3

Es war warm im Zimmer.

Ich schien einen faulen Morgen vor mir zu haben.

Meine Finger tasteten über die rote Seidendecke. Ich lag bäuchlings auf der weichen weiten Fläche. Ich versuchte meine Gedanken zu sammeln. Ein wenig berührte ich meinen Körper und fühlte, wie sich die Seide darunter bewegte. Ich war nackt. Warme Luft umspielte mich.

Ich erinnerte mich an die Männer, die Fesseln, den Kasten, in den ich gesteckt worden war.

Ich fuhr herum und sprang auf Hände und Knie. Ich befand mich auf einer riesigen Bettstatt. Sie war rund und maß etwa fünfzehn Fuß im Durchmesser. Die Matratze war so weich, daß ich halb darin versank. Einen solchen Luxus hatte ich noch nicht erlebt. Zu meiner Erleichterung konnte ich feststellen, daß ich allein war. Es war ein großes und bunt ausgestaltetes Zimmer. Blanke scharlachrote Fliesen bedeckten den Boden. Die Wände waren ebenfalls gekachelt und wiesen kühne, wirbelnde Muster auf, die aus gelben und schwarzen Fliesen gebildet wurden. An einer Stelle lag ein riesiges rotes Fell auf dem Boden. Vor einigen Wänden standen große schwere Truhen, die sich nach oben öffnen ließen. Hier und dort hingen auch Spiegel; einer erhob sich hinter einer Art Schminktisch. Dicht neben der Couch stand ein niedriger kleiner Tisch. Kissen lagen auf dem Boden, vorwiegend an den Wänden. Auf einer Seite des Zimmers senkte sich der Boden zu einem eingelassenen Becken. Es enthielt allerdings kein Wasser. Ich entdeckte mich in einem der Spiegel, auf dem großen Bett hockend, und wandte hastig den Blick ab. Eine Art Schiebetür schien den Raum abzuschließen. Rechts von mir befand sich mehrere Fuß entfernt eine schwere Holztür, die sehr dick zu sein schien. Schlösser oder Riegel oder Ketten waren nicht zu sehen; somit schien es keine Möglichkeit zu geben, die Tür von meiner Seite zu schließen. Vielleicht war sie von außen verriegelt, doch von innen konnte ich sie offenkundig nicht versperren. Am Fußende des Bettes gewahrte ich einen schweren Ring, der in den Boden eingelassen war; unter dem Metall war eine dünne Kette aufgehäuft.

Angstvoll kletterte ich von dem Bett, das so weich war, daß ich zunächst kaum von der Stelle kam. Dann spürte ich die glatte Kühle der roten Fliesen unter den Füßen, als ich zum Fenster hastete, das schmal war, nur etwa fünfzehn Zoll breit. Dicke Eisenstäbe versperrten es, etwa drei Zoll voneinander entfernt, verstärkt mit dicken, flachen Stahl-Querstreben, die jeweils etwa einen Fuß Zwischenraum ließen. Ich rüttelte an den Stäben, die sich aber nicht bewegten, sondern mir an den Händen wehtaten. Einen Augenblick lang verharrte ich am Fenster, und der Schatten des Gitters fiel mir auf Gesicht und Körper. Dann huschte ich zurück zum Bett und kroch ängstlich auf die Matratze.

Dieser Ort schien mir erschreckend andersartig zu sein, fast als befände ich mich nicht mehr auf der Erde. Ich leitete dies weniger von der Beschaffenheit und Ausgestaltung des Zimmers her als von solchen Dingen wie dem Zustand meines Körpers und der Eigenart der Luft, die ich einatmete. Vermutlich spürte ich hier die Nachwirkung der Substanz, mit der man mich betäubt hatte. Sogar die Schwerkraft schien unmerklich anders zu sein als die der Erde. Außerdem fühlte ich mich am ganzen Körper ungemein lebendig, förmlich aufgeladen mit Sauerstoff. Die Luft war erfrischend, anregend. Diese Dinge, die mir objektive Bestandteile meiner Umgebung zu sein schienen, waren zweifellos nur subjektive Illusionen, die sich von dem Betäubungsmittel herleiteten. Sie mußten es sein. Die Alternative wäre zu unvorstellbar, zu absurd. Ich hoffte nur, daß ich nicht den Verstand verloren hatte.

Auf der Bettkante sitzend, stützte ich das Kinn auf die Knie. Ich spürte großen Hunger.

Ein Umstand allerdings machte mir klar, daß ich noch nicht verrückt geworden war, eine Einzelheit, die bei diesem scheinbar unerklärlichen Umweltwechsel einen gemeinsamen Faktor darstellte: Die stählerne Fußfessel, die ich trug, war mir in meiner eigenen Küche angelegt worden. Sie zierte mein Bein noch immer.

Ich blickte zu einem der Spiegel hinüber. Wie ich so auf dem großen Bett saß, wirkte ich sehr klein. Ich war nackt. Ich fragte mich, wessen Bett ich hier belegte.

Dann hörte ich ein Geräusch an der Tür.

Entsetzt kniete ich mich auf das Bett und zerrte einen Teil des Lakens hoch, das ich schützend vor mich hielt.

