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Als Pat und der Commodore in die Kabine zurückkehrten, war die Diskussion noch in vollem Gange. Radley, der sich bisher so zurückgehalten hatte, schien alles nachholen zu wollen. Nicht einmal dem juristisch geschulten Schuster gelang es, ihn in die Enge zu treiben. Die Bemühungen des Anwalts waren so erfolglos, als hätte er einen Paranoiker davon zu überzeugen versucht, dass es wirklich niemand auf ihn abgesehen habe.

»Es ist doch gar nicht plausibel, dass Tausende von Wissenschaftlern darüber informiert sind, aber auch nicht einer davon spricht?«, argumentierte Schuster.

»Oh, man hat versucht, die Wahrheit aufzudecken«, erwiderte Radley. »Aber das Beweismaterial wird auf mysteriöse Weise vernichtet — ebenso die Menschen, die es zusammengetragen haben. Man kennt da keine Gnade.«

»Aber Sie haben gesagt, dass — ›sie‹ — sich mit menschlichen Wesen in Verbindung gesetzt haben. Ist denn das kein Widerspruch?«

»Überhaupt nicht. Sehen Sie, die Mächte des Guten und Bösen sind wie auf der Erde auch im Universum im Widerstreit. Ein Teil der Untertassenwesen will uns helfen, andere möchten uns beherrschen. Die zwei Gruppen bekämpfen sich seit Jahrtausenden. Manchmal verlagert sich der Konflikt auch auf die Erde. Bei einer dieser Gelegenheiten wurde Atlantis zerstört.«

Hansteen konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Früher oder später berief man sich immer auf den Untergang des sagenhaften Atlantis.

»Sie haben uns immer noch nicht erklärt«, fuhr Mr. Schuster fort, »warum die Untertassenwesen hinter Ihnen her sind. Was haben Sie ihnen denn angetan?«

»Ich kam einigen ihrer Geheimnisse auf die Spur, deswegen haben sie diese Gelegenheit benützt, mich zu beseitigen.«

»Ich hätte mir eigentlich vorgestellt, dass man sich da eine weniger komplizierte Methode aussucht.«

»Die Denkweise dieser Wesen ist mit unserem beschränkten Verstand nicht zu erfassen. Aber das Ganze hier sieht doch einem Unfall sehr ähnlich. Niemand würde auf die Idee kommen, eine Absicht dahinter zu vermuten.«

»Nicht schlecht. Da jetzt schon alles egal ist, könnten Sie uns doch sagen, hinter welchem Geheimnis Sie her waren? Wir möchten das alle gern wissen.«

»Das sag ich Ihnen gerne«, meinte Radley. »Es begann eigentlich 1953, als ein amerikanischer Astronom namens O'Neill auf dem Mond etwas sehr Bemerkenswertes entdeckte. Er fand eine kleine Brücke am Ostwall des Mare Crisium. Andere Astronomen lachten ihn natürlich aus — aber weniger voreingenommene Wissenschaftler bestätigten die Existenz dieser Brücke. Innerhalb von wenigen Jahren war sie jedoch verschwunden. Offensichtlich hatte unser Interesse die Untertassenwesen veranlasst, sie zu beseitigen.«

Ein anderer Passagier erkundigte sich, was Radley dann hier, ein paar tausend Kilometer vom Mare Crisium entfernt, eigentlich zu suchen hatte.

»Ich hoffte, den Argwohn dieser Wesen dadurch zerstreuen zu können, dass ich mich wie ein gewöhnlicher Tourist benahm«, entgegnete Radley sofort. »Da sich das gesuchte Beweismaterial in der westlichen Hemisphäre befand, fuhr ich nach Osten. Ich hatte vor, das Mare Crisium zu erreichen, indem ich den Umweg über die Rückseite des Mondes wählte. Außerdem gab es dort auch einige Stellen, die ich mir gern ansehen wollte. Aber sie waren eben zu schlau für mich. Ich hätte mir eigentlich denken können, dass mich einer ihrer Agenten erkennt — sie können nämlich menschliche Gestalt annehmen, wissen Sie. Wahrscheinlich wurde ich beschattet, seit ich auf dem Mond gelandet bin.«

»Ich möchte gern wissen, was man uns jetzt antun will«, meinte Mrs. Schuster, die Radley wirklich ernst zu nehmen schien.

