Fünf

Den Bedingungen des Friedensvertrags mit den Syndikatwelten gemäß konnte Geary nicht einfach das Feuer auf unbewaffnete Schiffe eröffnen, die sich als Handelsschiffe zu erkennen gegeben hatten. Er machte sich nicht die Mühe, das noch zu erwähnen. Tanya wusste es, und jeder andere auch. Ebenso wie jene Syndik-Führer, die diese Operation befohlen hatten. Wenn diese Führer allerdings davon ausgingen, dass er zögerte und sich erst noch fragte, wie er unter diesen Umständen reagieren konnte, dann hatten sie sich sehr geirrt. »Diese Schiffe nähern sich uns auf eine aggressive und bedrohliche Weise«, erklärte er, damit seine Einschätzung in die offiziellen Aufzeichnungen einging. »Es ist unser gutes Recht, dass wir uns zur Wehr setzen. Senden Sie eine Warnung an diese Schiffe, dass das Feuer auf sie eröffnet wird, sobald sie in Feuerreichweite irgendeines unserer Schiffe geraten. Wiederholen Sie die Warnung achtmal auf allen standardmäßigen Sicherheits- und Koordinationskanälen.«

Während sich Desjanis Wachhabender beeilte, diese Nachricht zu senden, betätigte Geary erneut seine flottenweite Komm-Kontrolle. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Die dreiundzwanzig Kurierschiffe, die auf Abfangkurs zu uns gegangen sind, wurden soeben gewarnt, auf Abstand zu uns zu bleiben. Wenn sie sich weiterhin nähern, werden wir das als feindseligen Akt werten. Jedes dieser Schiffe, das in Waffenreichweite unserer Schiffe kommt, wird sofort mit allen erforderlichen Waffen unter Beschuss genommen, bis es flugunfähig oder zerstört ist.«

Dann fügte er über das interne Komm an: »Gesandte Rione, Gesandter Charban, sagen Sie den Tänzern, dass diese Schiffe gefährlich sind, dass sie außer Kontrolle und feindselig sind. Überzeugen Sie die Tänzer, dass die Kurierschiffe versuchen werden, sie zu rammen, wenn sie nicht alles tun, um ihnen auszuweichen.«

Rione meldete sich und klang resigniert: »Wir werden es versuchen, aber selbst unter den günstigsten Umständen, wenn wir alle Zeit der Welt haben, hören sie trotzdem nicht immer auf uns. Aber wir werden es versuchen.«

»Vielen Dank«, erwiderte Geary mit einem mitfühlenden Unterton.

»Waffen auf diese Schiffe ausrichten und in Feuerbereitschaft gehen«, wies Desjani ihre Crew an und warf dann Geary einen bedächtigen Blick zu. »So wie früher. Wir müssen die Syndiks töten, bevor sie die Chance bekommen, uns zu töten. Aber die Syndiks wissen, welche Chancen diese Schiffe haben, unser Abwehrfeuer zu durchdringen, wenn sie nicht schnell genug sind. Sie werden also in der verbleibenden Zeit auf die maximal erreichbare Geschwindigkeit beschleunigen, um unsere Feuerlösungen unbrauchbar zu machen.«

Er antwortete mit einem beiläufigen Brummen, während er nachdenklich sein Display betrachtete. Die Kurierschiffe bestanden aus kleinen Abteilen für die Crew und die Fracht, die auf einer überdimensionalen Antriebseinheit saß, die auch für ein doppelt so großes Schiff noch mehr als ausreichend gewesen wäre. Da sie auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt waren, hatten sie inzwischen fast 0,1 Licht erreicht und beschleunigten weiter.

Im Sprung bewegten sich von Menschen konstruierte Schiffe eigentlich nicht mit Überlichtgeschwindigkeit. Sie umgingen dieses Limit, indem sie durch eine andere Dimension oder ein anderes Universum reisten. Die Experten waren sich nach wie vor nicht einig, was davon auf den Sprungraum zutraf. Sie wussten nur, dass der Sprungraum eine Region war, in der die in unserem Universum herrschenden Entfernungen deutlich schrumpften. Eine Woche im Sprungraum entsprach einer Strecke, für die man im Normalraum Jahre gebraucht hätte. Seltsamerweise war es dabei bedeutungslos, mit welcher Geschwindigkeit ein Schiff in den Sprungraum eintrat. Die Dauer der Reise hing ausschließlich von der Entfernung ab, die zurückgelegt werden musste.

Ein Hypernet umging das Problem der Licht- und Überlichtgeschwindigkeit auf eine andere Weise, indem es sich der Quantenphysik bediente, die ein Schiff förmlich in ein Nichts schleuderte, das von einem Portal erzeugt wurde und sich nirgendwo befand. Das Schiff tauchte dann an einem angeschlossenen Portal auf, ohne das es sich eigentlich von der Stelle bewegte.

Beides waren sehr seltsame Vorgänge.

Noch seltsamer aber war, was geschah, wenn ein Raumschiff im Normalraum immer weiter beschleunigte. Die Relativitätstheorie hatte die eigenartigen physikalischen Folgen vorhergesagt, lange bevor die Menschen in der Lage gewesen waren, sie in der Praxis zu beobachten. In Relation zur Außenwelt nahmen Objekte, die in Richtung Lichtgeschwindigkeit beschleunigten, an Masse zu, während in ihrem Inneren die Zeit langsamer verstrich. Ein außenstehender Beobachter konnte zudem feststellen, dass diese Objekte umso kürzer wurden, je schneller sie flogen. Theoretisch würde man bei Lichtgeschwindigkeit ein Schiff mit unendlicher Masse und einer Länge von null sehen, in dessen Innerem keine Zeit verstrich.

Wer sich an Bord eines solchen Schiffs befand, dem erschienen Länge, Masse und Zeitablauf wie gewohnt, dafür veränderte sich die Wahrnehmung der Umgebung. Je schneller das Schiff wurde, umso verzerrter war das Universum ringsum anzusehen. Diese relativistische Verzerrung wurde bei 0,1 Licht zu einem maßgeblichen Problem, auch wenn die von Menschen entwickelten Sensoren und Gefechtssysteme in der Lage waren, diese Verzerrungen bis zu einer Geschwindigkeit von 0,2 Licht auszugleichen. Bei höheren Geschwindigkeiten war es der existierenden Technologie nicht mehr möglich, sie zu kompensieren. Das bedeutete auch, dass das schon bei 0,2 Licht unglaublich große Problem, ein Objekt zu treffen, das mit Zehntausenden Kilometern pro Sekunde vorbeiraste, einen Schwierigkeitsgrad erreichte, der von Flotteningenieuren mit dem technischen Begriff SGWU bezeichnet wurde, was für »so gut wie unmöglich« stand.

Anhand der Berechnungen der Gefechtssysteme würden die Kurierschiffe auf mehr als 0,2 Licht beschleunigt haben, wenn der Punkt erreicht war, an dem sie in die Waffenreichweite von Gearys Schiffen gelangten. Da sich Gearys eigene Schiffe nach wie vor mit fast 0,1 Licht bewegten, würde sich eine kombinierte Annäherungsgeschwindigkeit von über 0,3 Licht ergeben, was die Treffsicherheit der Waffensysteme massiv einschränkte.

Desjani biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. »Wir könnten abbremsen, um die relative Geschwindigkeit zu reduzieren, aber dann hätten unsere Schiffe Schwierigkeiten, irgendwelchen Kollisionsversuchen auszuweichen.«

Er nickte. »Wir müssten anhalten, um die relative Geschwindigkeit auf 0,2 Licht zu senken. Aber selbst wenn wir das wollten, bleibt uns gar nicht genug Zeit für ein solches Manöver. Wenn wir unsere Geschwindigkeit beibehalten, wird es viel schwerer werden, ein paar Treffer zu landen. Dafür können wir leichter Ausweichmanöver fliegen, und die Kurierschiffe haben größere Schwierigkeiten, bei uns Treffer zu landen. Ich werde die Flotte im letzten Moment beschleunigen lassen. Die zusätzliche Geschwindigkeit wird unsere ohnehin eingeschränkte Treffsicherheit nicht noch sehr viel mehr beeinträchtigen, aber sie könnte den Gegner mit seinem Kollisionskurs ins Leere fliegen lassen.«

Die kleinen Kurierschiffe näherten sich beständig und beschleunigten immer noch weiter. Der Kurs der »Handelsschiffe« führte sie inzwischen eindeutig genau ins Herz der Allianz-Formation, wo die Invincible auf dem vermutlich größten Präsentierteller der ganzen Menschheitsgeschichte lag.

