10

Dr. Tom Rawson war nach Chefingenieur Lawrence' Meinung eine Ausnahme vom alten Sprichwort »alles wissen heißt alles verzeihen«. Die Erkenntnis, dass der Astronom eine lieblose, schwere Kindheit hinter sich hatte und auf Kosten aller anderen menschlichen Qualitäten nur auf Grund seiner überragenden Intelligenz hochgekommen war, trug dazu bei, dass man ihn verstand — aber man empfand keine Sympathie für ihn. Was für ein Pech, dachte Lawrence, dass er der einzige Wissenschaftler im Umkreis von dreihunderttausend Kilometern war, der ein Infrarotauge besaß und damit umgehen konnte.

Er befand sich jetzt im Beobachtersitz auf dem Staubschlitten Zwei, um die letzten Handgriffe an der primitiven, aber wirksamen Konstruktion vorzunehmen. Man hatte auf dem Dach des Schlittens ein Kamerastativ angebracht und das Infrarotauge darauf montiert, damit es in alle Richtungen bewegt werden konnte. Es schien zu funktionieren, aber eine endgültige Entscheidung war in diesem kleinen, druckluftgefüllten Hangar mit seinen zahlreichen Wärmequellen nicht zu treffen. Der wirkliche Test konnte erst auf dem Meer des Durstes stattfinden.

»Es ist fertig«, sagte Rawson zum Chefingenieur. »Ich möchte noch mit dem Mann reden, der den Schlitten steuern wird.«

Lawrence sah ihn nachdenklich an. Es gab wesentliche Argumente für und gegen sein Vorhaben, aber die persönlichen Erwägungen durften jetzt keine Rolle spielen. Dafür war die Sache zu wichtig.

»Sie können doch einen Raumanzug tragen, nicht wahr?«, fragte er Rawson.

»Ich hab noch nie einen getragen. Man braucht ihn ja nur, wenn man nach draußen geht, und das überlassen wir den Technikern.«

»Nun, jetzt können Sie's lernen«, meinte Lawrence, die Anspielung übersehend. »Es ist nicht sehr viel dabei, wenn man auf einem Staubschlitten fährt. Sie bleiben ja auf dem Beobachtersitz, und der Autoregulator kümmert sich um Sauerstoffzufuhr, Temperatur und alles Übrige. Es gibt nur ein Problem …«

»Und?«

»Wie steht es bei Ihnen mit der Platzangst?«

Tom zögerte, denn er gab nicht gern Schwächen zu. Er war natürlich den üblichen Tests unterzogen worden und argwöhnte nicht zu Unrecht, dass er bei der psychischen Beurteilung nur knapp durchgekommen war. Offensichtlich war seine Platzangst nicht allzu stark, sonst hätte er nie ein Raumschiff betreten können. Aber zwischen einem Raumschiff und einem Raumanzug besteht ein großer Unterschied.

»Ich schaff's schon«, meinte er schließlich.

»Machen Sie sich aber nichts vor, wenn Sie's nicht schaffen«, sagte Lawrence. »Ich bin dafür, dass Sie mitkommen, aber wir wollen hier nicht falschen Heroismus treiben. Ich verlange nur, dass Sie sich's genau überlegen, bevor wir den Hangar verlassen. Wenn wir auf dem Meer sind, ist es zu spät.«

Tom starrte den Schlitten an und biss sich auf die Unterlippe. Die Vorstellung, mit einem so gebrechlichen Fahrzeug über das Staubmeer dahinzuflitzen, schien verrückt — aber diese Männer taten das jeden Tag. Und wenn das Infrarotauge versagte, bestand wenigstens die Chance, dass er es reparieren konnte.

»Hier ist ein Anzug Ihrer Größe«, sagte Lawrence. »Ziehen Sie ihn an — vielleicht kommen Sie dann zu einer Entscheidung.«

Tom zwängte sich in das schlaffe, aber gleichzeitig faltige Kleidungsstück und zog den vorderen Reißverschluss hoch, wobei er sich sehr albern vorkam. Die auf dem Rücken angebrachte Sauerstoffflasche schien geradezu lächerlich klein, und Lawrence bemerkte seinen besorgten Blick.