Die Tür öffnete sich, und eine kleine, dunkelhaarige hübsche Frau trat ein. Sie trug eine kurze weißliche, mit Blumenmustern bedeckte, sommerlich dünne Tunika, die beinahe durchscheinend war und einen weiten Ausschnitt besaß. An der Hüfte wurde das weite Gewand von einer schmalen Seidenschnur zusammengehalten. Sie war barfuß. Sie trug keine Fußfessel, doch hatte sie etwas am Hals, etwas Enges, das unter gelbem Seidenstoff steckte. Ich wußte nicht, worum es sich handelte. Mir fiel auf, daß die Tür, die sich hinter ihr schloß, etwa sechs Zoll dick war.

»Oh!« sagte das Mädchen leise bei meinem Anblick und kniete nieder. Sie neigte kurz den Kopf und hob ihn wieder. »Verzeih mir, Herrin!« sagte sie. »Ich wußte nicht, ob du schon wach bist. Nur deshalb habe ich nicht geklopft – um dich nicht zu stören.«

»Was willst du?« fragte ich.

»Ich bin gekommen, um die Herrin zu bedienen«, antwortete sie. »Ich wollte schauen, ob die Herrin irgend etwas braucht.«

»Wer bist du?«

»Susan«, antwortete sie.

»Susan wer?« fragte ich.

»Nur Susan.«

»Ich verstehe das nicht.«

»So werde ich genannt.«

»Ich heiße Tiffany«, sagte ich »Tiffany Collins.«

»Ja, Herrin«, antwortete sie.

»Wo bin ich?«

»In der Stadt Corcyrus.«

Von dieser Stadt hatte ich noch nie gehört. Ich wußte nicht einmal, in welchem Land sie sich befand, auf welchem Kontinent.

»In welchem Land?«

»Im Lande Corcyrus«, antwortete das Mädchen.

»Aber wo liegt Corcyrus?« wollte ich wissen.

»Hier«, antwortete sie ratlos. »Wir befinden uns in Corcyrus.«

»Wie ich sehe, will man mich unwissend lassen«, sagte ich zornig und raffte mir das Laken um den Hals.

»Corcyrus«, erklärte das Mädchen, »liegt südlich des Vosk und westlich der Stadt Ar. Seine Position ist etwa nordöstlich von Argentum.«

»Wo liegt New York City?« fragte ich. »Wo die Vereinigten Staaten?«

»Die gibt es hier nicht, Herrin«, antwortete das Mädchen lächelnd.

»Wo ist der Ozean?«

»Der befindet sich gut tausend Pasang weiter westlich, Herrin«, kam die Antwort.

»Wäre das der Atlantik oder der Pazifik?«

»Nein, Herrin.«

»Etwa der Indische Ozean?«

»Nein, Herrin.«

Ich musterte sie verwirrt.

»Es handelt sich um Thassa, das Meer, Herrin«, erklärte das Mädchen.

»Was für ein Meer soll das sein?« fragte ich.

»So nennen wir das Meer«, sagte das Mädchen. »Thassa.«

»Oh«, sagte ich verbittert.

»Soll ich der Herrin ein Bad bereiten?« fragte das Mädchen.

»Nein«, antwortete ich, »ich bin sauber. Und parfümiert hat man mich auch, nicht wahr?«

»Ja, Herrin«, sagte das Mädchen.

Ich zog das Laken noch ein Stück höher und spürte den weichen, angenehmen Stoff an meinem nackten, parfümierten Körper. Das Parfüm hatte einen exquisiten femininen Duft.

»Bin ich noch Jungfrau?« fragte ich.

»Ich nehme es an«, erwiderte das Mädchen. »Genau weiß ich es nicht.«

Bekümmert starrte ich auf die schwere Tür, die hinter ihr aufragte. Ich hatte keine Ahnung, wer durch die Tür hereinmarschieren und Ansprüche an mich stellen könnte.

»In wessen Bett liege ich hier?« fragte ich.

»In deinem eigenen, Herrin«, antwortete sie.

»Wessen Zimmer ist dies?«

»Das deine, Herrin.«

»Das Fenster ist vergittert.«

»Das Gitter ist zu deinem Schutz, Herrin«, erwiderte das Mädchen. »Solche Stäbe sind in Corcyrus in Frauengemächern nicht unüblich.«

Ich betrachtete das Mädchen im Licht. Ihr Gewand war beinahe durchsichtig. Es machte keine Mühe, die Umrisse ihres Körpers darunter auszumachen. Auf eine Weise war es unterwürfig und zurückhaltend, zugleich aber sehr provokativ. Eine Frau in einem solchen Gewand zu sehen, konnte einem Mann schon den Verstand rauben. Ich überlegte, was sich hinter dem Seidenschutz an ihrem Hals verbergen mochte.

»Weshalb wurde ich hierhergebracht?« wollte ich wissen. »Was mache ich hier?«

»Das weiß ich nicht, Herrin«, erwiderte das Mädchen. »In solchen Dingen informiert man mich nicht.«

»Oh.« Ihre Antwort hatte ich nicht ganz verstanden.

»Hat die Herrin Hunger?« fragte sie.

»Ja«, antwortete ich. Mein Magen hatte zu knurren begonnen.