Haben sie es auf die Invincible abgesehen? Oder auf die Tänzer, die sich seit Kurzem aus einem unerfindlichen Grund in der Nähe der Invincible aufhalten? Oder sind die Sturmtransporter und die Hilfsschiffe das Ziel, die Teil dieser Formation sind? Es sind genügend Kurierschiffe, um auf all diese Schiffe zu zielen. Geary gab sich einen Ruck. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Die Schiffe, die sich uns nähern, sind in Selbstmordabsicht unterwegs. Verändern Sie Ihre Vektoren nach eigenem Ermessen, um sie zu verwirren. Nehmen Sie stärkere Vektorenänderungen vor, wenn es für die Angreifer für Kurskorrekturen zu spät ist. An alle Einheiten: Beschützen Sie die Sturmtransporter, die Hilfsschiffe und die Invincible

»Sie haben getan, was Sie können«, sagte Desjani, die gebannt auf ihr Display sah.

»Es ist nicht genug.«

»Das hängt ganz davon ab, wie Sie ›genug‹ definieren.« Sie sah ihm in die Augen. »Wenn wir früher gewonnen hatten, dann waren wir um die Hälfte unserer Schiffe ärmer. Vielleicht verlieren wir jetzt auch ein paar Schiffe, aber das liegt in den Händen der Lebenden Sterne und der Fähigkeit jedes einzelnen Schiffskommandanten.«

Geary erwiderte nichts darauf. Er wollte diese durchaus realistische Sichtweise zwar leugnen, doch ihm fehlten die Argumente dafür. Krampfhaft versuchte er, einen Gedanken zu fassen zu bekommen, der ihm immer wieder entwischte, obwohl er ihm hilfreich sein mochte.

Dann endlich hatte er es, und das gerade noch rechtzeitig, um damit etwas anfangen zu können. Seine Augen konzentrierten sich auf die Anzeige, die die Zeit bis zum Zusammentreffen mit den Kurierschiffen angab – eine Zahl, die so rasch kleiner wurde, dass die digitalen Symbole zu verwischen schienen. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Führen Sie bei Zeit vier eins die Modifizierte Formation Foxtrot Three aus.«

»Mod Foxtrot Three?«, fragte Desjani, ohne den Blick von ihrem Display zu nehmen. »Oh, das könnte helfen.«

»Schaden kann es jedenfalls nicht.« Er hielt inne und wartete, bis der richtige Zeitpunkt für den nächsten Befehl gekommen war, dann betätigte er die Komm-Kontrollen: »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Beschleunigen Sie sofort auf 0,15 Licht.«

Sie würden es nicht schaffen. Selbst die Schiffe, die am schnellsten beschleunigen konnten – also Gearys Schlachtkreuzer, Leichte Kreuzer und Zerstörer –, würden bis zum Augenblick des Zusammentreffens nur einen kleinen Satz nach vorn gemacht haben. Aber das Weltall war riesig, und selbst das größte Raumschiff menschlicher Herkunft war im Verhältnis zu der gewaltigen Leere des Alls nur winzig, weshalb bei der Geschwindigkeit, mit der die Allianz-Schiffe und die Syndik-Kurierschiffe aufeinander zurasten, schon eine minimale Abweichung beim vorausberechneten Kurs zwischen Kollision und Vorbeiflug entscheiden konnte.

Die Dauntless wurde leicht durchgeschüttelt, als die Steuerdüsen bei Zeit vier eins aktiviert wurden, um sie auf einen neuen Vektor zu bringen, während der Hauptantrieb sie schneller werden ließ. Die gesamte Allianz-Formation teilte sich in drei Gruppen auf, die sich alle voneinander wegbewegten, als verteile sich ein Wasserstrahl in einer kegelartigen Fontäne. Da sich die Vektoren aller Schiffe gleichzeitig änderten, mussten die herannahenden Angreifer raten, wohin sich wohl das Schiff bewegen würde, auf das sie es abgesehen hatten, was ihnen ihre tödliche Aufgabe weiter erschwerte.

Die Tänzer blieben bei der Invincible, womit ausgerechnet all die Schiffe eine einzige Gruppe bildeten, die ohnehin schon dazu angetan waren, jede Bedrohung auf sich zu lenken. In den letzten Sekunden vor dem Zusammentreffen mit dem Feind konnte Geary mitansehen, wie die dreiundzwanzig Kurierschiffe mit aller Macht ihren Kurs änderten, um dorthin zu fliegen, wo sich die Tänzer und die schwerfällige Invincible durch das All bewegten. Obwohl vier von Gearys Schlachtschiffen das erbeutete Kik-Superschlachtschiff abschleppten, änderte es Kurs und Geschwindigkeit lediglich im Schneckentempo.

Neben diesen vier mit der Invincible vertäuten Schlachtschiffen hielten sich dort auch noch vier weitere Schlachtschiffe als Eskorte auf. Einen Sekundenbruchteil vor dem Kontakt mit dem Feind wurde Geary darauf aufmerksam, dass mit der Flugbewegung eines der Schlachtschiffe etwas nicht stimmte. Der Vektor der Orion war in eine unerwartete Richtung geändert worden.

Es blieb keine Zeit, Commander Shen zu fragen, was er da tat, und Geary hatte nicht einmal die Zeit, um zu begreifen, was ihn an der Flugbewegung der Orion so störte.

Selbst wenn Kriegsschiffe ihre kombinierte Gefechtsgeschwindigkeit auf 0,2 Licht beschränkten, lief die Bewegung so schnell ab, dass die menschlichen Sinne nicht mehr folgen konnten. Geary sah die dreiundzwanzig Kurierschiffe, die fast den Teil der Allianz-Formation erreicht hatten, in deren Mitte sich die Invincible, die Sturmtransporter, die Hilfsschiffe und die Schiffe der Tänzer befanden. Gleich darauf sah er vier Kurierschiffe, die ihre Ziele verfehlt hatten und die ihrerseits von dem Sperrfeuer verschont geblieben waren, mit dem die automatischen Waffensysteme sie empfangen hatten, obwohl die viel schneller als jedes Lebewesen reagierten.

»Was ist da passiert?«, wollte Geary wissen. Etwas stimmte nicht. Etwas fehlte in der Allianz-Formation.

Dann zeigte sein Display die Antwort an.

Die Orion.

Geary bekam kaum etwas davon mit, wie die verbliebenen vier Kurierschiffe zu einem Wendemanöver ansetzten, um abermals auf die Allianz-Formation zuzustürmen. Er verspürte auch keine Erleichterung darüber, dass Phantome sie verfolgten und sie mitten im Wendemanöver erwischten und in Stücke rissen.

Auf Gearys Display lief eine Zeitlupenwiederholung ab, die den Augenblick des Kontakts langsam genug darstellte, um ihm folgen zu können. Einige Kurierschiffe verwandelten sich in Staub- und Energiewolken, als sie von Glückstreffern zerrissen wurden. Andere kamen durch und hatten erkennbar Kurs auf die Tänzer genommen, die völlig reglos neben der Invincible im All zu hängen schienen. Der Rest hatte es auf die Sturmtransporter und die Hilfsschiffe abgesehen. Die Tänzer zuckten in letzter Sekunde zur Seite, was die Angreifer frustrierte, die sie zu treffen versuchten. Die Titan, Typhoon und Mistral wirkten in Relation zu den Angreifern fast wie auf einer Schnur aufgezogen, und alle waren zu langsam, um den Kurierschiffen auszuweichen, die ihre Vektoren auf sie gerichtet hatten. Jedes der Allianz-Schiffe schleuderte ihnen in einem Akt des letzten Aufbegehrens Höllenspeere und Kartätschen entgegen, während sich die Orion so drehte, dass sie sich den fünf überlebenden Kurierschiffen in den Weg schieben konnte, die Kurs auf die Titan und die zwei Sturmtransporter genommen hatten. Sie streiften die Orion entweder oder kollidierten frontal mit ihr, aber nicht mal ein Schlachtschiff konnte so vielen Treffern noch etwas entgegensetzen, die mit solcher Wucht wie hier erfolgten. Die bei den Kollisionen frei werdende Energie war so immens, dass die Orion und alle fünf Kurierschiffe auf Gas und Staub reduziert wurden.

Die Orion existierte nicht mehr, Commander Shen und seine gesamte Crew waren ausgelöscht worden.

