12.

Meine kleine Hester nahm all ihren Mut zusammen und begann Wunder zu vollbringen. Zehn Stunden später stöhnten wir Seite an Seite unter der Startbeschleunigung des Mondschiffes David Ricardo. Sie hatte sich kaltblütig als Schocken-Angestellte mit Sonderauftrag für den Mond ausgegeben und mich als Groby, einen Verkaufsanalytiker der Gruppe 6. Natürlich hatte man das Fangnetz für Groby, Verbindungskuppler Klasse 9, nicht auf den Astoria-Startplatz für Raumschiffe ausgedehnt.

Nach dem Start war Hester eine Weile vergnügt und überdreht, dann schlug ihre Stimmung um. Sie schluchzte an meiner Schulter; das Ungeheuerliche, das sie getan hatte, ängstigte sie. Sie kam aus einem durch und durch moralischen Elternhaus, und man konnte nicht erwarten, daß sie ein so schweres Handelsverbrechen wie Vertragsbruch begehen könne, ohne unter fürchterlichen Bedenken und Zweifeln zu leiden.

Sie schluchzte »Mr. Courtenay – Mitch – wenn ich doch nur sicher wäre, daß alles richtig war! Ich weiß, daß Sie immer gut zu mir waren, und ich weiß, daß Sie nichts Falsches tun würden, aber ich hab solche Angst und fühle mich so elend.«

Ich trocknete ihr die Tränen und faßte einen Entschluß.

»Ich werde Ihnen alles genau erzählen, Hester«, begann ich. »Sie sollen dann selbst urteilen. Taunton hat eine grauenhafte Entdeckung gemacht. Er hat herausgefunden, daß es Menschen gibt, die es nicht schreckt, mit Cerebrin für einen nicht provozierten Handelsmord bestraft zu werden. Er glaubt, Mr. Schocken habe ihm das Venusprojekt unrechtmäßig entwendet, und er macht vor nichts halt, um es zurückzubekommen. Wenigstens zweimal hat er versucht, mich umzubringen. Ich hielt Runstead für einen seiner Spione, die damit beauftragt waren, Schockens Venusprojekt zum Scheitern zu bringen. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Mr. Runstead hat mich niedergeschlagen, als ich ihm zum Südpol nachgereist bin, er hat dafür gesorgt, daß ich mit falscher Identität auf einem Arbeitsfrachter verschwand und statt meiner eine andere Leiche im Schnee zurückgelassen. Und«, fügte ich vorsichtig hinzu, »die Natschus haben ihre Finger in der Angelegenheit.«

Sie stieß einen kleinen Schrei aus.

»Ich habe keine Ahnung, wie das genau zusammenhängt«, sagte ich. »Aber ich war selbst in einer Natschu-Zelle…«

»Mister Courtenay!«

»Doch nicht aus Überzeugung«, erklärte ich hastig. »Ich saß in der Chlorellafabrik in Costa Rica fest, und der einzige Weg nach Norden führte über das Netzwerk der Natschus. Sie hatten in der Fabrik eine Zelle, ich wurde Mitglied, ließ mein Talent leuchten und wurde nach New York versetzt. Den Rest kennen Sie.«

Sie schwieg lange Zeit und fragte dann: »Sind Sie sicher, daß es richtig ist?«

Ich wünschte mir verzweifelt, recht zu haben und sagte mit fester Stimme: »Natürlich, Hester.«

Sie lächelte mir zu: »Ich hole die Verpflegung«, sagte sie wieder fröhlicher. »Sie bleiben besser hier.«

Vierzig Stunden später sagte ich zu Hester: »Dieser verdammte Steward geht wirklich zu weit! Sehen Sie sich das einmal an! Der denkt nur an den Schwarzmarkt.« Ich zeigte ihr mein Wassergefäß und meine Verpflegungsschachtel. An beiden war das Siegel erbrochen und offensichtlich fehlte Wasser. »Maximale Rationen«, fuhr ich fort, »sollen eigentlich tadellos verpackt sein, dies ist regelrechter Einbruch. Wie sieht’s bei Ihnen aus?«

»Dasselbe«, erwiderte sie einsilbig. »Man kann nichts daran machen. Lassen Sie uns mit dem Essen noch ein bißchen warten, Mr. Courtenay«, sie versuchte krampfhaft, unternehmungslustig zu wirken. »Wie wäre es mit Tennis?«

»Gut«, brummte ich und baute das Feld auf, das wir uns aus der Unterhaltungskabine des Schiffes geliehen hatten. Sie war im Tennis besser als ich, aber ich machte es ihr nicht gerade leicht. Ihre Koordination war nicht besonders gut. Entweder versuchte sie, einen Ball im rechten Aufschlagsfeld zu erwischen und verfehlte dabei den Knopf, oder sie schickte den Ball ins Netz, weil sie vergessen hatte, mit der linken Hand den Rheostaten zu bedienen. Eine halbe Stunde Ablenkung tat uns beiden ausgesprochen gut. Sie wurde wieder heiter und aß anschließend ihre Ration mit großem Appetit.