Lächelnd richtete sich das Mädchen auf und verließ das Zimmer.

Ich stieg vom Bett und stand nun wieder neben der Lagerstatt auf den Fliesen, das Laken wie einen großen Mantel mitziehend und um mich raffend. Die Fliesen fühlten sich angenehm kühl an, während das Wetter ansonsten warm und sogar schwül zu sein schien. Ich fragte mich, ob ich in Afrika oder Asien wäre. Mein Blick fiel auf die Tür dicht vor mir. Es gab auf meiner Seite zwar einen Griff, doch keine Verriegelungsmöglichkeit.

Ich vernahm ein Geräusch und trat zurück.

Die Tür ging auf, und das Mädchen trat lächelnd ein. In der Hand hielt sie ein Tablett.

»Die Herrin ist aufgestanden«, sagte sie. Dann stellte sie das Tablett auf dem kleinen Tisch ab. Sie arrangierte die auf dem Tablett befindlichen Dinge und zog dann ein Kissen zurecht und stellte es neben dem Tisch auf. Das Tablett enthielt einen Teller Obst, keilförmige gelbe Brotstücke und eine Schale mit einer heißen schwarzbraunen Flüssigkeit, die mit vielen Zutaten angereichert zu sein schien.

»Ich möchte der Herrin die Decke abnehmen«, sagte sie und kam auf mich zu.

Ich wich erschrocken zurück.

»Es ist dafür zu warm«, sagte sie lächelnd und hob den Arm.

Wieder machte ich einen Schritt rückwärts.

»Ich habe die Herrin schon sehr oft gewaschen«, sagte sie. »Die Herrin ist sehr schön. Bitte!«

Ich ließ das Laken bis zur Hüfte hinabgleiten. Der bewundernde Ausdruck im Blick des Mädchens war eindeutig. Ich freute mich darüber und ließ mir das Laken ganz abnehmen. »Ja«, sagte sie, »die Herrin ist sehr schön.«

»Vielen Dank«, erwiderte ich.

Sie faltete das Laken zurück und legte es wieder auf die große Couch.

»Susan«, sagte ich. »Das ist dein Name?«

»Ja«, antwortete das Mädchen lächelnd.

»Was sind das für Ringe und Ketten?« fragte ich und deutete auf die Gebilde am Fuße des Bettes und an einer Wand.

»Sklavenringe, Herrin.«

»Und was für einen Zweck erfüllen sie?«

»Sklaven werden daran festgemacht.«

»Es gibt hier also Sklaven?« fragte ich. Dieser Gedanke beunruhigte mich. Zugleich erregte er mich auf das höchste. Mir zuckte die Frage durch den Kopf, wie es sein würde, wenn ich selbst Sklavin wäre. Ein Schauder lief mir über die Haut, und ich bekam im ersten Moment kein Wort heraus.

»Es gibt hier echte Männer«, sagte das Mädchen.

»Oh«, erwiderte ich und fragte: »Gibt es hier wirklich Sklaven?«

»Ja, Herrin«, antwortete sie. »Hier und überall.«

Ich wußte nicht, was sie mit ›überall‹ meinte.

Ich spürte den warmen Lufthauch an meinem Körper und roch das feminine Parfüm, das man mir angelegt hatte.

»Du bist sehr hübsch, Susan«, sagte ich und schaute dem Mädchen nach, das begonnen hatte aufzuräumen.

»Die Herrin muß hungrig sein«, sagte sie.

Das Licht des vergitterten Fensters traf sie von hinten. Die Schatten der Stäbe lagen auch auf dem breiten Bett.

Ich machte kehrt und begab mich zu dem niedrigen Tisch, auf dem das Tablett mich erwartete.

»Wir haben gar keine Stühle«, sagte ich.

»In Corcyrus gibt es nur wenige Stühle«, antwortete das Mädchen.

Ich wandte mich zu ihr um, gepeinigt von einer qualvollen Angst. Dieser neue, unbekannte Ort erschreckte mich.

»Verzeih mir«, sagte ich zu dem Mädchen, »aber natürlich mußte mir deine Kleidung auffallen. Sie überläßt sehr wenig der Phantasie.«

»Zweifellos ist das genau die Absicht, die damit verfolgt wird, Herrin«, erwiderte das Mädchen.

Plötzlich fühlte ich mich schwach.

»Herrin?« fragte das Mädchen besorgt.

»Schon gut«, erwiderte ich.

»Ja, Herrin«, antwortete sie erleichtert. Und langsam ging ich um Susan herum. Sie blieb starr stehen und hatte den Kopf erhoben. Ihre Figur war hübsch.

»Du hast da etwas am linken Bein«, sagte ich, »oben am Schenkel.« Ich bemerkte die Verfärbung durch den weißen, halb durchsichtigen Stoff ihrer Tunika.

»Ja, Herrin«, sagte sie. »Es ist üblich, daß Mädchen wie ich gebrandmarkt werden.«

»Gebrandmarkt?« fragte ich.

»Ja, Herrin«, sagte sie und zog den Rock der Tunika hoch und zeigte mir ein anmutig geschwungenes Symbol, das beinahe wie eine Blume aussah.

