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»Der arrogante Bursche, der sich da dem Thron nähert«, flüsterte mir Ligurious ins Ohr, »ist Miles, Botschafter und General aus Argentum.«

Der Mann, der mit großen Schritten auf die Plattform meines Thrones zukam, war in der Tat eine kühne Erscheinung. In der linken Armbeuge trug er einen Helm, der von Sleenhaar gekrönt war. Hinter ihm wirbelte ein mächtiges Cape aus kurzgeschnittenem weißen Fell.

»Vergiß nicht, daß Argentum mit uns verfeindet ist, ebenso wie mit unserem großen Verbündeten Cos.«

»Ich werde daran denken«, sagte ich.

»Die Männer hinter ihm«, fuhr Ligurious fort, »bringen Truhen voller Schätze. Er will damit um deine Gunst buhlen.«

»Sehr unterwürfig scheint er mir aber nicht zu sein«, sagte ich.

»Streif ein wenig deine Robe zur Seite, damit er dich besser sehen kann.«

Ich kam der Aufforderung nach.

»Da es hier um schwierige Dinge gehen kann, gestatte mir bitte, das Audienzgespräch zu führen«, sagte Ligurious.

»Selbstverständlich.« Ich war erleichtert darüber, daß Ligurious die Initiative behalten würde. Mir war bekannt, daß zwischen Corcyrus und Argentum große Spannungen herrschten. Ich wollte keinen Fehler machen, der sich auf den Thron nachteilig auswirken konnte. Ligurious wußte, was zu tun war.

Der Mann, der da näher kam, gefiel mir nicht. Er kam aus Argentum.

Ich richtete mich auf dem wunderschönen Thron Corcyrus’ auf, der in dem großen Palastsaal auf einer breiten Plattform stand. Angehörige hoher Räte umgaben mich. Auch waren zahlreiche Wächter anwesend. Drusus Rencius trug eine prächtige Ausgehuniform, wie es sich für den Wächter einer Tatrix geziemte, und wartete in der Nähe. Auf den Stufen, die zum Thron emporführten, waren hier und dort Reichtümer zur Schau gestellt: kostbare Stoffe, Goldmünzen und einige angekettete Sklavinnen. Susan kniete schräg hinter dem Thron.

»Miles, Botschafter von Argentum, General von Argentum«, verkündete der Herald.

Die Männer hinter Miles stellten die Truhen hin. Zweifellos würden bald neue Schätze die Thronstufen zieren.

»Der Thron von Corcyrus«, begann Ligurious, »begrüßt den Botschafter aus Argentum, Miles, General von Argentum.«

»Im Namen Claudius’, des Ubar von Argentum, nehme ich den Gruß Corcyrus’ an«, sagte Miles.

»Aber für dich selbst akzeptierst du ihn nicht?« fragte Ligurious.

»Wäre es nach meinem Willen gegangen«, lautete die Antwort, »wäre ich nicht mit Protestschriften vor die Mauern Corcyrus’ gekommen, sondern mit den Waffen des Krieges.«

»Hüte deine schnelle Zunge!« sagte Ligurious. »Denn du befindest dich hier nicht in einer Taverne Argentums, sondern in Corcyrus und außerdem vor dem Thron seiner Tatrix.«

»Verzeih mir, edler Ligurious«, antwortete Miles. »Ich habe mich vergessen. Es war ein verständlicher Fehler. In den Tavernen Argentums sprechen wir Argenter ganz frei vor Frauen wie eurer Tatrix. Bei uns sind sie Pagasklavinnen.«

Zorngeschrei wurde laut.

»Um es ganz genau zu sagen«, fuhr Miles fort, »habe ich in solchen Tavernen oft Frauen gehabt, die deiner Tatrix weit überlegen waren. Sie dienten mir vorzüglich in ihren Ketten.«

Ringsum wurden Klingen blank gezogen.

Miles zuckte nicht zusammen, trat keinen Schritt zurück. Seinen Kopf zierte eine dichte schwarze Haarmähne. Der stechende Blick seiner grauen Augen ruhte auf mir. Am liebsten wäre ich verschleiert gewesen. Er würde mein Gesicht vermutlich niemals vergessen.

