Ich versuchte den Kopf des Mannes mit den Händen zu umfassen und ihn zu küssen. Er, auf das Gespräch konzentriert, schob mich zur Seite. Ich ließ mich in eine kniende Stellung zurückfallen und unterdrückte ein Wimmern. Ich wollte ihn berühren. Ich war eine Sklavin. Doch er wollte mich nicht an sich heranlassen.
Von der anderen Seite des Raumes gab mir Teela, das erste Mädchen, ein Zeichen. Ich verneigte mich, stand auf und eilte zu ihr.
»Wein für den Herrn«, sagte sie.
Ich lief zum Bereitstellungstisch und nahm ein Gefäß mit Wein. Dann ging ich hinter dem Bankettisch herum, an dem die Männer sich angeregt unterhielten. An einem Ende des Raums spielten Musiker. Ich kniete hinter dem jungen Aemilianus nieder. »Wein, Herr«, flüsterte ich. »Ja«, erwiderte er und hielt mir seinen Kelch hin. »Vielen Dank, Tiffany«, sagte er. »Ja, Herr«, erwiderte ich und zog mich zurück. Aemilianus’ Höflichkeit, die wohl ein Ergebnis seiner vornehmen Erziehung war, beeinträchtigte in keiner Weise die Absolutheit der Herrschaft, die er über seine Mädchen ausübte. Niemand braucht einer Sklavin zu danken, kann es aber natürlich tun, wenn ihm der Sinn danach steht. Für das Mädchen, das sich in ihrem Sklavenkragen weiß und seine Stellung kennt, kann solche Höflichkeit zuweilen erschreckender sein als eine grobe oder grausame Behandlung durch ihren Herrn.
Auf ein Zeichen Teelas brachte ich den Wein auf den Tisch zurück und kniete neben Emily nieder.
Eine Stunde zuvor hatten wir in der Küche gewartet. »Steht gerade, Mädchen«, hatte Teela gesagt und uns von Kopf bis Fuß gemustert. »Ihr braucht euch nicht mehr über eure Webstühle zu beugen.«
Emily und ich trugen scharlachrote Vergnügungsseide – durchscheinende Stoffbahnen, die wenig Zweifel daran aufkommen ließen, wie es um unsere Figur bestellt stand. Wir trugen den Sklavenkragen des Aemilianus, der uns für jeweils zwölf Kupfer-Tarsk der Weberei 7 abgekauft hatte. An unserem linken Fußgelenk war ein Ring mit Sklavenglocken befestigt. Bei jeder Bewegung gaben diese Glocken betörende, verführerische Laute von sich. Am linken Oberarm trugen wir einen Armreifen, der eine barbarisch gewundene Schlange nachbildete.
»Auch wenn ihr als Haus-Mädchen gekauft worden seid«, sagte Teela, »an denen wir wirklich Bedarf haben, müßt ihr zuweilen auch beim Abendessen bedienen. Ich nehme sogar an, daß der Herr mit euch mehr im Sinn hat als nur Arbeiten im Haus.«
Emily und ich sahen uns an.
»Die Musiker spielen bereits«, fuhr Teela fort, »und die anderen Mädchen sind schon im Saal. Gleich schicke ich euch auch hinaus.«
»Ja, Herrin«, sagten wir.
»Denkt daran, ihr seid nichts weiter als Sklavinnen. Ihr existiert allein für den Dienst an den Männern. Dort draußen muß euch die Dienstfertigkeit auf dem Gesicht stehen. Jeder Blick, jede Bewegung muß das Versprechen unvorstellbarer Freuden enthalten, und sollte auch nur ein Gast mit den Fingern schnipsen, müßt ihr dieses Versprechen tausendfach und mehr erfüllen.«
»Ja, Herrin!« sagten wir.
»Freie Frauen werden nicht anwesend sein«, verkündete sie. »Das macht uns die Sache leichter.«
»Sind wir nicht zu knapp bekleidet, Herrin?« fragte Emily.
