgelassen hatten, mithilfe von Lot-Ionans Kräften aus dem Fieber zu reißen. Dieses Mal zeigte sich der Sommer von seiner besseren Seite. Der frische Wind füllte die Segel und trieb das Schiff vorwärts.
Tungdils Augen hatten sich geschlossen, sobald die Leinen im Hafen des Dorfes gelöst worden waren. Er verschlief in einer Hängematte an Deck die Überfahrt und wurde abends von Sirka geweckt. »Sind wir da?« Er rieb sich die Augen und freute sich an ihrem Anblick, der nach wie vor fremd und aufregend war. Umso erstaunlicher fand er es, dass er Scheu hatte, auf die Zuneigung der Untergründigen einzugehen. Balyndis hatte ihn freigegeben. Oder war es die Art, wie er den ehernen Bund gelöst hatte? Verwundert stellte er fest, dass sich nicht alle Bänder des Bundes von ihm gelöst hatten.
»Noch nicht. Aber bald.« Sie streckte die Hand aus und half ihm beim Aufstehen.
Er sah zur Spitze der Steilküste, wo das imposante Gebäude stand, das inzwischen weniger als Heiligtum und mehr als königliches Archiv eine Rolle in Weyurn spielte. Da sich die Menschen wegen des vielen Wassers der Göttin Elria zugewandt hatten, galt Palandiell hier nicht mehr das, was sie in anderen Reichen wie Tabain oder Ran Ribastur immer noch war. Dafür lagerten unzählige Schriftrollen über die Städte, Dörfer und andere Aufzeichnungen in den Hallen und bildeten das Gedächtnis des Königinnenreiches.
Das Schiff passierte die Stelle, während sich die Wellen in fünfzig Schritt Entfernung gegen die Klippen warfen. Gischtschleier stiegen auf und wehten bis zu ihrem Schiff; sie belegten alles und jeden mit einem dünnen Wasserfilm. Tungdil wurde richtig wach.
»Ich sage Lot-Ionan Bescheid«, sagte er zu Sirka und eilte davon, was ihn im Stillen an eine Flucht denken ließ. Dabei verlangte alles in ihm danach, sie und ihre Kultur näher kennen zu lernen. Es waren noch viel zu viele Fragen zu den Untergründigen unbeantwortet.
Er klopfte, und Lot-Ionan öffnete ihm. »Wir sind da, ehrenwerter Magus.«
Der Magus las in seinen Augen die heimliche Frage danach, wie die Bewertung von Dergard ausgefallen sei. »Komm herein«, bat er und schloss die Tür hinter ihm.
Dergard saß auf der Bank, und er machte einen nicht sehr glücklichen Eindruck.
»Mein junger Freund kennt einige sehr gute Formeln, um die Magie zu formen und ihr Gestalt zu geben, doch fehlt es ihm an Erfahrung. Was verständlich ist«, begann Lot-Ionan mit seiner Erklärung. »Ich dagegen habe Erfahrung, aber die Zyklen als versteinerter Mensch haben ihre Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen.« Er tippte sich an die weißen Schläfen. »Manchmal fehlt mir eine passende Silbe, oder meine Hände beschreiben einen Bogen falsch. Das kann verheerende Folgen für den Spruch haben, der entstehen soll.« »Das bedeutet was für unser Vorhaben, ehrenwerter Magus?«
»Dass wir beide, Dergard und ich, uns gegenseitig benötigen, wenn wir gegen die Unauslöschlichen ziehen. Einer ist ohne den anderen weniger wert.«
»Ihr seid mir um mehr als Hundert Zyklen voraus, ehrenwerter Lot-Ionan«, meinte Dergard. »Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre, ändert aber nichts daran, dass meine Zunge oder meine Finger mich im Stich lassen. Und die Zeit, die Löcher in meinen Gedanken durch langes Studium zu stopfen, haben wir nicht.« Lot-Ionan betrachtete Tungdil und die Axt. »Es wird nach wie vor in deinen Händen liegen, die Hauptarbeit im Kampf zu verrichten. Dergard und ich bieten dir Rückhalt, aber wahrscheinlich nicht mehr.« Er wollte Tungdils Haupt berühren, verharrte erneut in der Bewegung und hielt sich den Rücken. »Verdammtes Alter«, fluchte er. »Warum kenne ich dagegen keinen Zauber?«
Tungdil überlegte. »Wir werden niemandem sagen, wie es um Euch bestellt ist«, schlug er vor. »Nur wenn die Unauslöschlichen glauben, in Euch die gefährlicheren Gegner zu sehen, wird es mir gelingen, nahe genug an sie heranzukommen und sie mit der Feuerklinge zu töten. Denkt Ihr genauso?«
Lot-Ionan lächelte. »Ich sehe, du bist ein guter Feldherr. Wir lassen die Freunde und die Feinde im Glauben, dass Dergard und ich die Einzigen sind, die sich mit den Herrschern der Albae messen können.« Das Schiff verlangsamte seine Fahrt, Trampeln und lautes Rufen zeigten ihnen, dass das Anlegemanöver begonnen hatte.