»Machen Sie sich keine Sorgen. Das ist nur eine Reserve für vier Stunden. Sie benützen sie überhaupt nicht. Die Hauptzufuhr erfolgt vom Schlitten aus. Passen Sie auf Ihre Nase auf — hier kommt der Helm.«

Er konnte am Gesichtsausdruck der Umstehenden erkennen, dass dies der Augenblick war, in dem sich die Männer von den Jünglingen schieden. Bis der Helm angebracht war, gehörte man immer noch zu seiner Umwelt; danach war man allein, in einer winzigen, mechanischen Welt. Auch wenn nur ein paar Zentimeter entfernt andere Männer standen, musste man sie durch dicke Plastikscheiben anstarren und mit ihnen per Funk sprechen. Man konnte sie nicht einmal berühren, außer über mehrere Lagen künstlicher Haut. Jemand hatte einmal geschrieben, dass es nichts Einsameres gebe, als in einem Raumanzug zu sterben. Zum ersten Mal begriff Tom, wie wahr das sein musste.

Die Stimme des Chefingenieurs klang plötzlich hallend aus den kleinen Lautsprechern an beiden Innenseiten des Helms:

»Der einzige Regler, um den Sie sich kümmern müssen, ist der für die Bordverständigung — die kleine Tafel rechts. Normalerweise sind Sie mit Ihrem Piloten verbunden. Solange Sie sich beide auf dem Schlitten befinden, können Sie jederzeit miteinander sprechen. Aber in allen anderen Fällen können Sie sich nur über Funk verständigen — wie jetzt. Drücken Sie auf den Knopf mit der Aufschrift ›Übertragung‹ und geben Sie Antwort.«

»Wozu dient die rote Nottaste?«, fragte Tom, nachdem er der Anweisung Folge geleistet hatte.

»Die brauchen Sie nicht — hoffentlich. Damit wird ein Notsignal ausgelöst, bis man Sie findet. Berühren Sie keinen der Knöpfe ohne Anweisung — vor allem diesen nicht.«

»Verstanden«, erwiderte Tom. »Also los.«

Er ging mit ungeschickten Schritten zum Staubschlitten Zwei und ließ sich auf dem Beobachtersitz nieder. Ein einziges Anschlusskabel verband den Anzug mit der Sauerstoffversorgung, der Bordverständigung und dem Generator. Das Fahrzeug konnte ihn notfalls drei bis vier Tage am Leben erhalten.

Der kleine Hangar war für die beiden Staubschlitten kaum groß genug, und es dauerte nur ein paar Minuten, bis die Luft durch die Pumpen abgesaugt war. Als der Anzug steif zu werden begann, wurde Tom von panischer Angst ergriffen. Der Chefingenieur und die beiden Piloten beobachteten ihn, und er wollte vermeiden, dass sie ihn für ängstlich hielten. Niemand konnte eine gewisse Erregung verbergen, wenn er zum ersten Mal im Leben in den luftleeren Raum hinausfuhr.

Die muschelförmigen Türen öffneten sich; geisterhafte Finger schienen an seinem Anzug zu zupfen, als die letzten Luftreste entwichen. Und dann erstreckte sich vor ihm das leere Grau des Meeres bis zum Horizont.

Einen Augenblick lang schien es unmöglich, dass hier, nur ein paar Meter entfernt, die Wirklichkeit hinter jenen Bildern lag, die er von Lagrange II aus studiert hatte. Aber dies hier war kein von Elektronen auf einen Schirm projiziertes Bild. Das war die Realität, dieser seltsame, formlose Stoff, der zweiundzwanzig Männer und Frauen verschluckt hatte. Und über den er, Tom Rawson, mit diesem winzigen Fahrzeug gleiten sollte.

Es blieb ihm wenig Zeit zum Nachdenken. Der Staubschlitten begann unter ihm zu vibrieren, als die Schiffsschrauben sich in Bewegung setzten. Dann glitt er hinter Schlitten Eins auf die ungeschützte Oberfläche des Mondes hinaus.

