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Ich hatte Angst vor Miles aus Argentum.

Er schien in mir nicht die hilflose und niedere Sklavin zu sehen, die ich war, ein Mädchen, das er auf einen Abend für sein Vergnügen gemietet hatte, sondern behandelte mich wie eine hohe Dame und eine freie Gefangene, Sheila, Tatrix von Corcyrus, an der er seine Rache vollzog – vielleicht weil sie aus seinem Lager geflohen war.

Jedenfalls hatte er keine Rücksicht auf mich genommen, wenn er mich zu sich holte.

Er mußte doch wissen, daß die echte Sheila in der Gewalt Hassans des Sklavenjägers war! Erst kürzlich hatte Hassan sie in einem goldenen Sack nach Argentum bringen lassen. Noch immer mußte sie einige Stunden am Tag in diesem goldenen Sack verbringen, der im Thronraum aufgehängt wurde, während man Staatsgeschäfte erledigte. Dieser Sack sollte übermorgen Claudius, dem Ubar von Argentum, und dem Hohen Rat als Höhepunkt eines großen Fests zum öffnen präsentiert werden.

Warum also interessierte sich Miles aus Argentum für mich?

Gewiß nahm er nicht an, daß ich die echte Sheila sei, auch wenn er mich ständig so anredete!

Meine gesamte Bankettsklaven-Gruppe war von Ar nach Argentum gebracht worden, angeblich mit dem Auftrag, dort eine Feier zu verschönen. Die Kosten trug Miles aus Argentum, der – zum Mißvergnügen der meisten Mädchen – strenge Sicherheitsvorschriften durchsetzte. Von allen Mädchen und Angehörigen des Personals der Agentur verstand ich wohl am besten die Gründe für diesen Ausflug nach Argentum und für die Abschirmung. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sich Miles aus Argentum nur für Bankettsklavinnen interessierte, die er sicher auch in seiner Heimatstadt mieten konnte. Vielmehr galt sein Interesse einer einzigen Sklavin, der er seine volle Aufmerksamkeit widmete.

Er nannte mich Sheila – doch konnte das doch nur ein Spiel sein. Gewiß konnte er sich nicht deutlich an mich erinnern, wie er da im Thronsaal vor mir gestanden, wie er mich schließlich als nackte Gefangene in einen goldenen Käfig gesteckt hatte.

Nein, er spielte nur mit mir.

Ich war nichts anderes als Tiffany, eine Bankettsklavin, die mit den anderen nach Argentum gebracht worden war, um dort bei der Siegesfeier zu dienen.

Es war nicht meine Schuld, wenn ich Sheila, der Tatrix von Corcyrus ein wenig glich.

Ich führte mir vor Augen, daß Miles aus Argentum nicht mein Besitzer war. Er hatte mich lediglich für einen Abend, für eine Nacht gemietet, so wie es Männer oft tun. In wenigen Tagen würde ich mich auf dem Rückweg nach Ar befinden, mit den anderen. Ich hatte nichts zu befürchten.

Er war nicht mein Eigentümer. Das war am wichtigsten. Er konnte mir nichts tun, ohne das Unternehmen des Aemilianus dafür in irgendeiner Weise zu entschädigen.


Am Morgen wurde ich von einem Klopfen geweckt. Es mußte um die achte Ahn sein. Das Zimmer war lichtdurchflutet.

»Wie ich sehe, bist du wach, Lady Sheila«, sagte Miles aus Argentum.

»Ja, Herr«, antwortete ich.

»Schön, schön«, sagte er. »Es ist gerade die achte Ahn durch.«

Ich verstand diese Worte nicht. Hatte diese Tageszeit irgendeine Bedeutung?

Erstaunt registrierte ich, daß Miles aus Argentum hinter mich trat und einen Schlüssel in das Schloß meines Eisenkragens einführte. Er öffnete den Metallreif und nahm in mir ab.

»Herr!« rief ich. »Was machst du? Woher hast du den Schlüssel?«

»Vor mehreren Tagen, am Tag, nachdem ich dich in Ar entdeckte«, sagte er, »bezahlte ich einen Preis für dich, aber der Eigentumsübergang wurde auf meinen Wunsch erst für heute um die achte Ahn festgesetzt. Seit wenigen Ihn bin ich dein alleiniger Herr!«

»Du scherzt, Herr!« rief ich. »Die Bankettsklaven brauchen mich! Man würde mich nicht einfach so verkaufen. Es gibt keinen Ersatz für mich. Kein Mädchen, kann meine Pflichten übernehmen!«

»Ich wußte gar nicht, daß eine kleine Bedienung bei Tisch so wichtig ist«, sagte er amüsiert.

»Man hat gern eine volle Truppe auf Reisen«, sagte ich. »Wenn ich an dich verkauft werden sollte, hätte man ein zusätzliches Mädchen mitgeschickt, zur Ergänzung meiner Gruppe.«

»Und genau das hat man getan«, sagte er lächelnd, »allerdings ist sie auf meinen Wunsch getrennt gereist. Sie heißt Emily. Vielleicht kennst du sie?«

Entsetzt starrte ich ihn an.

»Du kennst sie?« fragte er.

»Ja, Herr«, sagte ich. »Sie wurde in der Klasse nach mir ausgebildet. Anscheinend wurde sie in unsere Gruppe versetzt.«

»Hier ist dein neuer Kragen«, sagte er und zeigte mir das Metall. »Ist er nicht hübsch?«

»Ja, Herr«, sagte ich. Es war ein attraktiver Sklavenkragen aus schimmerndem Stahl mit einem kräftigen Schloß.

»Du scheinst dich gar nicht zu freuen«, sagte er. »Das verstehe ich nicht. Ich dachte, du würdest außer dir sein vor Freude.«

»Ich bin außer mir vor Freude, Herr«, flüsterte ich.

»Das ist gut. Ich mag es, wenn meine Mädchen glücklich sind. Außerdem habe ich fünfzehn Silber-Tarsks für dich bezahlt.«

»Das ist viel zuviel für mich!« rief ich erstaunt.

»Ich glaube nicht«, sagte er lächelnd.

»Ich bin bei weitem nicht soviel wert«, sagte ich. Für einen solchen Preis konnte er eine erstklassige Tänzerin bekommen.

»Mir bist du soviel wert«, sagte er.

»Ich will mich bemühen, dir das Gefühl zu geben, daß du dein Geld nicht verschwendet hast.«

»Keine Sorge«, sagte er, »dafür sorge ich schon selbst.« Und er ergriff mich und drängte mich an die Wand.

»Oh!« rief ich.

»Gut siehst du aus, meine ehemalige Tatrix, meine hilflose Sklavin!«

»Ich kann nichts dafür, wenn ich ihr ähnlich sehe!«

»Du bist ihr nicht nur ähnlich«, sagte er.

»Herr!« rief ich.

»Du bist es selbst!«

»Nein, nein!« rief ich.

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