6 Der Geruch eines Traums

Die kalte Luft roch sauber und frisch, als Perrin in den Wald galoppierte; die Brise war erfüllt von der Reinheit des Schnees, der fontänenartig unter Trabers Hufen aufspritzte. Hier draußen konnte er alte Freunde vergessen, die bereit waren, aufgrund von Gerüchten das Schlimmste zu glauben. Er konnte versuchen, Masema zu vergessen, und die Aes Sedai und die Weisen Frauen. Die Shaido hingegen waren mit dem Inneren seines Schädels verschmolzen, ein Rätselspiel, das nicht nachgab, wie sehr er auch daran zerrte. Er wollte es auseinanderreißen, aber das funktionierte nie bei einem schmiedeeisernen Rätselspiel.

Nach einem kurzen Sprint zügelte er den Mausgrauen, bis er Schritt ging, und verspürte einen Anflug von schlechtem Gewissen. Die Dunkelheit unter dem Blätterdach war tief, und zwischen den hohen Bäumen hervorragende Felsspitzen warnten vor weiteren, die unter dem Schnee verborgen lagen, hundert Stellen, die einem galoppierenden Pferd das Bein brechen konnten, und da waren Maulwurfslöcher und Fuchshöhlen nicht mit eingerechnet. Es war unnötig, dieses Risiko einzugehen. Ein Galopp würde Falle keine Stunde früher befreien, davon abgesehen konnte kein Pferd dieses Tempo lange durchhalten. Der Schnee war an verwehten Stellen knietief, und überall sonst tief genug. Er ritt nach Nordosten. Die Kundschafter würden aus Nordosten kommen, mit Neuigkeiten über Falle. Oder zumindest Neuigkeiten über die Shaido. Er hatte so oft darauf gehofft, dafür gebetet, aber heute würden sie eintreffen, das wußte er. Aber dieses Wissen verstärkte seine Anspannung nur. Sie zu finden war bloß der erste Teil dieses Rätselspiels. Der Zorn ließ seine Gedanken von einer Sache zur nächsten springen, aber was Balwer auch sagen mochte, Perrin wußte, dass er bestenfalls methodisch war. Er war nicht gut darin, schnell zu denken, und da es ihm an Gewitztheit fehlte, musste das Methodische reichen. Irgendwie.

Aram schloß zu ihm auf und trieb seinen Grauen hart an, dann wurde er langsamer und ritt ein Stück hinter ihm, an der Seite wie ein Hund, der bei Fuß ging. Aram roch niemals entspannt, wenn Perrin ihm befahl, neben ihm zu reiten. Der ehemalige Kesselflicker sagte kein Wort, aber Ströme in der eisigen Luft trieben seinen Geruch heran, eine Mischung aus Wut und Enttäuschung und Verärgerung. Er saß so angespannt wie eine überdrehte Uhrenfeder im Sattel und beobachtete den Wald grimmig, als würde er erwarten, dass hinter dem nächsten Baum Shaido hervorspringen würden.

In Wahrheit hätte sich in diesem Wald so gut wie alles vor den meisten Männern verbergen können. Wo durch das Blätterdach der Himmel hindurchschimmerte, zeigte er einen dunkelgrauen Ton, aber im Augenblick war der Wald in Schatten getaucht, die verschwommener als die Nacht waren, und die Bäume selbst waren massive Säulen aus Dunkelheit. Doch Perrins Augen nahmen selbst die Bewegung einer schwarzen Dohle auf einem verschneiten Ast wahr, deren Federn sich wegen der Kälte sträubten, und eine jagende Kiefernschwalbe, die ein tieferes Schwarz als die Dunkelheit aufwies. Er nahm auch von beiden den Geruch wahr. Von einer massiven Eiche mit Ästen, die so dick wie Baumstämme waren, trieb ein schwacher Hauch von Männergeruch heran. Die Ghealdaner und Mayener ließen ihre berittenen Patrouillen das Lager im Umkreis von ein paar Meilen umrunden, aber Perrin bevorzugte es, in der Nähe Männer von den Zwei Flüssen zu haben. Er hatte nicht genug Leute, um das Lager komplett zu umringen, aber sie waren an Wälder gewöhnt und daran, Tiere zu jagen, die im Gegenzug sie jagen würden, daran gewöhnt, Bewegungen zu bemerken, die einem Mann entgehen würden, der in Begriffen wie Soldat und Krieg dachte. Raubkatzen aus den Bergen, die Jagd auf Schafe machten, konnten sich überall verbergen, und Bären und wilde Eber waren dafür bekannt, dass sie sich ihren Verfolgern stellten und im Hinterhalt lauerten. Von dreißig oder vierzig Fuß hohen Ästen sahen die Männer alles, was sich bewegte, und zwar rechtzeitig, um das Lager zu warnen, und mit ihren Langbögen konnten sie von jedem, der sich den Weg an ihnen vorbeikämpfen wollte, einen blutigen Preis einfordern. Aber er nahm die Anwesenheit des Wächters so flüchtig wahr wie die Dohle. Seine Konzentration war jenseits der Bäume und Schatten gerichtet, auf das erste Anzeichen der zurückkehrenden Kundschafter.