Die schrägen Strahlen der steigenden Sonne trafen sie, als sie den langen Schatten der Kaigebäude verließen. Selbst mit dem Schutz der automatischen Filter war es gefährlich, in das bläulichweiße Feuer am östlichen Himmel zu starren. Nein, korrigierte sich Tom, das ist der Mond, nicht die Erde. Hier geht die Sonne im Westen auf.

Jetzt, da die niedrigen Kuppeln von Port Roris hinter dem Horizont versanken, fühlte er etwas von dem Rausch der Geschwindigkeit. Er dauerte aber nur ein paar Minuten, bis kein Land mehr zu sehen war und sie im Zentrum einer unendlich weiten Ebene stillzustehen schienen. Daran vermochte auch das Surren der Schiffsschrauben und das langsame Lallen der Staubfontänen nichts zu ändern. Tom wusste, dass sie mit einer Geschwindigkeit fuhren, die sie in ein paar Stunden quer über das Meer tragen würde, aber er musste sich trotzdem mit der Angst auseinandersetzen, dass sie Lichtjahre von jeder Rettung entfernt waren. In diesem Augenblick, ein wenig verspätet, begann er Respekt für die beiden Männer zu fühlen, mit denen er zusammenarbeitete.

Hier konnte er gleich ein Gerät ausprobieren. Er schaltete das Infrarotauge ein und ließ es langsam kreisen. Mit gelassener Befriedigung beobachtete er die beiden Lichtspuren, die sich hinter ihnen durch das Dunkel des Meeres herzogen. Dieser Test war natürlich kindisch einfach. Der Wärmetest der Selene würde gegen die steigende Hitze der Morgendämmerung weit schwieriger zu erkennen sein.

»Wie funktioniert's denn?«, fragte der Chefingenieur, der ihn vom anderen Schlitten aus beobachtet haben musste.

»Das Gerät scheint seine Aufgabe zu erfüllen«, erwiderte Tom vorsichtig. Er zielte mit dem Auge auf die schrumpfende Sichel der Erde. Diese Aufgabe bot schon etwas mehr Schwierigkeiten, aber die sanfte Wärme des Mutterplaneten gegen die kalte Nacht des Weltraums ließ sich doch einfangen.

Ja, da war sie — die Erde im infraroten Bild, ein seltsamer und zunächst erstaunlicher Anblick. Denn sie zeigte sich nicht mehr als klar abgegrenzte, geometrisch perfekte Sichel, sondern als zerfaserter Pilz, dessen Stängel am Äquator verlief.

Tom brauchte ein paar Sekunden, um dieses Bild deuten zu können. Beide Pole waren wie abgehackt — verständlich, ihre Kälte ließ sie nicht in Erscheinung treten. Aber warum die Wölbung quer durch die unbeleuchtete Nachtseite des Planeten? Dann begriff er, dass er das warme Glühen der tropischen Ozeane sah. Im infraroten Bereich war die Äquatorialnacht strahlender als der Polartag.

Ein Hinweis mehr auf die Tatsache, dass mit den menschlichen Sinnen nur ein Teilabbild, ja ein verzerrtes Bild des Universums zu erfassen war. Tom hatte nie Platos Gleichnis von den in einer Höhle angeketteten Gefangenen gelesen, die beobachten, wie Schatten auf den Wänden tanzen und daraus auf die Realitäten der Außenwelt schließen. Welche Erde war nun »wirklich« — die herrlich gewölbte, dem Auge sichtbare Sichel, der im Infrarotbereich schimmernde Pilz — oder keine von beiden?

Das Büro war klein, selbst für Port Roris — das ja nur als Durchgangsstation und als Ausgangspunkt für die Touristen diente, die das Meer des Durstes besuchen wollten.

Maurice Spenser war sogar froh, dass es sich bei Port Roris nur um eine ruhige, kleine Einkuppelstadt handelte, obwohl er argwöhnte, dass es nicht lange ruhig bleiben würde, vor allem, wenn seine Kollegen in Clavius City bemerkten, dass sich ein Bürochef der I. N. hier unerklärlicherweise aufhielt, statt zu den Lichtern der Großstadt — Einwohner etwas über fünfzigtausend — zu eilen. Ein sorgfältig verschlüsseltes Telegramm zur Erde hatte Spensers Vorgesetzte beruhigt. Sie würden sicher erraten, hinter welcher Geschichte er her war. Früher oder später mussten auch die Konkurrenten darauf kommen, aber bis dahin hoffte er, einen beachtlichen Vorsprung erzielt zu haben.

