17

»Nun sind wir allein, Lady Sheila«, sagte er.

Er hatte sich von der Tür abgewandt, nachdem er sie verschlossen und den Schlüssel in seinen Geldbeutel gesteckt hatte.

Ich stand mit dem Rücken an einer rauhen Holzwand in einem kahlen, weitgehend unmöblierten Zimmer. Es grenzte an einen kleinen Stall, vor dem sich ein kleiner Stallhof erstreckte. Speusippus’ Tharlarion war im Stall untergestellt, und draußen im Hof wartete sein Wagen, den er an eine Kette gelegt hatte. Die zahlreichen Kisten und Truhen mit seinen Waren waren in das kleine Zimmer gebracht worden. Es handelte sich um eine von mehreren solcher Unterkünfte, die gewöhnlich von Fuhrleuten und reisenden Händlern gemietet wurden. Sie befand sich in einem Vorort Vennas.

Nachdem sich Speusippus beim Archonten als mein Herr ausgegeben hatte und ich ihm nicht widersprechen konnte, weil er mich sonst den Häschern aus Argentum verraten hätte, war ich ihm hierher gefolgt. Zunächst hatte ich seinen Tharlarion abreiben und anschließend den Stall ausmisten und frisches Grünfutter holen müssen.

Anschließend hatte er mich an einen öffentlichen Brunnen geführt, wo ich mich unter seiner Aufsicht waschen mußte. Von dort waren wir zu seiner Unterkunft zurückgekehrt, wo ich ihm über einem kleinen Grill im Hof etwas zu essen machen mußte. Ein Stück Fleisch hatte er mir überlassen. Vor einigen anderen Hütten in der Reihe sah ich andere Mädchen, die für ihre Herren kochten. Nachdem ich den Grill gesäubert und das Geschirr abgewaschen hatte, waren wir in das Zimmer gegangen. Er hatte die Tür verschlossen.

Ich spürte die Rauheit der Wand auf meinem Rücken.


»Nicht übel, Lady Sheila«, sagte er. »Wenn ich es nicht besser wüßte, könnte man meinen, du hättest schon gewisse Erfahrungen besessen. Vielleicht ist einer Frau so etwas angeboren. Hinein!« Und er hielt den Deckel der großen Kiste offen.

Ich kroch in die große tiefe Kiste und legte mich seitlich und mit angezogenen Beinen darin nieder.

»Habe ich dem Herrn gefallen?« fragte ich.

»Du sprichst wie eine Sklavin«, sagte er spöttisch.

»Verzeih mir, Herr!« Es erschien mir selbst kaum glaublich, doch war mir wichtig, daß er Gefallen an mir fand.

»Hast du Hunger?« fragte er.

»Ja, Herr.«

Er ging in einen Winkel des Zimmers und kehrte mit einem Stück Trockenfleisch zurück, das er mir hinwarf.

»Was wirst du mit mir tun?« fragte ich.

»Was mir gefällt.«

»Ja, Herr.«

»Morgen fahren wir nach Süden«, verkündete er.

»Nicht nach Ar?«

»Nein«, erwiderte er. »Wir werden nach Westen abbiegen.« Er schaute auf mich nieder. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, die Tatrix aus Corcyrus nackt in meiner Schatztruhe zu haben«, sagte er genießerisch.

»Kann ich hier denn atmen, Herr?« fragte ich.

»Die Kiste hat Luftlöcher«, sagte er. »Du bist nicht die erste Frau, die dieses Lager einnimmt. Allerdings die erste Tatrix.«

»Ja, Herr.«

»Bei meinem Prozeß, du weißt es sicher noch, kam auch zur Sprache, daß ich unabsichtlich Sklavenhaar als Haar einer freien Frau verkauft haben sollte.«

»Ja, Herr.«

»Morgen früh werde ich mir Haar von einer freien Frau besorgen. Du wirst kahlgeschoren.«

»Der Herr kennt mein Geheimnis«, sagte ich. »Er hat die Macht über mich. Er kann tun mit mir, was er will.«

»Und das werde ich auch«, erwiderte er. »Angenehme Träume.«

In der dunklen Kiste liegend, konnte ich bald die Luftlöcher ausmachen. Durch einige winzige Spalten konnte ich sehen, wie er die Öllampe ausmachte.

Ich begann von dem Fleisch abzubeißen, das er mir hingeworfen hatte. Ich hatte beinahe das Gefühl, als hätte er mich damit belohnen wollen.