Plötzlich warf Traber den Kopf in die Höhe und schnaubte eine Nebelwolke, seine Augen verdrehten sich vor Furcht, er blieb abrupt stehen, und Arams Grauer wieherte und scheute. Perrin beugte sich vor, um den Hals des zitternden Hengstes zu tätscheln, aber seine Hand erstarrte, als er den Hauch eines Geruchs wahrnahm, den Geruch von brennendem Schwefel, bei dem sich seine Nackenhaare aufrichten wollten. Es roch aber nur beinahe wie verbrannter Schwefel; dies war nur eine schwache Imitation dieses Geruchs. Es hatte den Gestank von ... etwas Unnatürlichem, etwas, das nicht in diese Welt gehörte. Der Geruch war nicht neu — man hätte diesen Gestank niemals frisch nennen können —, aber auch nicht alt. Eine Stunde, vielleicht weniger. Vielleicht die Zeit, zu der er aufgewacht war. Die Zeit, in der er diesen Geruch geträumt hatte.

»Was ist, Lord Perrin?« Aram hatte Mühe, seinen Grauen zu besänftigen, der sich im Kreis drehte, gegen die Zügel ankämpfte und in jede Richtung laufen wollte, solange sie ihn nur hier fort brachte. Aber obwohl er an den Zügeln zerrte, hatte er das Schwert mit dem Wolfkopfknauf gezogen. Er übte täglich damit, stundenlang, wenn er konnte, und jene, die sich in solchen Dingen auskannten, waren der Ansicht, dass er gut darin war. »Ihr könnt hier vielleicht einen schwarzen Faden von einem weißen unterscheiden, aber für mich ist es noch nicht Tag. Ich kann in der Dunkelheit nichts erkennen.«

»Steckt das Schwert weg«, sagte Perrin. »Es wird nicht gebraucht. Schwerter würden sowieso nichts ausrichten.« Er musste sein zitterndes Pferd dazu verleiten, sich wieder vorwärts zu bewegen, aber er folgte dem ranzigen Duft und studierte den schneebedeckten Boden. Er kannte diesen Geruch, und nicht nur aus seinem Traum.

Er brauchte nicht lange, um das zu finden, was er suchte, und Traber wieherte dankbar, als Perrin ihn ein Stück vor einem abgeflachten grauen Felsen anhielt, der rechts von ihm in die Höhe ragte. Der umliegende Schnee war unberührt, aber die schräg stehende Felsplatte war mit Pfotenabdrücken von Hunden versehen, so als wäre ein Rudel darübergelaufen. Ob das Licht nun schlecht war oder nicht, für Perrins Augen waren sie deutlich sichtbar. Pfotenabdrücke, die größer als seine Hand waren und sich in den Stein eingegraben hatten, als bestünde er aus Lehm. Er tätschelte wieder Trabers Hals. Kein Wunder, dass das Tier Angst hatte.

»Aram, reitet ins Lager zurück und sucht Dannil. Sagt ihm, ich hätte befohlen, alle wissen zu lassen, dass Schattenhunde hier waren, vielleicht vor einer Stunde. Ihr würdet nicht versuchen wollen, einen Schattenhund mit dem Schwert zu töten, glaubt mir.«

»Schattenhunde?«, rief Aram aus und schaute in die trüben Schatten zwischen den Bäumen. Jetzt ging eine nervöse Furcht von ihm aus. Die meisten Männer hätten über die Geschichten von Reisenden oder Kindermärchen gelacht. Kesselflicker durchstreiften das Land und wußten, auf was man in der Wildnis stoßen konnte. Aram schob das Schwert mit offensichtlichem Zögern wieder in die Scheide auf seinem Rücken, aber seine rechte Hand blieb erhoben, auf halber Höhe zum Griff. »Wie tötet man einen Schattenhund? Können sie überhaupt getötet werden?«

»Seid froh, dass Ihr es nicht versuchen müsst, Aram. Und jetzt geht und tut, was ich Euch aufgetragen habe. Jeder muss auf der Hut sein für den Fall, dass sie zurückkommen. Ich würde zwar sagen, dass das nicht sehr wahrscheinlich ist, aber es ist besser, vorbereitet zu sein.« Perrin erinnerte sich daran, wie er einem Rudel gegenübergestanden und einen getötet hatte. Er hatte gedacht, einen getötet zu haben, nachdem er ihn mit drei guten Pfeilen getroffen hatte. Schattengezücht starb nicht so leicht. Moraine hatte das Rudel mit Baalsfeuer auslöschen müssen. »Sorgt dafür, dass die Aes Sedai und Weisen Frauen davon erfahren, und die Asha'man.« Ziemlich unwahrscheinlich, dass einer von ihnen wusste, wie man Baalsfeuer erschuf — die Frauen würden möglicherweise nicht zugeben wollen, dass sie ein verbotenes Gewebe kannten, wenn sie es denn taten, und für die Männer galt möglicherweise das Gleiche —, aber vielleicht wußten sie etwas anderes, das funktionierte.

Aram wollte ihn nicht allein lassen, bis Perrin ihn anschnauzte, und dann wandte er sich beleidigt dem Lager zu, als wären zwei Männer auch nur eine Spur sicherer gewesen als einer allein. Sobald er außer Sicht war, lenkte Perrin Traber nach Süden, die Richtung, die auch die Schattenhunde genommen hatten. Hierfür wollte er keine Begleitung, nicht einmal Aram. Nur weil Leute manchmal seine scharfen Augen erwähnten, war das kein Grund, sie unter Beweis zu stellen, genauso wenig wie seinen Geruchssinn. Es gab bereits mehr als genug Gründe, ihm aus dem Weg zu gehen, da musste man nicht noch welche hinzufügen.