Der Mann, mit dem er sich beriet, war Aurigas immer noch missmutiger Kapitän, der eben eine Stunde lang mit seiner Reederei in Clavius telefoniert hatte, um eine Weiterleitung seiner Fracht zu erreichen. Die Firma schien jedoch der Meinung zu sein, dass die Auriga auf seine Veranlassung hin in Port Roris gelandet war.

Captain Anson wurde nach dem zweiten Whisky ein wenig zugänglicher. Es lohnte sich, einen Mann zu kennen, der in Port Roris ein so edles Getränk aufzutreiben vermochte. Er erkundigte sich bei Spenser nach der Quelle. »Die Macht der Presse«, meinte der andere lachend. »Ein Reporter gibt seine Quellen nicht preis, sonst bleibt er nicht lange im Geschäft.« Er öffnete seine Aktenmappe und holte Fotos und Landkarten heraus.

»Ich hatte noch viel mehr Mühe, das hier sofort zu beschaffen — und ich wäre Ihnen zu Dank verbunden, Captain, wenn Sie anderen Leuten nichts davon erzählen würden. Es ist sehr vertraulich, wenigstens im Augenblick.«

»Selbstverständlich. Worum geht's denn — um die Selene?«

»Das haben Sie also auch erraten? Vielleicht wird gar nichts daraus, aber ich möchte vorbereitet sein.«

Er breitete eines der Fotos auf dem Tisch aus. Es war eine Luftaufnahme vom Meer des Durstes. Obwohl man es an einem Nachmittag angefertigt hatte und die Schatten daher in die entgegengesetzte Richtung zeigten, war es beinahe identisch mit der Ansicht, die sich Spenser kurz vor der Landung geboten hatte.

»Dort ist das Gebirge der Unzugänglichkeit«, sagte er. »Es erhebt sich sehr steil aus dem Meer bis zu einer Höhe von fast zweitausend Metern. Dieses dunkle Oval ist der Kratersee …«

»Wo die Selene verlorenging?«

»Darüber bestehen jetzt einige Zweifel. Unser junger Freund von Lagrange II hat Beweise, dass sie in Wirklichkeit im Meer des Durstes untergegangen ist — ungefähr in diesem Gebiet. In diesem Fall könnten die Touristen noch am Leben sein. Und dann wird es nur hundert Kilometer von hier entfernt eine Riesenrettungsaktion geben, Captain. Port Roris wird zum größten Nachrichtenzentrum des ganzen Sonnensystems werden.«

»Aha! Darauf wollen Sie hinaus. Aber was habe ich damit zu tun?«

Wieder legte Spenser den Finger auf die Fotokarte.

»Genau hier, Captain. Ich möchte Ihr Schiff chartern. Sie sollen mich mit einem Kameramann und zweihundert Kilo Fernsehausrüstung an der Westflanke des Gebirges der Unzugänglichkeit absetzen.«


»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren«, sagte Kronanwalt Schuster und setzte sich.

»Sehr wohl«, erwiderte Commodore Hansteen. »Der Zeuge darf sich nicht aus dem Zuständigkeitsbereich des Gerichts entfernen.«

Unter allgemeinem Gelächter kehrte David Barrett an seinen Platz zurück. Er hatte sich gut geschlagen. Wenn auch die meisten seiner Antworten ernst und nachdenklich gegeben worden waren, hatte er sie gelegentlich mit Humor gewürzt und damit das Interesse der Zuhörerschaft wachgehalten. Wenn alle anderen Zeugen ebenso gut einschlugen, war das Problem der Unterhaltung jedenfalls gelöst.

Hansteen sah auf die Uhr. Noch eine Stunde bis zum bescheidenen Mittagessen. Man konnte wieder mit »Mein Freund Shane« anfangen oder trotz Miss Morleys Einwendungen den historischen Roman vorlesen. Aber eigentlich war es schade, jetzt abzubrechen.