»Alle Angreifer wurden zerstört«, meldete Lieutenant Castries in gedämpftem Tonfall. »Die Orion wurde zerstört, ansonsten hat die Flotte keine weiteren Schäden erlitten.«

»Verdammt«, flüsterte Geary. Er konnte verstehen, warum Desjani die Syndiks immer noch so sehr hasste, und er verstand auch, wieso die Allianz-Flotte auf jeden derartigen Akt mit Vergeltungsschlägen reagiert hatte, warum sie irgendwann die eigene Ehre und Moral aus den Augen verloren hatte, warum man nach einer Weile vergessen hatte, das Richtige zu tun, und sich stattdessen vom Wunsch nach Rache hatte leiten lassen.

»Sie werden behaupten, dass sie nichts davon gewusst haben«, sagte Desjani wütend. »Ich rede von den Syndiks, die hier das Sagen haben. Sie werden erklären, dass sie nicht wissen, von wem diese Schiffe hergeschickt worden sind. Sie wissen, dass sie das tun werden.«

»Ja, ich weiß.« Und er war davon überzeugt, dass sich auch kein gegenteiliger Beweis finden lassen würde. Die Kurierschiffe mit ihrer Einmannbesatzung waren zerstört worden, und Tote konnten keine Aussagen mehr machen.

Er wollte den Syndiks in diesem System wehtun, jedem Einzelnen von ihnen, nicht nur denjenigen, die den Befehl erteilt hatten, sondern auch denen, die das hatten geschehen lassen und die durch ihr Handeln oder ihre Tatenlosigkeit das Treiben ihrer Anführer unterstützt hatten.

Tu es nicht. Tu nichts, was die Lage nur noch verschlechtern würde.

Aber die Orion war nicht mehr. Sie war Opfer eines Angriffs geworden, der außer Zerstörung nichts zum Ziel gehabt haben konnte.

»Admiral«, meldete sich Rione bei ihm und durchdrang seine Wut. Auch sie hörte sich eigenartig an, so als würde hinter der starren Maske ihres Gesichts unbändiger Zorn hochkochen. »Ich würde gern wissen, Admiral, ob das Hypernet-Portal durch dieses Gefecht in unmittelbarer Nähe beschädigt worden ist. Es wäre ein schwerer Verlust für dieses Sternensystem, wenn das Hypernet-Portal bei diesem sinnlosen und brutalen Kampf so schwere Schäden erlitten hätte, dass es kollabieren könnte.«

Geary benötigte einige Sekunden, ehe er begriff, dann begann eine kühle Entschlossenheit die Oberhand über seine Wut zu erlangen. Er betätigte eine Taste auf seinem Display. »Captain Smythe?«

Die Tanuki war nur ein paar Lichtsekunden entfernt, sodass die Antwort fast augenblicklich einging. »Ja, Admiral?«, fragte Smythe betreten.

»Ich bin besorgt, dass das Hypernet-Portal von abgelenktem Beschuss oder Trümmerteilen dieser Kurierschiffe schwer beschädigt worden sein könnte. Ich möchte, dass es aus nächster Nähe begutachtet wird, um festzustellen, ob das Ausmaß der Schäden so groß ist, dass mit einem Kollaps des Portals zu rechnen ist. Auch wenn der nach den Erfahrungen mit den Enigmas installierte Mechanismus eine verheerende Energiewelle verhindert, die mit einem solchen Kollaps ansonsten einhergehen würde, wäre ein solches Ereignis für den durch dieses System verlaufenden Handel auf absehbare Zeit sehr abträglich.«

Smythe schürzte die Lippen. »Admiral, der Kampf hat nicht in unmittelbarer Nähe stattgefunden …« Er zögerte, dann war ihm anzusehen, dass er verstanden hatte, und er nickte zustimmend. »Aber das Portal kann trotzdem beschädigt worden sein. Schäden, die wir von hier aus nicht sehen können, für die wir vielmehr nah heranfliegen müssen. Solche Schäden können verheerende Folgen nach sich ziehen. Es wäre sehr … unerfreulich für dieses System, wenn das Portal kollabieren würde.«

»Ja, Captain Smythe, das wäre es tatsächlich. Werden Sie sich darum kümmern?«

»Werde ich machen, Admiral. Vielleicht hat ja sogar ein Trümmerteil der Orion eine der Trossen getroffen. Das wäre doch ironisch, nicht wahr?«

»Ja, Captain Smythe. Wirklich ironisch. Ich werde die Flotte nur langsam weiterfliegen lassen, damit Ihre Ingenieure gründliche Arbeit leisten können.«

»Und wir werden gründliche Arbeit leisten, Admiral. Darauf können Sie sich verlassen.«

Smythe grinste humorlos, während er salutierte, dann verschwand sein Bild. Riones Bild war immer noch da, sie ließ keine Reaktion auf Gearys Befehle erkennen. »Admiral«, sagte sie, nachdem das andere Gespräch beendet worden war. »Wir sollten mit den Syndik-Behörden in diesem System Kontakt aufnehmen, damit wir sie offiziell von unserer Ankunft unterrichten können und um einen formalen Protest gegen den Angriff einzulegen.«

Sein Blick war ins Nichts gerichtet, als er über eine Erwiderung nachdachte. »Ich nehme an, es bringt nichts, wenn ich sie der Mittäterschaft bei diesem Mord bezichtige.«

»Nein. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie nicht mit ihnen reden können, ohne ihnen Blut ins Gesicht zu spucken, was ich in diesem Fall nur zu gut verstehen kann, dann kann ich diese Mitteilung im Namen der Allianz-Regierung übersenden.«

Geary betrachtete ihr Bild. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das erledigen könnten. Ich weiß nicht, was ich diesen … diesen Individuen an den Kopf werfen würde.«

»Ich verstehe, Admiral.« Rione kniff kurz die Augen zu. »Zum Politikerdasein gehört es auch, zivilisiert mit Leuten zu reden, die man am liebsten mit ihren eigenen Eingeweiden erwürgen würde.«

»Vielen Dank, Madam Gesandte.«

»Ich möchte Ihnen auch noch mein Beileid zu dem Verlust aussprechen, den die Flotte heute erlitten hat.« Bei den letzten Worten versagte fast ihre Stimme, und noch bevor Geary etwas erwidern konnte, unterbrach sie hastig die Verbindung.

Geary berührte mit einer fast sanften Geste seine Komm-Kontrollen, da er fürchtete, wenn er sich jetzt gehen ließ, könnte er die Kontrollen mit Fausthieben traktieren, bis sie völlig unbrauchbar waren. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Kehren Sie umgehend in die Formation Delta zurück und reduzieren Sie die Geschwindigkeit auf 0,02 Licht.« Smythes Ingenieure würden für ihre Arbeit einige Zeit benötigen.

Auf der Brücke der Dauntless herrschte Stille.

»Commander Shen«, sagte Desjani leise, »hat eine Tochter, die auch in der Flotte dient. Ich werde sie wissen lassen, was passiert ist.«

»Ich … es tut mir leid, Tanya. Ich weiß, Shen war Ihr Freund.«

»Ich habe viele Freunde verloren, Admiral.« Desjani beugte den Kopf und atmete tief durch. »Sie haben gesehen, was er gemacht hat, nicht wahr?«

»Ja. Dieses Manöver in letzter Sekunde. Ich weiß nicht, wie es ihm gelungen ist, aber er hat erkannt, dass er die Orion drehen muss, um den Selbstmordattentätern den Weg zur Titan, Typhoon und Mistral zu versperren.«

»Instinkt, Admiral. Er war ein verdammt guter Befehlshaber.« Wieder musste sie durchatmen. »Ein besserer als ich. Wie ich höre, wurde das Hypernet-Portal hier im System beschädigt.«

»Ja, und ich glaube, es ist sehr wahrscheinlich, dass die Schäden zu erheblich sind, als dass wir es noch retten könnten.«

»Was für eine Schande.« Tanya straffte die Schultern und setzte eine neutrale Miene auf. »Lieutenant Yuon.«

»Ja, Captain?«

»Die Dauntless hat einen dieser Kuriere zerstört. Gut gemacht. Lassen Sie die Waffencrew wissen, dass ich vorbeikommen werde, um ihr persönlich zu gratulieren.«

»Jawohl, Captain.«

Als Desjani aufstand, gab Geary ihr ein Zeichen. »Gibt es irgendwas, das ich tun kann?«

»Es gibt noch genug, was Sie tun müssen, Admiral«, erwiderte sie. »Sie müssen sich um eine ganze Flotte kümmern, ich muss für mein Schiff Sorge tragen.«

»Stimmt. Wir reden später, Tanya.«

Sie deutete einen Salut an, dann verließ sie die Brücke.