»Deine Schriftstücke wurden untersucht«, sagte Ligurious. »Ich, die Tatrix und Angehörige der hohen Räte haben sie sorgfältiger bedacht, als sie es verdienen. Die angeführten Beweise sind falsch, die vorgetragenen Argumente nicht stichhaltig, die gestellten Forderungen unsinnig.«

»Mit einer solchen Ablehnung unserer Schriften habe ich gerechnet«, erwiderte Miles. »Ich selbst hätte sie auch gar nicht erst vorgelegt. Es wäre besser gewesen, euch Argentums Ansicht vorzutragen und den Speer des Kriegs zu schicken.«

Ich selbst hatte die Schriftstücke nur bedingt geprüft. Auszüge waren mir, nicht ohne kritische Anmerkungen, von Ligurious vorgelesen worden. Seine Analyse des Inhalts war zweifellos richtig. Er war ein intelligenter Mann und kannte sich mit den geographischen und politischen Aspekten der Probleme bestens aus. Vordringlich ging es um unsere Silberbergwerke, die leider in der Nähe Argentums lagen. Anscheinend mußten wir Gewalt aufwenden, um sie zu schützen. Angeblich waren diese Bergwerke beinahe so ergiebig wie die von Tharna, die weit entfernt im Nordosten lagen. Argentum behauptete natürlich, daß die Silberbergwerke diesem Land gehörten. Meine Bildung, die in mancher Hinsicht ungewöhnlich umfassend war, erwies sich in einem offenkundigen, auffälligen Punkt als unzureichend. Ich konnte nicht goreanisch lesen. In dieser Sprache war ich Analphabetin.

»Es ist für Corcyrus und den Frieden ein Glücksumstand«, fuhr Ligurious fort, »daß wir nicht mit Miles, General von Argentum, verhandeln müssen, sondern mit Claudius, dem Ubar dieses Staates. Er, so hoffe ich, ist weniger heißblütig. Er, so hoffe ich, ist vernünftiger. Er, so hoffe ich, sieht unseren Anspruch ein und bestätigt ihn.«

»Argentum fürchtet Corcyrus nicht«, sagte Miles.

»Und doch scheinen die Männer in deiner Begleitung eisengefaßte, schön gestaltete Truhen vor unseren Thron gebracht zu haben.«

»Das ist richtig«, sagte Miles.

»Wenn die Geschenke angemessen sind«, sagte Ligurious, »könnte sich die Tatrix, nachdem uns die Bergwerke endgültig abgetreten wurden, dazu herablassen, die unwürdigen Argenter weniger streng zu behandeln.«

»Claudius, mein Ubar, vernimmt dies sicher mit Erleichterung«, sagte Miles. Als Antwort senkte Ligurious anmutig den Kopf.

Ringsum wurde gelacht. Schwerter verschwanden wieder in ihren Scheiden.

»Wie ich sehe«, sagte Drusus Rencius leichthin, »hast du der Tatrix keine männlichen Seidensklaven mitgebracht.«

»Es ist allgemein bekannt«, erwiderte Miles, »daß sich die Tatrix von Corcyrus nicht für Männer, sondern ausschließlich für Geld und Macht interessiert.«

»Vorsicht!« sagte Ligurious.

Ich verstand nicht, was Miles aus Argentum meinte. Natürlich interessierten mich Männer nicht, doch hielt ich mich andererseits nicht für übermäßig geldgierig.

»Ihr könnt die Truhen jetzt öffnen«, sagte Ligurious und betrachtete die Behältnisse interessiert.

»Wie kommt es, daß die Tatrix von Corcyrus unverschleiert Hof hält?« fragte Miles.

»Das ist so Sitte.«

»Nach Berichten unserer bisherigen Boten und Gesandten muß es sich um eine neue Sitte handeln.«

»Jede Sitte hat irgendwo ihren Anfang«, sagte Ligurious. Es interessierte mich zu hören, daß hier eine neue Handhabung eingeführt worden war. »Es gibt viele Gründe – zweifellos steht die Überlegung an erster Stelle, daß das Volk nun ihre Tatrix ehrfurchtsvoll und anbetend erschauen kann.«

»Ich finde, ihr müßtet eher Angst haben, daß man sie voller Interesse mustert.«

»Interesse?«

»Ja«, sagte Miles, »mit dem Gedanken, wie sie sich in einem Kragen machen würde.«

»Ich glaube, es wird Zeit«, sagte Ligurious, »daß du dich ein wenig gründlicher dem Auftrag deines Ubar widmest. Laß sehen, welche Geschenke er Corcyrus anbietet, in der Hoffnung auf unsere Gnade, auf unsere Geneigtheit.«

»Gewiß braucht Corcyrus keine neuen Reichtümer«, sagte Miles. »Schaut euch an, wie kostbar dieser Saal ausgestattet ist, wie prunkvoll die Anwesenden gekleidet sind! Ich sehe vornehme Stoffe.« Miles deutete auf die Dinge, die über die Stufen verstreut waren. »Auch gibt es Gold in Corcyrus und zahlreiche hübsche Mädchen.« Sein Blick ruhte auf Susan.