»Das würde ich Ihnen gern sagen, gnädige Frau«, gab Radley zur Antwort. »Wir wissen, dass diese Wesen Höhlen im Inneren des Mondes bewohnen, und dorthin werden wir vermutlich gebracht. Als sie bemerkten, dass uns das Rettungsteam fast erreicht hatte, griffen die Wesen wieder ein. Ich fürchte, dass wir jetzt so tief sind, dass uns niemand mehr finden kann.«

Jetzt ist es aber wirklich genug, dachte Pat. Dieser Verrückte bringt es noch fertig, dass meine Passagiere die Nerven verlieren. Aber was soll ich tun, dass er den Mund hält? Er erinnerte sich an den Handkantenschlag, durch den Hans Baldur so schnell ins Reich der Träume befördert worden war. Ohne es eigentlich zu wollen, sah er sich nach Harding um. Zu seiner Bestürzung nickte Harding zustimmend und stand auf. Nein!, sagte Pat — aber nur zu sich selbst. So hab ich's nicht gemeint. Lassen Sie doch den armen Irren in Ruhe — was für ein Mensch sind Sie eigentlich?

Dann seufzte er erleichtert. Harding versuchte nicht, sich Radley zu nähern. Er blieb einfach stehen und sah den Neuseeländer mit undurchdringlichem Gesicht an.

»Es ist an der Zeit, dass ich einen kleinen Beitrag leiste«, sagte er. »Von dem, was unser Freund Ihnen erzählt hat, stimmt wenigstens eine Kleinigkeit. Er ist beschattet worden — aber nicht von Untertassenwesen. Sondern von mir.

Für einen Amateur haben Sie sich großartig gehalten, Wilfried George Radley. Es war eine hübsche Jagd — von Christchurch nach Astrograd nach Clavius nach Tycho nach Ptolemäus nach Plato nach Port Roris — und hierher, bis zum Ende, wahrscheinlich in mehr als einer Hinsicht.«

Radley schien nicht im Geringsten berührt zu sein. Er neigte nur kurz den Kopf.

»Wie Sie erraten haben werden«, fuhr Harding fort, »bin ich Kriminalbeamter. Ich bearbeite vor allem Betrugssachen. Sehr interessante Tätigkeit, wenn ich auch nicht oft davon sprechen kann. Ich bin daher für diese Gelegenheit sehr dankbar.

Ich habe kein Interesse an Mr. Radleys seltsamen Meinungen. Ob sie zutreffen oder nicht, er ist auf jeden Fall ein sehr fähiger Buchhalter, der in Neuseeland gut verdiente. Allerdings war sein Gehalt nicht so groß, dass er damit eine Reise auf den Mond hätte finanzieren können.

Aber das war kein Problem — denn Mr. Radley war erster Buchhalter bei einem Kreditinstitut in Christchurch, müssen Sie wissen. Irgendwie gelang es ihm, sich eine Kreditkarte, Kategorie Qu, auszustellen. Damit ist es möglich, im ganzen Sonnensystem unbegrenzt umherzureisen, in Hotels zu wohnen, in Restaurants zu essen und Schecks bis zu fünfhundert Dollar einzulösen. Es gibt nur sehr wenige von diesen Karten, und sie werden bewacht, als bestünden sie aus Plutonium.

Selbstverständlich ist schon oft versucht worden, so ein Ding zu drehen. Ab und zu gehen Karten verloren, und entsprechende Elemente können sich ein paar schöne Tage gönnen, bevor sie erwischt werden. Aber nur ein paar Tage. Es gibt da schon ein paar Vorsichtsmaßnahmen, und bisher lag der Rekord einer unberechtigten Benutzung bei einer Woche.«

»Bei neun Tagen«, erklärte Radley unerwartet.

»Entschuldigung, Sie müssen es ja wissen. Neun Tage also. Aber Radley war bereits drei Wochen unterwegs, bevor wir ihn fanden. Er nahm seinen Jahresurlaub, flog nach Astrograd und von dort aus zum Mond, wobei er gewissermaßen Geschichte machte, denn er ist der erste — und hoffentlich auch der letzte Mensch, der die Erde auf Kredit verlassen konnte.

Wir möchten gern wissen, wie er das geschafft hat. Hoffentlich erzählen Sie mir alles, Radley, nur um meine Neugierde zu befriedigen. Unter den gegebenen Umständen werden Sie sich dieser Bitte gewiss nicht versagen.

Immerhin, wir wissen, warum Sie es getan haben — warum Sie eine gute Stellung aufgaben, obwohl Sie wussten, dass Sie im Gefängnis landen würden. Wir kamen natürlich sofort auf den Grund, als wir herausfanden, dass Sie sich auf dem Mond aufhielten.«

»Es tut mir außerordentlich leid«, erwiderte Radley nicht ohne Würde. »Die Firma hat mich immer gut behandelt. Aber ich verfolgte ja einen guten Zweck damit, und wenn ich die Beweise gefunden hätte …«

Aber in diesem Augenblick verloren alle außer Inspektor Harding jedes Interesse an Radley und an den Untertassen. Das Geräusch, auf das sie so lange gewartet hatten, ließ sich endlich vernehmen.

Lawrence' Sonde stieß gegen das Dach.

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