Ich war keine Jungfrau mehr. Meine Jungfräulichkeit war mir von Speusippus aus Turia genommen worden. Ohne jede Rücksicht auf meine Gefühle hatte er mich unter sich geworfen und mich genommen – und das nicht nur einmal. Nicht nur dadurch wurde mir klargemacht, wer die Macht über mich hatte. Trotz dieser klaren Eroberung und meines physischen und psychischen Eingehens auf diese Tatsache lag es daran, daß er sich mit meinem Körper zu wenig Zeit ließ. Andererseits war ich erregt und bereit gewesen, ihn zu empfangen. Bei unserem letzten Zusammensein hatte ich jedoch Angst bekommen, begann ich doch tief in mir etwas zu empfinden, eine erste erschreckende Vorahnung darauf, wie es sein mochte, sich einem Herrn als Sklavin voll hinzugeben.

Ich lag in der Kiste und kaute mein Fleisch. Ich war keine Jungfrau mehr. Den Männern war ich geöffnet worden, wie es bei den Goreanern hieß. Speusippus aus Turia hatte mir das angetan. Gleichwohl beunruhigte mich der Anflug des unkontrollierbaren Gefühls, das ein Sklavenherr in seiner Sklavin zu wecken vermochte. Ich schwor mir, die Sklavenhitze niemals in mir wecken zu lassen. Speusippus aus Turia war im Grunde abscheulich, ein widerlicher Mann. Warum hoffte ich dann, ihm gefallen zu haben? Warum wollte ich ihm wieder zu Gefallen sein? Er wollte mir morgen sogar das Haar abschneiden lassen. Vielleicht tat er das aus Rache gegen mich – und sicher auch wegen des Geldes, das er für das Haar bekommen würde. Andererseits wollte er vermeiden, daß ich erkannt wurde. Die Entscheidung lag ohnehin bei ihm. Er kannte mein Geheimnis. Er wußte, wer ich war. Deshalb konnte er mit mir tun, was er wollte. Deshalb mußte ich, eine freie Frau, ihm dienen wie eine Sklavin.


Ich kniete auf einem flachen Felsen am Ufer eines kleinen Flusses und klopfte und wusch eine Tunika aus, die Speusippus gehörte. Links und rechts von mir arbeiteten andere Mädchen. Wir befanden uns an einer Lagerstelle, etwa zwanzig Pasang westlich der Viktel Aria. Am Flußufer stand nicht nur Speusippus’ Wagen, sondern auch etliche andere. Zwei Sklavinnen wuschen sich flußabwärts im Wasser. Ich spülte Speusippus’ Tunika nach und wandte mich mehreren anderen Kleidungsstücken zu, die neben mir lagen. Wie schon im letzten Lager hatte er mich als Wäscherin bei Männern angepriesen, die keine eigenen Sklavinnen besaßen. Es amüsierte ihn, mich, die Tatrix von Corcyrus, als Wäscherin zu beschäftigen. Interessanterweise stellte er mich für weitergehende Dienste nicht zur Verfügung. Hätte er es getan, hätte ich gehorsam sein müssen.

»Dein Herr ist ein Ungeheuer, Lita!« rief ein Mädchen mir zu, das ihre Wäsche beendet hatte.

»Ach, ich werde es schon schaffen!« rief ich lachend.

Ich war froh, daß wir nicht mehr auf der Viktel Aria nach Süden fuhren. Gestern abend hatte ich Speusippus angefleht, mich nicht nach Ar zu bringen. Er hatte mein Entsetzen genossen. »Sei unbesorgt, ich bringe dich nicht nach Ar«, hatte er gesagt.

Und heute früh waren wir in westlicher Richtung von der Viktel Aria abgebogen.

Fünf Tage war ich nun schon in der Gewalt Speusippus’ aus Turia. Interessanterweise hatte er sich mir seit der ersten Nacht in dem Holzzimmer nicht mehr intim genähert, obwohl ich unwillkürlich immer wieder seine Nähe gesucht hatte. »Denk daran, daß du die Tatrix von Corcyrus bist«, sagte er einmal zu mir, als er meinen sehnsüchtigen Blick bemerkte. Ansonsten aber hatte er mich wie eine Sklavin behandelt und knuffte mich, wann immer es ihm gefiel.

»Sei gegrüßt, Lita!« sagte ein Mädchen und kniete sich zum Wäschewaschen in meiner Nähe nieder.