Möglicherweise war es Zufall gewesen, dass die Kreaturen so nahe an seinem Lager vorbeigelaufen waren, aber die letzten paar Jahre hatten ihn vorsichtig gemacht, was Zufälle anging. Allzu oft waren es überhaupt keine Zufälle, nicht in dem Sinn, wie andere Männer sie auffassten. Falls dies wieder einmal einer der Fälle war, an denen sein ta'veren am Muster zupfte, hätte er darauf verzichten können. Diese Veranlagung schien mehr Nachteile als Vorteile zu haben, selbst wenn sie zum Vorteil zu gereichen schien. Die Chance, die einem noch in dem einen Augenblick einen Vorteil brachte, konnte sich im nächsten gegen einen wenden. Und es gab da auch immer eine andere Möglichkeit. Als Ta'veren stach man immer aus dem Muster heraus, und einige der Verlorenen konnten einen dadurch manchmal aufspüren; zumindest hatte man ihm das erzählt. Vielleicht verfügte ein Teil des Schattengezüchts ebenfalls über diese Fähigkeit.

Die Spur, der er folgte, war mindestens eine Stunde alt, aber Perrin spürte eine Anspannung zwischen den Schulterblättern, ein Prickeln in der Kopfhaut. Der Himmel war da, wo er sich zeigte, noch immer dunkelgrau, sogar für seine Augen. Die Morgenröte hatte den Horizont noch nicht erhellt. Kurz vor Sonnenaufgang war einer der schlechtesten Augenblicke, um der Wilden Jagd zu begegnen, wenn sich die Dunkelheit in Licht verwandelte, das Licht aber noch nicht Fuß gefasst hatte. Wenigstens gab es in der Nähe keine Kreuzwege, auch keinen Friedhof, aber die einzigen Herdsteine, die man hätte berühren können, gab es ein Stück zurück in Brytan, und er war sich nicht sicher, wie viel Schutz diese Hütten boten. In Gedanken markierte er den Verlauf eines naheliegenden Stroms, wo man Wasser für das Lager geschöpft hatte, indem man das Eis aufschlug. Er war kaum breiter als zehn oder zwölf Schritte und nur knietief, aber fließendes Wasser zwischen sich und Schattenhunde zu bringen sollte sie angeblich aufhalten. Aber das sollte es auch, wenn man sich ihnen stellte, und er hatte gesehen, wie das Ergebnis war. Seine Nase prüfte die Brisen und suchte nach jenem alten Geruch. Und nach jedem Hinweis auf einen neuen. Nichtsahnend auf diese Ungeheuer zu stoßen würde schlimmer als nur unerfreulich sein.

Traber witterte fast so mühelos wie Perrin und erkannte die Gerüche manchmal sogar früher, aber jedes Mal, wenn das mausgraue Pferd scheute, zwang Perrin es weiter. Der Schnee wies viele Spuren auf, Hufabdrücke der berittenen Patrouillen, gelegentlich auch Fährten von Hasen und Füchsen, aber die Spuren der Schattenhunde waren nur dort zu sehen, wo Stein aus dem Schnee ragte. Der Gestank nach verbranntem Schwefel war hier stets am stärksten, aber er verweilte ausreichend dazwischen, um Perrin zu der nächsten Stelle zu führen, an der ihre Abdrücke zu sehen waren. Die gewaltigen Pfotenspuren überlappten einander, und man konnte unmöglich sagen, wie viele Schattenhunde es gewesen waren, aber ob die von ihnen überquerte felsige Fläche nun einen Schritt oder sechs breit war, sie war von einer Seite zur anderen mit Abdrücken übersät. Ein größeres Rudel als das, das er außerhalb von Illian gesehen hatte. Viel größer. War das der Grund, warum es in der Gegend keine Wölfe gab? Er war davon überzeugt, dass der sichere Tod, den er im Traum gefühlt hatte, etwas Reales war, und in diesem Traum war er ein Wolf gewesen.

Als der Pfad nach Westen abbog, beschlich ihn ein wachsender Verdacht, der zur Gewissheit wurde, als er die Richtung beibehielt. Die Schattenhunde hatten das Lager vollständig umrundet, sie hatten die Stelle nördlich des Lagers überquert, an der mehrere große Bäume zur Hälfte umgestürzt lagen und von ihren Nachbarn gestützt wurden; bei jedem der zersplitterten Stämme war ein großes Stück sauber herausgestanzt. Die Spuren führten über eine Felsplatte, die die flache Glätte eines Marmorbodens aufwies, wenn man von dem haardünnen Spalt absah, der sich in einer geraden Linie quer darüberzog. Nichts konnte der Öffnung eines Asha'man-Wegetors widerstehen, und hier hatten sich zwei aufgetan. Eine stämmige Kiefer, die ihnen im Weg gestanden hatte und umgestürzt war, wies eine vier Schritte breite Lücke auf, die aus ihr herausgebrannt war, doch die verkohlten Enden schlössen so sauber ab, als wären sie in einer Sägemühle entstanden. Aber anscheinend hatten sich die Schattenhunde nicht für die Eine Macht interessiert. Das Rudel hatte hier genauso wenig wie an anderen Stellen verweilt und war, soweit Perrin sehen konnte, auch nicht langsamer geworden. Schattenhunde konnten schneller als Pferde laufen und auch länger, und ihr Gestank schien sich an keinem Ort mehr aufgelöst zu haben als an anderen. An zwei Stellen des Kreises hatte er eine Abzweigung vom Weg gespürt, aber hier war das Rudel nur aus dem Norden gekommen und später nach Süden weitergeeilt. Einmal um das Lager herum und dann weiter ihrem Wild nach, wer oder was das auch immer war.