»Das ist mein Brandzeichen«, verkündete sie.

Ich hielt die Luft an.

»Es wurde mir vor zwei Jahren mit einem glühenden Eisen in Cos verpaßt.«

»Schrecklich«, flüsterte ich.

»Mädchen wie ich müssen damit rechnen, gebrandet zu werden«, fuhr sie fort. »Das entspricht den Empfehlungen des Handelsgesetzes.«

»Handelsgesetz?« fragte ich.

»Ja, Herrin.«

»Es tut doch nicht mehr weh, oder?« fragte ich.

»Nein, Herrin.«

Vorsichtig streckte ich die Hand aus und berührte den Gegenstand an ihrem Hals. Unter dem weichen Seidenschutz spürte ich harten Stahl.

»Das ist mein Sklavenkragen, Herrin«, sagte Susan.

»Würdest du ihn mal für mich abnehmen, damit ich ihn mir näher anschauen kann?«

Sie lachte fröhlich. »Verzeih mir, Herrin, aber den Kragen kann ich nicht abnehmen.«

»Warum nicht?«

»Weil er verschlossen ist«, antwortete sie lachend und drehte sich um. »Siehst du?«

Mit zitternden Fingern schob ich die beiden Enden des seidenen Futterals zur Seite und entdeckte unter ihrem Haar, in ihrem Nacken den Verschluß des Stahlbandes, das um ihren Hals verlief: ein widerstandsfähiges kleines Schloß. Ich sah sogar ein kleines Schlüsselloch.

»Du hast den Schlüssel nicht?« fragte ich.

»Nein, Herrin«, antwortete sie lachend. »Natürlich nicht.«

Ich erschauderte. »Darf ich dir eine intime Frage stellen, Susan?«

»Natürlich, Herrin«, sagte sie.

»Bist du noch Jungfrau?«

Das Mädchen lachte wieder. »Nein, Herrin, ich wurde den Herren schon vor langer Zeit für ihr Vergnügen zugänglich gemacht.«

»Zugänglich gemacht? Für ihr Vergnügen?«

»Ja, natürlich.«

»Du hast mich ›Herrin‹ genannt. Warum?«

»So reden Mädchen wie ich freie Frauen an«, lautete die Antwort.

»Was für ein Mädchen bis du denn?«

»Ein braves Mädchen, hoffe ich«, erwiderte sie. »Ich werde versuchen, dir gut zu dienen.«

»Bist du Sklavin?« flüsterte ich.

»Ja, Herrin«, entgegnete sie.

Ich trat einen Schritt zurück. Ich hatte versucht, mich dieser Erkenntnis zu widersetzen. Immer wieder hatte ich mir eingeredet, daß das nicht sein konnte, daß es nicht sein durfte. Doch wie einfach, wie offenkundigere plausibel war eine solche Erklärung für alles, das mich verwirrt hatte: für die Kleidung des Mädchens, für das Zeichen an ihrem Bein, für den Kragen, der ihren Hals umschloß.

»Ich bin Sklavin Ligurious’, des ersten Ministers von Corcyrus«, sagte sie, schob den Kragenschutz weiter zurück und zeigte mir mit tastenden Fingern einige Zeichen an dem Stahlband. Symbole waren dort eingraviert. Ich vermochte die Schrift nicht zu lesen. »Diese Information ist dort festgehalten«, erklärte sie und schob den Seidenschutz wieder zurück. »Ich wurde vor beinahe zwei Jahren in den Gehegen des Saphronicus in Cos gekauft.«

»Der Stoff soll also den Kragen verbergen?«

»Nein, Herrin«, sagte sie. »Daß der Kragen vorhanden ist, läßt sich auch durch den Stoffüberzug nicht verhüllen.«

»Ich verstehe«, sagte sie. »Das Gelb paßt gut zum Gelb deines Gürtels«, fuhr ich fort, »und zu den hübschen Blumen auf der Tunika.«

Das Mädchen lächelte. »Die Blumen sind Talenderblumen, eine wunderschöne Blüte. Sie symbolisiert oft die Liebe.«

»Sehr hübsch.«

»Manche freie Frauen haben etwas dagegen, wenn Sklavinnen Talender tragen dürfen«, erklärte Susan, »sei es in natura oder als Darstellung auf ihrem Gewand.«

»Warum sind freie Frauen dagegen?«

»Sie meinen, eine Sklavin, die immer dann lieben muß, wenn es ihr befohlen wird, kann nichts von der Liebe wissen.«

»Oh«, sagte ich.

»Aber ich bin frei gewesen, ehe ich Sklavin wurde«, fuhr sie fort. »Verzeih mir, Herrin, aber ich meine, daß nur die Sklavin in ihrer Verletzbarkeit und Hilflosigkeit wirklich wissen kann, was Liebe bedeutet.«

»Du mußt auf Befehl lieben?« fragte ich entsetzt.

»Wir müssen tun, was uns gesagt wird«, sagte sie schlicht. »Wir sind Sklavinnen.«

Beim Gedanken an die Hilflosigkeit der Sklavin lief mir ein Schauder über den Rücken.

»Natürlich darf jede Sklavin hoffen, einem echten Herrn zu gehören.«

»Geschieht dies denn jemals?« fragte ich.