Das Tennisspiel vor dem Essen wurde zur festen Gewohnheit. In dem engen Quartier konnte man nur wenig unternehmen. Alle acht Stunden holte sie unsere Verpflegung. Ich schimpfte über die angezapften Rationen. Wir spielten Tennis und anschließend aßen wir dann. Die übrige Zeit verbrachten wir damit, daß wir uns die Werbung anschauten, die an den Wänden eingeblendet wurde – alle von Schocken. Sehr gut, dachte ich. Schocken ist auf dem Mond, und niemand wird mich mehr zurückhalten. Die Dinge schienen sich zu klären. Vom Mond zu Schocken, von dort zu Kathy – eine Fülle von Gefühlen wurde in mir wach. Ich hätte Hester unauffällig fragen können, was sie von Jack O’Shea gehört hatte, doch ich tat es nicht. Ich hatte Angst, es würde mir vielleicht nicht gefallen, was sie über den Zwergenhelden und seine Triumphzüge von Stadt zu Stadt und von Frau zu Frau berichtete.

Eine monotone Durchgabe unterbrach schließlich die Werbung KÖCHE IN DIE KOMBÜSE (Die David Ricardo war ein britisches Raumschiff) ZUR LETZTEN FLÜSSIGEN MAHLZEIT. WIR LANDEN IN ACHT STUNDEN. BIS ZUR LANDUNG WIRD KEINE WEITERE FLÜSSIGE NAHRUNG AUSGETEILT.

Hester lächelte und ging mit unserem Tablett hinaus.

Wie gewöhnlich dauerte es zehn Minuten, bis sie zurückkehrte. Man spürte bereits die Anziehungskraft des Mondes: es genügte, um mir Übelkeit zu verursachen. Während ich wartete, mußte ich wiederholt unangenehm aufstoßen. Sie kehrte mit zwei Coffiestflaschen zurück und sagte fröhlich: »Nanu, Mitch, Sie haben den Tennisplatz ja noch nicht aufgebaut.«

»Mir war nicht danach. Lassen Sie uns essen.« Ich streckte meine Hand nach der Flasche aus. Sie gab sie mir nicht.

»Nun?«

»Nur ein Spielchen?« fragte sie neckisch.

»Zum Teufel, haben Sie nicht verstanden?« fauchte ich sie. »Wir wollen nicht vergessen, wer der Chef ist.« Ich hätte es, glaube ich, nicht gesagt, wenn es nicht Coffiest gewesen wäre.

Die starrzeliusrote Flasche löste in mir allerhand Empfindungen aus – die nagenden Geister der Entzugssyndrome. Ich hatte schon lange kein Coffiest mehr getrunken.

Sie erstarrte. »Tut mir leid, Mr. Courtenay.« Und dann preßte sie die Hände gegen den Leib, ihr Gesicht verzerrte sich. Überrascht packte ich sie. Sie war totenbleich und schlaff; sie stöhnte vor Schmerzen.

»Hester«, sagte ich, »was ist los? – Was?«

»Nicht trinken«, stöhnte sie, die Hand gegen den Leib gepreßt. »Das Coffiest. Gift. Ihre Rationen. Ich habe sie vorher probiert.« Ihre Nägel zerrissen den Stoff des Kleides, dann die Haut; sie wand sich vor Schmerzen.