Offensichtlich war er es nicht. Vielleicht hatte das Rudel die Runde eingelegt, weil sie ihn gespürt hatten, jemanden, der ta'veren war, aber er bezweifelte, dass die Schattenhunde auch nur einen Augenblick lang gezögert hätten, in das Lager einzufallen, wenn sie hinter ihm hergewesen wären. Das Rudel, dem er seinerzeit entgegengetreten war, war in die Mauern Illians eingedrungen, obwohl es ihn erst später hatte umbringen wollen. Aber erstatteten Schattenhunde Bericht über das, was sie sahen, so wie Ratten und Raben? Der Gedanke ließ ihn die Zähne zusammenbeißen. Jeder geistig gesunde Mann fürchtete die Aufmerksamkeit der Schatten, und sie könnte die Befreiung Failes beeinträchtigen. Das sorgte ihn mehr als alles andere. Aber sollte es dazu kommen, es gab Methoden, Schattengezücht zu bekämpfen, Methoden, die Verlorenen zu bekämpfen. Was auch immer sich zwischen ihn und Falle stellte, Schattenhunde oder die Verlorenen oder etwas anderes, er würde einen Weg finden, es zu umgehen oder mitten hindurchzumarschieren, was auch immer nötig war. Ein Mann konnte in einer Situation nur bis zu einem gewissen Grad Angst haben, und seine sämtlichen Ängste drehten sich um Faile. Da war einfach kein Platz mehr für andere.

Bevor er seinen Ausgangspunkt erreichte, trug der Wind die Gerüche von Menschen und Pferden heran, die in der eiskalten Luft scharf hervortraten, und er zügelte Traber zum langsamen Schritt und schließlich zum Halt. Etwa hundert Schritte voraus hatte er fünfzig oder sechzig Pferde gesehen. Die Sonne blinzelte endlich über den Horizont und schickte schräge Lichtstrahlen durch das Blätterdach, die vom Schnee widergespiegelt wurden und das Dämmerlicht etwas aufhellten; allerdings blieben zwischen den schlanken Fingern der Sonne tiefe Schattentümpel bestehen. Einige dieser Schatten hüllten ihn ein. Die berittene Gruppe war nicht weit von der Stelle entfernt, an der er die Fährte der Schattenhunde entdeckt hatte, und er konnte Arams giftgrünen Umhang und rotgestreiften Mantel ausmachen. Die Kesselflickertracht passte überhaupt nicht zu dem Schwert auf seinem Rücken. Die meisten Reiter trugen wie Töpfe geformte, rote Helme und dunkle Umhänge über roten Brustpanzern, und die langen roten Wimpel an ihren Lanzen flatterten im leichten Windzug, als die Soldaten versuchten, in alle Richtungen Ausschau zu halten. Die Erste von Mayene ritt oft morgens aus, begleitet von einer Leibwache aus Geflügelten Wachen.

Perrin fing an, sich davonzustehlen, um Berelain nicht begegnen zu müssen, aber dann entdeckte er drei hochgewachsene Frauen, die barfuß zwischen den Pferden gingen, lange dunkle Schultertücher um die Köpfe und die Oberkörper geschlungen, und er zögerte. Weise Frauen ritten, wenn sie es mussten, wenn auch unwillig, aber eine Meile oder mehr mit schweren Röcken durch den Schnee zu stapfen war kein ausreichender Grund, um sie auf einen Pferderücken zu zwingen. Mit ziemlicher Sicherheit befanden sich auch Seonid oder Masuri bei der Gruppe; die Aielfrauen schienen Berelain aus irgendeinem unerfindlichen Grund zu mögen.

Er hatte nicht daran gedacht, sich den Reitern anzuschließen, wer auch immer bei ihnen war, aber sein Zögern beraubte ihn der Chance, ihnen ungesehen aus dem Weg zu gehen. Eine der Weisen Frauen — er glaubte Carelle zu erkennen, eine Frau mit feuerrotem Haar, deren scharfe blauen Augen stets eine Herausforderung zu verkünden schien — hob eine Hand, um in seine Richtung zu zeigen, und die ganze Gruppe drehte sich, die Soldaten rissen die Pferde herum, schauten zwischen den Bäumen zu ihm herüber und senkten die mit einem Fuß Stahl versehenen Lanzen. Es war unwahrscheinlich, dass sie ihn in den tiefen Schattenflecken und den hellen Sonnenlichtstrahlen deutlich erkennen konnten. Es überraschte ihn, dass es der Weisen Frau gelungen war, aber für gewöhnlich hatten Aiel scharfe Augen.