»Betrachten wir uns den Elben genauer«, schlug Lot-Ionan vor und verließ die Kabine als Erster. Die Gruppe ging von Bord, passierte das kleine Städtchen und zog hinauf zu dem alten Heiligtum, wo sie von dem Verwalter bereits erwartet wurden. Der Mann um die sechzig Zyklen mit Halbglatze hatte vom vielen Weintrinken eine rote Nase, und seine alte Garderobe wirkte, als sei sie zerknittert um seinen Leib geschlungen worden.
»Willkommen zurück.« Er verneigte sich und geleitete sie vorbei an unzähligen, mit Büchern angefüllten Hochregalen. Es waren die Verzeichnisse der Untertanen der vergangenen Zyklen, einschließlich der Heiraten, Geburten und Todesfälle. Königin Wey legte Wert darauf, die Entwicklung ihres Landes nachvollziehen zu können. »Der Elb ist nicht erwacht, aber auch nicht tot.« Er bemühte sich, wichtig auszusehen. »Das verdankt er allein meiner fürsorglichen Pflege und unzweifelhaft seiner Widerstandskraft.« Ihr Weg endete vor drei Schritt hohen Flügeltüren. »Ich bin kein Medicus, doch ich würde sagen, dass ein Mensch schon lange gestorben wäre.« Seine trüben, versoffenen Augen blickten zu Lot-Ionan. »Er ist der Medicus?«
»Ja, das bin ich«, sagte der Magus, um sich lange Erklärungen zu ersparen, öffnete die rechte Tür und betrat das Zimmer dahinter.
In dem abendsonnendurchfluteten Raum roch es nach See und Sommer, die geöffneten Fenster ließen das Tosen der Brandung, frische Luft und immer wieder winzige Tröpfchen herein, die Gischt der Wellen, die weit unter ihnen gegen die Steilküste anrannten.
Der Elb lag im Bett, die Hände über der Decke, den Oberkörper nur mit einem Verband umwickelt und die Augen geschlossen.
»Danke«, sagte Lot-Ionan und drückte die Tür ins Schloss, um den Verwalter draußen zu lassen. Dergard, Tungdil, Ingrimmsch, Sirka, Goda, Rodario und er befanden sich bei dem Verwundeten, der Rest musste in den Hallen des Heiligtums warten, bis sie ihnen mitteilten, was die Magi durch ihre Zauber erreichten. »Was hast du bei ihm versucht, Dergard?«, fragte der Magus.
»Ich beherrsche keine besonders guten Heilungszauber«, gab er beschämt zu.