»Zeig uns, was Claudius uns geschickt hat!« sagte Ligurious.

»Natürlich«, sagte Miles aus Argentum. Er reichte einem seiner Männer den Helm. Mit einem schweren Schlüssel öffnete er die größte Truhe. Die anderen Kästen wurden ebenfalls aufgeschlossen.

Ligurious, ich und die anderen beugten sich vor, um den Inhalt der Behältnisse zu erschauen.

»Im Werben um die Gunst Corcyrus’, in Unterwerfung und Tribut an Corcyrus sendet euch Claudius, Ubar aus Argentum«, verkündete Miles aus Argentum, »dies!«

Er riß den Deckel der großen Truhe hoch und kippte sie um. Seine Begleiter behandelten die anderen Kisten ebenso.

»Nichts!« rief Ligurious. »Es ist nichts darin!«

»Genau das«, verkündete Miles, »ist es, was Claudius, Ubar von Argentum, Corcyrus entbietet!«

»Unverschämtheit!« rief Ligurious. »Unverschämtheit!«

Wütendes Geschrei wurde in meinem Gefolge laut.

Miles streckte die Hand aus, und man gab ihm seinen Helm zurück, den er wieder in die linke Armbeuge stellte. »Ich verlasse jetzt Corcyrus«, sagte er. »Wenn ich zurückkehre, dann mit einer Armee hinter mir.«

»Du hast unsere Tatrix beleidigt«, sagte Ligurious.

»Eure Tatrix gehört in einen Käfig, in einen goldenen Käfig«, antwortete Miles.

Und wieder ertönten wütende Rufe. Ich verstand nicht recht, worin die Beleidigung bestanden haben sollte oder was er mit dem ›goldenen Käfig‹ gemeint hatte.

»Hier«, fuhr Miles fort und griff in eine Tasche an seinem Gürtel. »Wenn die Corcyrer so scharf sind auf das Silber von Argentum, will ich euch ein Stück davon geben.« Er hob die Münze. »Dies ist ein Silber-Tarsk aus Argentum«, fuhr er fort und schleuderte das Stück vor der Plattform zu Boden. »Ich schenke euch die Münze. Sie hat etwa den Wert eurer Tatrix. Soweit ich sie bisher abschätzen kann, würde sie auf einem Sklavenmarkt etwa diesen Preis bringen.«

Wieder wurden Klingen gezogen. Drusus Rencius hielt einen Mann davon ab, sich auf Miles aus Argentum zu stürzen. Im kleinen Gefolge Miles’ blitzten ebenfalls die Waffen.

»Zieht ihn aus, bindet ihn an den Sklavenring der Tatrix!« brüllte ein Mann.

Ich erschauderte. Es hätte mich entsetzt, einen solchen Mann an meiner Lagerstatt zu haben.

Miles machte kehrt und verließ mit seinen Leuten den Saal.

»Glaubst du, daß es Ärger gibt?« fragte ich Ligurious.

»Nein«, antwortete er. »Argentum wird sich die Sache gründlich überlegen und keine voreilige Entscheidung treffen. Selbst Claudius weiß, daß die Macht und das Gewicht Cos’ hinter uns stehen.«

»Miles aus Argentum machte aber einen ziemlich entschlossenen Eindruck.«

»Er ist ein Hitzkopf«, sagte Ligurious. »Ich bin sicher, daß in Argentum die Vernunft siegen wird.«


Auch sonst schien ich Ligurious zur Vernunft gebracht zu haben. Meine Tür sollte nun nicht mehr verriegelt sein. Die Wächter blieben draußen – als verständliche Vorsicht, als Sicherheitsmaßnahme für die Herrscherin. Doch konnte ich mein Quartier nun verlassen und mich überallhin bewegen. Die einzige Einschränkung bestand darin, daß ich von meinem Wächter Drusus Rencius begleitet sein mußte. So konnte ich nun sogar bei Nacht meine Räume verlassen. Und was noch besser war: sogar den Palast, wenn ich inkognito ging und in Drusus Rencius’ Nähe blieb.

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