Masuri war da, eine schlanke Frau mit einem bronzefarbenen Umhang, die eine gescheckte Stute ritt, und Annoura, die ihre braune Stute ein ganzes Stück abseits hielt, doch an den Dutzenden dünnen schwarzen Zöpfen zu erkennen war, die aus ihrer Kapuzenöffnung hingen. Berelain saß an der Spitze auf einem schlanken kastanienbraunen Wallach, eine große wunderschöne junge Frau mit langem schwarzem Haar, die einen roten, mit schwarzem Pelz gefütterten Umhang trug. Aber ihre Schönheit wurde von einem einfachen Makel geschmälert: sie war nicht Faile. Und so weit es ihn betraf, wurde sie noch von einem viel schlimmeren Makel entstellt. Sie hatte ihm die Nachricht von Failes Entführung überbracht und von Masemas Kontakt mit den Seanchanern, aber beinahe jeder im Lager glaubte, er hätte mit ihr in der Nacht des Tages geschlafen, an dem Faile entführt worden war, und sie hatte nichts getan, um diese Verleumdung zu entkräften. Bei einer solchen Geschichte konnte er sie wohl kaum bitten, die Verleumdung öffentlich zu widerlegen, aber sie hätte etwas tun können, hätte ihren Dienerinnen befehlen können, es abzustreiten, irgendetwas. Stattdessen schwieg Berelain, und ihre Dienerinnen, die wie die Elstern klatschten, nährten die Geschichte auch noch.

So etwas blieb an einem Mann hängen, jedenfalls in den Zwei Flüssen.

Seit jener Nacht war er Berelain aus dem Weg gegangen, und er wäre jetzt weggeritten, obwohl sie ihn gesehen hatte, aber sie nahm von der Dienerin in ihrer Begleitung, einer molligen Frau in einem blauen und goldenen Umhang, einen Korb entgegen, sagte etwas zu den anderen und lenkte ihren Wallach in seine Richtung. Allein. Annoura hob eine Hand und rief ihr etwas hinterher, aber Berelain sah sich nicht einmal um. Perrin hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie ihm folgen würde, wo auch immer er sich hinwandte, und wenn er jetzt ging, würden die Leute beim derzeitigen Stand der Dinge nur glauben, dass er mit ihr allein sein wollte. Er stieß seine Hacken in Trabers Flanken, um sich zu den anderen zu gesellen, so wenig Lust er dazu auch hatte — sollte sie ihm doch zurück zu ihnen folgen, wenn sie wollte —, aber sie trieb ihr Pferd trotz des schwierigen Geländes und des Schnees zum leichten Galopp an, setzte sogar mit wehendem rotem Umhang über einen hervorragenden Felsen hinweg und traf ihn auf halbem Weg. Sie war eine gute Reiterin, wie er widerstrebend zugeben musste. Nicht so gut wie Faile, aber besser als die meisten.

»Eure finstere Miene ist ziemlich wild«, sagte sie und lachte leise, als sie vor Traber anhielt. Nach der Art zu urteilen, wie sie die Zügel hielt, war sie bereit, ihm den Weg zu verstellen, sollte er versuchen, um sie herumzureiten. Die Frau hatte nicht das geringste Schamgefühl! »Lächelt, damit die Leute denken, wir würden flirten.« Sie hielt ihm den Korb entgegen. »Zumindest das sollte Euch aufmuntern. Wie ich gehört habe, habt Ihr vergessen zu frühstücken.« Sie rümpfte die Nase. »Und Euch zu waschen. Euer Bart musste ebenfalls gestutzt werden. Ein gramgebeugter, etwas ungepflegter Ehemann, der seine Frau rettet, ist eine romantische Figur, aber sie dürfte nicht sehr von einem schmutzigen zerlumpten Kerl angetan sein. Keine Frau wird jemals verzeihen, wenn Ihr ihr Bild von Euch zer — stört.«

Verwirrt nahm Perrin den Korb entgegen, stellte ihn vor sich auf dem hohen Knauf seines Sattels ab und rieb sich unbewusst die Nase. An gewisse Düfte von Berelain war er gewöhnt, für gewöhnlich die einer jagenden Wölfin und er war das Wild, aber heute verströmte sie keinen Jagdgeruch. Nicht einmal einen Hauch davon. Sie roch so geduldig wie ein Stein, und amüsiert mit einem Unterton von Furcht. Soweit er sich erinnern konnte, hatte sich diese Frau noch nie vor ihm gefürchtet. Und weswegen musste sie geduldig sein? Und wenn er schon dabei war, worüber konnte sie sich amüsieren? Ein Berglöwe, der wie ein Lamm roch, hätte ihn nicht mehr verwirren können.

Verwirrt oder nicht, der aus dem zugeklappten Korb aufsteigende Duft ließ seinen Magen knurren. Gebratenes Rebhuhn, wenn er sich nicht irrte, und Brot, das noch warm war. Mehl war knapp geworden, und Brot war fast so selten wie Fleisch. Es stimmte, dass er an manchen Tagen das Essen versäumte. Er vergaß es einfach manchmal, und wenn er sich daran erinnerte, war es eine Last, denn um eine Mahlzeit zu bekommen, musste er entweder Linis und Breanes Spießrutenlauf erdulden oder sich von Leuten, mit denen er aufgewachsen war, die kalte Schulter zeigen lassen. Essen direkt unter seine Nase ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wäre es verwerflich, von Berelain gebrachtes Essen zu verspeisen?

»Danke für das Brot und das Huhn«, sagte er grob, »aber das letzte, was ich auf dieser Welt will, ist, dass jemand auf die Idee kommt, wir würden flirten. Und ich wasche mich, wenn ich kann, auch wenn Euch das nichts angeht. Bei diesem Wetter ist das nicht einfach.

Davon abgesehen riecht keiner besser als ich.« Und plötzlich wurde ihm klar, dass sie es tat. Unter ihrem leichten Parfüm war nicht das geringste Anzeichen von Schweiß oder Schmutz. Es ärgerte ihn, dass ihm ihr Parfüm überhaupt aufgefallen war, oder dass sie sauber roch. Es kam ihm wie ein Verrat vor.