»Nicht als Vergnügungssklavinnen.«
»Ja, Herrin«, antwortete das Mädchen. Wir redeten Teela als »Herrin« an, denn sie war das Erste Mädchen im Haus des Aemilianus.
»Es bekümmert dich, vor deinem Herrn so entblößt zu erscheinen?« fragte Teela.
»Ja, Herrin«, antwortete Emily.
»Weil er dir gefällt?«
»Ja.«
»Ich glaube, er mag dich auch.«
»Wirklich, Herrin?« fragte Emily eifrig.
»Ja, aber denk daran, daß du für ihn nur eine Sklavin bist. Denkt beide daran, eure einzige Sorge muß es sein, eurem Herrn zu gefallen. Tiffany?«
»Ja, Herrin?«
»Gefällt es dir hier im Haus?«
»Ja, Herrin!« Obwohl ich erst zwei Tage hier war, genoß ich den Gegensatz zur Weberei. Das Haus war sauber und geräumig und still und verfügte über prächtige Gärten, die von einer hohen weißen Mauer mit einem großen verschnörkelten Tor umschlossen waren. Hier konnte ich ruhen und gut essen und bekam nur leichte Arbeiten übertragen: Ich mußte staubwischen und putzen, Betten machen, aufräumen und dergleichen. Manchmal half ich auch in der Küche aus. Ich hatte sogar Zugang zu einem Badezimmer.
»Denkt beide daran, daß ihr nur zur Probe bei uns seid«, fuhr Teela fort. »Ihr sollt hier keine Stoffe weben. Und ihr sollt nicht nur staubwischen und Betten machen. Ihr müßt euch entscheiden, ob ihr bereit seid, dem Vergnügen der Männer zu dienen oder in die Weberei zurückzukehren.«
Emily und ich sahen uns an, und die Entscheidung stand fest.
Kurze Zeit später wurden wir zu den Gästen hinausgeschickt.
Inzwischen war ich doch etwas bekümmert. Die Männer hatten ein umfangreiches Abendessen zu sich genommen. In Anbetracht unserer aufreizenden Aufmachung hatte ich angenommen, daß wir aufregende und intimere Dienste würden leisten müssen, als uns bisher abverlangt wurden. Andererseits schien es sich um ein ganz normales Abendessen gehandelt zu haben.
Ich schaute zu Emily hinüber, die den Blick nicht von Aemilianus abwenden konnte.
Ich beobachtete die Männer, die sich angeregt unterhielten und ihre Verdauungsschnäpse leerten. Auch die anderen Mädchen, die die Gäste bedienten, behielt ich im Auge. Sie waren wunderschön in ihrer Anmut und Ergebenheit. Wie vollkommen und natürlich erschien es mir doch, daß sie hier dienten! Ich berührte meinen Eisenkragen.
Teela kam herbei und kniete neben uns nieder.
»Darf ich sprechen?« flüsterte ich.
»Ja.«
»Ich habe versucht, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken«, sagte ich. »Ich habe die Männer gut bedient. Aber niemand hat sich um mich gekümmert.«
»Bisher ist das bei keinem der Mädchen anders gewesen«, sagte sie. »Die Männer reden über Politik und Geschäfte.«
»Darf ich fragen, worum es bei diesen Gesprächen geht?«
»Na, um die üblichen Gerüchte über einen Waffenstillstand zwischen uns und Cos«, antwortete sie. »In geschäftlicher Hinsicht erkundigt sich unser Herr bei seinen Kollegen, ob es sinnvoll ist, in eine Firma zu investieren, die Bankettsklaven vermietet.«
»Was sind denn das für Sklaven?«
»Mädchen, Schauspielerinnen, Tänzerinnen, die für Bankette gruppenweise an private Interessenten vermietet werden«, antwortete sie.