Geary sah auf sein Display und beobachtete, wie seine Schiffe wieder in ihre ursprüngliche große Formation zurückkehrten. Gleichzeitig machte sich ein Schwarm Shuttles von zwei der Hilfsschiffe auf den Weg.

Zu gern hätte er den Befehl erteilt, nach Überlebenden der Orion zu suchen. Doch das war ein sinnloser Befehl und eine aussichtslose Aufgabe. Die Toten durften nicht vergessen werden, aber er musste jetzt seine Aufmerksamkeit den Lebenden widmen.

Geary hob die Hand, um weitere Befehle zu versenden, als er beim Blick auf sein Display die Invincible sah, die wegen ihrer immensen Größe nur mit Mühe ihre richtige Position einnahm.

Die Invincible. Keiner der Angreifer hatte sie angegriffen. Waren die Schiffe, die sich die Invincible vornehmen sollten, früh genug zerstört worden, sodass ihre Flugbahn nicht bis zu ihr reichte?

Oder hatten sie die Invincible gar nicht treffen sollen? Weil die Syndiks das Schiff haben wollten? Er wusste, sie hatten es darauf abgesehen, was bedeuten konnte …

»Tanya! Captain Desjani!«

Sie hörte ihn, noch bevor sich die Luke hinter ihr schließen konnte. Die ging sofort wieder auf, und fast genauso schnell war Desjani zurück auf ihrem Platz. »Was ist?«

»Ich glaube, Sie sollten besser auf der Brücke bleiben.« Er betätigte eine Komm-Taste. »Admiral Lagemann, halten Sie den Alarmzustand auf der Invincible bei.« Die nächste Taste. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Bleiben Sie in voller Gefechtsbereitschaft.«

Desjani betrachtete ihr Display. »Was haben Sie gesehen?«

»Es ist mehr das, was ich nicht sehe.«

»Glauben Sie, die haben noch was anderes geplant? Ein nächster Angriff, der ebenfalls scheitern wird?«

»Das halte ich für so gut wie sicher. Sie haben uns in dieses System gelockt, damit sie uns mit diesen Kurierschiffen empfangen konnten. Aber selbst eine noch so optimistische Simulation dieser Konfrontation muss den Syndiks gezeigt haben, dass sie uns mit dem Selbstmordangriff nicht würden aufhalten können.«

»Aber was sollen sie planen, wenn da sonst nichts ist?«

»Admiral Geary!«, rief der Komm-Wachhabende in dem Moment, als der Alarm der Gefechtssysteme ertönte. »Die Invincible meldet, dass sie angegriffen wird.«

»Und schon ist es passiert«, fauchte Geary, als vor ihm ein virtuelles Fenster auftauchte.

»Wir haben Eindringlinge an Bord«, meldete Admiral Lagemann eilig, aber gelassen. Sein Gesicht war in Schatten getaucht, da der Bereich der Invincible, in dem er sich aufhielt, dunkel war und das einzige Licht von den Displays stammte. »Sie haben das herausgeschnitten, was sie für die zentrale Komm-Leitung hielten, aber das war eine der Attrappen.«

»Sie hatten auch noch eine zentrale Pseudo-Komm-Leitung?«, fragte Geary verwundert und gab ein paar Befehle ein, woraufhin ein Display erschien, das ihm die Bilder der Marines an Bord der Invincible zeigte, während ein Fenster als Direktverbindung zu General Carabali angezeigt wurde.

»Aber natürlich«, sagte Lagemann leichthin, doch seine Sorge war ihm anzumerken. »Die Anzeigen des Enterkommandos sind immer noch verstreut und schwach. Sie müssen alle Tarnrüstung tragen, was bedeutet, dass es sich um Spezialeinsatzkräfte der Syndiks handelt. Wir wissen, sie sind an Bord, aber wir wissen nicht, wie viele es sind und wo genau sie sich befinden. Wir versuchen, Näheres herauszufinden, ohne sie erkennen zu lassen, wo wir uns tatsächlich aufhalten.«

»Sie und Major Dietz haben auf jeden Fall die Lage sehr zutreffend eingeschätzt. Was ist mit Ihren Wachposten? Haben Sie sie verloren?«

»Nein«, erwiderte Lagemann und lächelte schwach. »Die waren nicht da, weil wir uns zusammen mit ihnen zurückgezogen haben, als die Selbstmordattentäter auf uns zurasten. Vielleicht war das ja ein Teil ihres Plans, um an Bord zu gelangen. Aber mir soll es recht sein. Sonst hätten wir vielleicht einen Trupp Marines verloren, ehe uns klar war, dass wir es mit getarnten Eindringlingen zu tun haben. So sind die Marines jetzt bei mir und befinden sich in voller Gefechtsbereitschaft.«

Geary wurde abgelenkt, gerade als er etwas erwidern wollte, da Desjani in diesem Moment einen wüsten Fluch ausstieß, von dem er nicht gedacht hätte, dass sie ihn kannte.

Dann redete sie auch schon wutentbrannt weiter: »Ein Ablenkungsmanöver! Diese verdammten Selbstmörder waren nur ein Ablenkungsmanöver! Während wir mit ihnen beschäftigt waren, sind die mit getarnten Shuttles zur Invincible geflogen und haben ihre Einheiten an Bord gebracht!«

»Ja, die Orion ist für ein Ablenkungsmanöver gestorben«, bestätigte Geary, der sich wunderte, dass diese Erkenntnis seinen Zorn nicht wieder aufflammen ließ. Aber das lag wohl daran, dass er innerlich nur eine eisige Kälte spürte. »Die Syndik-Shuttles müssen sich immer noch in der Nähe der Invincible befinden.« Es gab ein Manöver, um einer solchen Bedrohung zu begegnen, eine vorbereitete Operation, zu der er nur den Befehl geben musste. »Such- und Zerstörungsmuster Sigma.« Er tippte auf die Komm-Kontrolle. »An alle Leichten Kreuzer und Zerstörer der Ersten Flotte, führen Sie sofort das Such- und Zerstörungsmuster Sigma durch. Referenzpunkt für die Suche ist die Invincible. Gesuchte Ziele sind getarnte Syndik-Shuttles. Machen Sie sie ausfindig, und zerstören Sie jedes Shuttle, auf das Sie stoßen.«

»Such- und Zerstörungsmuster Sigma?« Desjani überprüfte ihre Datenbank. »Davon habe ich noch nie gehört. Wie alt ist das?«

»Über hundert Jahre«, antwortete Geary. »Aber es findet sich im Steuersystem eines jeden Schiffs dieser Flotte. Man muss es nur eingeben, und die automatisierten Steuersysteme bringen die richtigen Schiffe an ihren korrekten Platz auf der Grundlage der Anzahl der Schiffe, über die die Formation für diese Mission verfügt.«

»Das sind aber viele Schiffe«, meinte Desjani und sah missmutig auf ihr Display.

Jeder Zerstörer und jeder Leichte Kreuzer der Ersten Flotte, insgesamt rund zweihundert Schiffe, setzte zu einem Suchmuster an, das sich mit dem der anderen Schiffe überschnitt, um das Gebiet rund um die Invincible sowie den Weg abzusuchen, auf dem sie hergekommen war. Getarnte Shuttles waren sehr schwer aufzuspüren, vor allem wenn sie sich nicht bewegten. Aber wenn Hunderte von Schiffen gleichzeitig suchten und ihre Sensordaten von den Gefechtssystemen der Flotte automatisch zusammenführten und verglichen, dann würde selbst die beste Tarntechnologie Schwierigkeiten haben, alle Anomalien zu vermeiden, auf die die Gefechtssysteme anspringen würden.

Hätte ich doch nur Zeit genug gehabt, dieses Suchmuster als Abwehrmaßnahme durchführen zu lassen, bevor die Syndiks die Invincible entern konnten, dachte Geary missmutig. Aber es war ja der Sinn und Zweck dieses Selbstmordangriffs gewesen, uns zu beschäftigen und uns davon abzuhalten, andere Bedrohungen in Erwägung zu ziehen.