Berelains Augen weiteten sich einen Augenblick lang überrascht — warum? —, dann seufzte sie mit einem Lächeln, das langsam aufgesetzt aussah, und eine Spur von Gereiztheit schlich sich in ihren Duft. »Lasst Euer Zelt aufbauen. Ich weiß, dass auf einem Eurer Wagen eine gute Kupferbadewanne ist. Die werdet Ihr nicht zurückgelassen haben. Die Leute erwarten, dass ein Adliger auch wie einer aussieht, Perrin, und das schließt mit ein, dass man präsentabel ist, selbst wenn das zusätzliche Mühe kostet. Das ist ein Handel zwischen ihnen und Euch. Ihr müsst ihnen nicht nur das geben, was sie brauchen, sondern auch das, was sie erwarten, oder sie verlieren den Respekt und fangen an, einen zu verachten. Offen gesagt kann sich keiner von uns leisten, dass Ihr es soweit kommen lasst. Wir sind alle weit von zu Hause weg, umgeben von Feinden, und ich bin der festen Überzeugung, dass Ihr, Lord Perrin Goldauge, vermutlich unsere einzige Chance seid, wieder lebend nach Hause zu kommen. Ohne Euch wird alles auseinanderfallen. Und jetzt lächelt, denn wenn wir flirten, dann sprechen wir über nichts anderes.«

Perrin bleckte die Zähne. Die Mayener und die Weisen Frauen sahen zu, aber auf fünfzig Schritte würde man es in diesem Dämmerlicht für ein Lächeln halten.

Den Respekt verlieren? Berelain hatte dabei geholfen, ihm jeden Respekt zu nehmen, den er jemals bei den Leuten von den Zwei Flüssen gehabt hatte, ganz zu schweigen bei Failes Dienern. Aber was noch schlimmer war, Falle hatte ihm ihren Vortrag über die Pflicht eines Adligen, den Leuten das zu geben, was sie erwarteten, mehr als einmal gehalten. Es machte ihn wütend, von allen Leuten ausgerechnet dieser Frau zuhören zu müssen, wie sie das Gleiche wie seine Gemahlin von sich gab. »Und worüber wollt Ihr mit mir sprechen, was Eure eigenen Leute nicht mitkriegen sollen?«

Ihr Gesicht blieb unbewegt und freundlich, aber der Unterton von Furcht, der von ihr ausging, wurde stärker. Es handelte sich keinesfalls um Panik, aber sie glaubte sich in Gefahr. Ihre behandschuhten Hände verkrampften sich um die Zügel. »Ich habe meine Diebefänger in Masemas Lager herumschnüffeln und Freundschaften schließen lassen. Nicht so gut, als hätte man dort Augen-und-Ohren, aber sie haben Wein mitgebracht, den sie mir angeblich gestohlen haben, und sie haben ein paar Dinge erfahren.« Einen Augenblick lang betrachtete sie ihn fragend mit schräg gelegtem Kopf. Beim Licht! Sie wusste, dass Falle Selande und die anderen Narren als Spione eingesetzt hatte! Schließlich war Berelain diejenige gewesen, die ihn überhaupt darüber in Kenntnis gesetzt hatte. Vermutlich hatten Gendar und Santes, ihre Diebefänger, Haviar und Nerion in Masemas Lager gesehen. Man würde Balwer warnen müssen, bevor er versuchte, Medore auf Berelain und Annoura anzusetzen. Das würde ein schönes Durcheinander geben.

Als er nichts sagte, fuhr sie fort. »Ich habe neben dem Brot und dem Huhn noch etwas anderes in den Korb gelegt. Ein ... Dokument, das Santes gestern Früh entdeckt hat, es war in Masemas Lagertisch eingeschlossen. Der Narr konnte noch nie an einem Schloss vorbeigehen, ohne sich zu fragen, was dahinter wohl verborgen ist. Wenn er schon seine Nase in das stecken musste, was Masema unter Verschluss hielt, hätte er es seinem Gedächtnis anvertrauen sollen, statt es mitzunehmen, aber was geschehen ist, ist geschehen. Nach der ganzen Mühe, die ich mir gemacht habe, um es zu verstecken, lasst bitte keinen sehen, wie Ihr es lest!«, fügte sie scharf hinzu, als er den Korbdeckel hob und ein in ein Tuch eingewickeltes Bündel enthüllte, von dem ein noch stärkerer Duft von warmem Brot und gebratenem Geflügel ausging.

»Mir ist schon einmal aufgefallen, dass Masemas Männer Euch folgen. Sie könnten Euch in diesem Augenblick beobachten!«

»Ich bin kein Narr!«, knurrte er. Es war ihm nicht neu, dass Masema ihn beobachten ließ. Die meisten seiner Anhänger waren Stadtleute, und der größte Teil von ihnen verhielt sich im Wald so unbeholfen, dass es jedem Zehnjährigen in der Heimat peinlich gewesen wäre. Aber das bedeutete nicht, dass sich keiner von ihnen irgendwo zwischen den Bäumen verbarg und aus den Schatten heraus spionierte. Sie blieben immer auf Distanz, da sie ihn wegen seiner Augen für eine halb gezähmte Schattenbrut hielten, und so stieß er nur selten auf ihren Geruch, und an diesem Morgen hatte er andere Dinge im Kopf.