»Oft, Herrin, denn hier herrscht kein Mangel an solchen Männern.«

Ich fragte mich, an was für einem Ort ich mich befinden mochte, wenn hier kein Mangel an echten Sklavenherren herrschte. In meinem ganzen Leben hatte ich einen solchen Mann bisher nicht kennengelernt. Am nächsten kamen dieser Vorstellung die Männer, die mich vermutlich an diesen Ort gebracht hatten; sie hatten mich wie einen Niemand behandelt. Sie hatten mich dermaßen geschwächt, daß ich sie beinahe darum angefleht hatte, mich zu nehmen, wie ich war. Nun kam mir der entsetzliche Gedanke, daß ich vielleicht für solche Männer geboren war.

»Wie erniedrigend ist doch das Sklavendasein!« rief ich.

»Ja, Herrin«, erwiderte das Mädchen und senkte den Kopf. Ich hatte das Gefühl, daß sie lächelte. Sie hatte mir wohl geantwortet, was ich hören wollte.

»Sklaverei ist illegal!« rief ich.

»Hier nicht, Herrin«, sagte sie.

Ich trat einen Schritt zurück. »Man kann doch andere Menschen nicht besitzen«, flüsterte ich entsetzt.

»Hier ist das möglich«, erwiderte sie. »Du kannst es mir glauben – abseits aller Fragen der Rechtmäßigkeit oder Moral; all diese Fragen wollen wir mal beiseite lassen, denn sie beziehen sich nicht auf die Tatsachen.«

»Dann gibt es hier im Haus also wirklich Sklaven?« fragte ich staunend.

»Ja«, antwortete sie. »Hier und überall.«

Wieder wußte ich nicht, was sie mit ›überall‹ meinte. Sie sprach beinahe, als befänden wir uns nicht auf der Erde, an einem Ort auf der Erde.

Mein Herz hatte heftig zu pochen begonnen. Angstvoll schaute ich mich in dem großen Raum um. Er hatte keine Ähnlichkeit mit anderen Räumen, in denen ich bisher gewesen war. Auf keinen Fall schien er sich in England oder Amerika zu befinden. Ich wußte nicht, wo ich war, auf welchen Kontinent man mich gebracht hatte. Ich war in der Gegenwart einer Sklavin, einer Frau, die einen Besitzer hatte. Ihr Herr war Ligurious, Minister dieser Stadt, die angeblich den Namen Corcyrus trug. Ich blickte auf das Gitterfenster, das barbarische Bett, die Kette am Fußende, die Ringe an der Wand. Und wieder war mir meine Beinahe-Nacktheit auf das unangenehmste bewußt.

»Susan?« fragte ich.

»Ja, Herrin?«

»Bin ich eine Sklavin?«

»Nein, Herrin.«

Ich wurde beinahe ohnmächtig vor Erleichterung. Einen Augenblick lang schien der Raum um mich zu kreisen. Ich war unsagbar froh, keine Sklavin zu sein – doch unerklärlicherweise erfüllte mich plötzlich auch ein tiefer Kummer deswegen. Mir ging zu meinem Schrecken auf, daß in mir etwas danach verlangte, einen Herrn über mir zu wissen. Ich betrachtete das Mädchen. Sie stand im Eigentum eines Mannes! In diesem Moment beneidete ich sie um den Kragen.

»Ich bin auch Sklavin!« sagte ich zornig. »Schau mich doch an. Ich bin nackt und trage einen Fußreif.«

»Ich weiß, daß die Herrin frei ist«, antwortete das Mädchen. »Ligurious, mein Herr, hat es mir gesagt.«

»Aber ich bin nackt.«

»Die Herrin ist nur noch nicht angekleidet«, gab sie zurück, ging zu der Schiebetür an der Seitenwand und öffnete sie. Dahinter hingen zahlreiche Gewänder – offenbar eine umfangreiche, elegante Garderobe.

Sie brachte mir eine hübsche, kurze, gestreifte, mit Schärpen verzierte, schimmernde gelbweiße Robe und hielt sie mir hin.

Ich fand das Gewand bezaubernd, gleichzeitig aber zu aufregend-sinnlich.

»Hast du nichts Einfacheres, Schlichteres?« fragte ich.

»Etwas Männlicheres?« fragte das Mädchen.

»Ja«, antwortete ich unsicher. Dieses Wort hatte ich natürlich nicht im Sinn gehabt, doch schien es mir einigermaßen zu passen.

»Möchte sich die Herrin wie ein Mann kleiden?« fragte Susan.

»Nein, eigentlich nicht.«

Und es stimmte – ich wollte mich nicht wie ein Mann anziehen, doch fühlte ich, daß es besser sei, eine eher strengere Kleidung zu wählen. Hatte man mich nicht gelehrt, daß ich praktisch dem Manne gleich sei?

»Herrin«, sagte das Mädchen und half mir in die Seidenrobe. Ich schloß die gelbseidene Schärpe. Der Rock endete weit über dem Knie. Erstaunt musterte ich mich im Spiegel. In einem solchen Gewand, lieblich gestaltet, meinen Körper eng nachzeichnend, konnte kein Zweifel bestehen, daß ich eine Frau war.