»Sie befinden sich an der Pseudo-Maschinenkontrolle«, berichtete Admiral Lagemann. »Die Lamarr-Sensoren an der Hauptschleuse melden, dass versucht worden ist, sie zu täuschen. Und … der Persische Esel sendet nicht mehr.«

Ein Ablenkungsmanöver außer Gefecht gesetzt. Geary musste gegen ein absurdes Gefühl der Trauer ankämpfen, das den »Tod« des treuen und listigen kleinen Esels der Marines betraf.

»Was ist mit der Pseudo-Brücke?«

In einem neuen Fenster tauchte Major Dietz auf, der die volle Gefechtsmontur trug. »Das Syndik-Enterkommando hätte beide Ziele gleichzeitig ausschalten müssen, aber vermutlich kam es zu Verzögerungen, weil sie keinen korrekten Deckplan dieses Schiffs besitzen. Oh, da melden sich gerade die Lamarr-Sensoren auf der Pseudo-Brücke. Die Pseudo-Brücke ist ihnen auch in die Hände gefallen, und dieser Esel ist ebenfalls tot.«

»In unserem Abschnitt hier läuft alles mit minimaler Energie«, sagte Lagemann. »Wir tragen unsere Schutzanzüge, deshalb konnten wir die Lebenserhaltung abschalten, außerdem alle anderen Systeme, die für die Kommunikation und die Überwachung der Eindringlinge nicht benötigt werden. Die werden Mühe haben, uns zu finden, und wenn sie es schaffen, werden sie von den Marines erwartet.«

»Admiral Lagemann«, sagte Geary. »Die Invincible darf nicht diesen Syndik-Soldaten in die Hände fallen.«

»Das wird nicht passieren«, versicherte ihm Major Dietz. »Ich lasse eine Kompanie zurück, damit sie zusammen mit den Matrosen diesen Bereich hier bewacht.« Es gelang ihm, keinen Spott bei dem Gedanken durchklingen zu lassen, Matrosen könnten ernsthaft eine Unterstützung für Marines sein. »Die andere Kompanie nehme ich in Trupps aufgeteilt mit zu den Pseudo-Bereichen, die von den Syndiks eingenommen wurden. Falls sie Atombomben an Bord gebracht haben, werden sie sie sehr wahrscheinlich dort irgendwo bewacht aufbewahren. Wir können keine Leute in Tarnanzügen jagen, jedenfalls nicht mit so wenigen Marines in einem so riesigen Schiff. Aber wir können den Bewachern das Leben schwermachen und mit etwas Glück die Sprengköpfe in unsere Gewalt bringen.«

»Konnten Sie bestätigen, dass sich Syndik-Atomwaffen an Bord befinden?«, wollte Geary wissen.

»Nein, Admiral. Das ist nach wie vor nur eine Spekulation über die Pläne des Feindes. Ich empfehle, dass wir von der Annahme ausgehen, dass diese Syndiks mindestens eine Atombombe mitgebracht haben.«

»Ihre Einschätzungen waren bislang alle extrem präzise, Major Dietz, und ich weiß Ihre Empfehlung zu schätzen. Admiral Lagemann, General Carabali, wir gehen auf der Grundlage der Annahme vor, dass die Syndiks nukleare Bomben auf die Invincible mitgebracht haben.«

General Carabalis Verbindung war zum Leben erwacht, und sie nickte jetzt als Reaktion auf Gearys Worte. »So gehen wir vor, Admiral. Bitte um Erlaubnis, Verstärkung auf die Invincible zu bringen.«

»An wie viele Leute hatten Sie gedacht?«

»Alle von der Tsunami«, antwortete sie. »Fast achthundert Marines. Sobald die Tsunami sich der Invincible nähern kann, möchte ich auch die Typhoon heranholen, falls deren Marines auch noch benötigt werden.«

»Erlaubnis erteilt. Schaffen Sie diese Marines schnell auf die Invincible

»Verstanden, Admiral. Wir gehen rein.«

Geary wandte sich an Major Dietz. »Haben Sie das mitbekommen? Viele von Ihren Freunden sind auf dem Weg zu Ihnen.«

»Ja, Sir.« Dietz betrachtete eines der düsteren Displays vor sich. »Ein weiterer Lamarr-Sensor in einem der Korridore hat sich abgeschaltet. Sie suchen nach uns. Ich schicke meine Leute raus, damit sie uns etwas leichter finden können. Zwei Trupps begeben sich zur Pseudo-Maschinenkontrolle, zwei weitere zur Pseudo-Brücke. Wenn unser Gegenangriff beginnt, wird es sie auch davon ablenken, dass noch viel mehr Marines an Bord kommen.« Er wollte sich wegdrehen, hielt aber inne und zog eine verdutzte Miene. »Schüsse? Admiral, unsere Sensoren melden, dass in einem Bereich Waffen abgefeuert werden, wo sich niemand von uns aufhält.«

»Vielleicht schießen sie ja auf Schatten«, gab Admiral Lagemann zu bedenken.

»Auf Schatten? Das müssen Spezial-Einsatzkräfte sein. Vielleicht sogar diese Sicherheitsfanatiker, gegen die ich einmal gekämpft habe. Vipern. Das sind harte, bestens geschulte Leute. Die würden nicht auf Schatten schießen …« Mit einem Mal veränderte sich Dietz’ Gesichtsausdruck. »Die Standardvorgehensweise beim Einsatz von Tarnanzügen ist es, einzeln vorzurücken, manchmal auch in Gruppen von zwei oder höchstens drei. Selbst wenn sie mit einem ganzen Bataillon an Bord gekommen wären, würden sie sich nur dann in einer größeren Gruppe bewegen, wenn sie sich ihrem Ziel nähern. Vermutlich handelt es sich aber insgesamt um höchstens eine Kompanie.«

»Und?«

»Die Geister, Admiral! Diese Syndiks sind allein oder zu zweit im Schiff unterwegs, während wir uns nicht unter Truppstärke durch das Schiff bewegen. Einer von ihnen muss die Nerven verloren und auf etwas gefeuert haben, was gar nicht da ist!«

»Ist es nicht von Nutzen, wenn sie in Panik geraten?«, fragte Geary.

»Normalerweise ja«, entgegnete Major Dietz und gab sich unüberhörbar sehr große Mühe, die Geduld zu bewahren, während er etwas erklärte, was seine Vorgesetzten längst selbst hätten merken müssen. »Aber nicht, wenn sie Atombomben mit sich führen.«

Abrupt schnappte Geary nach Luft. Isoliert operierende Soldaten mit Nuklearwaffen, die von ganzen Scharen geisterhafter Kreaturen angegriffen werden. »Halten Sie sie auf, bevor die durchdrehen und das ganze Schiff hochgehen lassen!«, befahl er Major Dietz und General Carabali.

»Das haben wir vor, Admiral«, sagte Carabali und wandte sich an Dietz: »Rücken Sie aus, sobald Sie bereit sind.«

»Da ist einer!«, riefen Desjani und Lieutenant Castries gleichzeitig und verwirrten Geary einen Moment lang.

Dann schaute er auf sein Display und stellte fest, dass das Symbol für ein Syndik-Shuttle flackerte, da die Flottensensoren die winzigen Hinweise auf seine Existenz entdeckt hatten. Einer der in nächster Nähe befindlichen Leichten Kreuzer fand eine Feuerkontrolllösung, gleich darauf jagte ein einzelner Höllenspeer auf das Shuttle zu.

Der Höllenspeer landete einen Treffer, im nächsten Moment wurde das Gefährt sichtbar, da die Energie an Bord ausfiel und sich die aktiven Tarnsysteme abschalteten. Ein halbes Dutzend Höllenspeere mehr trafen ins Ziel und rissen das Shuttle in Stücke.