Er schob das Tuch ein Stück zur Seite, um das Rebhuhn auszupacken, das fast so groß wie ein normales Huhn und dessen Haut knusprig braun gebraten war, und riss eine Keule ab, während er unter dem Bündel herumtastete und ein schweres, elfenbeinfarbenes, viermal gefaltetes Stück Papier nach vorn schob. Ohne auf Fettflecken zu achten, entfaltete er das Papier auf dem Huhn, was mit seinen Panzerhandschuhen nicht ganz leicht war, und las, während er an der Keule nagte. Für jeden Zuschauer würde es so aussehen, als überlegte er, welches Stück Huhn als nächstes dran war. Ein dickes grünes Wachssiegel war auf der einen Seite gebrochen; soweit er erkennen konnte, zeigte es drei Hände, deren Zeigefinger und kleiner Finger ausgestreckt und die anderen gefaltet waren. Die Buchstaben der geschwungenen Schrift waren seltsam geformt, teilweise nicht zu erkennen, aber mit etwas Mühe konnte es lesen.

Der Besitzer dieses Schreibens steht unter meinem persönlichen Schutz. Gebt ihm im Namen der Kaiserin — möge sie ewig leben — alles was er braucht, um dem Reich zu dienen, und sprecht zu niemandem außer mir darüber.

Bei Ihrem Siegel SUROTH SABELLE MELDARATH VON ASINBAYAR UND BARSABBA Hochlady

»Die Kaiserin«, hauchte er so sanft wie über Seide gleitender Stahl. Eine Bestätigung für Masemas Verbindungen zu den Seanchanern, auch wenn er persönlich keine gebraucht hätte. Bei einer solchen Angelegenheit hätte Berelain gewiss nicht gelogen. Suroth Sabelle Meldarath musste eine wichtige Person sein, um so ein Dokument ausstellen zu können. »Das wird ihn erledigen, sobald Santes bezeugt, wo er es gefunden hat.« Ein Dienst am Reich? Masema wusste, dass Rand gegen die Seanchaner gekämpft hatte! In seinem Kopf flammte der Regenbogen auf und wurde fortgerissen. Der Mann war ein Verräter!

Berelain lachte, als hätte er etwas Geistreiches gesagt, aber ihr Lächeln sah jetzt eindeutig gezwungen aus. »Santes hat mir versichert, dass ihn im Chaos des Lagerbaus keiner gesehen hat. Also habe ich ihm und Gendar erlaubt, mit meinem letzten Fass guten Tunaighan zurückzugehen. Sie sollten eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit zurück sein, aber das ist nicht geschehen. Vielleicht schlafen sie ja ihren Rausch aus, aber sie sind noch nie ...«

Sie verstummte mit einem überraschten Laut und starrte ihn an, und er wurde sich bewusst, dass er gerade den Knochen der Hühnerkeule durchgebissen hatte. Beim Licht, er hatte das Bein von der letzten Faser Fleisch befreit, ohne es zu bemerken. »Ich bin hungriger, als ich gedacht habe«, murmelte er. Er spuckte ein Stück Knochen in seinen Panzerhandschuh und warf es zu Boden. »Masema weiß, dass Ihr dieses Dokument habt, davon kann man mit Sicherheit ausgehen. Ich hoffe, Ihr umgebt Euch nicht nur beim Ausritt mit einer starken Wache.«

»Gallenne lässt seit gestern Abend fünfzig Mann um mein Zelt herum schlafen«, sagte sie. Dabei starrte sie ihn noch immer an, und er seufzte. Man hätte denken können, sie hätte noch nie zuvor gesehen, wie jemand einen Knochen entzweibiss.

»Was hat Euch Annoura geraten?«

»Sie wollte, dass ich es ihr gebe, damit sie es vernichten kann; dann hätte ich im Zweifelsfall behaupten können, dass ich nichts davon weiß, und sie könnte meine Worte bestätigen. Aber ich habe meine Zweifel, ob sich Masema damit zufrieden geben würde.«

»Ja, das bezweifle ich auch.« Annoura hätte das ebenfalls wissen müssen. Aes Sedai konnten miteinander starrköpfig und sogar uneinsichtig sein, aber sie waren niemals dumm. »Hat sie gesagt, sie würde das Dokument vernichten, oder dass sie es vernichten könnte, wenn Ihr es ihr überlasst?«

Berelains Stirn runzelte sich nachdenklich, und es dauerte ein paar Augenblicke, bis sie sagte: »Dass sie es tun würde.« Das Pferd tänzelte ein paar Schritte, aber sie brachte es mühelos unter Kontrolle, ohne sich darauf konzentrieren zu müssen. »Ich kann mir nicht vorstellen, wofür sie es sonst haben wollte«, sagte sie nach einer weiteren Pause. »Masema ist wohl kaum zugänglich für ... Druck.« Sie meinte Erpressung. Perrin konnte sich nicht vorstellen, dass Masema sich so etwas gefallen ließ. Vor allem nicht Erpressung durch eine Aes Sedai.

Er gab vor, eine weitere Keule abzureißen, und schaffte es, das Papier zusammenzufalten und sich in den Ärmel zu stecken. Es war trotz allem ein Beweis. Aber wovon? Wie konnte ein Mann gleichzeitig den Wiedergeborenen Drachen fanatisch verehren und ein Verräter sein? Konnte er das Dokument jemandem abgenommen haben? Aber wem? Einem gefangenen Kollaborateur? Aber warum sollte Masema es unter Verschluss halten, es sei denn, es war für ihn bestimmt? Er hatte sich mit den Seanchanern getroffen. Und wofür hatte er es benutzen wollen? Wer vermochte schon zu sagen, was man mit so einem Dokument alles tun konnte? Perrin seufzte schwer. Er hatte so viele Fragen und keine Antworten. Vielleicht würde Balwer eine Idee haben.