»Die Herrin ist schön«, sagte das Mädchen.

Im gleichen Moment wurde laut an die Tür geklopft. Ich fuhr schreiend zusammen.

Ein großgewachsener, kräftiger Mann stand auf der Schwelle. Er schaute sich um. Sein Blick hatte etwas Durchdringendes. Er besaß breite Schultern und lange Arme. Das braune, von grauen Strähnen durchzogene Haar war ziemlich kurz geschnitten. Er trug eine rot abgesetzte weiße Tunika. Als sein Blick mich traf, wäre ich beinahe ohnmächtig geworden. Es muß an seinem Blick gelegen haben. Ich wußte: Einen solchen Mann hatte ich noch nicht gesehen. Etwas unterschied ihn von allen anderen Männern, denen ich bisher begegnet war. Es war beinahe, als habe in ihm ein Löwe menschliche Gestalt angenommen.

»Dies ist Ligurious, mein Herr«, sagte das Mädchen, das den Kopf zum Boden geneigt hatte.

Ich schluckte krampfhaft und versuchte dem Blick des Mannes zu begegnen. Ich mußte ihm zeigen, daß ich ebenfalls eine Persönlichkeit war.

»Auf das Bett!« befahl er. Seine Stimme hatte einen Akzent, den ich nicht zu deuten wußte.

Ich eilte zum Bett und setzte mich nieder.

Er sagte etwas zu Susan, die aufsprang und zu mir eilte. Er machte eine weitere Bemerkung zu ihr. Ich verstand die Sprache nicht. Sie klang mir völlig fremd.

»Er sagt, du wirst es schon schaffen«, sagte sie auf Englisch zu mir.

»Was?« fragte ich.

»Das weiß ich nicht«, erwiderte sie.

Der Mann ergriff mein Fußgelenk und zog das Bein hoch. Ich ließ mich zurückfallen und begann tief zu atmen. Ich war beinahe außer mir vor Entsetzen. Zugleich spürte ich, daß ich sexuell erregt war, daß das Gehorchen mich schwach machte.

Der Mann blickte zur Seite und sagte etwas zu dem Mädchen. »Er hat gesehen, daß du dein Frühstück nicht angerührt hast«, sagte Susan.

Ich stöhnte. Hoffentlich war er nicht böse auf mich! Die meisten Männer meines Lebens hatte ich bisher nach Belieben abweisend behandeln können: Bei diesem Mann aber hätte ich das nicht gesagt.

Ich wimmerte und erwartete, daß er mich vergewaltigen würde. Ich war sogar begierig darauf.

Doch als er sich vorbeugte, stellte sich heraus, daß er mir nur den Beinreif abnehmen wollte; er steckte einen kleinen Schlüssel ins Schloß und öffnete das Metallband. Ich war teils erleichtert, teils enttäuscht. Zumindest jetzt sollte ich seine starken Hände noch nicht an meinem Körper spüren, mich seinem Willen als Frau noch nicht unterwerfen.

»Darf ich sprechen?« flüsterte ich.

»Ja.«

»Wer sind Sie?« fragte ich. »Wer ist das Mädchen? Wo bin ich? Was tue ich hier? Was wollen Sie von mir?«

»Ich bin Ligurious, erster Minister von Corcyrus«, antwortete er. »Das Mädchen ist unwichtig. Sie heißt Susan. Sie ist Sklavin.«

»Nein«, widersprach ich, »ich meine: Wer ist Ligurious? Ich habe noch nie von Ihnen gehört.«

»Du brauchst nicht viel mehr zu wissen, als daß ich der erste Minister von Corcyrus bin«, gab er zurück.

Ich starrte ihn an. Es mußte eine Verbindung geben zwischen ihm und den Männern, die mich in meiner Wohnung aufgesucht hatten. Er besaß einen Schlüssel für die Beinfessel!

»Wo bin ich?« fragte ich.

»In Corcyrus«, lautete die Antwort.

»Aber wo liegt Corcyrus?« fragte ich flehend. »Ich weiß nicht einmal, in welchem Teil der Welt ich mich befinde!«

Verwirrt sah er mich an.

Das Mädchen sagte etwas zu ihm, und er lächelte.

»Bin ich in Afrika? Oder in Asien?«

»Ist dir nicht schon der leichte Schwerkraftunterschied aufgefallen, im Vergleich zu dem, was du bisher gewohnt warst? Hast du nicht schon bemerkt, daß die Luft sich hier etwas von der unterscheidet, die du bisher geatmet hast?«

»Ja, mir war irgendwie so«, erwiderte ich. »Aber ich wurde in meiner Wohnung mit Betäubungsmitteln ausgeschaltet. Offenbar gehen die Empfindungen auf diese Droge zurück.«

»Die Droge hat keine solche Wirkung«, sagte er.

»Was soll das heißen?« fragte ich angstvoll.

»Es dauert nicht mehr lange«, antwortete er, »dann wirst du an solche Dinge keinen Gedanken mehr verschwenden. Sie werden dir nicht einmal mehr auffallen, jedenfalls nicht bewußt. Du wirst dich umgestellt haben. Akklimatisiert, könnte man sagen. Höchstens wird dir bewußt, daß du einen besonderen Schwung besitzt und dich sehr wohl fühlst!«

»Was soll das alles?« fragte ich ängstlich.