»Und solche Organisationen gibt es schon, nicht wahr?«
»Aemilianus prüft, ob er sich in dieser Richtung engagieren und vielleicht eine eigene Firma gründen soll.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Aber trainierte Mädchen sind sehr teuer, nicht wahr?«
Sie nickte.
»Mädchen aus der Weberei dagegen sind billig und lassen sich trainieren.«
»Genau«, sagte Teela.
Ich erbebte.
»Emily! Tiffany!« rief Aemilianus in diesem Augenblick.
Hastig sprangen wir auf und knieten vor ihm nieder.
»Dies sind Mädchen aus der Weberei?« fragte ein Mann.
»Ja«, antwortete Aemilianus, »aber wie du siehst, tragen sie die Firmen-Uniform nicht mehr.«
»Ein Fetzen Seide macht doch einen großen Unterschied«, meinte jemand.
»Sie haben mich nur jeweils zwölf Kupfer-Tarsks gekostet«, sagte Aemilianus.
»Aber das ist nicht fair, Aemilianus!« rief ein Mann. »Du hast sie in der Weberei deines Onkels erstanden. Hättest du sie auf dem freien Mark kaufen müssen, wären sie dich bestimmt teurer gekommen!«
»Zweifellos hast du recht«, sagte Aemilianus.
»Ich sehe schon, ich muß mich öfter in den Webereien unseres Onkels umsehen«, sagte ein anderer junger Mann, der offensichtlich ein Cousin Aemilianus’ war.
»Gar so selten tust du das nicht«, erwiderte Aemilianus. »Außerdem besitzt unser Onkel mehrere Webereien.«
»Man brauchte sich nicht nur auf die Webereien zu verlassen«, sagte ein Mann. »Du könntest auf dem Sklavenmarkt dazukaufen. Womöglich auch trainierte Sklavinnen.«
»Das käme viel teurer.«
»Ich will euch noch einen Vorteil der Webereien zeigen«, warf Aemilianus ein. »Emily, möchtest du in die Weberei zurückkehren?«
»Nein, Herr!« rief sie.
»Und du, Tiffany?«
»Nein, Herr!« rief ich.
»Wie ihr seht, sind die Mädchen aus der Weberei sehr motiviert. Dementsprechend kann man erwarten, daß sie schnell und gut lernen.«
»Hast du deine Vorstellungen schon mit Mintar besprochen?« fragte jemand.
»Ja«, antwortete Aemilianus, »und er läßt mir freie Hand.«
»Würde dieses Unternehmen irgendwie mit Mintar in Verbindung stehen?«
»Nein«, antwortete Aemilianus. »Die Firma würde voll und ganz zu den Unternehmungen des Aemilianus gehören.«
»Ich verstehe.«
»Natürlich würde mein Onkel die Gründungskredite zu geringen Zinssätzen verlängern.«
»Verstehe!« sagte ein Mann.
»Ich weiß nicht recht, ob das praktisch ist«, meinte jemand.
»Es wird schwer sein, in dieser Branche Fuß zu fassen«, sagte ein anderer Mann.
»Es kommt darauf an, Qualität zu guten Preisen zu liefern.«
»Vielleicht hast du recht.«
»Emily, würdest du bitte um den Tisch herumkommen und hier neben mir niederknien?« fragte Aemilianus.
Emily gehorchte sofort, und ich sah mich plötzlich allein vor dem Tisch, was mich doch etwas bestürzte.
»Würdest du bitte aufstehen und deine Tunika ablegen, Tiffany?« fragte Aemilianus.
Ich kam der Aufforderung hastig nach.
»Das soll ein Weberei-Mädchen sein?« fragte ein Mann skeptisch.
»Ja«, sagte Aemilianus.
»Das sind wahrlich hübsche Sklavenkurven, und ich kenne mich aus!« sagte ein Mann.
»Stimmt!« kam die Bestätigung.