»Da ist noch eins«, sagte Desjani, als das nächste Symbol aufleuchtete. »Mit dieser Suchformation haben wir sie in der Falle. Wenn sie sich nicht bewegen, ist es nur eine Frage der Zeit. Wenn sie sich bewegen, bekommen wir sie umso schneller.«

Es kostete Geary wirklich Mühe, sich von der Suche nach den Shuttles loszureißen und nicht sofort wieder zur Situation an Bord der Invincible zurückzukehren, sondern sich stattdessen erst einmal auf die gesamte Lage und auf die gesamte Region zu konzentrieren. »Die Selbstmordpiloten waren zumindest zum Teil ein Ablenkungsmanöver«, wandte er sich an Desjani. »Aber vielleicht wollen sie uns mit dem Enterkommando an Bord der Invincible auch nur ablenken.«

Desjani verkniff sich eine wütende Erwiderung und dachte nach. »Das könnte sein. Allerdings kann ich nichts entdecken, und niemand ist in der Lage, ein Schiff, das größer ist als ein Shuttle, so gut zu tarnen, dass unsere Sensoren es nicht entdecken würden. Jedenfalls kann das kein Mensch, und ich möchte bezweifeln, dass die Tänzer ihre Tarntechnologie mit den Syndiks geteilt haben.«

Bei den nächsten sichtbaren Schiffen handelte es sich durchweg um Syndik-Frachter, und die waren alle weiter als eine halbe Lichtstunde von den Allianz-Kriegsschiffen entfernt. Geary ließ sich Zeit damit, sein Display zu studieren, aber er wurde nicht fündig. »Captain Desjani, ich möchte sehen, was auf der Invincible passiert.«

»Kann ich gut verstehen. Lieutenant Castries«, rief Desjani. »Behalten Sie im Auge, wie viele getarnte Shuttles abgeschossen werden. Ich beobachte in der Zeit alles andere, während der Admiral den Angriff der Syndiks auf die Invincible mitverfolgt.« Leiser fügte sie hinzu: »Machen Sie ruhig. Wir haben hier alles im Griff.«

»Geben Sie mir Bescheid, wenn Ihnen irgendetwas auffällt …«

»Ich kämpfe schon seit mehr Jahren gegen die Syndiks als Sie, Black Jack! Ich weiß, was ich zu tun habe.«

»Ja, Captain«, sagte er. »Ich muss erst noch alles lernen.« Er konzentrierte sich auf das Geschehen an Bord der Invincible, während Lieutenant Castries die Zerstörung von zwei weiteren getarnten Shuttles meldete.

Die Invincible war im Augenblick das wichtigste Thema von allen. Nur von dort konnte ein weiterer verheerender Schlag gegen diese Flotte ausgehen, wenn es den Syndiks gelingen sollte, das Schiff zu sichern und dann zu drohen, es von innen heraus zu zerstören.

Da nur zwei Kompanien an Bord der Invincible unterwegs waren, konnte er nur aus relativ wenigen Übertragungsbildern auswählen. Die Hälfte der Bilder war zudem praktisch stationär, da die Marines zu Einheiten gehörten, die irgendwo im Schiff Verteidigungspositionen eingenommen hatten.

Der Rest war in Bewegung, und von ihnen wählte Geary eines aus, das von der Helmkamera einer Truppführerin übertragen wurde.

Das Fenster, das sich beim Antippen öffnete, zeigte ihm das gleiche Bild, das auch die Marine sah, einschließlich aller Symbole ihres eigenen Helmdisplays. Zu sehen war ein dunkler, leerer Gang an Bord der Invincible. Unwillkürlich lief Geary ein Schauer über den Rücken, da er an die Geister der Kiks denken musste, die sich in diesen Gängen herumtrieben.

Die Marine, deren Bild er sah, war ebenfalls nervös. Ihr Blick zuckte ständig hin und her, immer auf der Suche nach einem Hinweis auf die unsichtbaren Eindringlinge. Aber sie sprach mit fester Stimme, während sie bei Schwerelosigkeit ihre Leute durch das Labyrinth aus Gängen führte. »Nicht so schnell. Die sind komplett getarnt. Wartet auf die Anzeigen. Ski, wachen Sie auf, und halten Sie verdammt noch mal Ausschau auf der Sechs.«

»Bin dabei, Sarge.«

»Von wegen.«

Die Marines hangelten sich von einem Handgriff zum nächsten und schwebten durch einen dunklen Korridor bis zu einem Abzweig, wo sie links abbogen und sich eine Leiter hinaufzogen, die eindeutig für Wesen mit kleineren Füßen und kürzeren Beinen konstruiert war. Dann ging es weiter durch den nächsten Korridor. Die Marines, die dank ihrer Patrouillengänge längst mit dem Grundriss des fremden Schiffs vertraut waren, mussten nur hin und wieder einen Blick auf den Deckplan werfen, der auf ihren Helmschilden dargestellt wurde. »Jetzt Vorsicht«, warnte die Truppführerin. »Der Major sagt, sie sind hier in diesem Bereich.«

»Sarge, da kommt was auf uns zu!«

»Ich nehme keine Bewegung wahr, Tecla.«

»Da. Sehen Sie. Wie jemand, der getarnt ist und der sich viel schneller bewegt, als er eigentlich sollte. Jemand, der von etwas abprallt.«

»Hab ihn. Sie kommen in unsere Richtung. Vorsicht, wenn sie um die Ecke kommen.«

Aber der unsichtbare Syndik-Soldat kam nicht um die Ecke. Vielmehr musste er beim zügigen Laufen nach hinten gesehen haben, da durch den Korridor ein dumpfer Knall hallte, der davon herrühren musste, dass der Syndik gegen das Schott geprallt war, als es ihm nicht gelungen war, sich schnell genug umzudrehen.

»Hab ihn!«, brüllte einer der Marines und eröffnete das Feuer.

Treffer prallten von etwas Unsichtbarem ab, dann nahm das Bild eines Menschen in Kampfpanzerung Gestalt an, und im nächsten Moment wurde der Syndik von einem Dutzend Geschossen durchsiebt, noch bevor er reagieren konnte.

Geary rieb sich die Augen und versuchte sich vorzustellen, was der Syndik wohl gesehen hatte. Kiks, die von allen Seiten auf ihn zustürmten. Echte Geister oder etwas, das von einer letzten Verteidigungsmaßnahme in der Struktur des Schiffs erzeugt wurde, so wie Captain Smythe spekuliert hatte? Was immer es war, es fühlte sich eindringlich genug an, um einen Menschen nervös werden zu lassen.

Er schaltete um zu einem anderen Truppführer, der sich dem Pseudo-Maschinenkontrollraum näherte. Die Marines rückten in Schüben vor, wobei immer mehrere von ihnen die Kameraden sicherten, die sich soeben nach vorn zogen. Hatten die ihre anvisierte Position erreicht, wechselten sie die Rollen und gaben den anderen Rückendeckung, damit sie ihnen folgen konnten. Es war nicht die schnellste Fortbewegungsmethode, aber wenn man mit unsichtbaren Gegnern zu tun hatte, konnte Geary gut verstehen, dass Sicherheit vor Eile ging, um das Abteil zu erreichen.

Der Trupp war an einem Abzweig angelangt, an dem sich die Luftschleuse befand, die in das Pseudo-Abteil führte. Der Truppführer schob die Fingerspitze über die Kante des Seitengangs, damit die in der Kuppe eingearbeitete Minikamera ihm zeigte, was sie hinter der nächsten Ecke erwartete.

Offenbar gar nichts. Die Luftschleuse stand offen, niemand war zu sehen.

»Warum haben die die Schleuse offen gelassen, Sarge?«, fragte einer der Marines.

»Damit wir da reingehen«, antwortete der Sergeant. »Ein uralter Trick. Lass eine Tür offen, und hoff darauf, dass jemand durchmarschiert, ohne sich zu fragen, wieso sie eigentlich offen ist. Sie glauben gar nicht, wie oft noch immer Leute darauf reinfallen.«

»Und was machen wir jetzt, Sarge?«

»Major?«

Major Dietz reagierte sofort auf den Ruf des Sergeant. »Wir müssen so schnell wie möglich in den Raum dahinter, Sergeant Cortez. Wenn die Syndiks Atombomben mitgebracht haben, dann befindet sich eine von ihnen vermutlich genau dort. Sie müssen so schnell wie möglich überwältigt werden.«

»Verstanden, Sir. Trupp, wir setzen Sprunggranaten ein, um sie da rauszuholen und um ihre Tarnung aufzuheben. Feuerteam eins und zwei, Granaten bereithalten. Stellen Sie sie auf Staub ein.«

»Staub, Sarge? Nicht Schrapnell?«

»Sie haben mich gehört. Wollt ihr Jungs erst noch mal um die Ecke gucken?«

»Ja, Sarge.«

Der Sergeant schob wieder den Finger über die Kante und ließ das Bild auf die Helmdisplays seines Trupps übertragen.

Was ist eine Sprunggranate?, überlegte Geary. Er überflog das Display des Marines und entdeckte eine Auflistung der Waffen. Er markierte das Symbol für die Sprunggranaten und erhielt eine Beschreibung sowie ein Bild geliefert. Es handelte sich um eine Granate, die mit einer extrem nachgiebigen Hülle überzogen war, dick genug, um das explosive Objekt wie einen Gummiball umherspringen zu lassen.