»Wir befinden uns nicht auf der Erde«, erwiderte er, »sondern auf einem anderen Planeten.«

Ungläubig starrte ich ihn an.

»Kommt dir die Umgebung typisch für die Erde vor?« fragte er.

»Nein«, flüsterte ich.

»Sieht dies wie ein Erdenzimmer aus?« fragte er.

»Nein.«

»Du bist in einem Raumschiff hergebracht worden.«

Ich konnte nicht antworten.

»Die Technologie, die dabei angewandt wird, ist fortschrittlicher als die, die du kennst«, fuhr er fort.

»Aber Sie sprechen englisch!« sagte ich. »Susan auch!«

»Ich habe ein wenig englisch gelernt«, sagte er. »Für Susan aber ist es ihre Muttersprache.« Er wandte sich zu dem Mädchen um und sagte etwas.

»Ich habe Erlaubnis zu sprechen«, sagte sie. »Herrin, ich stamme aus Cincinnati, Ohio.«

»Sie wurde vor über zwei Jahren auf diese Welt gebracht«, warf der Mann ein.

»Ursprünglich hieß ich Susan«, fuhr die Sklavin fort. »Mein Nachname spielt dabei keine Rolle. Als ich Sklavin wurde, verlor ich natürlich auch meinen Namen. ›Susan‹ – so wurde ich dann später von meinem Herrn wieder genannt. Ich trage diesen Namen jetzt als Sklavennamen.«

»Warum wurde sie hergebracht?« fragte ich.

»Aus dem Grund, aus dem Erdenfrauen üblicherweise auf diese Welt gebracht werden.«

»Und der wäre?«

»Um als Sklavin zu dienen.«

»Und warum hat man mich hergebracht? Aus dem gleichen Grund?«

»Du wirst schon noch merken, welches Schicksal dir zugedacht ist. Hast du sonst noch Fragen?«

Ich richtete mich auf dem Bett auf. »Bin ich noch Jungfrau?« fragte ich.

»Ja.«

Dies freute mich. Ich hätte nicht gern meine Unschuld verloren, während ich bewußtlos war. Außerdem hoffte ich, daß mein Zustand meinen Wert noch erhöhte. Vielleicht konnte ich ihn irgendwie noch als Waffe einsetzen. Dann aber bemerkte ich Ligurious’ Blick und verzagte. Auf dieser Welt bedeutete meine Unschuld gar nichts.

Ligurious machte kehrt und verließ das Zimmer, und Susan und ich machten uns über das Frühstück her; schließlich hatte Ligurious sein Mißfallen zum Ausdruck gebracht, daß ich noch nicht gegessen hatte.

»Dies ist ja warmer Kakao!« rief ich nach dem ersten Schluck aus der flachen Schale. Ein kremiger, satter Schokoladengeschmack erfreute mich.

»Ja, Herrin.«

»Sehr gut! Kommen die Kakaopflanzen von der Erde?«

»Nicht direkt«, antwortete sie. »Natürlich gibt es hier viele Dinge, die ihren Ursprung auf der Erde haben. So können die ersten Kakaobohnen durchaus von der Erde hergebracht worden sein.«

»Wächst der Kakao in dieser Gegend?«

»Nein, Herrin. Wir bekommen die Bohnen, aus der die Schokolade gefertigt wird, von cosianischen Kaufleuten, die sie in den Tropen eintauschen.«

Ich stellte die Kakaoschale aus der Hand und begann von dem gelben Brot zu essen, das sehr frisch war.

»Wo sind die Raumschiffe?« fragte ich nach einiger Zeit.

»Raumschiffe?«

»Ja.«

»Keine Ahnung. Ich habe noch keins gesehen.«

»Oh.«

»Hat die Herrin denn ein Raumschiff gesehen?«

»Nein«, antwortete ich. Susan war wohl wie ich bewußtlos auf diese Welt gebracht worden. Wir wußten nichts oder beinahe nichts darüber, wie wir hierher gelangt waren.

»Für die Bewohner dieser Welt existierten kaum Hinweise darauf, daß es solche Dinge überhaupt gibt«, sagte Susan. »Die direkteste Bestätigung liegt meistens in gewissen Dingen, die von der Erde importiert werden.«

»Dinge?«

»Ja, vorwiegend wohl Mädchen, in Ketten.«

»Du nennst sie ›Dinge‹?« fragte ich entsetzt.

»Ja, Herrin. Sie sind Sklaven.«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Die Herrin wird noch feststellen«, sagte das Mädchen, »daß diese Welt alles in allem sehr primitiv und barbarisch ist. Du darfst hier keine komplizierten Maschinen und Raumschiffe erwarten.«

»Oh.«

»Ich glaube nicht einmal, daß solche Schiffe auf dieser Welt beheimatet sind«, fuhr sie fort. »Wahrscheinlich besuchen sie sie nur von irgendwoher.«

»Es müssen doch aber Menschen zwischen hier und der Erde hin und her fliegen«, meinte ich.