Lot-Ionan wickelte den Verband ab und betrachtete die Löcher im Leib des Elben, die sich an den Rändern schwarz verfärbt hatten. Das Fleisch faulte. »Du hast also die Formeln angewandt, die du bei Nudin gefunden hast?«
»Ja.«
»Nenne mir sie.« Dergard zählte sie auf, und der Magus nickte. »Du beherrschst sehr gute Heilungszauber, Dergard, mach dir keine Vorwürfe. Doch der Elb benötigt eine andere Art von magischer Fürsorge.« Er hob die Arme über die Wunden, schaute ins Leere und murmelte Beschwörungen, bis sich zwischen seinen Fingern ein bläuliches Leuchten zeigte. Es sickerte wie zäher Honig nach unten und troff in die Löcher, füllte sie allmählich aus, bis ein kleiner See auf der Brust des Verwundeten stand.
Lot-Ionan beendete die Formeln, trat zurück und gab Dergard ein Zeichen, der daraufhin den Rest der Prozedur vollendete und das blaue Leuchten in blassgelbes umwandelte.
Durch die Magie wurde das abgestorbene Fleisch abgestoßen und fiel als alte, vertrocknete Haut rechts und links auf die Laken. Die Löcher, welche die Pfeile geschlagen hatten, schlössen sich und verwuchsen. Nur die helleren Stellen verrieten, wo sich vor wenigen Augenblicken drei Wunden befunden hatten.
»Es ist vollbracht«, atmete Dergard auf und nickte Lot-Ionan zu.
»Allein hätte es keiner von uns beiden vollbracht«, sagte der ältere Magus und lächelte. »Sehen wir es als gutes Zeichen, dass unsere erste gemeinschaftliche Arbeit Früchte trug.« Er trat wieder an das Bett heran. »Wecken wir ihn auf.«
Ingrimmsch nahm die Schüssel mit Wasser und leerte sie dem Elben ins Gesicht. »Ho, wach auf! Du hast lange genug geschlafen«, rief er heiter.
Der Elb öffnete tatsächlich ruckartig die Augen, sah den grinsenden Zwerg und rutschte nach hinten, nur um den Kopf gegen den Bettrahmen zu schlagen; die andere Hand langte an die Hüfte, wo er sonst wohl seine Waffe trug.
»Keine Angst, Freund«, sagte Tungdil auf Elbisch. »Wir fanden dich in den Hainen Älandurs. Du trugst drei Pfeile deines eigenen Volkes in dir. Wir nahmen dich mit und brachten dich nach Weyurn, um dich zu pflegen.« Er deutete auf seinen Ziehvater.
»Das ist Lot-Ionan der Geduldige, und daneben steht Dergard der Einsame. Die Magi haben dir dein Leben bewahrt.« Dann nickte er ihm zu. »Ich bin Tungdil Goldhand. Kannst du uns berichten, was dir widerfahren ist?« »Tungdil Goldhand?«, rief der Elb erleichtert. »Dann bin ich in guter Gesellschaft! Ich bin Esdalän, Hüter des Haines der Rache.«
»Was hat er gesagt?«, grummelte Ingrimmsch. »Sag ihm, er soll so sprechen, dass wir ihn alle verstehen können, Gelehrter.«
»Sind denn alle, die um uns herum stehen, deines Vertrauens würdig?«, fragte ihn Esdalän in seiner Sprache, der die Worte des Zwergs verstanden hatte.
Tungdil schaute ihn an. »Sprich Elbisch. Ich werde später entscheiden, wer wie viel deiner Worte vernehmen darf.«
Er wischte sich über das Gesicht, danach begann er mit seiner Erzählung. »Ich bin Esdalän, Baron von Jilsbon und ein guter Freund von Liütasil.« Er schluckte. »Mein Fürst ist tot.«
»Das wissen wir bereits. Er starb im Kampf gegen eines der Scheusale, als er den Diamanten verteidigen wollte.«
Esdaläns Gesicht verdüsterte sich vor Zorn. »Damit täuschen sie euch also! Sie machen euch weis, dass er gegen die Kreaturen der Unauslöschlichen gefallen ist.« Er senkte die Stimme. »Liütasil wurde ermordet. Schon vor vier Zyklen.«