»Du bist sehr hübsch, Tiffany«, sagte Aemilianus.
»Danke, Herr.«
»Wie lange bist du schon Sklavin?«
»Etwa fünf Monate, Herr.«
»Und bist du ausgebildet?« fragte er.
»Nur soweit ich von Männern lernen konnte, die mich genommen haben«, antwortete ich. »Und natürlich kann ich einen Webstuhl bedienen.«
Die Männer lachten.
»Dann können wir also sagen, nicht wahr, daß du praktisch keine Ausbildung erfahren hast«, sagte Aemilianus.
»Ja, Herr.«
»Tanze für uns, Tiffany!« forderte Aemilianus. »Ich gebe den Musikern ein Zeichen, und wenn sie zu spielen beginnen, tanzt du verführerisch für uns.«
»Ja, Herr«, flüsterte ich.
Ich hatte einen solchen Verführungstanz bisher erst einmal gesehen, als ich verkleidet durch das Haus des Sklavenhändlers Kliomenes geführt wurde. Nie hatte ich mir träumen lassen, daß man eines Tages von mir verlangen würde, ähnlich aufzutreten!
Dann begann die Musik und ich gab mich ihr hin. In einem früheren Leben war ich Tiffany Collins gewesen – jetzt war ich eine goreanische Sklavin, die sich zu Füßen von Männern wand.
Ich weiß nicht, wie lange die Musik dauerte, vielleicht nur vier oder fünf Ehn. In einem lauten Crescendo ging sie abrupt zu Ende. Keuchend und schwitzend lag ich vor den Männern auf den Fliesen. Angstvoll hob ich den Blick, in der Hoffnung, den Zuschauern gefallen zu haben.
»Sehr gut, Tiffany«, sagte Aemilianus.
»Hervorragend!« rief ein Mann. Andere fielen in diesen Ruf ein.
»Was willst du für sie haben?« fragte ein Mann.
»Ich gebe dir einen Silber-Tarsk«, bot ein anderer. Ich schaute ihn entsetzt an und fragte mich, ob mein Herr mich verkaufen würde. Ein Silber-Tarsk! Ich wünschte, Drusus Rencius wäre jetzt hier. Er hatte einmal gesagt, daß ich höchstens fünfzehn oder zwanzig Kupfer-Tarsks bringen würde! Dabei war ich noch nicht einmal ausgebildet!
»Du hast sehr gut getanzt, Tiffany«, sagte Aemilianus.
»Danke, Herr.«
»Meine Herren, Sie haben es selbst gesehen«, fuhr Aemilianus fort. »Dabei ist sie nur ein unausgebildetes Weberei-Mädchen.«
»Ja«, sagte ein Mann. »Ja, Aemilianus«, fielen andere ein.
»Tiffany«, wandte sich mein Herr an mich. »Du wirst auf die Schule gehen.«
»Danke, Herr.«
»Gefällt dir das?«
»Ja, Herr«, erwiderte ich. »Ich konnte bisher nicht lesen.«
Die Anwesenden lachten.
»So eine Schule ist das nicht«, sagte mein Herr.
»Oh«, sagte ich.
»Meine Herren«, wandte sich Aemilianus an seine Gäste. »Ich danke euch für euer Kommen und für eure Aufmerksamkeit. Eure Bemerkungen, Vorschläge und Ratschläge waren mir sehr willkommen. Möchte jemand über Nacht bleiben, kann er sich gern in die Gästezimmer zurückziehen, die wir im Haus haben. Auch in der Wahl der Mädchen sei euch keine Beschränkung auferlegt – mit Ausnahme unserer kleinen Tiffany.«
Ich kniete errötend vor dem Tisch.
»Unsere kleine Tänzerin soll heute abend unbelästigt bleiben«, fuhr Aemilianus fort. »Sie muß sich ausruhen. Sie soll morgen frisch und munter ihre Ausbildung beginnen.«