»Alles gesehen?«, fragte der Sergeant und zog seinen Finger zurück. »Und alles klar?«

»Ja, Sarge. Sieht nach einer Leichtigkeit aus. Ich habe schon im Schlaf schwierigere Sprünge erledigt.«

»Verbockt mir das nicht. Wenn ich den Befehl gebe, feuert ihr in Sequenzen in genau dieser Reihenfolge: Denny, Lesperance, Gurganus, Taitano, Caya, Kilcullen. Verstanden?«

Sechs Marines bejahten.

»Ihr übrigen Affen haltet euch bereit. Achtung«, sagte Sergeant Cortez. »Fertig. Feuer. Feuer. Feuer. Feuer. Feuer. Feuer.«

Jeder genannte Marine feuerte eine Granate ab, als er an der Reihe war. Geary sah zu, wie die Granaten vom gegenüberliegenden Schott in hohem Bogen abprallten, gegen das andere Schott flogen, dort ebenfalls abprallten und nach einem weiteren Abpraller in den Pseudo-Maschinenkontrollraum geschleudert wurden. Jetzt wurde Geary auch klar, warum diese Granaten in kurzen Intervallen abgefeuert wurden, da sie sich sonst in die Quere hätten kommen können, wobei sie unter Umständen ihre Flugrichtung geändert hätten. So dagegen lief es reibungslos ab, und die Granaten detonierten erst, als sie in das Abteil hineinflogen.

»Los!«, brüllte Sergeant Cortez und schickte seine Leute nach vorn.

Geary konnte beobachten, wie die Marines um die Ecke stürmten und auf die offene Schleuse zuhielten, durch die ihnen dichte Staubwolken entgegenquollen.

Vage Umrisse tauchten inmitten des Staubs auf, die aus dem Abteil gestürmt kamen. Es waren die wabernden Umrisse von Menschen in Gefechtspanzern, deren Unsichtbarkeit durch den Staub aufgehoben wurde. Offenbar war ihnen selbst das auch bewusst, denn sie eröffneten sofort das Feuer und trafen einen Marine, doch dann wurden sie von Dutzenden Geschossen getroffen und niedergestreckt.

Die Marines veränderten unablässig ihre Position, als sie das Abteil stürmten, das Geary trotz seines Besuchs nicht wiedererkannte, da es jetzt dicht mit Staub gefüllt war. Ihm wurde klar, warum die Granaten so eingestellt worden waren, dass ihre Hülle sich bei der Detonation in feines Pulver verwandelte, ließen sich so doch die Vorteile der Syndik-Tarnkleidung neutralisieren. Schemen kamen im wirbelnden Staubnebel zum Vorschein, die sofort von Schüssen durchsiebt wurden. Das Bild, das von der Rüstung des Sergeants übertragen wurde, wackelte wild, als der Marine getroffen und gegen eine Wand geschleudert wurde, an der er langsam entlangtrieb.

Schnell schaltete Geary auf einen anderen Marine um und wählte den Corporal, der jetzt der Truppführer war. Zwei weitere Schüsse hallten durch das Abteil, dann wurde alles ruhig, während die Staubwolken nach weiteren noch verbliebenen Gegnern durchsucht wurden.

»Sarge ist getroffen! Sieht übel aus.«

»Sehen Sie zu, was Sie für ihn tun können«, befahl Corporal Maksomovic. »Was ist mit Tsing?«

»Tot.«

»Verdammt. Haben irgendwelche Syndiks überlebt?«

»Falls ja, dann werden sie nicht mehr lange …«

»Verdammt, Cayy, wenn Sie oder sonst jemand auf einen Syndik stößt, der noch atmet, dann werden Sie dafür sorgen, dass er auch weiterhin atmet! Wir haben den Befehl, Gefangene zu machen, damit wir sie verhören können, und Sie werden diesen Befehl verdammt noch mal ausführen!«

»Schon gut, schon gut, Mack. Hey, die hier ist noch … nein, doch nicht mehr.«

Geary konnte sehen, wie Corporal Maksomovic neben einer Gestalt in Syndik-Rüstung trieb, deren Tarnvorrichtung komplett ausgefallen war. »Können wir sie wiederbeleben und bergen?«

»Nicht mit einem so riesigen Loch im Körper. Ich versteh nicht, wie sie überhaupt so lange durchhalten konnte.«

»Hey, Mack, ich habe die Atombombe gefunden, nach der wir suchen sollten!«

»Nicht anfassen, Uulina!« Das Bild bewegte sich hastig und konzentrierte sich dann auf einen gedrungenen Zylinder, der in einer Ecke des Abteils verankert worden war. Auf dem Helmdisplay des Corporal identifizierte sein Gefechtssystem automatisch die feindliche Waffe und zeigte alle wesentlichen Informationen an. »Major, wir haben eine bestätigte Nuklearwaffe entdeckt.«

Major Dietz klang erleichtert und besorgt zugleich. »Ist sie scharf?«

»Ähm … Zündschalter.« Corporal Maksomovics Helmdisplay hob den Teil der Waffe hervor, auf den er sah, dann wurde ihm eine Zeichnung gezeigt, die die Ein- und Aus-Stellung des Schalters darstellte. »Nein, Sir. Zündschalter ist nicht umgelegt worden.«

»Und der Timer?«

»Nein, Sir. Timer läuft nicht.«

»Gute Arbeit. Bewachen Sie das Ding, während wir einen Waffeningenieur ranschaffen, der Ihnen erzählen wird, wie Sie es unschädlich machen können. Und achten Sie ja darauf, dass die Syndiks nicht versuchen, die Bombe wieder an sich zu nehmen.«

»Ja, Sir. Major, wir haben einen Verletzten …«

»Haben wir gesehen. Es ist ein weiterer Trupp mit zwei Flottensanitätern auf dem Weg. Lassen Sie auf keinen Fall die Bombe wieder in die Hände der Syndiks fallen.«

»Danke, Sir. Habe verstanden. Wir bewachen die Bombe um jeden Preis. Also gut, ihr Affen«, redete der Corporal weiter. »Feuerteams mit gerader Nummer bewachen die offene Schleuse, die anderen die geschlossene Schleuse. Drängt euch nicht auf einen Haufen, sonst können die euch ganz leicht abknallen! Ausschwärmen! Kilcullen, sehen Sie mal, was Sie für den Sergeant tun können, bis die Sanitäter hier eintreffen.«

»Und was machen Sie, Mack?«

»Ich stelle mich neben die Bombe und passe auf, dass sich ihr niemand nähert. Sie achten auf Syndiks, ich kümmere mich um das Ding hier.«

Eine andere Stimme war zu hören, und Geary begriff, dass es sich um den Seniorkommandokanal der Marines handelte. »Wie geht es voran, Vili?«, fragte General Carabali.

»Ich habe alles im Griff«, erwiderte Major Dietz. »Kommandobereich gesichert, Gegenangriff läuft. Die Pseudo-Maschinenkontrolle haben wir zurückerobert, die Pseudo-Brücke ist als Nächstes an der Reihe.«

»Das habe ich gesehen. Also gut, an alle: Major Dietz bleibt der Befehlshaber vor Ort. Sobald Sie an Bord der Invincible gehen, nehmen Sie Ihre Befehle von ihm entgegen.«

Captains und Lieutenants, die die von der Typhoon kommenden Kompanien und Züge befehligten, antworteten mit einem Chor aus zustimmenden und bestätigenden Lauten. Major Dietz begann sofort Befehle auszugeben, mit denen er die Einheiten auf die verschiedenen Decks und auf die Korridore verteilte, damit sie einen Kordon bildeten, der die Invincible durchkämmen würde. »Die kleinste Operationseinheit ist der Trupp«, sagte Dietz. »Keine kleinere Einheit hat sich eigenständig durch das Schiff zu bewegen.«

»Trupp?«, wiederholte irgendein Captain nahezu erschrocken.