»Einen Arzt!« rief ich ins Mikrophon. »Hier stirbt eine Frau!«

Die Stimme des Chefstewards antwortete: »Sofort, Sir. Der Bordarzt wird gleich da sein.«

Hester verzerrtes Gesicht entspannte sich, ich ängstigte mich wahnsinnig. Sie sagte leise: »Diese verfluchte Kathy. Hat Sie fertiggemacht. Sie sind zu gut für sie. Sie hätte ihr Leben nicht für Sie riskiert. Ich ja.« Wieder ging ein Zucken über ihr Gesicht. »Ehefrau contra Sekretärin. Zum Lachen. Immer dasselbe. Sie haben mich nicht einmal geküßt.«

Dazu hatte ich auch keine Gelegenheit mehr. Sie war bewußtlos, als der Schiffsarzt herbeigeeilt kam. Sein Gesicht verdüsterte sich. Wir brachten sie ins Lazarett, und er schloß sie an die Herzmassage-Maschine an; ihr Herz begann wieder zu schlagen. Ihre Brust hob und senkte sich, sie öffnete die Augen.

»Wo – sind – Sie?« fragte der Arzt laut und deutlich.

Sie bewegte leicht den Kopf, und Hoffnung durchzuckte mich.

»Reaktion?« flüsterte ich dem Arzt zu.

»Zufall«, sagte er mit berufsmäßiger Sachlichkeit. Er hatte recht. Ihr Kopf bewegte sich noch ein paarmal, die Augenlider flatterten nervös und unkontrolliert. Er stellte unaufhörlich Fragen. »Wo – sind – Sie?« Eine Falte entstand zwischen ihren Augen, die Lippen bebten, das war alles. Es dauerte ungefähr eine Minute, dann war sie tot.

Der Arzt begann mir freundlicherweise zu erklären: »Ich werde die Maschine jetzt abstellen. Sie müssen mir glauben, daß wirklich keine Hoffnung mehr besteht. Der klinische Tod ist eindeutig und unwiderruflich eingetreten. Menschen, die einem Sterbenden sehr nahe stehen, weigern sich oft, das zu glauben.«

Ich sah, wie ihre Augenlider unkontrolliert flatterten.

»Stellen Sie sie ab«, sagte ich heiser. Eigentlich meinte ich mit ›sie‹ Hester und nicht die Maschine. Er unterbrach den Stromkreis und zog die Nadel aus ihrem Körper.

»Hatte sie einen Schwindelanfall?« fragte er. Ich nickte.

»Ihr erster Raumflug?« Ich nickte. »Schmerzen im Unterleib?« Ich nickte. »Keine vorherigen Beschwerden?« Ich schüttelte den Kopf. »Frühere Schwindelanfälle?« Ich nickte, obgleich ich keine Ahnung hatte. Er wollte auf etwas ganz Bestimmtes hinaus. Er stellte weitere Fragen, und ich wußte genau, welche Antworten er erwartete. Allergien, häufige Blutungen, Kopfschmerzen, schmerzhafte Mensis, nachmittägliche Ermüdungserscheinungen – schließlich sagte er entschlossen:

»Ich glaube, es ist die Fleischmannsche Krankheit. Wir wissen nicht viel darüber. Sie hängt unserer Meinung nach mit einer Beeinträchtigung der Funktion der Adrenokortikotropkörper beim freien Flug zusammen. Dadurch wird eine Kettenreaktion der Gewebsunverträglichkeit ausgelöst, und wiederum beeinträchtigt die Cerebrospinalflüssigkeit…«

Er blickte mich an, und sein Ton veränderte sich. »Ich habe etwas Alkohol in meinem Schapp«, sagte er. »Möchten Sie…«

Ich griff nach der Flasche, dann erinnerte ich mich wieder. »Trinken Sie einen Schluck mit«, sagte ich.

Er nickte und trank ohne zu zögern aus der Flasche, die zwei Öffnungen hatte. Ich sah, wie sich sein Adamsapfel bewegte. »Nicht zuviel«, warnte er mich. »Wir landen in Kürze.«

Ein paar Minuten überbrückte ich mit alltäglicher Unterhaltung und beobachtete ihn dabei aufmerksam, dann schluckte ich ein Viertel hundertprozentigen Alkohol. Ich fand kaum zurück ins Abteil.

Kater, Trauer, Furcht und das rote Landungssignal, das mich fast verrückt machte. Ich hatte mich offenbar ziemlich dumm benommen. Ein paarmal hörte ich, wie jemand von der Besatzung zu den Flugplatzbeamten sagte: »Seien Sie freundlich zu dem Mann. Er hat unterwegs sein Mädchen verloren.«

In der überfüllten Empfangshalle mußte ich endlose Fragebögen ausfüllen; ich hatte keine Ahnung, was der offizielle Grund für mein Hiersein war. Ich gab an, ich sei Groby, Klasse 6, und sollte am besten direkt zu Fowler Schocken geschickt werden. Ich konnte mir gerade noch soviel zusammenreimen, daß wir uns vermutlich bei ihm melden sollten. Das nahm man mir nicht ab und schickte mich wieder auf eine Bank mit der Anweisung zu warten, bis man bei der Schockenfiliale in Luna City Nachforschungen angestellt hatte.