»Das mag sein, Herrin, aber ich weiß davon nichts.«

»Hast du denn die Hoffnung aufgegeben, zur Erde zurückzukehren?«

»Schau mich an, Herrin«, sagte sie. »Ich bin halb nackt. Ich trage ein Brandzeichen und einen Halskragen. Ich nehme nicht an, daß ich auf diese Welt geholt wurde, um eines Tages zur Erde zurückgebracht zu werden.«

»Aber gewiß möchtest du doch zurückkehren!«

»Nein, Herrin. Dies ist mein Schicksal, und ich bin nicht unzufrieden.«

»Aber warum nicht?«

»Es gibt hier wahre Männer. So ist es tausendmal besser, auf Gor einen Kragen zu tragen, als auf der Erde in Freiheit zu leben.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Weil die Herrin eben keine Sklavin ist.«

»Du mußt mich nicht immer ›Herrin‹ nennen. Mein Vorname ist Tiffany. Laß uns Freunde sein!«

»O nein, Herrin, bitte nicht!«

»Aber wir sind beide aus Amerika! Warum können wir dann nicht Freunde sein?«

»Du bist frei, ich nur eine Sklavin.«

Ich schaute sie an.

»Ich will versuchen, der Herrin gut zu dienen.«

Allmählich glaubte ich die Disziplin zu verstehen, unter der Sklavinnen standen. Unwillkürlich fragte ich, wie es wäre, wenn ein solcher Zwang auch für mich gälte. Ich erschauderte.

»Dies scheint eine Welt zu sein, in der das Sexuelle im Vordergrund steht«, sagte ich.

»Ja, Herrin.«

»Sind Frauen hier nicht sicher?«

»Nein, Herrin, eigentlich nicht. Aber trotzdem darfst du unbesorgt sein. Du wirst gut bewacht. Deine Gemächer befinden sich immerhin im Palast von Corcyrus.«

»Dies ist der Palast? Vor der Tür stehen Wächter?«

»Ja. Herrin.«

»Dein Herr macht mir angst«, sagte ich.

»Mir auch«, erwiderte sie.

»Zweifellos sind unsere Ängste dumm und unbegründet«, meinte ich.

»Nein, Herrin. Nicht, daß er deine Schönheit nicht sähe«, fügte das Mädchen sofort hinzu. »Die erkennt jeder Mann sofort. Das Interesse Ligurious’ scheint nur nicht in diese Richtung zu gehen. Außerdem hat er natürlich viele schöne Frauen zur Verfügung. Er ist ein vielbeschäftigter Mann.«

»Viele schöne Frauen?« fragte ich.

»Sklavinnen?«

»Außer dir noch andere?«

»Ich bin nur eines seiner Mädchen«, erklärte sie lachend, »und bestimmt eines seiner am wenigsten reizvollen.«

»Wie viele Sklavinnen besitzt er denn?«

»Fünfzig.«

Ich schnappte nach Luft.

»Vielleicht möchte Herrin jetzt zu Ende frühstücken«, sagte das Mädchen.

»Ich habe keinen Appetit.«

»Soll ich meinem Herrn Ligurious melden, daß die Herrin nicht aufgegessen hat?«

»Nein, nein!« sagte ich hastig und kam mir wie eine Sklavin vor.

»Ausgezeichnet, Herrin«, sagte das Mädchen schließlich. »Ich werde die Herrin jetzt anziehen. Ich werde sie lehren, welche Kleidung hier getragen wird und wie sie anzulegen ist und welche Schleier dazugehören. Dann wird es Zeit für den Unterricht.«

»Unterricht?« fragte ich angstvoll.

»Ja, Herrin. Sprachunterricht, Unterricht in Sitten und Gebräuchen. Du mußt lernen, wie Corcyrus regiert wird.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Wer bist du?« fragte sie.

»Tiffany Collins.«

»Nein, Herrin. Diese Identität mußt du ablegen. Sieh sie als etwas, das vergangen ist, als wärst du eine Sklavin. Bereite dich auf einen Neuanfang vor.«

»Aber wie?« fragte ich. »Was soll ich tun? Wer soll ich sein?«

»Soviel weiß ich«, erwiderte das Mädchen lächelnd. »Mein Herr hat mir deine neue Identität mitgeteilt.«

»Und die wäre?«

»Ab sofort solltest du dich damit vertraut machen, Sheila, Tatrix von Corcyrus zu sein.«

»Sheila, Tatrix von Corcyrus?« fragte ich.

»Ja, Herrin.«

»Was ist eine Tatrix?«

»Ein weiblicher Herrscher.«

Ungläubig starrte ich sie an.

»Es ist für mich eine große Ehre«, sagte das Mädchen, »der Tatrix von Corcyrus dienen zu dürfen.«

Ich begann zu zittern.

»Wiederhole es: Wer bist du?«

»Sheila, Tatrix von Corcyrus«, flüsterte ich.

»Ganz recht, Herrin.«

»Ich verstehe das alles nicht«, sagte ich. »Ich begreife überhaupt nichts mehr! Ich weiß nicht einmal den Namen der Welt, auf der ich mich hier befinde!«

»Sie heißt Gor«, antwortete das Mädchen.

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