»Wenn Sie alle der gleichen Meinung sind«, sagte der Commodore, »rufe ich den nächsten Zeugen.«

»Ich unterstütze den Vorschlag«, erwiderte Barrett sofort, der eine weitere Befragung nicht mehr zu fürchten brauchte. Selbst die Pokerspieler waren dafür, und der Gerichtssekretär zog den nächsten Namen aus der Kaffeekanne, in die man die Zettel geworfen hatte.

Er starrte ihn mit einiger Überraschung an und zögerte, bevor er ihn aufrief.

»Was ist denn los?«, fragte der Vorsitzende. »Sind Sie dran?«

»Äh — nein«, erwiderte der Sekretär und sah den Kronanwalt schadenfroh grinsend an. Er räusperte sich und rief: »Mrs. Myra Schuster!«

»Euer Ehren — ich protestiere!« Mrs. Schuster stand langsam auf, eine beachtliche Gestalt, obwohl sie seither ein oder zwei Kilogramm verloren hatte. Sie deutete auf ihren Mann, der sich verlegen hinter seinen Notizen zu verstecken suchte. »Es ist doch nicht fair, dass er mir Fragen stellt?«

»Ich bin bereit, mich zurückzuziehen«, erklärte Irving Schuster, bevor der Vorsitzende noch sagen konnte: »Der Einwendung wird stattgegeben.«

»Notfalls kann ich die Befragung selbst übernehmen«, sagte der Commodore, »aber ist jemand hier, der sich dazu imstande fühlte?«

Es blieb einige Zeit still, dann erhob sich zu Hansteens Überraschung und Erleichterung einer der Pokerspieler.

»Ich bin zwar kein Anwalt, Euer Ehren, aber ich habe einige Erfahrung mit Gerichten. Ich werde gern einspringen.«

»Sehr schön, Mr. Harding. Fangen Sie an.«

Harding nahm Schusters Platz im vorderen Teil der Kabine ein und betrachtete die Zuhörer. Er war ein kräftiger, zäh aussehender Mann, dem man den Bankdirektor irgendwie nicht glaubte.

»Sie heißen Myra Schuster?«

»Ja.«

»Und was tun Sie auf dem Mond, Mrs. Schuster?«

Die Zeugin lächelte. »Das ist ganz einfach zu beantworten. Man hat mir gesagt, dass ich hier nur zwanzig Kilo wiegen würde — also flog ich hierher.«

»Nur zur Klärung der Lage, warum wollten Sie zwanzig Kilo wiegen?«

Mrs. Schuster sah Harding an, als habe er etwas sehr Dummes gesagt.

»Ich war früher einmal Tänzerin«, sagte sie — und ihre Stimme klang plötzlich wehmütig. »Ich gab meinen Beruf natürlich auf, als ich Irving heiratete.«

»Warum ›natürlich‹, Mrs. Schuster?«

Die Zeugin warf ihrem Mann einen Blick zu. »Oh, er meinte, dass das nicht anständig sei. Und er hatte wohl recht — bei der Art von Tanz, die ich vorführte.«

Das war zu viel für Mr. Schuster. Er schoss in die Höhe, ohne sich an den Vorsitzenden zu wenden, und protestierte: »Also weißt du, Myra! Es ist doch wirklich nicht nötig …«

»Reg dich nicht auf, Irving!«, erwiderte sie. »Was spielt das jetzt für eine Rolle? Wir brauchen doch hier nicht zu schauspielern. Es macht mir gar nichts aus, wenn die Leute hier wissen, dass ich in einem Nachtkabarett getanzt habe und du mich herausgeholt hast, als die Polizei eine Razzia veranstaltete.«

Irving sank, krebsrot im Gesicht, auf seinen Platz, während die gesamte Zuhörerschaft losplatzte. Der Vorsitzende erhob keine Einwendungen. Genau dieses Freiwerden von Spannungen hatte er erhofft. Solange die Leute lachten, konnten sie keine Angst haben.

Und er begann über Mr. Harding nachzudenken, dessen kluge Fragestellung zu der erheiternden Situation geführt hatte. Für einen Mann, der nicht Anwalt war, machte er seine Sache sehr gut. Es würde interessant sein, ihn im Zeugenstand zu sehen — wenn Schuster wieder die Fragen stellte.

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