Ich wartete, schaute mich um und versuchte, nachzudenken. Das war nicht leicht. Die hin und her wogende Menge in der Empfangshalle bestand aus Leuten, die alle feste Pläne und Absichten hatten und zielstrebig umhergingen. Ich paßte nicht ins Muster; ich war verdächtig. Sie würden mich fassen…

Am Schreibtisch, einige Meter von mir entfernt, sprang eine Leuchtröhre an und blinkte. Ich las mit halbgeschlossenen Augen:

Schocken am Empfang. Betrifft Nachfrage. Kein Kurier mit diesem Flug erwartet. Bei uns kein Groby angestellt, Fowler Schocken wurde nicht befragt, aber unmöglich, daß jemand, der nicht in der Starklasse ist, ihm eine Nachricht überbringt. Mit Vorsicht zu behandeln. Offensichtlich faul.


Ende.

Ja, tatsächlich – Ende. Sie schauten mich an und unterhielten sich leise. Im nächsten Augenblick würden die Detektive, die überall herumstanden, einen Wink bekommen.

Ich erhob mich und mischte mich unter die Menge, mir blieb nur noch eine Möglichkeit, und die war beängstigend. Ich führte eine Reihe unauffälliger Gesten aus, die durch Reihenfolge und Dauer anzeigen, daß sich ein Natschu in großer Gefahr befindet.

Ein Wachtposten von Burns bahnte sich einen Weg durch die Menge und packte mich am Arm. »Wollen Sie Unruhe stiften?« fragte er.

»Nein«, sagte ich mit belegter Stimme.

Er winkte beruhigend zum Schreibtisch hinüber, man erwiderte grinsend das Zeichen. Er drückte mir den Schlagstock in den Rücken, und wir gingen durch die erstaunte Menge. Benommen ließ ich mich von ihm aus dem Empfang in eine tunnelähnliche Einkaufsstraße führen.

Reklame blinkte und leuchte aus den Schaufenstern, vor denen die Neuankömmlinge staunend herumflanierten.

»Halt«, brummte der Wachtposten. Wir blieben vor dem Schild »Warren Astron« stehen. Er murmelte: »Nehmen Sie mir den Schlagstock fort. Versetzen Sie mir einen festen Schlag auf den Kopf. Schießen Sie dann auf die Straßenbeleuchtung und verschwinden Sie hier im Haus. Geben Sie sich bei Astron mit dem Signal zu erkennen. Viel Glück – und brechen Sie mir nach Möglichkeit nicht den Schädel.«

»Sie sind…«, stotterte ich.

»Ja«, sagte er trocken. »Ich wünschte, ich hätte Ihr Signal nicht gesehen. Das wird mich zwei Streifen und eine Beförderung kosten. Los, vorwärts.«

Gesagt, getan. Er gab mir den Schlagstock, und ich versuchte, nicht zu schwach und nicht zu heftig zuzuschlagen.

Ich feuerte die Schrotladung ab und zerstörte die Straßenbeleuchtung; Passanten schrien auf. Es klang in der überdachten Straße wie Donner. Ich verschwand wie der Blitz hinter der weißen Tür von Astron, befand mich plötzlich im Dunkeln und stand einem schlanken, hageren Mann mit Spitzbart gegenüber.

»Was soll das denn?« fragte er. »Ich bin nur nach Vereinbarung zu sprechen…« Ich machte das Zeichen. »Auf der Flucht?« fragte er und seine professorale Zerstreutheit verschwand.

»Ja, beeilen Sie sich.«

Er führte mich durch sein Sprechzimmer in ein kleines, hohes Observatorium mit transparenter Kuppel, einem Refraktor, Hindu-Sternkarten, Uhren und Tischen. Einen dieser Tische hob er mit einem kräftigen Ruck hoch und klappte ihn an Scharnieren zurück. Darunter befand sich eine Öffnung. »Da hinunter«, sagte er.

Ich verschwand in der Dunkelheit.