»Sei gegrüßt, Tina!« erwiderte ich. Tina war eine wohlgerundete kleine Schönheit im Besitz Lactantius’, eines Fuhrmanns aus Ar-Station. Die beiden kamen aus Ar und waren ebenfalls nach Westen abgebogen. Tina und ich hatten uns schon vorher zwischen den Wagen bekanntgemacht.

»Dein Herr ist einer der häßlichsten Männer, die ich kenne«, sagte Tina.

»Ach, so übel ist er gar nicht«, sagte ich und zog eine feuchte Tunika aus dem Wasser.

»Dir muß doch eine Gänsehaut kommen, wenn er dich nimmt«, sagte sie. »Es muß schrecklich sein, ihm zu dienen.«

»Ach, so schlimm ist es nicht«, antwortete ich.

»Er ist nicht schlimm?« fragte sie.

»Nein«, sagte ich. Auf jeden Fall hatte er mir gegenüber seine Kraft und Befehlsmacht bewiesen. Ich hielt es nicht für nötig, ihr zu erzählen, daß ich den zunehmenden Wunsch verspürte, ihm zu Gefallen zu sein.

»Interessant«, sagte sie. »Nun ja, bei einem Sklavenherrn weiß man eben nie.«

Wir setzten unsere Arbeit fort.

Ich trug eine kurze graue Tunika, die mir Speusippus schon am ersten Tag gegeben hatte. Es war heiß, und ich fuhr mir mit der Hand über den Kopf. Meine Fingerspitzen streiften über die kurzen Haarstoppeln. Speusippus hatte mir mein gesamtes Kopfhaar abgeschoren.

»Bin ich häßlich, Tina?« fragte ich.

»Nein«, antwortete sie.

»Aber mein Haar?«

»Das wird schon nachwachsen.«

»Glaubst du, ein Mann könnte mich begehren, wie ich bin?« fragte ich.

»Du hast doch sicher bemerkt, wie die Fuhrleute hinter dir herschauen!«

»Nein!« rief ich.

»Du hast eine hübsche Kehrseite«, sagte sie.

Errötend wrang ich die letzte Tunika aus, rollte sie ein und legte sie zu den anderen. Später würde ich sie auf den Wagen ausbreiten.

»Was gibt es sonst Neues, Tina?« fragte ich.

»Worüber?«

»Na, über alles.«

»Viel Neues weiß ich nicht«, sagte sie. »Wegen des vielen Regens macht man sich Sorgen um die Sa-Tarna-Ernte. In Ar wird es wegen des Geburtstags des Ubars Marlenus ein großes Fest geben. Lactantius hält das für wichtig.«

»Gibt es auch Neues aus dem Westen?« fragte ich.

»Das Übliche.«

»Und das wäre?«

»Du hast sicher von der Flucht der Tatrix von Corcyrus gehört?«

»Nein!«

»Seltsam«, sagte sie. »Das alles ist schon einige Tage her. Man sucht sie überall.«

»Das wußte ich nicht«, sagte ich. »Wo vermutet man sie denn?«

»Niemand weiß, wo sie steckt.«

»Oh«, sagte ich.

»Man hat eine Belohnung von tausend Goldstücken ausgesetzt.«

»Das ist sehr viel Geld«, sagte ich. Mir war übel. »Tina«, fügte ich hinzu.

»Ja.«

»Lactantius, dein Herr, kommt doch aus Ar-Station. Was macht er auf dieser Straße?«

»Er hat in Ar Fracht geladen«, erwiderte sie, »und bringt sie nach Westen.«

»Wohin?«

»Nach Argentum. Was ist los?«

»Nichts. Was macht er dann auf dieser Straße?«

»Was meinst du?« rief sie. »Er tut hier genau das, was von ihm erwartet wird!«

»Wohin führt diese Straße?« fragte ich.

»Nach Argentum.«

Ich tat, als müßte ich einige Tuniken noch nachwaschen, und blieb am Fluß, bis Tina fertig war und zum Wagen ihres Herrn zurückgekehrt war. Unbemerkt bückte ich mich dann, las vom Flußufer einen kleinen scharfen Stein auf und steckte ihn in den Saum meiner Sklaventunika. Später würde ich ihn im Mund aufbewahren, denn Speusippus würde mir die Tunika nehmen, ehe ich mich wieder in die Truhe legen mußte. Diese Truhe war zwar sehr robust gebaut, doch bestand sie nicht aus Eisen, sondern aus Holz.

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