»Sie werden es verstehen, wenn Sie tiefer in das Schiff vorgedrungen sind«, antwortete der Major. »Postieren Sie einen kompletten Zug an der Luftschleuse, welche die Syndiks benutzt haben, um an Bord zu gelangen. Halten Sie sich bereit, dass der eine oder andere versuchen wird, auf dem Weg nach draußen zu kommen.«

»Nach draußen kommen? Wohin denn? Da haben zwar ein paar Shuttles gewartet, aber die werden gerade eines nach dem anderen abgeschossen.«

»Das werden Sie verstehen, wenn Sie sich im Inneren des Schiffs befinden«, wiederholte Major Dietz. »Glauben Sie mir, die Syndiks werden es verlassen wollen. Seien Sie darauf gefasst, dass sie bei einem Angriff sogar zu allen Mitteln greifen werden, weil sie unbedingt die Luftschleuse erreichen wollen.«

»Major, wir haben die Pseudo-Brücke eingenommen«, meldete ein Lieutenant. »Hier ist noch eine Bombe, aber kein einziger Syndik.«

»Wie war das? Kein Syndik?«

»Nein, Sir. Ich habe meine Leute eine Wand bilden und sie von einer Seite des Abteils bis zur anderen gehen lassen. Hier halten sich keine Syndiks versteckt.«

»Sie haben eine Atombombe unbewacht zurückgelassen?«, rief ein Captain verblüfft. »Die … hä? Was ist das? Wer ist da?«

Geary überprüfte die Position des Captains und stellte fest, dass der sich tief im Inneren der Invincible aufhielt.

»Major, was hält sich hier noch auf?«, wollte eine sehr beunruhigte Stimme wissen.

»Nichts, was Ihnen etwas antun könnte«, antwortete Dietz. »Behalten Sie Truppformation bei. General, die neuen Truppen haben sich noch nicht an die Umgebung in der Invincible gewöhnt. Das könnte sich zu einem ernsteren Problem als erwartet entwickeln.«

»Bringen Sie sie mit Ihren Leuten zusammen«, wies Carabali ihn an. »Machen Sie den Zug zur kleinsten Einheit, und sorgen Sie dafür, dass die Marines in jedem Zug in körperlichem Kontakt untereinander bleiben.«

Admiral Lagemann wandte sich an Geary: »Kriegführung in einem Geisterhaus. Ich dachte immer, es könnte keine noch schlimmere Form des Kriegs geben, aber jetzt haben wir sie tatsächlich entdeckt. Bei der ersten Atombombe in der Pseudo-Maschinenkontrolle waren sechs Syndiks anwesend. Wenn die andere Gruppe genauso groß war, dann wird sie zu klein gewesen sein, um den mentalen Druck der Kik-Geister auszuhalten oder wie man dieses Phänomen auch bezeichnen will.«

»Sie glauben, die sind einfach weggelaufen?«

»Das halte ich für wahrscheinlich. Sehen Sie sich doch nur an, was mit den neuen Marines geschieht, die eben an Bord gekommen sind. Und die waren überall in Truppstärke unterwegs, also doppelt so viele Leute wie die Syndiks, die die zweite Bombe im Stich gelassen haben.«

An mehreren Stellen leuchteten Alarmsymbole auf, zum Teil, weil dort Marines mit Syndik-Eindringlingen kämpften, zum Teil, weil Syndiks auf Geister geschossen haben mussten und so den Marines ihre Position verrieten.

Jene Marines, die von der Typhoon auf die Invincible übergewechselt waren, bewegten sich nun langsamer als noch zu Beginn, und sie drehten sich immer häufiger um und warfen einen forschenden Blick hinter sich, während sie durch die leeren, dunklen Gänge des erbeuteten Kik-Kriegsschiffs zogen. Von Zeit zu Zeit feuerten sie Salven auf mögliche Feinde ab, die gar nicht existierten.

»Wir haben Meldungen!«, rief irgendjemand.

Wieder wechselte Geary die Ansicht und entschied sich für die Helmkamera des Marine-Lieutenant, dessen Zug die Luftschleuse bewachte. Einer seiner Marines fuchtelte aufgeregt. »Nach der Bewegung zu urteilen, drei oder vier! Sie kommen so schnell in unsere Richtung, dass die Ausrüstung erfassen kann, wie sie sich von den Wänden abstoßen.«

»Nebeln Sie den Korridor ein«, befahl der Lieutenant.

Einnebeln bedeutete in diesem Fall mehr Staub. Die Granaten gingen in einer Serie von Detonationen hoch, die für einen Moment den dunklen Gang erhellten, ehe die Staubwolken verhinderten, dass irgendwelches Licht den Korridor durchdrang. Sekunden später wurde der Staub verwirbelt, und mehrere Gestalten kamen durch die Wolke geflogen. Die Marines eröffneten das Feuer und töteten die Syndiks, deren Körper von den Treffern aus ihrer ursprünglichen Flugbahn geworfen wurden.

»Was war denn das?«, fragte der Zug-Sergeant den Lieutenant. »Die haben nicht mal versucht, auf uns zu schießen. Die sind einfach auf uns zugeflogen.«

»Da kommen mehr! Gleicher Gang!«

»Sie nehmen die umgekehrte Route, auf der sie ins Schiff vorgedrungen sind«, warnte Major Dietz.

Schüsse wurden abgegeben, eine ziellose Salve, gefolgt von mehreren Syndiks. Die feuerten in alle Richtungen wild drauflos, als sie aus der Staubwolke gestürmt kamen. Die Marines erwiderten das Feuer und töteten alle bis auf einen. Dieser letzte Syndik-Soldat war verwundet, aber er lebte noch. Als er den Rand der Luftschleuse erreichte, klammerte er sich daran und sah auf eine Weise nach draußen, als fürchte er, irgendetwas könnte ihn zurück in die Invincible zerren.

Ein Marine klatschte eine Verbindungseinheit auf die Rüstung des Syndiks, um mit ihm kommunizieren zu können. »Ergeben Sie sich, Mann! Deaktivieren Sie Ihre Systeme!«

»Nein!« Geary konnte den heulenden Tonfall des Mannes hören. »Die kriegen mich! Lassen Sie mich weg von hier! Lassen Sie mich da raus, wo ich in Sicherheit bin!«

»Da draußen ist nichts mehr! Wir haben all Ihre Shuttles abgeschossen!«

Der Syndik hielt sich weiter krampfhaft am Rand der Schleuse fest und ignorierte jeden Versuch, ihn zur Kapitulation zu bewegen.

»Schalten Sie die Systeme seiner Rüstung ab, und dann stellen Sie ihn ruhig.«

»Wenn wir einfach seine Systeme abschalten, bringen wir ihn womöglich um«, widersprach der Lieutenant. »Unser Befehl lautet, ein paar Gefangene zu nehmen.«

»Sir, wenn wir seine Systeme nicht abschalten und ihn nicht ruhigstellen, dann wird er sich noch selbst umbringen. Sie sehen, wie viele Treffer er eingesteckt hat. Wenn wir ihn nicht behandeln, wird er sterben.«

»Es ist ein Auswertungsteam auf dem Weg zu Ihnen«, mischte sich General Carabali ein. »Warten Sie, bis das Team da ist und den Syndik verhören kann. Es wird von einem medizinischen Team begleitet.«

»Wen kümmert es, ob ein Syndik mehr oder weniger stirbt?«, murmelte irgendjemand.

»Uns kümmert es, Private Lud«, antwortete Carabali in frostigem Tonfall. »Wir müssen nämlich wissen, wie viele Syndiks an Bord gegangen sind und wie viele Atombomben sie mitgebracht haben. Ist das klar?«

»J-ja, General«, stammelte der vorlaute Private Lud, auf den zweifellos noch einige unangenehme Unterhaltungen mit seinem Sergeant und seinem Lieutenant warteten, nachdem Carabali mit ihm fertig war.

Mehr und mehr Marines strömten an Bord der Invincible, aber angesichts der Größe dieses Schiffs und der Notwendigkeit, die Neuankömmlinge in nicht weniger als Zugstärke losziehen zu lassen, war es nicht möglich, alle Bereiche gleichzeitig zu sichern. Aber sie konnten einen Kordon bilden und in der Nähe der Luftschleuse und der Pseudo-Maschinenkontrolle sowie der Pseudo-Brücke die Decks durchsuchen.

»Ich würde sagen, wir haben die Invincible wieder so gut wie gesichert«, meinte Geary an Desjani gerichtet.

Als hätten die Lebenden Sterne nur auf eine solche Äußerung gewartet, um Gearys Stolz bestrafen zu können, meldete sich gleich darauf Admiral Lagemann bei ihm.

»Admiral Geary, wir haben soeben eine Mitteilung von einer Frau erhalten, die von sich behauptet, die Befehlshaberin der Enterkommandos zu sein. Sie sagt, sie hat eine Atombombe, und sie verlangt von uns, die Invincible umgehend zu evakuieren, sonst wird sie die Bombe zünden.«

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