Das Loch war einsachtzig tief und zwei Quadratmeter groß. Es schien noch nicht fertig zu sein. An einer Wand lehnten Hacken, Schaufel und ein paar Eimer voller Mondgestein. Offenbar war die Arbeit noch nicht abgeschlossen. Ich drehte einen Eimer um und setzte mich. Nach fünfhundertsechsundsiebzig Pulsschlägen setzte ich mich auf den Boden und hörte auf zu zählen. Nachdem mir das zu ungemütlich wurde versuchte ich, das Mondgestein ein wenig beiseitezuräumen und mich auszustrecken. Nachdem ich die gesamte Prozedur fünfmal durchgemacht hatte, hörte ich direkt über mir Stimmen. Einmal die fahrige professorale Stimme Astrons und dann die geschwätzige, quengelige Stimme einer Frau. Die beiden schienen sich an den Tisch gesetzt zu haben, der den Eingang zu meinem Versteck verbarg.

»…wirklich etwas übertrieben, mein lieber Doktor.«

»Wie Sie meinen, gnädige Frau. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, ich möchte zu meinen Ephemeriden zurückkehren…«

»Aber Dr. Astron, ich wollte damit doch nicht sagen, daß…«

»Sie müssen mir vergeben gnädige Frau, daß ich es so verstanden hatte, als wollten Sie mir mein übliches Honorar nicht bewilligen… ja, das habe ich gedacht. Jetzt bitte Geburtsdatum und Stunde?«

Sie murmelte die Daten, und ich überlegte kurz, welchem Problem Astron gegenüberstand, wenn Frauen bei ihrer Altersangabe schwindelten.

»So… Venus im Haus des Mars… Merkur am Aszendenten im Trigonalaspekt…«

»Was ist das denn?« fragte sie mit schriller, mißtrauischer Stimme. »Ich verstehe eine ganze Menge von der Großen Kunst, aber das habe ich noch nie gehört.«

Höflich: »Sie müssen sich klarmachen, gnädige Frau, daß in einem Mondobservatorium vieles möglich wird, wovon Sie noch nie gehört haben. Beobachtungen vom Mond aus ermöglichen es, die Große Kunst in einem Maße zu verfeinern, wie es ehedem, als die Beobachtungen notgedrungen durch die verschmutzte Lufthülle Erde gemacht werden mußten, einfach undenkbar war.«

»Ja – ja natürlich. Davon habe ich selbstverständlich schon gehört. Bitte fahren Sie fort, Dr. Astron. Kann ich durch Ihr Teleskop schauen und meine Planeten betrachten?«

»Später, gnädige Frau. So… Merkur am Aszendenten im Trigonalaspekt, der Planet des Zwistes und der Rechtsverdrehung, dennoch verbunden mit Jupiter, dem Spender des Reichtums, also…«

Es ging noch etwa eine halbe Stunde so weiter, zwei andere Kunden folgten, dann war alles still. Ich war eingeschlafen und wurde von einer Stimme geweckt. Der Tisch war wieder zurückgeklappt worden, und Astrons Kopf erschien in der rechtwinkligen Öffnung. »Kommen Sie«, sagte er. »Für zwölf Stunden sind wir jetzt sicher.«

Steifgliedrig kletterte ich hinauf und entdeckte, daß die Kuppel des Oberservatoriums nicht mehr durchsichtig war.

»Sie sind Groby«, stellte er fest.

»Ja«, sagte ich mit undurchdringlicher Miene.

»Wir haben durch unseren Kurier an Bord der Ricardo einen Bericht über Sie bekommen. Gott weiß, was Sie vorhaben; ich schau da nicht durch.« Ich bemerkte, daß seine Hand in der Hüfttasche steckte. »Sie erscheinen bei Chlorella, Sie sind ein Naturtalent von Texter, Sie werden nach New York versetzt, Sie werden direkt vor dem Museum entführt – echt oder vorgetäuscht – Sie töten ein Mädchen und verschwinden – und jetzt sind Sie auf dem Mond. Gott allein weiß, was Sie vorhaben. Da bin ich überfordert. In Kürze wird ein Mitglied des Zentralkomitees hier sein und versuchen, herauszufinden, wo Sie eigentlich stehen. Möchten Sie mir irgend etwas sagen? Zum Beispiel gestehen, daß sie ein agent provocateur sind? Oder manisch-depressiv sind?«

Ich schwieg.

»Ist schon gut«, sagte er. Irgendwo wurde eine Tür geöffnet und wieder geschlossen. »Das wird sie sein«, sagte er.

Meine Frau Kathy betrat das Observatorium.

Загрузка...