Auf den Geschmack gekommen wollte sein Magen, dass er die Keule in seiner Hand und den Rest des Rebhuhns verschlang, aber er verschloss den Korbdeckel fest und versuchte, kleine Bissen zu nehmen. Eines konnte er selbst herausfinden. »Was hat Annoura sonst noch gesagt? Über Masema?«

»Nichts, außer dass er gefährlich ist und ich ihm aus dem Weg gehen soll, als hätte ich das nicht schon bereits gewusst. Sie verabscheut ihn und spricht auch nicht gern über ihn.« Wieder ein kurzes Zögern, dann fügte Berelain hinzu: »Warum?« Die Erste von Mayene war an Intrigen gewöhnt, und sie achtete auf das, was nicht gesagt wurde.

Perrin nahm noch einen Bissen, um sich einen Augenblick Zeit zu verschaffen, während er kaute und schluckte. Er war nicht an Intrigen gewöhnt, aber er war genügend Intrigen ausgesetzt gewesen, um zu wissen, dass es gefährlich sein konnte, wenn man zuviel sagte. Oder zu wenig, selbst wenn Balwer anders darüber dachte. »Annoura hatte ein Geheimtreffen mit Masema. Masuri auch.«

Berelains aufgesetztes Lächeln blieb an Ort und Stelle, aber jetzt ging auch noch Sorge von ihr aus. Sie wollte sich im Sattel umdrehen, um zu den beiden Aes Sedai hinüberzublicken, beherrschte sich aber und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Aes Sedai haben immer ihre Gründe«, war alles, was sie dazu zu sagen hatte. Nun ja, war sie besorgt, weil sich ihre Beraterin mit Masema traf oder dass Perrin davon wusste oder...? Er hasste diese ganzen Verwicklungen. Sie behinderten nur die wichtigen Dinge. Beim Licht, er hatte die zweite Keule auch schon abgenagt! In der Hoffnung, dass Berelain es nicht bemerkt hatte, warf er den Knochen hastig zur Seite. Sein Magen verlangte knurrend nach mehr.

Ihre Leute waren auf Distanz geblieben, aber Aram war ein kurzes Stück auf Perrin und Berelain zugeritten und beugte sich vor, um sie zwischen den schattenverhüllten Bäumen zu betrachten. Die Weisen Frauen standen etwas abseits und unterhielten sich, ohne anscheinend zu bemerken, dass sie bis zu den Knöcheln im Schnee standen oder dass die kalte Brise heftig genug geworden war, um die Enden ihrer Schultertücher zu bewegen. Trotzdem schaute gelegentlich auch eine von ihnen in Perrins und Berelains Richtung.

Perrins Privatsphäre hielt keine Weise Frau davon ab, ihre Nase dort hineinzustecken, wo auch immer sie wollte. In dieser Beziehung waren sie wie die Aes Sedai. Auch Masuri und Annoura schauten zu, obwohl sie sich von den anderen fern zu halten schienen. Perrin wäre jede Wette eingegangen, dass beide Schwestern ohne die Anwesenheit der Weisen Frauen mit der Einen Macht gelauscht hätten. Natürlich wußten auch die Weisen Frauen, wie man das anstellte, und sie hatten Masuris Besuch bei Masema erlaubt. Würden die Aes Sedai die Zähne zusammenbeißen, wenn sie bemerkten, dass die Weisen Frauen mit der Macht lauschten? Annoura schien die Weisen Frauen beinahe mit der gleichen Vorsicht zu behandeln wie Masuri.

Beim Licht, er hatte keine Zeit für dieses Dornengestrüpp! Aber er musste darin leben.

»Wir haben ihnen genug gegeben, worüber sie sich das Maul zerreißen können«, sagte er. Nicht, dass sie mehr brauchten, als sie ohnehin schon hatten. Er schob den Tragegriff des Korbs über den Sattelknauf und stieß Traber in die Flanken. Es konnte wohl kaum als treulos gelten, ein gebratenes Huhn zu essen.

Berelain schloss sich ihm nicht sofort an, holte ihn aber ein, bevor er Aram erreichte, und zügelte ihr Pferd neben ihm. »Ich werde herausfinden, was Annoura vorhat«, sagte sie entschlossen und schaute starr geradeaus. Ihr Blick war hart. Perrin hätte Annoura bedauert, hätte er nicht schon selbst versucht, Antworten aus ihr herauszuschütteln. Aber Aes Sedai brauchten selten Mitleid, und sie gaben selten Antworten, die sie nicht geben wollten. Im nächsten Augenblick war Berelain wieder die personifizierte Lebenslust und lächelte strahlend, auch wenn der Geruch der Entschlossenheit sie noch immer umgab und die Furcht beinahe auslöschte. »Der junge Aram hat uns erzählt, dass Herzverderber mit der Wilden Jagd durch diese Wälder reitet, Lord Perrin. Haltet Ihr das für möglich? Ich erinnere mich, diese Geschichten in meiner Kinderstube erzählt bekommen zu haben.« Ihre Stimme war hell und amüsiert. Arams Wangen färbten sich rot, und ein paar der Männer hinter ihm lachten.

Dann hörten sie auf zu lachen, als Perrin ihnen die Spuren auf der Felsplatte zeigte.

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